Bundesregierung Seyß-Inquart

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Bundesregierung Seyß-Inquart

Die Bundesregierung Seyß-Inquart (auch Anschlusskabinett ) war die letzte Bundesregierung Osterreichs vor dem Anschluss an Hitlerdeutschland und bestand nur vom 11. bis zum 13. Marz 1938.

Unter dem Eindruck vermehrter nationalsozialistischer Kundgebungen und Aufmarsche kundigte Kurt Schuschnigg am 9. Marz 1938 eine Volksabstimmung uber die Unabhangigkeit Osterreichs an. Durchfuhrungstermin sollte bereits der Sonntag vier Tage spater sein, der 13. Marz 1938. Schuschnigg glaubte an eine Entscheidung zugunsten eines unabhangigen Osterreichs. Das sah auch der deutsche Staatssekretar Wilhelm Keppler so und erstattete am 10. Marz Hitler Bericht. Dieser ließ noch am Abend desselben Tages das Gruppenkommando 3 der Wehrmacht mobilmachen .

Am 11. Marz zitierte Hitler den osterreichischen Minister Edmund Glaise-Horstenau zu sich, der sich in Deutschland befand. Hitler sah die angekundigte Volksabstimmung als Bruch des Berchtesgadener Abkommens und drohte mit militarischen Sanktionen. Uber Odilo Globocnik ließ er ein schriftliches Ultimatum an Schuschnigg nach Wien bringen: Sofortiger Verzicht auf die Abstimmung, andernfalls wurde die Wehrmacht mit dem Einmarsch in Osterreich beginnen. Hermann Goring bekraftigte diese Forderung und die Drohung auch telefonisch. Schuschnigg entschloss daraufhin, die Volksabstimmung abzusetzen. Innenminister Arthur Seyß-Inquart informierte Goring von diesem Entschluss. Aber dem reichte diese Konzession nun nicht mehr und er forderte den Rucktritt der Regierung Schuschnigg und die Einsetzung eines nationalsozialistischen Kabinetts unter einem Bundeskanzler Seyß-Inquart, das als erste Amtshandlung bei der deutschen Regierung um Entsendung von Truppen zur Aufrechterhaltung der Ordnung ansuchen solle.

Daraufhin trat Schuschnigg zuruck und gab diesen Beschluss um 19:47 Uhr per Radio bekannt: ?Der Herr Bundesprasident beauftragt mich, dem osterreichischen Volke mitzuteilen, dass wir der Gewalt weichen.“ Dann teilte er mit, den Truppen des Bundesheeres den Auftrag gegeben zu haben, sich im Falle eines Einmarsches ohne Widerstand zuruckzuziehen ?weil wir um keinen Preis, auch in dieser ernsten Stunde nicht, deutsches Blut zu vergießen gesonnen sind. […] Gott schutze Osterreich!“. [1] [2] Nach der Rede wurden im ganzen Land nationalsozialistische Aufmarsche durchgefuhrt, ein Fackelzug zog zum Ballhausplatz , in Landeshauptstadten sturmten Nationalsozialisten die Landesregierungen und erklarten die Landeshauptmanner fur abgesetzt.

Bundesprasident Wilhelm Miklas versuchte noch einige Stunden lang erfolglos, andere Politiker zu uberzeugen, sich anstelle des von Goring geforderten Seyß-Inquart zum Bundeskanzler ernennen zu lassen. In einem Telefonat gegen 20:00 Uhr wurde Goring vom Rucktritt Schuschniggs informiert. Dieser tobte, warum Seyß-Inquart noch nicht Bundeskanzler sei, und erklarte jetzt den Befehl fur den Einmarsch zu erteilen. Als die Falschmeldung eintraf, deutsche Truppen hatten bereits die Grenze uberschritten, gab Miklas seinen Widerstand auf. Um 23:14 Uhr verkundete der osterreichische Rundfunk die Bestellung Arthur Seyß-Inquarts zum neuen osterreichischen Bundeskanzler.

