Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Eine Beschreibung des Vervielfaltigungsverfahrens findet sich unter
Cyanotypie
.
Pulsnitzer Blaudruck im Reservedruck als Tischbander
Blaudruck
ist ein
Farbeverfahren
fur
Gewebe
aus
Leinen
- oder
Baumwolle
, bei dem ein weißes
Muster
auf blauem Grund entsteht. Dabei handelt es sich um einen
Reservedruck
mit sogenannten
Modeln
, bei dem der Stoff mit einer Schutzmasse bedruckt und mit
Indigo
gefarbt wird. Der Blaudruck wurde wegen des blauweißen Dekors im 18. Jahrhundert auch
Porzellandruck
genannt.
[1]
Der Blaudruck in
Osterreich
,
Deutschland
,
Tschechien
(Modrotisk)
, der
Slowakei
(Modrotla?)
und
Ungarn
(Kekfestes)
wurde in die
Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit
aufgenommen.
Blaufarberwerkstatt (
Museum fur Thuringer Volkskunde Erfurt
)
Textile Stoffe wurden zunachst ausschließlich mit
Pigmenten
gefarbt. Diese haften den Fasern an, ohne dass sie eindringen. Bei den agyptischen
Kopten
sowie in
Indien
und
Java
waren bereits zur Zeit
Plinius des Alteren
Verfahren zur Textilfarbung mittels Reservetechnik bekannt. Da dessen Beschreibung Fragen offenließ, kam das Verfahren in Europa nicht zum Einsatz. Erst 1894 anlasslich von Stofffunden im Grab Bischofs
Caesarius von Arles
verstand man den von Plinius verfassten Text. Inzwischen war das Verfahren durch Reisende im Zusammenhang mit der
Niederlandischen Ostindien-Kompanie
nach Europa gekommen. Es breitete sich Ende des 17. Jahrhunderts nach der Grundung einer
Kattundruckerei
1678 in
Amsterdam
von dort aus rasch aus. Der erste Blaudruck in Deutschland im Reservedruck wurde 1689 oder 1690 von
Jeremias Neuhofer
in
Augsburg
hergestellt, die Technik verbreitete sich jedoch schnell.
Reservedruck war im Mittelalter in Europa nicht gelaufig, denn die warmen
Kupen
mit
Farberwaid
losten die Reservemittel
Wachs
und
Leim
leicht auf. Reine Indigokupen dagegen konnten zur Kaltfarbung eingesetzt werden, außerdem wurden nach 1700 bessere Schutzreserven entwickelt; das alteste Rezept fur diesen sogenannten
Papp
ist in einem hollandischen Tagebuch von 1727 uberliefert.
[2]
1734 wurde in
Minden-Ravensberg
eine
Zunft
fur das Blau- und Schonfarberhandwerk gegrundet. Weitere Zunfte entstanden bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Anfangs wurden nur Leinenstoffe bedruckt, seit dem 18. Jahrhundert auch
Halbleinen
- und Baumwollstoffe, vor allem fur
Bettwasche
,
Vorhange
und Frauenkleidung. Das
Handwerk
des Blaudrucks nahm seinen Aufschwung im 18. Jahrhundert.
Da vor der Industrialisierung Reichtum vor allem uber teure Stoffe und aufwandige
Stickereien
und Verarbeitungsformen wie die
Bildwirkerei
ausgedruckt wurde, galt Blaudruck, bei dem vorwiegend handgewebte Leinenstoffe der landlichen Bevolkerung bedruckt wurden, als eine Kunst der armen Leute. Auch in anderen Farben als dem bevorzugten und namengebenden Blau konnte man farben, indem man
Farberkrapp
anstelle von Indigo verwendete fur eine Rotfarbung oder
Gelben Wau
fur eine Gelbfarbung.
Blaudruckerei Wagner in
Bad Leonfelden
: Karl Wagner mit der Indigokupe der Manufaktur
Die Industrialisierung und der damit aufkommende maschinelle Walzendruck bedeuteten fur die meisten Blaudruckwerkstatten das Aus. Industriell wird der Blaudruck nicht hergestellt. Heute existieren in Europa nur noch wenige Handwerksbetriebe, die die Herstellung der Model und die alten Drucktechniken beherrschen.
