Der
Buchhandel im 18. Jahrhundert
stellt eine wegweisende Periode im deutschsprachigen Buchhandel dar, da durch etliche Marktveranderungen und buchmarktspezifische Reformen der
Buchhandel
sein heutiges Gesicht erhielt. Neben den beiden großen Konflikten, zum einen zwischen den suddeutschen und norddeutschen
Verlegern
und Handlern und zum anderen der Konflikt um den florierenden
Nachdruck
von Buchern, fanden außerdem gravierende Veranderungen im Bereich des
Publikums
, der
Autoren
und den schriftstellerischen Erzeugnissen sowie in der Interessenvertretung der Buchhandler statt. Auch wurde die Spezifizierung und die Kommerzialisierung durch neue Zahlungsmodalitaten und Handelsformen auf dem deutschen Buchmarkt vorangetrieben.
Im 18. Jahrhundert erfuhren neue Gattungen im
Buchhandel
immer großere Beliebtheit. Zum einen kam der burgerliche
Roman
als Alternative zu den popularen Reisebeschreibungen und religiosen Werken auf. Diese Entwicklung war unter anderem auf die geistigen Stromungen der
Aufklarung
und auf ein wachsendes gebildetes Burgertum zuruckzufuhren. Schriftstellerische Erzeugnisse gewannen an gesellschaftlicher Beachtung und neue Autoren wie
Samuel Richardson
oder
Christian Furchtegott Gellert
pragten den Buchmarkt in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts. Uber das 18. Jahrhundert verteilt fand auch eine anglophone Neuorientierung statt, waren es doch zuvor hauptsachlich Werke beruhmter
italienischer
und
franzosischer
Autoren, die auf dem deutschen Markt gefragt waren, so kam im 18. Jahrhundert die Literatur
Großbritanniens
dazu, wie der Roman
Robinson Crusoe
von
Daniel Defoe
. Die zunehmende Spezialisierung der Erzeugnisse in ihrer handwerklichen Qualitat, wie ihrem
Druck
und ihrer inhaltlichen Gestaltung mit beispielsweise
Kupferstichen
, wurden durch diese Publikumsentwicklung gefordert. Auch veranderte sich im 18. Jahrhundert die
Hauptsprache
in der Literatur, waren es doch zuvor hauptsachlich theologische und philosophische Werke in der Sprache der Gelehrten und Gebildeten, Latein, so wurde nun zunehmend auf Deutsch veroffentlicht, um ein breiteres
Publikum
zu erreichen.
In den Kreisen der
Schriftsteller
entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein neues Selbstbewusstsein, was sie dazu verleitete, fur ihre Werke ein bis dahin unubliches
Honorar
zu fordern und sich nicht langer den gangigen Vorstellungen von Tugend und Moral unterzuordnen. Viel haufiger ließen sie sich nun nur von ihrem Verstand und ihren eigenen Empfindungen in ihren Schriften beeinflussen. Bis zum 18. Jahrhundert hatten sich die
Autoren
meist durch finanzielle Beihilfen von wohlhabenden, meist adeligen Unterstutzern ihrer Werke oder anderen hauptberuflichen Beschaftigungen finanziert, dem sogenannten
Dedikationswesen
. Auch veranderten sich die Inhalte ihrer Werke, die durch die geistigen Stromungen der
Aufklarung
von nun beeinflussten wurden bzw. deren Grundideen zum Inhalt hatten. Etliche Autoren organisierten sich auch in sogenannten
Selbstverlagen
, in denen sie ihre Werke drucken ließen. Des Weiteren wurde zunehmend in den Salons der reichen Burgerschaft aktiv uber Literatur diskutiert und Frauen traten erstmals als beachtete und finanziell erfolgreiche Schriftsteller auf. Zu den bedeutendsten weiblichen Autoren des 18. Jahrhunderts gehorte
Sophie von La Roche
, die Ende des Jahrhunderts auch eine Zeitschrift fur Frauen mit dem Titel
Pomona fur deutschlands Tochter
herausgab. In dieser Zeit wurde außerdem auch die Frau als Leserin entdeckt, erscheinen doch erste Modejournale und sogenannte
Frauenromane
wie
Christian Furchtegott Gellerts
Das Leben der schwedischen Grafin von G
oder
Maria Anna Sagars
Die verwechselten Tochter
und
Karolinens Tagebuch
.
