Carl Freiherr du Prel
, auch
Karl Freiherr du Prel
oder
Baron Carl du Prel
(*
3. April
1839
in
Landshut
; †
5. August
1899
in
Hall in Tirol
) war ein deutscher
Philosoph
,
Schriftsteller
und
Okkultist
.
Carl du Prel war das funfte von acht Kindern des koniglichen
Advokaten
Maximilian Freiherr von du Prel (1800?1882) und der aus polnischem Adel stammenden Anna Sandrezcky (1804?1884).
[1]
Kurz nach seiner Geburt zog die Familie nach
Munchen
, wo Carl als Schuler der
koniglichen Pagerie
aufwuchs und 1858, der Familien-Tradition folgend, ein
Jura
-Studium begann. Dieses Studium brach er jedoch wegen des
Sardinischen Krieges
nach zwei Semestern ab, um sich bei der Bayerischen Armee zu verpflichten. Dort war er bis 1872 als Ausbilder und in der Verwaltung eines Gefangenenlagers tatig.
[2]
Zu seinen Freunden in dieser Zeit, mit denen er eine Art Geheimbund bildete, zahlten die Schriftsteller
Martin Greif
und
Heinrich Noe
, die Kunsthistoriker
Adolf Bayersdorfer
und
Robert Vischer
sowie die Maler
Wilhelm Trubner
und
Hans Thoma
.
[3]
Eine langjahrige intensive Brieffreundschaft, der er viel verdankte, pflegte er mit dem Philosophen
Eduard von Hartmann
.
[4]
Du Prel promovierte 1868
in absentia
an der
Universitat Tubingen
in Philosophie. Seine
Dissertation
hatte den Titel
Oneirokritikon: Der
Traum
vom Standpunkt des
Transzendentalen
Idealismus
. 1872 verließ er aus Gesundheitsgrunden das Militar und betatigte sich fortan als freier Autor.
[5]
Er verfasste viele Aufsatze und Bucher zu Themen der Philosophie, der
Asthetik
, der Literatur, der Astronomie und der Psychologie.
[6]
Mit einer Rezension von Hartmanns
Philosophie des Unbewussten
(1869) und mit seinem ersten Buch,
Der gesunde Menschenverstand vor den Problemen der Wissenschaft
(1872), in dem er Hartmann gegen einen Kritiker verteidigte, trat du Prel als engagierter Anhanger dieses Philosophen auf.
[7]
In
Der Kampf ums Dasein am Himmel ? Die Darwin’sche Formel nachgewiesen in der Mechanik der Sternenwelt
(1874) ubertrug er die
Deszendenztheorie
auf die Astronomie.
[8]
Dieses Buch wurde zwei Mal neu aufgelegt; die letzte Auflage hatte den Titel
Entwicklungsgeschichte des Weltalls
(1882). Daneben trug er mit vielen Aufsatzen zur Verbreitung der Abstammungslehre bei.
1880 heiratete du Prel die Witwe Albertine Schmid, geb. Baur (1853?1915), mit der er zwei Kinder, Gerhard (1882?1939) und Hildegard (1883?1968), hatte.
[9]
Dank des Vermogens, das sie aus erster Ehe mitbrachte, und seiner kleinen Invaliden-Pension konnte er sich fortan ganz seinen Studien widmen.
Hartmann hatte du Prel auf den Astronomen
Karl Friedrich Zollner
und auf den Philosophen
Lazar von Hellenbach
aufmerksam gemacht, die beide großen Einfluss auf du Prels weitere Entwicklung erlangten, nachdem sie sich 1877/78 dem
Spiritismus
zugewendet hatten.
[10]
Du Prel widmete sich nun, anknupfend an seine Dissertation, den Bewusstseinszustanden im Traum, bei der
Hypnose
, beim
Somnambulismus
und bei spiritistischen
Seancen
, die er oft in sonst ungebrauchlicher Weise zusammenfassend als ?
Mystik
“ oder ?
Okkultismus
“ bezeichnete.
[11]
Im August 1884 trat du Prel mit anderen Interessierten wie
Gabriel von Max
in Ambach der kurz zuvor gegrundeten
theosophischen
Loge Germania
bei und wurde gleich zum zweiten Vizeprasidenten der Loge ernannt.
[12]
Sein zugleich erschienenes Buch
Philosophie der Mystik
(vordatiert auf 1885) machte ihn zu einem Wortfuhrer in okkultistischen und spiritistischen Kreisen. Die
Theosophische Gesellschaft
verließ er allerdings schon im Februar 1886 wieder, nachdem gegen deren Stifterin
Helena Petrovna Blavatsky
Betrugsvorwurfe geaußert worden waren (siehe
Hodgson Report
) und Blavatsky diese nicht entkraften konnte.
[13]
Nach dem Erscheinen der
Philosophie der Mystik
und Hartmanns
Der Spiritismus
(1885) kam es zum Bruch mit dem langjahrigen Brieffreund und Forderer.
