Buchhandel im 18. Jahrhundert

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Buchhandel im 18. Jahrhundert stellt eine wegweisende Periode im deutschsprachigen Buchhandel dar, da durch etliche Marktveranderungen und buchmarktspezifische Reformen der Buchhandel sein heutiges Gesicht erhielt. Neben den beiden großen Konflikten, zum einen zwischen den suddeutschen und norddeutschen Verlegern und Handlern und zum anderen der Konflikt um den florierenden Nachdruck von Buchern, fanden außerdem gravierende Veranderungen im Bereich des Publikums , der Autoren und den schriftstellerischen Erzeugnissen sowie in der Interessenvertretung der Buchhandler statt. Auch wurde die Spezifizierung und die Kommerzialisierung durch neue Zahlungsmodalitaten und Handelsformen auf dem deutschen Buchmarkt vorangetrieben.

Wegweisende Veranderungen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Entstehung des burgerlichen Publikums

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im 18. Jahrhundert erfuhren neue Gattungen im Buchhandel immer großere Beliebtheit. Zum einen kam der burgerliche Roman als Alternative zu den popularen Reisebeschreibungen und religiosen Werken auf. Diese Entwicklung war unter anderem auf die geistigen Stromungen der Aufklarung und auf ein wachsendes gebildetes Burgertum zuruckzufuhren. Schriftstellerische Erzeugnisse gewannen an gesellschaftlicher Beachtung und neue Autoren wie Samuel Richardson oder Christian Furchtegott Gellert pragten den Buchmarkt in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts. Uber das 18. Jahrhundert verteilt fand auch eine anglophone Neuorientierung statt, waren es doch zuvor hauptsachlich Werke beruhmter italienischer und franzosischer Autoren, die auf dem deutschen Markt gefragt waren, so kam im 18. Jahrhundert die Literatur Großbritanniens dazu, wie der Roman Robinson Crusoe von Daniel Defoe . Die zunehmende Spezialisierung der Erzeugnisse in ihrer handwerklichen Qualitat, wie ihrem Druck und ihrer inhaltlichen Gestaltung mit beispielsweise Kupferstichen , wurden durch diese Publikumsentwicklung gefordert. Auch veranderte sich im 18. Jahrhundert die Hauptsprache in der Literatur, waren es doch zuvor hauptsachlich theologische und philosophische Werke in der Sprache der Gelehrten und Gebildeten, Latein, so wurde nun zunehmend auf Deutsch veroffentlicht, um ein breiteres Publikum zu erreichen.

Das neue Selbstverstandnis der Autoren

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In den Kreisen der Schriftsteller entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein neues Selbstbewusstsein, was sie dazu verleitete, fur ihre Werke ein bis dahin unubliches Honorar zu fordern und sich nicht langer den gangigen Vorstellungen von Tugend und Moral unterzuordnen. Viel haufiger ließen sie sich nun nur von ihrem Verstand und ihren eigenen Empfindungen in ihren Schriften beeinflussen. Bis zum 18. Jahrhundert hatten sich die Autoren meist durch finanzielle Beihilfen von wohlhabenden, meist adeligen Unterstutzern ihrer Werke oder anderen hauptberuflichen Beschaftigungen finanziert, dem sogenannten Dedikationswesen . Auch veranderten sich die Inhalte ihrer Werke, die durch die geistigen Stromungen der Aufklarung von nun beeinflussten wurden bzw. deren Grundideen zum Inhalt hatten. Etliche Autoren organisierten sich auch in sogenannten Selbstverlagen , in denen sie ihre Werke drucken ließen. Des Weiteren wurde zunehmend in den Salons der reichen Burgerschaft aktiv uber Literatur diskutiert und Frauen traten erstmals als beachtete und finanziell erfolgreiche Schriftsteller auf. Zu den bedeutendsten weiblichen Autoren des 18. Jahrhunderts gehorte Sophie von La Roche , die Ende des Jahrhunderts auch eine Zeitschrift fur Frauen mit dem Titel Pomona fur deutschlands Tochter herausgab. In dieser Zeit wurde außerdem auch die Frau als Leserin entdeckt, erscheinen doch erste Modejournale und sogenannte Frauenromane wie Christian Furchtegott Gellerts Das Leben der schwedischen Grafin von G oder Maria Anna Sagars Die verwechselten Tochter und Karolinens Tagebuch .