Der Buchhandler verkorperte im 18. Jahrhundert zu einem gewissen Maße die Rolle des Vermittlers und Forderers der Aufklarung. Zu den bedeutendsten
Verlegern
des 18. Jahrhunderts gehorten neben den Leipziger Großen wie
Philipp Erasmus Reich
und
Johann Heinrich Zedler
auch
Johann Friedrich Cotta
,
Johann Ludwig Gleditsch
,
Georg Joachim Goschen
und der Berliner Verleger, Schriftsteller und besonders engagierte
Aufklarer
Christoph Friedrich Nicolai
.
Das 18. Jahrhundert ist auch deshalb fur den deutschen Buchhandel wegweisend, weil sich in dieser Zeitspanne der Ubergang von der
Tausch-
zur Geldwirtschaft im Buchwesen vollzog. Wurden die verschiedenen literarischen Erzeugnisse vor der Einfuhrung des Nettohandels nach dem Prinzip ?Bogen gegen Bogen und Blatt gegen Blatt“ unter den einzelnen Verlegern und Buchhandlern auf den jahrlich mehrmals stattfindenden
Buchmessen
getauscht, so wurde Ende des 18. Jahrhunderts kurze Zeit der
Nettohandel
und dann der
Konditionshandel
miteinander betrieben, welcher sich bis heute als eines der gangigen Abrechnungsverfahren im Buchwesen erhalten hat.
Im Zuge der aufkommenden Kommerzialisierung kamen auch weitere Geschaftsverfahren wie die
Subskription
und die
Pranumeration
auf.
Der deutsche Buchmarkt war im 18. Jahrhundert vom Konflikt suddeutscher
Buchhandler
bzw.
Verleger
und ihren norddeutschen, vornehmlich
sachsischen
Kollegen gepragt. Damit verbunden war auch die Konkurrenz der Buchmessenstadte
Frankfurt am Main
und
Leipzig
. Eine zentrale Figur des Leipziger Buchwesens war damals der Buchhandler und Verleger
Philipp Erasmus Reich
, der so genannte ?Furst des deutschen Buchhandels“ im 18. Jahrhundert. Er pragte den Buchermarkt, indem er so gravierende Veranderungen wie die Einfuhrung des
Nettohandels
und die Grundung der ersten uberregionalen Buchhandlervereinigung bewirkte und damit
Leipzig
letztendlich zum wichtigsten Messestandort des deutschen Buchwesens machte.
1764, nachdem Reich der Frankfurter Messe den Rucken gekehrt hatte, forderte er den sachsischen Kurfursten mit zwolf anderen Buchhandlern in einem Schreiben auf, die ?Sicherheit bei unsern eigenen Unternehmungen“ zu verstarken. Ihrer Meinung nach waren die existierenden
Privilegien
nicht ausreichend und uberholt, um die Geschafte und Investitionen der sachsischen Verleger abzusichern. Sie forderten demnach eine allgemeingultige
Verlagsrechts
-Gesetzgebung.
Am 10. Mai 1765 wurde in Leipzig die
Erste Buchhandelsgesellschaft in Deutschland
gegrundet.
[1]
Da der Nachdruck ihrer Werke florierte und die norddeutschen Verleger deshalb empfindliche finanzielle Verluste hinnehmen mussten, entschlossen sich wahrend der Ostermesse 1765 56 Verleger ein ?Erstes Grundgesetz der neuerrichteten Buchhandelsgesellschaft in Deutschland“ zu verabschieden. Es war wiederum
Philipp Erasmus Reich
, der die Grundung dieser ersten ?korperschaftlich geregelte[n] Innung auf uberregionaler gesetzlicher Grundlage“ seinen 220 auf der Buchmesse anwesenden Buchhandlerkollegen in einem Schreiben bereits 1764 vorgeschlagen hatte. Die Gesellschaft, die auch ?Leipziger Societat“ genannt wurde, beschloss auf ihrer ersten Sitzung, die noch wahrend der bereits erwahnten Ostermesse stattfand, Philipp Erasmus Reich zu ihrem ersten Sekretar zu ernennen. Ihre Ziele waren neben der Durchsetzung moderner kapitalistischer Produktions- und Distributionsmethoden innerhalb der Buchhandlergemeinschaft, auch die Erhohung ihres politischen Einflusses durch die Vereinigung, um zukunftig vermehrt gegen den
Nachdruck
kampfen und den Ubergang von
Tausch
- zu
Nettohandel
beschleunigen zu konnen. Im Kampf gegen den Nachdruck hatte Philipp Erasmus Reich besonders den Osterreicher
Thomas von Trattner
im Auge, der 1765 mit 76 meist nachgedruckten Titeln im Leipziger
Messkatalog
verzeichnet war und diese großtenteils von norddeutschen Verlegern nachgedruckt hatte. Noch heute wird der Konflikt zwischen Reich und Trattner stellvertretend fur die Nachdruckproblematik des 18. Jahrhunderts herangezogen: ?Sind diese beiden großten, rucksichtslosesten und großzugigsten Ausnutzer ihrer Zeit, weil Osterreich und Sachsen die Gebiete der scharfsten literarischen Gegensatze waren, die klassischen Vertreter der buchhandlerischen Gegensatze im Zeitalter
Friedrichs des Großen
und
Maria Theresias
...“.
