Billigfluggesellschaft

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Flugzeug der Southwest Airlines

Eine Billigfluggesellschaft (auch Billigairline , umgangssprachlich Billigflieger , englisch low-cost carrier , no frills airline , budget airline ) ist eine Fluggesellschaft , die im Rahmen einer Niedrigpreisstrategie Fluge billiger anbietet als klassische Fluggesellschaften und auf Komfortmerkmale verzichtet. Dienste, wie Versorgung mit Speisen und Getranken , werden meist nur gegen Bezahlung oder gar nicht angeboten. Im Gegensatz zu Netzwerk-Carriern , die ein dichtes Streckennetz mit Umsteigemoglichkeiten anbieten, arbeiten Billigfluggesellschaften vorwiegend mit Direktverbindungen .

Entstehung und Entwicklung

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Ryanair Boeing 737-800
EasyJet A320

Das Prinzip der Billigfluggesellschaften stammt aus den USA und wurde dort von Southwest Airlines 1971 begonnen. Die erste europaische Fluggesellschaft dieser Kategorie war Laker Airways , die auch interkontinentale Billigfluge anbot, damit jedoch scheiterte. 1978 wurde in den USA der Airline Deregulation Act verabschiedet. Dadurch wurden Billigfluggesellschaften gefordert, da sie unter anderem gunstigere Sondertarife einfuhren konnten, allerdings erhohten sich auch die Unternehmenskonzentration und die langerfristigen Preise. [1]

Ryanair ubernahm das Modell 1991 und expandiert seit 1995 europaweit. Flogen 1994 nur rund drei Millionen Passagiere mit Billigfluggesellschaften, die meisten mit Ryanair, so waren es 1999 bereits etwa 17,5 Millionen. 1995 beschloss British Airways die Grundung einer eigenen Low-Cost-Sparte mit dem Namen Go , die 1998 den Betrieb ab dem Flughafen London-Stansted aufnahm. Im selben Jahr nahm easyJet ab London Luton den Flugbetrieb auf. KLM folgte dem Beispiel der British Airways im Jahr 2000, indem sie die Billigfluggesellschaft Buzz grundete. Wizz Air nahm den Betrieb im Jahr 2003 mit vier Basen auf. Im Geschaftsjahr 2019 transportierte sie 39,8 Millionen Passagieren. [2] Im Jahr 2020 betreibt die Fluggesellschaft 124 Flugzeugen und 32 Basen in Europa und steht kurz vor der Grundung ihrer Tochtergesellschaft Wizz Air Abu Dhabi . [3] [veraltet]

In Europa gehoren easyJet und Ryanair zu den erfolgreichsten Billigfluglinien, denn aufgrund der Deregulierung im Flugverkehr konnten sie ihre Passagierzahlen enorm steigern. Seit Ryanair im Februar 2002 100 Kilometer von Frankfurt am Main entfernt mit Frankfurt-Hahn eine Basis eroffnet hat, im Herbst 2002 [4] mit Germanwings und Hapag-Lloyd Express (heute TUIfly ) zwei deutsche Billigfluggesellschaften vom Flughafen Koln/Bonn gestartet sind, boomen die Billigfluggesellschaften auch in Deutschland. Durchschnittlich wird jeder funfte Flug in Deutschland von einer Billigfluggesellschaft durchgefuhrt. Damit hat sich der Anteil der Billigfluggesellschaften an der Anzahl der Fluge in Deutschland in den letzten sechs Jahren vervierfacht. Umweltorganisationen kritisieren diese Entwicklung.

Nach Kapazitaten weltweit

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Airbus A321neo der Wizz Air am Flughafen Frankfurt Main

Laut der Datenbanken von Innovata LLC, welche Statistiken uber die 800 bedeutendsten Fluggesellschaften fuhrt, werden die Billigfluggesellschaften nach Fluggastkapazitaten in folgender Reihenfolge angefuhrt: [5]

Fluggesellschaft Rang Staat Kapazitat
Southwest Airlines 0 1 Vereinigte Staaten   Vereinigte Staaten 3.601.236.348
Ryanair 0 2 Irland   Irland 2.740.188.447
easyJet 0 3 Vereinigtes Konigreich   Vereinigtes Konigreich 1.590.205.540
Jetblue Airways 0 4 Vereinigte Staaten   Vereinigte Staaten 1.264.619.457
Gol Linhas Aereas 0 5 Brasilien   Brasilien 0. 959.324.747
Lion Air 0 6 Indonesien   Indonesien 0. 833.940.341
Westjet 0 7 Kanada   Kanada 0. 701.488.502
Norwegian Air Shuttle 0 8 Norwegen   Norwegen 0. 602.731.882
Jetstar Airways 0 9 Australien   Australien 0. 592.318.049
AirTran Airways 10 Vereinigte Staaten   Vereinigte Staaten 0. 590.901.890

Nach Abflugen in Deutschland

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Germanwings war eine durch Lufthansa ins Leben gerufene Billigfluggesellschaft, die mit Eurowings ? ebenfalls einer Lufthansa-Tochter ? fusionierte
Ein Airbus A320 der spanische IAG Tochter Vueling am Flughafen Barcelona

Im zweimal jahrlich erscheinenden Low Cost Monitor des DLR und des ADV wurde ein Ranking unter den in Deutschland verkehrenden Billigfluggesellschaften ermittelt. Die Tabelle vergleicht die Abfluge einer Januarwoche 2015 [6] mit einer Juliwoche 2018. [7] Bei innerdeutschen Strecken wurden beide Richtungen einer Strecke berucksichtigt.