Die meisten Blaudrucker gibt es in Deutschland mit 12 Werkstatten. Die alteste noch aktive Blaudruck-Werkstatt Europas befindet sich in
Einbeck
in Niedersachsen. Weitere niedersachsische Blaudruckerwerkstatten bestehen in
Scheeßel
und
Jever
. In Bayern gibt es noch zwei Meister-Handwerksbetriebe mit der Handdruckerei und Farberei Fromholzer
[3]
in
Ruhmannsfelden
, die seit 1640 besteht, und der Blaudruckerei Henkenjohann & Sander aus
Bad Aibling
.
[4]
In Tschechien und der Slowakei sind drei und in Ungarn sechs Blaudruckereien als Familienbetrieb aktiv.
In
Osterreich
gibt es zwei traditionsreiche Betriebe ?
Blaudruckerei Wagner
in
Bad Leonfelden
im
Muhlviertel
Oberosterreichs
und
Blaudruckerei Koo
in
Steinberg-Dorfl
im
Burgenland
. Das
Farbermuseum Gutau
(ebenfalls im Muhlviertel) widmet sich seit 1982 der Blaudruckkunst, die hier bis 1968 von einer Meisterin ausgeubt worden ist.
Das Gewebe wird zunachst
gebeucht
, getrocknet und durch
Mangeln
geglattet.
Holzmodel auf dem mit Papp bestrichenem Chassis (Stempelkissen)
Beim Reservedruck entsteht ein weißes Muster auf blauem Grund. Das Chassi, ein mit Papp gefullter Kasten, und die Model werden auf dem vorbereiteten Gewebe platziert. Dann wird eine Papp, Blaudruckpapp oder Reservage genannte farbabweisende Substanz auf die Model aufgetragen.
Der Papp muss eingetrocknet sein, bevor die Stoffe gefarbt werden konnen. Dazu wird der Stoff auf ein Trockenreck gespannt. Papp wird unter anderem aus
Gummi arabicum
, weißer
Tabakspfeifenerde
,
Kupfersulfat
,
Kupferacetat
und anderen chemischen Substanzen hergestellt;
[5]
die genauen Rezepturen werden gut gehutet und sind zum Teil seit Jahrhunderten uberliefert. Nach dem Farben wird der Papp mit verdunnter Schwefelsaure entfernt.
Es handelt sich also um ein Farbeverfahren, kein
Druckverfahren
. Der Begriff ?Druck“ bezieht sich auf die alternative Bezeichnung ?negativer Druck“, da bei Drucktechniken, die den Reservedruck imitieren, durch Walzen Farbe aufgetragen wird, wogegen die Stellen beim Blaudruck ausgespart bleiben. Der Begriff ?Reserve“ bezieht sich darauf, dass das gewahlte Muster bei der Farbung reserviert, d. h. ausgespart bleibt.
Blaudruckerei Wagner in
Bad Leonfelden
: Direktdruck auf Bauernleinen
Beim Direktdruck druckt man die Farbe mit dem Druckstock, dessen Muster der jeweilige Model vorgibt, auf den zuvor gewaschenen weißen Stoff. Die Farbe wird direkt auf die Stoffoberflache ubertragen und erscheint als Braun. Nach dem Trocknen kommt der Stoff in ein Entwicklungsbad, in dem sich die braune Druckfarbe durch eine chemische Reaktion in strahlendes Blau verwandelt. Der Stoff wird abschließend gekocht, gebugelt und ist danach gebrauchsfertig. Das Bedrucken muss sehr sorgfaltig ausgefuhrt werden, da eventuelle Fehler nicht korrigiert werden konnen. Dieses handwerkliche Verfahren ist eine Weiterentwicklung des ursprunglichen Reservedrucks und kommt dann zum Einsatz, wenn ein blaues Muster auf weißem Grund entstehen soll.