[14]
Der zentrale Konfliktpunkt waren die unterschiedlichen Ansichten uber das von beiden Denkern angenommene
Leben nach dem Tod
. Wahrend du Prel ein Fortbestehen der Individualitat postulierte, ließ Hartmann nur ein abstraktes Fortbestehen als Teil einer
monistischen
?Weltsubstanz“ gelten.
Im Herbst 1886 grundete du Prel mit
Wilhelm Hubbe-Schleiden
und Anderen die
Psychologische Gesellschaft
, die vor allem als Plattform fur du Prels Forschungen und daran anschließende philosophische Diskussionen gedacht war.
[15]
Du Prel wollte unter anderem durch Experimente mit Hypnose eine ?transzendentale Experimental-Psychologie“ begrunden und ?Tatsachen aus dem transcendentalen Gebiet“ einer wissenschaftlichen Anerkennung entgegenfuhren. Fur die ebenfalls 1886 von Hubbe-Schleiden gegrundete theosophische Zeitschrift
Sphinx
schrieb er regelmaßig Beitrage. Im selben Jahr lernte er den einflussreichen russischen Spiritisten
Alexander Aksakow
kennen, mit dem er bis zu seinem Tod zusammenarbeitete, wobei Aksakow vor allem wegen seiner Moglichkeiten, Experimente zu organisieren und zu finanzieren, fur du Prel von Bedeutung war.
[16]
1888 erschien das Buch
Die monistische Seelenlehre
, mit dem du Prel den
Dualismus
von Korper und Seele uberwinden wollte, indem er zu zeigen versuchte, dass das organisierende Prinzip des Korpers mit der denkenden Seele identisch sei.
[17]
Als Belege fur diese Ansicht fuhrte er unter anderem die bei spiritistischen Sitzungen zu verzeichnenden ?Tatsachen“ an. Noch im selben Jahr folgten
Mystik der alten Griechen
und eine kommentierte Ausgabe von
Immanuel Kants
Vorlesungen uber Psychologie
, in denen du Prel argumentierte, bei den antiken
Orakeln
und dem
Tempelschlaf
habe es sich um dieselben Bewusstseinszustande gehandelt, wie sie im modernen Spiritismus als ?Somnambulismus“ auftraten und untersucht wurden, und auch Kant habe bereits ein System der ?Mystik“ (im Sinne du Prels) entworfen, dem nur noch die experimentelle Bestatigung gefehlt habe.
[18]
In der
Psychologischen Gesellschaft
kam es bald zu grundsatzlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen du Prel und
Albert von Schrenck-Notzing
, der du Prels Interpretationen der untersuchten Phanomene skeptisch gegenuberstand und sich zunachst auf empirische Bestandsaufnahmen beschranken wollte.
[19]
1889 trat du Prel aus und grundete eine
Gesellschaft fur Experimentalpsychologie
, die bald in
Gesellschaft fur wissenschaftliche Psychologie
umbenannt wurde.
Carl du Prel starb 1899 im Alter von 60 Jahren wahrend eines Kuraufenthaltes in
Heiligkreuz
.
Von du Prel beeinflusst waren
Carl Gustav Jung
,
Wassily Kandinsky
und
Rainer Maria Rilke
.
[20]
Als Philosoph war du Prel stark gepragt durch Immanuel Kant,
Arthur Schopenhauer
und Eduard von Hartmann; daneben gab er sich als Anhanger
Charles Darwins
zu erkennen. Dem traditionellen
Christentum
und dem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Wissenschaft vorherrschenden
Materialismus
stand er kritisch gegenuber. Im Materialismus sah er die Ursache fur die zunehmende Kriminalitat, fur die steigende Selbstmordrate und fur das vermehrte Auftreten von
Geisteskrankheiten
. Du Prel setzte sich daher fur eine
spirituelle
Erneuerung ein, zu der er mit der Begrundung einer ?Transzendentalen Psychologie“ beitragen wollte.
[21]
Der Kernpunkt seiner Ansichten war die Anerkennung des
Unbewussten
, das in Traumen, in
Trance
, beim
Hellsehen
und bei der
telepathischen
Suggestion
zum Vorschein komme, aber gewohnlich als Schattenseite des Bewusstseins verborgen sei. Auf diesem Hintergrund befasste er sich mit derartigen ?okkulten“ Phanomenen und war damit einer der Vorlaufer der
Parapsychologie
. Durch wissenschaftliche Untersuchungen solcher Phanomene hoffte er, den Materialismus
empirisch
zu widerlegen.