1/2015 2/2018
Fluggesellschaft Rang
Deutschland
Rang
Europa
Marktanteil

Deutschland

in %

Rang

Deutschland

Rang

Europa

Marktanteil

Deutschland

in %

Germanwings / Eurowings 1 5 38,3 1 3 48,1
Ryanair 3 1 8,2 2 1 18,1
easyJet 4 2 7,2 3 2 16,2
Wizz Air 5 8 2,2 4 6 4,0
Laudamotion - - - 5 16 4,0
Norwegian 7 4 1,7 7 5 -
Vueling 9 7 - 8 4 -
Aer Lingus 10 10 - 9 9 -
Air Baltic 11 13 - 10 13 -

Merkmale von Billigfluggesellschaften

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Kabine eines Airbus A320-200 der AirAsia

Es gibt keine allgemeingultige Definition einer Billigfluggesellschaft. [8] Wenn eine Fluggesellschaft als Billigfluggesellschaft bezeichnet wird, weist sie gewisse Merkmale auf, wobei im Normalfall nicht alle Merkmale von jeder Fluggesellschaft erfullt werden. Die Fluggesellschaften konnen die Tickets aufgrund folgender Merkmale billig anbieten: [8] [9]

  • Nur ein Flugzeugtyp (meist sehr junge Flotte aufgrund besserer Treibstoffeffizienz und geringerer Wartungskosten)
  • Hohe Sitzauslastung (durch dynamische Preispolitik und yield Management )
  • Direktvertrieb der Tickets uber die eigene Website (Umgehung von GDS -Gebuhren)
  • Nutzung kleinerer Flughafen zur Verringerung von Start- und Landegebuhren
  • Geringe Turnaround-Time (TAT) (Zeit am Flughafen zwischen Landung und erneutem Start)
  • Eine hohe tagliche Nutzzeit der Flugzeuge
  • Nutzung eigener, oftmals entlegener, Terminals
  • Einsteigen der Passagiere uber Gangways mit Treppen statt uber Fluggastbrucken oder Nutzung der flugzeugeigenen Treppe
  • Besatzung in der gesetzlich zugelassenen Mindeststarke
  • Nur geringe Organisation der Mitarbeiter in Gewerkschaften
  • Hohe Anzahl an Flugzeugsitzen in der Kabine aufgrund nur einer Bordklasse sowie mehr Sitzreihen
  • Sitzplatzreservierung nur gegen Aufpreis
  • Zusatzleistungen nur gegen Bezahlung ( No-frills-Konzept )
  • Gebuhren fur Gepack, bestimmte Zahlungsmethoden, das Drucken des Boarding-Passes und sonstige Leistungen
  • Angebot ausschließlich von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen
  • Keine Kundenbindungs- bzw. Vielfliegerprogramme

Auch herkommliche Fluggesellschaften konnen einige dieser Merkmale erfullen, da sie beispielsweise Einsparmaßnahmen ubernehmen, die fur Billigfluggesellschaften typisch sind. Umgekehrt konnen Billiganbieter von Teilen des No-Frills-Konzeptes Abstand nehmen. Daher ist es nicht immer moglich, eine Fluggesellschaft eindeutig als Billiganbieter zu klassifizieren. [8] [9] In der Regel gehen Billigfluggesellschaften keine Allianzen mit anderen (Billig-)Fluggesellschaften ein. Einige europaische Gesellschaften waren Mitglied der inzwischen nicht mehr existierenden European Low Fares Airline Association , welche gemeinsame Interessen ihrer Mitglieder vertrat .

Hinzu kommt, dass Stadte und Regionen, die sich von den Flugen einen Wirtschaftsaufschwung erhoffen, die Fluge subventionieren. Zu nennen sind etwa der Ausbau von Flughafen und Infrastruktur im Allgemeinen, Kooperationen im Zusammenhang mit touristischen Leistungen und Marketingaktionen sowie Vergunstigungen bei Sicherheits- und Terminalgebuhren, bei Abfertigungsentgelten und bei Treibstoffpreisen. [10]