[2]
Bemerkenswert ist neben der eigentlichen Grundung der ?Leipziger Societat“ die Tatsache, dass sie sich ohne
kurfurstliche
Erlaubnis vollzog, was als ein Schlag gegen den damals herrschenden
Feudalabsolutismus
angesehen werden kann. In diesem konkreten Fall beschlossen namlich die Verleger, normale nichtadelige Burger, ein Gesetz, nicht wie ublich der Herrscher.
Da diese Vereinigung jedoch nur wenig Erfolge fur die Buchhandler erzielen konnte, dauerte es noch bis zum Jahr 1773, in welchem das kursachsische ?Mandat den Buchhandel betreffend“ veroffentlicht wurde, bis sich die rechtliche Situation der sachsischen Verleger und Burger entscheidend verbesserte. Dieses
Mandat
hatte neben der Berufung eines Sachverstandigenrates, der sich aus neun Buchhandlern und
Verlegern
zusammensetzte, zum Inhalt, dass die
Leipziger Buchmesse
fur Nachdrucke gesperrt wurde, dass ein erweiterter
Rechtsschutz
fur Verleger und Autoren in Sachsen etabliert und eine Kommission fur Fragen den Buchhandel betreffend eingerichtet wurde. Jedes in
Kursachsen
gedruckte
Buch
hatte nun erstmals einen Nachdruckschutz von zehn Jahren, wenn der Verleger sein vom Autor erteiltes Verlagsrecht nachweisen konnte und dies bei der Leipziger Bucherkommission verzeichnet worden war. Damit hatte Reich es endlich geschafft seine Werke vor dem illegalen Verbreiten und Verkaufen von seinen wirtschaftlichen Gegner, wie beispielsweise dem Nachdrucker Trattner in Wien, in Sachsen gesetzlich zu schutzen.
- ↑
Mark Lehmstedt:
Die
Erste Buchhandelsgesellschaft in Deutschland
. In:
Aus dem Antiquariat
. NF 13,
Nr.
2
, 2013,
S.
57–66
.
- ↑
Johann Goldfriedrich:
Geschichte des Deutschen Buchhandels
, 3. Bd. (1740?1804). Digitale Bibliothek, Band 26: Geschichte des deutschen Buchwesens, S. 2671.
- Johannes Frimmel, Michael Wogerbauer (Hrsg.):
Kommunikation und Information im 18. Jahrhundert. Das Beispiel der Habsburger Monarchie.
(= Buchforschung. Band 5). Harrassowitz, Wiesbaden 2009,
ISBN 978-3-447-05918-3
.
- Johann Goldfriedrich
:
Geschichte des Deutschen Buchhandels.
3. Band:
1740?1804.
(Digitale Bibliothek. Band 26: Geschichte des deutschen Buchwesens).
- Paul Raabe
:
Der Buchhandler im achtzehnten Jahrhundert in Deutschland.
In: Giles Barber, Bernhard Fabian (Hrsg.):
Buch und Buchhandel in Europa im 18. Jahrhundert.
(Wolfenbuttler Schriften zur Geschichte des Buchwesens. Band 4). Hamburg 1981,
ISBN 3-7762-0201-7
, S. 271?291.
- Hazel Rosenstrauch
:
Buchhandelsmanufaktur und Aufklarung. Die Reformen des Buchhandlers und Verlegers Ph. E. Reich (1717?1787).
Sozialgeschichtliche Studie zur Entwicklung des literarischen Marktes. In:
Archiv fur Geschichte des Buchwesens.
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- Pamela Selwyn:
Everyday Life in the German Book Trade.
Pennsylvania State University Press, 2000,
ISBN 0-271-02011-3
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- Robert L. Prager:
Der deutsche Buchhandel ? Seine Geschichte und seine Organisation.
2. Band, Verlag fur Sprach- und Handelswissenschaft, Berlin 1907.
- Reinhard Wittmann
:
Geschichte des deutschen Buchhandels
. C.H.Beck, Munchen 1999,
ISBN 3-406-42104-0
.