Der deutsche Militarattache Wolfgang Muff hielt nun einen Einmarsch nicht mehr fur notwendig und versuchte Hitler telefonisch zu erreichen. Dieser musste geweckt werden und teilte unwirsch mit, an seinen Befehlen werde nichts mehr geandert, der Einmarsch der Truppen habe am Morgen zu beginnen. [3]

Am 12. Marz um 1:30 Uhr fruh verkundete Staatsrat Hugo Jury vom Balkon des Bundeskanzleramtes die Regierungsliste. [4]

Am 13. Marz wurden zusatzlich Friedrich Wimmer und Maximilian de Angelis zu Staatssekretaren im Bundeskanzleramt ernannt. [5] [6]

Die meisten Mitglieder der Regierung waren bereits im Sinne der illegalen NSDAP (Hitlerbewegung) aktiv, funf waren Mitglieder des Deutschen Klubs : Seyß-Inquart, Fischbock, Hueber, Jury und Menghin. [7]

Die neue Regierung trat am 12. Marz 1938 zu einem Ministerrat zusammen und beschloss ein Bundesgesetz zur Abanderung und Erganzung der Devisenordnung. [8] [9]

Am 13. Marz legte Seyß-Inquart dem Ministerrat ein Gesetz uber die Wiedervereinigung Osterreichs mit dem Deutschen Reich zur Beschlussfassung vor, was dieser genehmigte. Da laut Verfassung ein Gesetz erst Gultigkeit erlangte, wenn es vom Bundesprasidenten unterzeichnet worden war, wurde es auch Miklas vorgelegt. Dieser lehnte jedoch die Unterschrift ab mit der Begrundung, seinen Eid dem ?Volk fur einen unabhangigen Staat Deutschosterreich geleistet“ zu haben. Miklas trat von seinem Amt zuruck, wodurch die Funktionen des Bundesprasidenten laut Verfassung an den Bundeskanzler ubergingen.

Nun fur kurze Zeit Staatsoberhaupt, konnte Seyß-Inquart somit das Gesetz selbst beurkunden, womit Osterreich aufhorte, ein selbststandiger Staat mit Bundeskanzler oder Bundesprasident zu sein. [10]

Bis auf Michael Skubl ? er trat am 13. Marz von seiner Funktion zuruck ? wirkte die Landesregierung Seyß-Inquart unter der Aufsicht der Berliner Reichsregierung weiter. Ihr Leiter Seyß-Inquart wurde am 15. Marz zum Reichsstatthalter ernannt. [11] Mit Inkrafttreten des Ostmarkgesetzes am 1. Mai 1939 wurde diese Landesregierung aufgelost.

Einzelnachweise

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  1. Hugo Portisch : Osterreich I: Die unterschatzte Republik . Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5 , S.   534   ff .
  2. Letzte Rundfunkansprache als Osterreichischer Bundeskanzler von Kurt Schuschnigg am 11. Marz 1938. Osterreichische Mediathek , 2017, abgerufen am 4. Oktober 2017 .
  3. Hugo Portisch : Osterreich I: Die unterschatzte Republik . Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5 , S.   540   ff .
  4. Regierung Seys-Inquart gebildet . In: Neue Freie Presse . Wien 12. Marz 1938, S.   1 ( Artikel online auf diepresse.com).
  5. Peter Broucek : Minister im Standestaat und General im OKW . In: Brigitte Mazohl (Hrsg.): Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau . Band   2 . Bohlau, Wien 1983, ISBN 978-3-205-08743-4 , S.   95 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Veranderungen in der Bundesregierung. In:  Wiener Zeitung , 14. Marz 1938, S. 2 (online bei ANNO ). Vorlage:ANNO/Wartung/wrz
  7. Linda Erker, Andreas Huber, Klaus Taschwer: Austro-Nazis in der Hofburg. In: Der Standard . 22. Juli 2017, abgerufen am 4. Oktober 2017 .
  8. Otto Helmut Urban : Kabinett Seyß-Inquart: Die letzte osterreichische Bundesregierung der 1. Republik. ORF , abgerufen am 1. Oktober 2017 .
  9. Bundesgesetz uber die Abanderung und Erganzung der Devisenordnung . In: BGBl . Nr.   72/1938 . Wien 13. Marz 1938 ( Online auf ALEX ).
  10. Hugo Portisch : Osterreich I: Die unterschatzte Republik . Kremayr & Scheriau, Wien 1989, ISBN 978-3-218-00485-5 , S.   546 .
  11. Erlass des Fuhrers und Reichskanzlers uber die Osterreichische Landesregierung . In: BGBl . 1938 I . 15. Marz 1938, S.   249 ( Online auf ALEX ).