Geschaftsmodell

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Ein Flugzeug der Nok Air

Die wirtschaftliche Grundidee der Billigfluggesellschaften war es, Fluge zu Preisen anzubieten, die deutlich unter denen der herkommlichen Fluggesellschaften lagen. Dadurch konnten sich Menschen Flugreisen leisten, die diese zwar grundsatzlich nachfragten, denen die bis dato gunstigsten Tarife aber noch zu teuer waren. Die dadurch entstandene erhohte Nachfrage wird auch als ?Southwest Effect“ bezeichnet [11] . Um trotzdem profitabel arbeiten zu konnen, mussten die Anbieter ihre Kosten gegenuber den herkommlichen Anbietern deutlich senken. Heute gibt es neben dem reinen Billigflug-Modell auch verschiedene andere Geschaftsmodelle im Billigflugsegment. Beispielsweise grunden etablierte Fluggesellschaften Billigflugtochter, um konzernweit Marktanteile zuruckzugewinnen, oder sie versuchen selbst, ihre Kosten drastisch zu senken. Unter Umstanden konnen auch subventionierte, staatliche Fluggesellschaften am Markt fur niedrigpreisige Fluge teilnehmen, ohne ihre Kosten senken zu mussen. [8]

Daruber hinaus konnen verschiedene Geschaftsmodelle in einem Konzern verschmelzen, wie es beispielsweise bei Air Berlin der Fall war. Diese bot neben ?Billigflugen“ auch Charter- und Langstreckenfluge an. Zudem bestanden zahlreiche Umsteige- und Zubringerverbindungen. [9] Air Berlin bezeichnete sich daher selbst als Hybrid Carrier . [12]

Eine Airbus A320-200 von der Eurowings am Flughafen von Koln/Bonn

Billigfluggesellschaften setzen wegen niedriger Kauf- und Unterhaltungskosten uberwiegend Schmalrumpfflugzeuge ein, wie die der Airbus-A320-Familie oder der Boeing-737 -Reihe. So betreibt z. B. Southwest Airlines ausschließlich Boeing 737 und Wizz Air , Lauda Europe und EasyJet ausschließlich Flugzeuge der Airbus-A320-Familie. Schmalrumpfflugzeuge bieten eine ausreichende Passagierkapazitat und sind deshalb auch flexibel einsetzbar. Falls eine Maschine ausfallt, kann stattdessen problemlos eine andere eingesetzt werden. Zudem ist das durchschnittliche Flottenalter der Billigfluggesellschaften meist niedrig. So liegt das durchschnittliche Alter der Flugzeuge von Ryanair bei 5,5 Jahren, [13] wohingegen das Flottenalter bei Lufthansa 11,9 Jahre betragt. [14]

  • aerosecure: Wie sicher sind asiatische Billigflieger? (online Ausgabe Stand: August 2007)
  • Sven Groß und Alexander Schroder: Low Cost Airlines in Europa ? eine marktorientierte Betrachtung von Billigfliegern. FIT-Verlag, Dresden 2005
  • Sven Groß und Alexander Schroder (Hrsg.): Handbook of Low Cost Airlines ? Strategies, Business Processes and Market Environment. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2007
  • Hannes Rosler : Billigfluglinien im EU-Wirtschaftsrecht . In: Zeitschrift fur das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (ZHR) . Bd. 170, 2006, S. 336?353.
  • Isabel Schontag: Die Theorie der contestable markets am Beispiel des europaischen Luftverkehrsmarktes und ihre Anwendung im Low-Cost-Bereich. Munchen 2006 (Dissertation)

Einzelnachweise

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  1. Flug zuruck in die Siebziger , Die Zeit, 21/1998
  2. WIZZ ? Dream more. Live more. Be more. Abgerufen am 27. Juli 2020 (britisches Englisch).
  3. Wizz Air Abu Dhabi plant 100 Flugzeuge. In: aeroTELEGRAPH. 9. Juni 2020, abgerufen am 27. Juli 2020 .
  4. Germanwings Unternehmensinformation (PDF; 208 kB), abgerufen am 16. Juni 2013
  5. Billigfluggesellschaften nach Fluggastkapazitaten ( Memento vom 4. Juni 2014 im Internet Archive )
  6. Low Cost Monitor 1/2015. (PDF-Datei, 0,78 MB) DLR , S. 10, 14 , abgerufen am 6. Juni 2015 .
  7. Low Cost Monitor 2/2018. (PDF) DLR , S. 13, 17 , abgerufen am 4. Februar 2019 .
  8. a b c d Europaisches Parlament: Die Auswirkungen des wachsenden Billigflugsektors in Europa. Studie , PDF, 1,2 MB
  9. a b c Low Cost Monitor 1/2008 (PDF; 574 kB), Studie des DLR und ADV
  10. Manfred Treber, Andrea Kirchmair, Gerold Kier: Die Subventionierung des Flugverkehrs: Eine Bestandsaufnahme. Germanwatch, 7. Mai 2003, abgerufen am 27. Mai 2019 . S. 17.
  11. Wittman, Michael D, Swelbar, William S.: Evolving Trends of U.S. Domestic Airfares: The Impacts of Competition, Consolidation, and Low-Cost Carriers . In: MIT International Center for Air Transportation (Hrsg.): MIT Small Community Air Service White Paper . Nr.   3 .
  12. Airberlin Equity-Story ( Memento vom 17. Marz 2015 im Internet Archive )
  13. Official Ryanair website | Book direct for the lowest fares | Ryanair.com. Abgerufen am 11. Juli 2018 (englisch).
  14. Fleet age Lufthansa | Airfleets aviation. Abgerufen am 11. Juli 2018 .