Charles Gravier, Comte de Vergennes
(*
20. Dezember
1717
in
Dijon
; †
13. Februar
1787
in
Versailles
) war franzosischer Staatsmann.
Vergennes wurde von seinem Großonkel, Theodore Chevignard de Chavigny (1687?1771), im Jahr 1740 Botschafter in
Lissabon
, in den Diplomatenberuf eingefuhrt. Unter ihm versah er seinen ersten Dienst in Lissabon. Wegen seiner erfolgreichen Vertretung franzosischer Interessen am Hof von
Trier
im Jahr 1750 und den folgenden Jahren wurde er 1755 nach
Konstantinopel
geschickt, zunachst als Generalbevollmachtigter, dann als
Botschafter Frankreichs an der Hohen Pforte
. 1768 wurde er wegen einer angeblichen
Mesalliance
mit Madame Testa (der Witwe eines Chirurgen aus
Pera
) abberufen, tatsachlich aber, weil der franzosische Außen- und Kriegsminister
Choiseul
ihm nicht zutraute, eine Auseinandersetzung zwischen
Russland
und dem
Osmanischen Reich
zu provozieren. Nach Choiseuls Tod wurde er nach
Stockholm
berufen, mit Instruktionen, der Adelspartei der ?Hute“ mit Rat und Geld zur Seite zu stehen. Die Revolution, in der
Gustav III.
das Parlament entmachtete und sich so wieder zum Alleinherrscher machte (19. August 1772), war ein großer diplomatischer Triumph fur Frankreich.
Mit der Thronbesteigung
Ludwigs XVI.
wurde Vergennes franzosischer Außenminister. Im Allgemeinen war sein außenpolitischer Kurs von freundlichen Beziehungen zu Osterreich gepragt, verbunden mit einer Beschrankung der ehrgeizigen Plane
Josephs II.
Weiterhin spielte der Schutz des
Osmanischen Reiches
und eine konsequente Opposition gegen England eine Rolle. Sein Hass gegen England und sein Verlangen, die Niederlagen im
Siebenjahrigen Krieg
wieder wettzumachen, brachten ihn zu seiner Unterstutzung der
Vereinigten Staaten
im
Unabhangigkeitskrieg
. Die moralischen und finanziellen Konsequenzen dieser Entscheidung haben nicht wenig zur
Revolution von 1789
beigetragen.
Durch eine Reihe von Verhandlungen versuchte Vergennes, eine bewaffnete Neutralitat der Nordmachte sicherzustellen, und hatte damit schließlich bei
Katharina II.
Erfolg. Er gab den Forderungen
Beaumarchais
nach, dass Frankreich die Amerikaner geheim mit Waffen und Freiwilligen versorgen solle. 1777 informierte er die amerikanischen Bevollmachtigten, dass Frankreich die Republik anerkenne und willens sei, eine offensive und defensive Allianz mit dem neuen Staat zu bilden.
Innenpolitisch zahlte Vergennes zur alten Schule. Er intrigierte gegen
Necker
, den er als gefahrlichen Neuerer, als Republikaner, Auslander und Protestant betrachtete. 1781 wurde er Vorsitzender des Finanzconseils, und 1783 unterstutzte er die Nominierung
Calonnes
zum Generalkontrolleur. Vergennes starb noch vor der Einberufung der
Notabelnversammlung
, von der man sagt, dass er sie Ludwig XVI. vorgeschlagen habe.
- P. Fauchelle,
La Diplomatie francaise et la Ligue des neutres de 1780 (1776?83)
, Paris, 1893
- John Jay
,
The Peace Negotiations of 1782?83 as illustrated by the Confidential Papers of Shelburne and Vergennes
, New York, 1888
- L. Bonneville de Marsangy,
Le Chevalier de Vergennes, son ambassade a Constantinople
, Paris, 1894
- L. Bonneville de Marsangy,
Le Chevalier de Vergennes, son ambassade en Suede
, Paris, 1898
- A. Gautier,
Anne Duvivier, comtesse de Vergennes (1730?1798), ambassadrice de France a Constantinople
, Le Bulletin, Association des anciens eleves, Institut National des Langues et Civilisations Orientales (INALCO), novembre 2005, pp. 43?60.
- Marie de Testa & Antoine Gautier,
Deux grandes dynasties de drogmans, les Fonton et les Testa
, in Drogmans et diplomates europeens aupres de la Porte ottomane, editions ISIS, Istanbul, 2003, pp. 129?147.