Der Buchhandler verkorperte im 18. Jahrhundert zu einem gewissen Maße die Rolle des Vermittlers und Forderers der Aufklarung. Zu den bedeutendsten Verlegern des 18. Jahrhunderts gehorten neben den Leipziger Großen wie Philipp Erasmus Reich und Johann Heinrich Zedler auch Johann Friedrich Cotta , Johann Ludwig Gleditsch , Georg Joachim Goschen und der Berliner Verleger, Schriftsteller und besonders engagierte Aufklarer Christoph Friedrich Nicolai .

Neue Zahlungsverfahren werden eingefuhrt

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das 18. Jahrhundert ist auch deshalb fur den deutschen Buchhandel wegweisend, weil sich in dieser Zeitspanne der Ubergang von der Tausch- zur Geldwirtschaft im Buchwesen vollzog. Wurden die verschiedenen literarischen Erzeugnisse vor der Einfuhrung des Nettohandels nach dem Prinzip ?Bogen gegen Bogen und Blatt gegen Blatt“ unter den einzelnen Verlegern und Buchhandlern auf den jahrlich mehrmals stattfindenden Buchmessen getauscht, so wurde Ende des 18. Jahrhunderts kurze Zeit der Nettohandel und dann der Konditionshandel miteinander betrieben, welcher sich bis heute als eines der gangigen Abrechnungsverfahren im Buchwesen erhalten hat. Im Zuge der aufkommenden Kommerzialisierung kamen auch weitere Geschaftsverfahren wie die Subskription und die Pranumeration auf.

Suddeutschland/Osterreich vs. Sachsen und der Kampf gegen den Buchernachdruck

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der deutsche Buchmarkt war im 18. Jahrhundert vom Konflikt suddeutscher Buchhandler bzw. Verleger und ihren norddeutschen, vornehmlich sachsischen Kollegen gepragt. Damit verbunden war auch die Konkurrenz der Buchmessenstadte Frankfurt am Main und Leipzig . Eine zentrale Figur des Leipziger Buchwesens war damals der Buchhandler und Verleger Philipp Erasmus Reich , der so genannte ?Furst des deutschen Buchhandels“ im 18. Jahrhundert. Er pragte den Buchermarkt, indem er so gravierende Veranderungen wie die Einfuhrung des Nettohandels und die Grundung der ersten uberregionalen Buchhandlervereinigung bewirkte und damit Leipzig letztendlich zum wichtigsten Messestandort des deutschen Buchwesens machte. 1764, nachdem Reich der Frankfurter Messe den Rucken gekehrt hatte, forderte er den sachsischen Kurfursten mit zwolf anderen Buchhandlern in einem Schreiben auf, die ?Sicherheit bei unsern eigenen Unternehmungen“ zu verstarken. Ihrer Meinung nach waren die existierenden Privilegien nicht ausreichend und uberholt, um die Geschafte und Investitionen der sachsischen Verleger abzusichern. Sie forderten demnach eine allgemeingultige Verlagsrechts -Gesetzgebung.

Die Grundung der ersten uberregionalen Buchhandelsorganisation

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 10. Mai 1765 wurde in Leipzig die Erste Buchhandelsgesellschaft in Deutschland gegrundet. [1]

Da der Nachdruck ihrer Werke florierte und die norddeutschen Verleger deshalb empfindliche finanzielle Verluste hinnehmen mussten, entschlossen sich wahrend der Ostermesse 1765 56 Verleger ein ?Erstes Grundgesetz der neuerrichteten Buchhandelsgesellschaft in Deutschland“ zu verabschieden. Es war wiederum Philipp Erasmus Reich , der die Grundung dieser ersten ?korperschaftlich geregelte[n] Innung auf uberregionaler gesetzlicher Grundlage“ seinen 220 auf der Buchmesse anwesenden Buchhandlerkollegen in einem Schreiben bereits 1764 vorgeschlagen hatte. Die Gesellschaft, die auch ?Leipziger Societat“ genannt wurde, beschloss auf ihrer ersten Sitzung, die noch wahrend der bereits erwahnten Ostermesse stattfand, Philipp Erasmus Reich zu ihrem ersten Sekretar zu ernennen. Ihre Ziele waren neben der Durchsetzung moderner kapitalistischer Produktions- und Distributionsmethoden innerhalb der Buchhandlergemeinschaft, auch die Erhohung ihres politischen Einflusses durch die Vereinigung, um zukunftig vermehrt gegen den Nachdruck kampfen und den Ubergang von Tausch - zu Nettohandel beschleunigen zu konnen. Im Kampf gegen den Nachdruck hatte Philipp Erasmus Reich besonders den Osterreicher Thomas von Trattner im Auge, der 1765 mit 76 meist nachgedruckten Titeln im Leipziger Messkatalog verzeichnet war und diese großtenteils von norddeutschen Verlegern nachgedruckt hatte. Noch heute wird der Konflikt zwischen Reich und Trattner stellvertretend fur die Nachdruckproblematik des 18. Jahrhunderts herangezogen: ?Sind diese beiden großten, rucksichtslosesten und großzugigsten Ausnutzer ihrer Zeit, weil Osterreich und Sachsen die Gebiete der scharfsten literarischen Gegensatze waren, die klassischen Vertreter der buchhandlerischen Gegensatze im Zeitalter Friedrichs des Großen und Maria Theresias ...“. [2]