Als imitierendes Verfahren kann ein blau gefarbter Stoff auch mit einer atzenden Substanz (Atzbeize) bedruckt werden, was ebenfalls zu einem weißen Muster auf blauem Grund fuhrt.
Blaudruckmodel, Holz, 19. Jhdt., Straßburg, Musee alsacien
Ein Formstecher bei der Arbeit (1989)
Die Muster auf dem Gewebe entstehen durch Verwendung von Schablonen, die Modeln genannt werden. Der Druck erfolgt auch heute noch per Hand mit Modeln, die von einem spezialisierten Handwerker, dem Formenstecher oder
Holzschneider
, hergestellt werden. Ursprunglich bestanden sie aus
Buchsbaumholz
, aus dem das Muster mit Stemm- und Stecheisen herausgestochen wurde. Seit dem 19. Jahrhundert benutzte man auch Modeln, bei denen das Muster aus feinen Messingstiften und -platten besteht, die in
Birnbaumholz
eingeschlagen werden. Dabei konnen die Drahte mit einem Zieheisen bearbeitet werden, so dass sie zum Beispiel einen viereckigen oder sternformigen Querschnitt erhalten, der dann auf dem bedruckten Stoff als Muster erscheint. Eine Kombination aus beiden Techniken ist ebenfalls moglich. Abschließend wird die Oberflache der Model plangeschliffen, um ein einwandfreies Druckergebnis zu ermoglichen.
Damit sich der Model nicht verzieht und keine unregelmaßigen Muster entstehen, muss das Holz trocken, gleichadrig, astfrei und gut abgelagert sein. Großflachige Modeln sind aus drei Schichten verleimt, wobei oft Birnbaumholz mit dem leichteren Lindenholz kombiniert wird. An den Kanten oder auf der Ruckseite haben die Modeln Handgriffe und an jeder Ecke einen
Rapportstift
, der auf dem Stoff eine Markierung hinterlasst, aufgrund derer ein luckenloser Druck moglich ist.
Mit Papp bedruckte Stoffe vor dem Farben, auf einen Sternreifen aufgezogen im
Farbermuseum Gutau
Der Stoff wird in Lagen auf Kron- oder Sternreifen genannten Eisenrahmen gehangt und in den mehr als 2 Meter tiefen Farbebottich, die
Kupe
, getaucht. Je ofter er getaucht wird, desto dunkler und kraftiger wird die Farbe. Indigo ist wahrend des Farbevorgangs gelbgrun und erhalt erst bei der Oxidation an der Luft einen blauen Farbton. Nach dem Farben wird der Stoff gespult, gekocht, getrocknet und geglattet, fruher mit einer Glaskugel, heute mit dem
Kalander
, also mit beheizten Walzen.
Das Mischverfahren der Farben und des Entwicklungsbades sind wie der gesamte Blaudruck handwerkliche Arbeiten. Die Rezepte sind Betriebsgeheimnisse, die von einer Generation an die nachste weitergegeben werden.
Weste aus
Muhlviertler Handblaudruckstoff
Leinen-, Halbleinen- oder
Cretonne
-Stoffe, in die beim Weben kein Farbmuster eingearbeitet wurde, konnen mittels Blaudruck mit flachenfullenden Mustern versehen werden.
Je nach Region, Zeitalter, Anwendungszweck und Tradition variieren Farben und Muster.
Ornamentale
Muster gehoren zu den altesten bekannten Mustern. Auch Blumenmuster und
Borduren
fanden weite Verbreitung. Motive des Christentums und der Jagd gehoren zu den figurlichen Mustern.
Blaudruck findet nicht nur bei Tischdecken, Kissenbezugen, Vorhangen, Wandbehang und anderen individuellen dekorativen Zwecken Verwendung, sondern auch bei der Kleidungsmode, so ist er ein wichtiges Element in der
sorbischen
Tracht. Hier wird er fur Jacken, Rocke und Schurzen eingesetzt. Besonders kunstvoll gearbeitet sind
Schurzen
, die auf der Vorder- und Ruckseite mit unterschiedlichen Mustern bedruckt sind.
