Bolgar
(
russisch
Болгар
;
tatarisch
Болгар
Bol?ar
, historisch auch als
Spassk
(
russisch
Спасск
) bekannt) oder
Weliki Bol?ar
, inoffiziell auch
Bulgar
,
Bolgari
oder
Bolgary
genannt, ist eine Stadt in
Russland
am Ufer der
Wolga
in der Republik
Tatarstan
. Vom 8. bis 15. Jahrhundert war es die Hauptstadt und Zentrum der
Wolgabulgaren
(
Protobulgaren
) und der
Goldenen Horde
. Heute ist sie eine Kleinstadt mit 8650 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010)
[1]
und Verwaltungszentrum des
Rajons
Spassk.
Die Stadt wurde im 8. Jahrhundert von den Wolgabulgaren unter
Khan Kotrag
als deren Hauptstadt gegrundet. Ihnen schlossen sich
finnische
und
slawische
Bevolkerungsgruppen an. Zur Zeit des arabischen Reisenden
Ibn Fadl?n
, der an einer Gesandtschaft 922 nach Bolgar zu den Wolgabulgaren teilnahm, zahlte die Stadt etwa 10.000 Einwohner mit etwa 500 Hausern. Kurz nach seinem Besuch war die Stadt um 968/969 aber von Russen uberfallen worden, wodurch dem Handel der Stadt ein betrachtlicher Schaden zugefugt wurde. Vor allem aus arabischen Quellen stammen die zeitgenossischen Berichte uber den Handel in Bolgar. Bolgar wurde mit arabischen Geldanleihen zu einem wichtigen Handelszentrum ausgebaut. Gehandelt wurden
Pelze
,
Sklaven
,
Honig
, Tierhaute die als Teppiche Verwendung fanden,
Bernstein
,
Walrosszahne
,
Wachs
und
Getreide
. Sie belegen die engen Verbindungen des Reiches der Wolgabulgaren mit Mittelasien. Auch russische Handler kamen zum Handeln nach Bolgar. Trotz des Handels mit Arabien blieben bei den slawischen und bulgarischen Bevolkerungsteilen dennoch altturkische Sitten und Brauche des
Tengrismus
erhalten.
[2]
[3]
So bluhte durch die arabisch-bulgarische Verquickung in Bolgar Wissenschaft und Kultur auf. Zu Anfang des 11. Jahrhunderts erhielt die Stadt eine Mauer aus Eichenholz.
Die archaologische Hinterlassenschaft auf dem Burgwall in Bolgar lasst fur das 10.?12. Jahrhundert eine Burgstadt mit weitreichenden Fernhandelsverbindungen nach Ost und West sowie Niederlassungen von fremden Kaufleuten (aus
Armenien
, der
Rus
und
Donaubulgarien
) erkennen. Die hier gefundenen silbernen und kupfernen Munzen tragen teilweise arabische, teilweise
kufische
Schrift und sind zum Teil schon gepragt. Des Weiteren sind noch viele
Grabsteine
mit
tatarischen
,
arabischen
und
armenischen
Inschriften und Bildwerken, sowie alte
Waffen
,
Munzen
und Geratschaften aller Art erhalten.
Bereits auf Befehl
Peters des Großen
wurden 49 der Grabinschriften aufgezeichnet und zu erklaren versucht. Die arabischen stammen aus der Zeit von 619 bis 742 der
Hidschra
; unter den armenischen befindet sich eine von 557 und zwei von 984 und 986 n. Chr.
Zwischen 1361 und 1367 wurde die Stadt von der
Goldenen Horde
der Mongolen unter
Khan Bolod Timur
zerstort. Wahrend russischer Einfalle im 14. Jahrhundert war die Hauptstadt nach
Bilar
versetzt worden; nach dessen Plunderung und Zerstorung wurde sie wieder bis zum 15. Jahrhundert nach Bolgar zuruckverlegt. Als sich das
Khanat Kasan
grundete, wurde als neue Hauptstadt
Kasan
gewahlt. Zu diesem Zeitpunkt wurde Bolgar zu einem religiosen Zentrum des
Islams
.
Im 15. Jahrhundert wurde die Stadt durch den russischen Furst
Wassili II.
erneut zerstort. 1552 wurde die Stadt wie das Khanat Kasan vom
russischen Zarentum
unter
Iwan dem Schrecklichen
annektiert.
Nach der Ubernahme durch Russland wurden in der Gegend um Bolgar verarmte russische Bauern angesiedelt, welche als Baumaterial die Uberreste der einst machtigen Stadt benutzten. Aus diesem Grund erließ Zar Peter der Große einen speziellen Erlass zur Erhaltung der Bolgarer Ruinen, welcher historisch betrachtet das erste russische Gesetz zum Schutz einer Stadt mit historischem Hintergrund darstellt.
1781 wurde die Stadt unter dem Namen
Spassk
(russisch
Спасск
, von
Спас
fur ?
Erloser
‘) Verwaltungssitz eines
Ujesds
. Zwischen 1926 und 1935 hieß die Stadt
Spassk-Tatarski
(
Спасск-Татарский
), um sie von anderen gleichnamigen Stadten, wie
Spassk-Rjasanski
oder
Spassk-Dalni
unterscheiden zu konnen. Von 1935 bis 1991 trug sie den Namen des
Revolutionars
Kuibyschew
(Куйбышев) ? wie auch
Kuibyschew in Sibirien
sowie das ebenfalls an der Wolga gelegenen heutige
Samara
. 1991 gab man der Stadt ihren alten Namen
Bolgar
zuruck.
Seit 2011 ist die Stadt Namensgeber fur den
Bolgar Buttress
, einen Berg im
Grahamland
in der Antarktis.
Bevolkerungsentwicklung
Jahr
|
Einwohner
|
1897
|
2770
|
1939
|
6188
|
1959
|
7023
|
1970
|
7231
|
1979
|
8383
|
1989
|
8397
|
2002
|
8655
|
2010
|
8650
|
Anmerkung:
Volkszahlungsdaten
Das heutige Bolgar steht innerhalb der noch großenteils erhaltenen
Walllinien
der alten Wolgabulgaren-Hauptstadt Bolgar, von welcher Turme (am besten erhalten der sogenannte
Misgir
-Turm) und Mauerreste ubrig sind. Der historische und archaologische Komplex gehort seit 2014 zum
UNESCO-Weltkulturerbe
.
- Bolgar
auf
mojgorod.ru
(russisch)
- ↑
a
b
Itogi Vserossijskoj perepisi naselenija 2010 goda. Tom 1. ?islennost? i razme??enie naselenija (Ergebnisse der allrussischen Volkszahlung 2010. Band 1. Anzahl und Verteilung der Bevolkerung).
Tabellen
5
, S. 12?209;
11
, S. 312?979 (Download von der Website des Foderalen Dienstes fur staatliche Statistik der Russischen Foderation)
- ↑
John Anthony McGuckin:
The encyclopedia of Eastern Orthodox Christianity.
Band 1, John Wiley and Sons, 2011, S. 79.
- ↑
Hans Ferdinand Helmolt:
Weltgeschichte.
Band:
Ost- und Nordeuropa.
Bibliographisches Institut Leipzig, 1921, S. 100.
Verwaltungszentrum:
Kasan