- Der gesunde Menschenverstand vor den Problemen der Wissenschaft. In Sachen J. C. Fischer contra Hartmann
. Duncker, Berlin 1872
- Der Kampf ums Dasein am Himmel
. Denicke, Berlin 1874
- Dritte Auflage:
Entwicklungsgeschichte des Weltalls. Entwurf einer Philosophie der Astronomie
. Gunther, Leipzig 1882
- Unter Tannen und Pinien. Wanderungen in den Alpen, Italien, Dalmatien und Montenegro
. Denicke, Berlin 1875
- Psychologie der Lyrik. Beitrage zur Analyse der dichterischen Phantasie
. Gunther, Leipzig 1880
- Die Planetenbewohner und die
Nebularhypothese
. Neue Studien zur Entwicklungsgeschichte des Weltalls
. Gunther, Leipzig 1880; Reeken, Luneburg 2006,
ISBN 3-940679-03-8
- Die Philosophie der Mystik
. Gunther, Leipzig 1885
- Justinus Kerner
und die
Seherin von Prevorst
. Grieben, Leipzig 1886
- Das weltliche Kloster. Eine Vision
. Gunther, Leipzig 1887
- Die monistische Seelenlehre. Ein Beitrag zur Losung des Menschenratsels
. Gunther, Leipzig 1888
- Studien aus dem Gebiet der Geheimwissenschaften
. 2 Bande. Friedrich, Leipzig 1890/1891
- Neuausgabe, Band 1 als:
Unser magisches Weltbild ? Tatsachen und Probleme
. Bohmeier, Leipzig 2005,
ISBN 3-89094-456-6
- Neuausgabe, Band 2 als:
Praktische Experimente zur Hypnose, Psychologie und Metaphysik
. Bohmeier, Leipzig 2005,
ISBN 3-89094-483-3
- Das Kreuz am Ferner. Ein hypnotisch-spiritistischer Roman
. Cotta, Stuttgart 1891
- Das Ratsel des Menschen. Einleitung in das Studium der Geheimwissenschaften
. Reclam (
UB
2978), Leipzig 1892 (
Digitalisat
); Bohmeier, Leipzig 2005,
ISBN 3-89094-450-7
- Der Spiritismus
. Reclam (UB 3116), Leipzig 1893; Bohmeier, Leipzig 2006,
ISBN 3-89094-487-6
- Die Entdeckung der Seele durch die Geheimwissenschaften
. 2 Bande. Gunther, Leipzig 1894/95
- Band 1: ohne Untertitel
- Band 2:
Fernsehen und Fernwirken
- Der Tod, das Jenseits, das Leben im Jenseits
. Costenoble, Jena 1899; Altmann, Leipzig 1922; Superbia, Leipzig 2005,
ISBN 3-937554-10-6
- Die Magie als Naturwissenschaft
. Costenoble, Jena 1899
- Teil 1:
Die magische Physik
- Teil 2:
Die magische Psychologie
- Die vorgeburtliche Erziehung, ein Mittel zur Menschenzuchtung. Ein Beitrag zur Losung der sozialen Frage
. Costenoble, Jena 1899
- Die Psyche und das Ewige. Grundriss einer transzendentalen Psychologie
. Fischer, Pforzheim 1971
- Tomas H. Kaiser:
Zwischen Philosophie und Spiritismus. Annaherungen an Leben und Werk von Carl du Prel
. VDM, Saarbrucken 2008,
ISBN 978-3-639-05397-5
(
unkorrigierte Fassung
als PDF)
- Andreas Sommer:
From Astronomy to Transcendental Darwinism: Carl du Prel (1839?1899)
, Journal of Scientific Exploration 23(1): S. 59?68 (2009) (
Online
, PDF)
- Thomas P. Weber:
Carl du Prel (1839?1899): explorer of dreams, the soul, and the cosmos
, Studies in History and Philosophy of Science, Part A, 38(3): S. 593?604 (2007) (
doi:10.1016/j.shpsa.2007.06.005
)
- Theodor Weimann:
Du Prel, Carl Ludwig August Friedrich Maximilian Alfred Freiherr.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 4, Duncker & Humblot, Berlin 1959,
ISBN 3-428-00185-0
, S. 200 f. (
Digitalisat
).
- ↑
Tomas Kaiser:
Zwischen Philosophie und Spiritismus, (Bildwissenschaftliche) Quellen zum Leben und Werk des Carl du Prel
, Dissertation Universitat Luneburg 2006, S. 31
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Kaiser, S. 32 und 38
- ↑
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Andreas Sommer:
From Astronomy to Transcendental Darwinism: Carl du Prel (1839?1899)
, Journal of Scientific Exploration 23(1): S. 59?68 (2009), hier S. 59f
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Kaiser, S. 36?39
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Kaiser, S. 51?54
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Kaiser, S. 54f
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Kaiser, S. 59f
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Kaiser, S. 61
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Sommer, S. 60f
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Kaiser, S. 62f
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Kaiser, S. 67f
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Kaiser, S. 65f
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Kaiser, S. 66f
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Kaiser, S. 65
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Sommer, S. 59
- ↑
Corinna Treitel:
A Science for the Soul: Occultism and the Genesis of the German Modern
, Johns Hopkins University Press, Baltimore und London 2004, S. 41?43