Anerkennungsurkunde zur Aufnahme in das Immaterielle Kulturerbe der Menschheit im
Farbermuseum Gutau
Die
Osterreichische UNESCO-Kommission
hat ihn im Marz 2010 als
Burgenlandischer Indigo-Handblaudruck
in das nationale Verzeichnis des
Immateriellen Kulturerbes in Osterreich
aufgenommen.
[6]
Die
Deutsche UNESCO-Kommission
nahm im Dezember 2016 den Blaudruck auf Antrag von niedersachsischen Blaudruckern aus Einbeck, Jever und Scheeßel
[7]
in das
Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes
auf.
[8]
Am 28. November 2018 wurde der Blaudruck bei der Tagung des zwischenstaatlichen
UNESCO
-Komitees auf
Mauritius
als gemeinsames Kulturgut Deutschlands, Osterreichs, der
Slowakei
,
Tschechiens
und
Ungarns
auf die
Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit
aufgenommen.
[9]
[10]
- Rose Mullers:
Blau mit weißen Bluten
. Geschichte und Technologie des Blaudrucks. Coppenrath, Munster 1977,
ISBN 3-920192-27-3
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- Friedrich Schill:
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. Dissertation. Theologie Interaktiv 4, LIT Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2008,
ISBN 978-3-8258-1502-8
(
ausfuhrliche Inhaltsbeschreibung der Dissertation
; Malte Plath, Julia Helmke:
Rezension
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- Eberhard Prinz:
Farberpflanzen. Anleitung zum Farben. Verwendung in Kultur und Medizin
. 2. uberarbeitete Auflage. Schweizerbart, Stuttgart 2014,
ISBN 978-3-510-65291-4
.
- Friedemann Fegert:
Oh wie schon ist Indigo. Farber- und Blaudruckerhandwerk im Wandel der Zeit
. edition Lichtland, Freyung 2016,
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.
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, in:
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- Alfred Atteneder:
UNECSO Welterbe Blaudruck in Gutau.
In: Herta Neiß und
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(Hrsg.):
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Wien/Koln/Weimar, 2017, S. 197?2017.
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:
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. Munchen 2021,
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, Elisabeth Klatte, Annerose Rathjen:
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ISBN 978-3-9807741-7-8
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[11]
- ↑
Johannes Hugo Koch:
Mit Model, Krapp und Indigo. Vom alten Handdruck auf Kattun und Leinwand
. Christians Verlag, Hamburg 1984,
ISBN 3-7672-0840-7
, S. 81.
- ↑
Johannes Hugo Koch:
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Christians Verlag, Hamburg 1984,
ISBN 3-7672-0840-7
, S. 65?80.
- ↑
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In:
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- ↑
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In:
hogn.de.
da Hog'n. Onlinemagazin ausm Woid, 21. Februar 2020,
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Digitalisat
in der
Deutschen Digitalen Bibliothek
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- ↑
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In:
unesco.at.
Osterreichische UNESCO-Kommission
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abgerufen am 15. Mai 2023
.
- ↑
@1
@2
Vorlage:Toter Link/www.ndr.de
(
Seite nicht mehr abrufbar
.
Suche in Webarchiven
)
Blaudruck zum Unesco-Weltkulturerbe geadelt.
In: ndr.de, 4. Juni 2019.
- ↑
Bundesweites Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe. Blaudruck.
In:
unesco.de.
Deutsche UNESCO-Kommission
(DUK),
abgerufen am 15. Mai 2023
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- ↑
Blaudruck ist immaterielles Kulturerbe.
In:
orf.at
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28. November 2018,
abgerufen am 15. Mai 2023
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- ↑
Blaudruck/Modrotisk/Kekfestes/Modrotla?, resist block printing and indigo dyeing in Europe.
In:
unesco.org.
2018,
abgerufen am 15. Mai 2023
(englisch).
- ↑
Veroffentlichungen.
In:
Heimatverein Niedersachsen e.V.
Abgerufen am 15. September 2023
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