Bemerkenswert ist neben der eigentlichen Grundung der ?Leipziger Societat“ die Tatsache, dass sie sich ohne kurfurstliche Erlaubnis vollzog, was als ein Schlag gegen den damals herrschenden Feudalabsolutismus angesehen werden kann. In diesem konkreten Fall beschlossen namlich die Verleger, normale nichtadelige Burger, ein Gesetz, nicht wie ublich der Herrscher. Da diese Vereinigung jedoch nur wenig Erfolge fur die Buchhandler erzielen konnte, dauerte es noch bis zum Jahr 1773, in welchem das kursachsische ?Mandat den Buchhandel betreffend“ veroffentlicht wurde, bis sich die rechtliche Situation der sachsischen Verleger und Burger entscheidend verbesserte. Dieses Mandat hatte neben der Berufung eines Sachverstandigenrates, der sich aus neun Buchhandlern und Verlegern zusammensetzte, zum Inhalt, dass die Leipziger Buchmesse fur Nachdrucke gesperrt wurde, dass ein erweiterter Rechtsschutz fur Verleger und Autoren in Sachsen etabliert und eine Kommission fur Fragen den Buchhandel betreffend eingerichtet wurde. Jedes in Kursachsen gedruckte Buch hatte nun erstmals einen Nachdruckschutz von zehn Jahren, wenn der Verleger sein vom Autor erteiltes Verlagsrecht nachweisen konnte und dies bei der Leipziger Bucherkommission verzeichnet worden war. Damit hatte Reich es endlich geschafft seine Werke vor dem illegalen Verbreiten und Verkaufen von seinen wirtschaftlichen Gegner, wie beispielsweise dem Nachdrucker Trattner in Wien, in Sachsen gesetzlich zu schutzen.

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Mark Lehmstedt: Die Erste Buchhandelsgesellschaft in Deutschland . In: Aus dem Antiquariat . NF 13, Nr.   2 , 2013, S.   57–66 .
  2. Johann Goldfriedrich: Geschichte des Deutschen Buchhandels , 3. Bd. (1740?1804). Digitale Bibliothek, Band 26: Geschichte des deutschen Buchwesens, S. 2671.
  • Johannes Frimmel, Michael Wogerbauer (Hrsg.): Kommunikation und Information im 18. Jahrhundert. Das Beispiel der Habsburger Monarchie. (= Buchforschung. Band 5). Harrassowitz, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-447-05918-3 .
  • Johann Goldfriedrich : Geschichte des Deutschen Buchhandels. 3. Band: 1740?1804. (Digitale Bibliothek. Band 26: Geschichte des deutschen Buchwesens).
  • Paul Raabe : Der Buchhandler im achtzehnten Jahrhundert in Deutschland. In: Giles Barber, Bernhard Fabian (Hrsg.): Buch und Buchhandel in Europa im 18. Jahrhundert. (Wolfenbuttler Schriften zur Geschichte des Buchwesens. Band 4). Hamburg 1981, ISBN 3-7762-0201-7 , S. 271?291.
  • Hazel Rosenstrauch : Buchhandelsmanufaktur und Aufklarung. Die Reformen des Buchhandlers und Verlegers Ph. E. Reich (1717?1787). Sozialgeschichtliche Studie zur Entwicklung des literarischen Marktes. In: Archiv fur Geschichte des Buchwesens. Band 26, 1. Halbband. Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-7657-1340-6 .
  • Pamela Selwyn: Everyday Life in the German Book Trade. Pennsylvania State University Press, 2000, ISBN 0-271-02011-3 .
  • Robert L. Prager: Der deutsche Buchhandel ? Seine Geschichte und seine Organisation. 2. Band, Verlag fur Sprach- und Handelswissenschaft, Berlin 1907.
  • Reinhard Wittmann : Geschichte des deutschen Buchhandels . C.H.Beck, Munchen 1999, ISBN 3-406-42104-0 .
Commons : Geschichte des Buchmarkts  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien