Das
Bistum Chiemsee
war eine 1215/16 gegrundete, dem
(Furst-)Erzbischof von Salzburg
als
Metropoliten
unterstehende
Suffragandiozese
der
romisch-katholischen Kirche
. Als Kathedrale diente die
Klosterkirche
des
Stifts Herrenchiemsee
auf der
Herreninsel
im
Chiemsee
in
Bayern
.
Als Folge der
Sakularisation in Bayern
trat 1808 der letzte Bischof des Bistums zuruck. Das Bistumsgebiet ging mit dem
Bayerischen Konkordat
1817/18 in den Erzbistumern
Munchen-Freising
und
Salzburg
auf.
2009 wurde Chiemsee als
Titularbistum
der romisch-katholischen Kirche wiedererrichtet.
Das Bistum Chiemsee wurde 1216 durch den Salzburger
Erzbischof
Eberhard von Regensberg
begrundet. Er folgte hierbei dem Vorbild seines Vorgangers, der bereits das
Bistum Gurk
als
Eigenbistum
errichtet hatte. Zur Bistumsgrundung erteilte Kaiser
Friedrich II.
1213 zunachst die Erlaubnis fur
Frauenchiemsee
und 1215 fur
Herrenchiemsee
. Im darauf folgenden Jahr stimmte auch Papst
Innozenz III.
dem Vorhaben des Erzbischofs zu. Zur Kathedrale wurde die Kirche des
Klosters Herrenchiemsee
bestimmt. Die Augustinerchorherren des Klosters Herrenchiemsee bildeten das
Domkapitel
. An seiner Spitze stand ein Dompropst, der zugleich
Archidiakon
der Diozese war.
Begrundet wurde die Schaffung eines weiteren Eigenbistums mit der geographischen Ausdehnung des Erzbistums Salzburg, welches einen eigenen Bischof vor Ort wunschte und zudem gleichzeitig die Errichtung weiterer Landesbistumer zu verhindern suchte.
Der Bischof von Chiemsee galt als Lehnsmann des Salzburger Erzbischofs, der von diesem nominiert, konfirmiert, konsekriert und investiert wurde. Er fungierte damit als personlicher
Weihbischof
des Erzbischofs, der ihm auch weitere Aufgaben ubertragen konnte.
Obwohl er Bischof einer eigenen
Suffragandiozese
war, residierte der Bischof von Chiemsee meist in Salzburg, wo er seit Anfang des 14. Jahrhunderts den
Chiemseehof
bewohnte. Als
Vasall
des Erzbischofs von Salzburg hatte der Bischof von Chiemsee zwar Sitz und Stimme auf den Salzburger Landtagen, nicht aber im
Reichsfurstenrat
.
Wenn die Bischofe von Chiemsee im 14. Jahrhundert auch ihre Kompetenzen ausbauen konnten, blieben sie als Eigenbischofe im Vergleich zu anderen Bischofen stets unter der Hoheit des
Metropoliten
. In seiner Kathedrale, die im Besitz der Augustiner-Chorherren von Herrenchiemsee stand, besaß der Bischof von Chiemsee nur den Bischofsthron, hatte aber sonst keine Rechte. Aus diesem Grund wurde die Pfarre
St. Johann in Tirol
1446 unter Bischof
Silvester Pflieger
der bischoflichen Mensa inkorporiert und somit zur bischoflichen Pastoralresidenz. Dadurch hatte der Bischof von Chiemsee einen Ort innerhalb seiner Diozese, in dem er seine Amtsgeschafte ungestort ausuben und Synoden abhalten konnte.
[1]
Das Gebiet des Bistums Chiemsee war ganzlich vom Erzbistum Salzburg umschlossen. Die Bistumsgrenzen verliefen vom
Chiemsee
uber das
Achental
und das
Leukental
bis zum
Pass Thurn
in
Tirol
und uber den ostlichen Teil des
Brixentales
und des
Sollandls
zum Chiemsee zuruck.
[2]
Kloster Frauenchiemsee
war nicht Teil des Bistums, sondern gehorte dem Erzbistum Salzburg an.
Bei seiner Grundung bestand das Bistum aus zehn
Pfarreien
:
Herrenchiemsee
,
Prien am Chiemsee
,
Eggstatt
,
Sollhuben
,
Grassau
,
Soll
,
Kirchdorf
,
St. Johann im Leukental
,
Brixen im Thale
und
St. Ulrich am Pillersee
. Ab 1312 gehorte die Pfarre Brixen politisch zum
Erzstift Salzburg
und ab 1505 die Pfarren Kirchdorf, St. Johann, Soll und St. Ulrich zu
Tirol
, sodass sich das Bistum schließlich uber die Einflussbereiche von drei Landesfursten erstreckte.
Zusatzlich kamen im Laufe der Zeit zahlreiche weitere zerstreute Guter in den Besitz der Bischofe von Chiemsee, etwa die
Hofmarken
Bischofshofen
im Pongau (Schenkung 1215) oder
Koppl
ostlich von Salzburg.
1804 bestand das Bistum Chiemsee aus 16
Vikariaten
, 10
Kuratien
, 10
Kooperaturen
, 11
Kaplaneien
und
Benefizien
, einem
Priesterhaus
, einem
Chorherrenstift
und einem
Kapuzinerkloster
. In den damals elf Pfarreien lebten 38.818 Katholiken.
Bischofskirche des Bistums Chiemsee war die
Klosterkirche
des
Stifts Herrenchiemsee
auf der
Herreninsel
im
Chiemsee
in
Bayern
, die deshalb auch ?
Inseldom
“ genannt wurde. Die
Augustiner-Chorherren
dieses Stifts bildeten das
Domkapitel
, der
Propst
dieses Stifts war zugleich
Archidiakon
des Bistums. 1676 bis 1678 wurde ein neuer Inseldom durch den Graubundner Baumeister
Lorenzo Sciascia
im prachtvollen Barock errichtet.
Bereits bei der Bistumsgrundung wurde festgelegt, dass die Rechte des Archidiakons von Chiemsee, der zugleich Propst des Augustinerchorherrenstifts war, nicht geschmalert werden sollten. Die
Vogteirechte
uber das Kloster ubte das
Herzogtum Bayern
aus, auf dessen Gebiet das Archidiakonat lag. Bischof und Archidiakon standen stets in einem Kompetenzstreit, wobei Bayern die Position des Archidiakons unterstutzte. 1446 erlangte Propst Ulrich Haupl das Recht, die
Pontifikalien
zu tragen. Nach 1498 erlangte Propst Rupert Puetinger den Titel eines
Pfalzgrafen des Lateran
.
Erst durch die Starkung der bischoflichen Rechte durch das
Konzil von Trient
verfugte der Bischof uber die volle Ordinariatsgewalt. Klare Rechtsverhaltnisse wurden erst 1613 durch die Teilung des Archidiakonates in einen erzbischoflich-salzburgischen und einen bischoflich-chiemseeischen Teil geschaffen. Durch die Errichtung eines
Dekanates
in St. Johann wurde der Einfluss des
Dompropstes
1621 wiederum verringert.
Die Liste der Bischofe von Chiemsee beginnt 1216 mit
Rudiger von Bergheim-Radeck
und endet 1808 mit
Sigmund Christoph von Waldburg zu Zeil und Trauchburg
.
Das Stift Herrenchiemsee wurde 1803 im Zuge der
Sakularisation in Bayern
aufgelost. Es kam in staatlichen Besitz und wurde im selben Jahr an den Mannheimer Kaufmann Carl von Luneschloß verkauft. 1807 wurde die als Kathedrale des Bistums Chiemsee dienende Stiftskirche
profaniert
, 1808 verzichtete der letzte Bischof von Chiemsee,
Sigmund Christoph von Zeil und Trauchburg
, auf sein Amt.
Der oberbayerische Teil des Bistumsgebiets ging mit dem
Bayerischen Konkordat
1817/18 im neuen
Erzbistum Munchen und Freising
und der Tiroler Teil im seines weltlichen Herrschaftsgebiets beraubten
Fursterzbistum Salzburg
auf.
Zwischen 1818 und 1820 ließ der Munchner Großkaufmann Alois von Fleckinger die Turme und den Chor der ehemaligen Stiftskirche von Herrenchiemsee abbrechen und richtete im ehemaligen
Langhaus
eine Brauerei ein. Der Hochaltar kam nach
Rimsting
, die
Johann-Christoph-Egedacher
-Orgel nach
Tittmoning
.
Im Januar 2009 wurde das ehemalige Bistum von Papst
Benedikt XVI.
als
Titularbistum
wiedererrichtet. Der Titularsitz ist derzeit
vakant
.
Das
Wappen
des Bistums Chiemsee ist ein
gespaltener Schild
. Im
rechten
goldenen Feld ein schwarzer, rot bezungter
Adler
und in dem linken roten Felde ein silbernes gotisches
Pastorale
. Der schwarze Adler auf gold ist ein
Reichsadler
, der von der Grundungserlaubnis fur
Frauen-
und
Herrenchiemsee
durch Kaiser Friedrich II. 1213/15 herruhrt
(Chiemseeadler)
.
Das Wappen des Bistums uberlebte in einigen Wappen des ehemaligen Bistumsgebiets. Der Adler erhielt sich im Wappen des
Landkreises Traunstein
und der Gemeinde
Reit im Winkl
, der Bischofsstab ist ein Teil des Wappens der Marktgemeinde St. Johann in Tirol, wo auch im
Museum
der Gemeinde an das ehemalige Bistum erinnert wird. Adler und Bischofsstab finden sich im Wappen von
Bischofshofen
.
- Max Furst
:
Das Bistum Chiemsee und seine Bischofe.
1927.
- Engelbert Wallner:
Das Bistum Chiemsee im Mittelalter (1215?1508).
1967.
- Johannes Graf von Moy:
Das Bistum Chiemsee.
1982.
- Erwin Naimer:
Das Bistum Chiemsee in der Neuzeit.
1990.
- Manfred Heim
:
Bischof und Archidiakon, geistliche Kompetenzen im Bistum Chiemsee (1215?1817)
, 1992.
- Manfred Heim:
Chiemsee, Bistum.
In:
Historisches Lexikon Bayerns.
(
historisches-lexikon-bayerns.de
).
- Erwin Gatz
:
Die Bischofe des Heiligen Romischen Reiches.
Band I,
ISBN 3-428-10303-3
, S. 127.
- Christian Petrzik:
Das alteste Salbuch und das Obleibuch des Augustiner-Chorherrenstifts Herenchiemsee
(= Quellen und Erorterungen zur bayerischen Geschichte). Kommission fur bayerische Landesgeschichte, Munchen 2023,
ISBN 978-3-406-10419-0
.
- ↑
Peter Fischer: Das Bistum Chiemsee wurde vor 200 Jahren aufgelost; in: Zwischen Kaiser, Kalkstein und Horn, Heimatkundliche Beitrage des Museums- und Kulturvereins St. Johann in Tirol, Nr. 12, 2008
- ↑
Kloster und Domstift Herrenchiemsee. Festschrift der Freunde von Herrenchiemsee 1982, S. 7.