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Eine
Berufsarmee
sind
Streitkrafte
deren Personal ausschließlich freiwillige
Soldaten
sind. In ihr dienen keine Soldaten, die
Wehrdienst
aufgrund einer
Wehrpflicht
leisten, sondern nur berufsmaßigen Wehrdienst aufgrund freiwilliger Verpflichtung (
Soldaten auf Zeit
und
Berufssoldaten
).
Anstelle des Begriffes Berufsarmee werden verschiedene Begriffe verwendet bzw. vorgeschlagen, um den einen oder anderen Aspekt hervorzuheben bzw. klarzustellen.
Berufsarmee
impliziert eine Organisation, ahnlich wie Polizei oder Grenzschutz, bei der die meisten Angehorigen bis zum Pensionsalter angestellt sind. Eine solche Streitkraftestruktur lasst sich aber nicht verwirklichen, da diese Organisation mittel- bis langerfristig uberaltern wurde und ihre Funktionsfahigkeit verlieren konnte.
Um das klarzustellen, sollte laut einem
NATO
-Vertreter der Terminus Freiwilligenstreitkraft verwendet werden.
[1]
Auch der
SPD
-
Bundestagsabgeordnete
Manfred Opel
,
Brigadegeneral
a. D., spricht sich fur eine deutliche Unterscheidung zwischen Freiwilligenarmee und Berufsarmee aus.
[2]
Der Begriff Freiwilligenarmee bezieht sich klar auf Streitkrafte, die sich ausschließlich aus freiwilligen Berufsoffizieren und -unteroffizieren, freiwilligen Berufssoldaten und freiwilligen Zeitsoldaten zusammensetzen und eine Prasenzbereitschaft aufweisen.
Haufig werden die Begriffe
Berufsheer
und Berufsarmee synonym benutzt. Die Begriffe
Heer
und
Armee
beziehen sich im eigentlichen Wortsinn auf die Landstreitkrafte einschließlich ihrer eigenen Fliegerkrafte. Diese bilden mit den
Luft-
und
Seestreitkraften
, auch Luftwaffe und Marine genannt, die Gesamtstreitkrafte.
Der Vorteil einer Berufsarmee gegenuber einer
Wehrpflichtigenarmee
ist der auf zeitgemaße Anforderungen besser zu optimierende Ausbildungsstand der Soldaten. Hinzu tritt die Senkung der Fluktuation in spezialisierten Aufgabenbereichen, was gegenuber Wehrpflichtarmeen das Ansammeln von Erfahrungswissen und die Fortentwicklung von ?Best Practises“ deutlich fordert. Der klassische Vorteil der Wehrpflichtigenarmee, eine großere Zahl an
Soldaten
, hat spatestens in der Zeit nach dem
Kalten Krieg
? zumindest fur entwickelte Industriestaaten ? an Bedeutung verloren, da sich sowohl die modernen Kriegsszenarien und Konfliktbilder als auch die politisch vorgegebenen Aufgaben der Streitkrafte nachhaltig verandert haben. Gleichbedeutend in diesem Wandel sind rustungstechnische Entwicklungen vor allem im Bereich der Informationstechnik.
Vorteile einer Berufsarmee sind:
- schnellere Verfugbarkeit
- Obwohl eine Berufsarmee als okonomisch bessere Losung angesehen wird und auch besser zu den Prinzipien einer Marktwirtschaft passt, ist zumindest umstritten, ob eine Professionalisierung und eine damit ermoglichte Umfangsreduzierung tatsachlich zu einer geringeren Belastung von Haushaltsmitteln fuhrt.
[3]
Kernpunkte der Diskussion zum heutigen Zeitpunkt sind:
Umfangszahlen und damit Personalkosten:
Strittig ist, ob die aus Rekrutierungsgrunden allgemein fur notwendig erachtete Attraktivitatssteigerung einschließlich eventuell notwendiger Werbeaufwendungen die zu erwartenden Einsparungen bei (geringbesoldeten) Wehrpflichtigen aufzehren oder nicht.
Ausrustungsfragen:
Beachtliches Einsparpotenzial liegt im Bereich des fur Ausbildungszwecke benotigten Gerates. Denn der auszubildende Regenerationsbedarf einer Berufsarmee bedingt einen deutlich geringeren Aufwand als die umfangliche Rekrutenausbildung einer Wehrpflichtarmee.
Liegenschaften:
Eine weitere Verringerung der Standorte wegen geringerer Umfangszahlen, die Aufgabe uberflussiger Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und die unter Experten notwendig erachtete Verschlankungen der Fuhrungsorganisation lassen eine erhebliche Senkung der sich daraus ergebenden Betriebskosten erwarten.
Nachteilig wirken sich aus:
- eine tendenziell niedrigere politische Hemmschwelle vor dem Einsatz der Armee, da ?nur“ freiwillige Soldaten betroffen sind und weil der potenziell betroffene Kreis der Wahlburger aus dem sozialen Umfeld der Soldaten marginalisiert wird.
- die weniger kontrollierbare Herausbildung und Verstarkung eines ausschließlich an sogenannten ?soldatischen Tugenden“ orientierten Korpsgeistes mit Tendenzen zur Verselbstandigung und damit moglicherweise einhergehender Verlust politischer und gesellschaftlicher Kontrolle (?
Staat im Staate
“).
- es findet keine Vermittlung von militarischen Kenntnissen an die breite Bevolkerung statt, was im Falle eines
Militarputsches
jedoch Garant fur die Selbstverteidigungsfahigkeit der Bevolkerung ware.
- steigender Aufwand fur die Nachwuchswerbung und Besoldung, um die Attraktivitat des Soldatenberufes gegenuber den zivilen Berufsfeldern konkurrenzfahig zu gestalten.
- Verlust der schnellen Aufwuchsfahigkeit der Armee bei unvorhergesehenen Bedrohungen des Staatsgebietes, was aufgrund der heutzutage technisch anspruchsvollen Waffen ebenfalls von zunehmend niedrigerer Bedeutung ist, da Wehrpflichtige nicht den Umgang mit modernen Waffensystemen erlernen.
- Wegfall des
Zivildienstes
: strittig ist die Argumentation, ob der Wegfall der Zivildienstleistenden fur das Sozialsystem hohere Kosten verursachen kann. Wehrpflichtbefurworter gehen davon aus, dass die Kosten steigen, Befurworter einer Freiwilligenarmee argumentieren mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen (Verhaltnis Ausbildung und Einsatzzeit, "Fernbleiben" der Zivildienstleistenden aus dem Erwerbsleben) und dass die Kosten durch den Wegfall reduziert werden. Anlasslich der
Volksbefragung zur Wehrpflicht in Osterreich 2013
wurde vor allem die Hohe der Kosten von Wehr- und Zivildienst als Argument sowohl der Befurworter als auch der Gegner verwendet.
Ein gutes Beispiel fur die kontroversen Erfahrungen mit Berufsstreitkrafen sind die
USA
. Prinzipiell galt und gilt in den USA Wehrpflicht. Wahrend des
Vietnamkrieges
jedoch kam es zu Demonstrationen gegen den Krieg und die Regierung, große Teile der Bevolkerung (zumeist junge, wehrpflichtige) standen gegen den Staat auf. Aus Angst, nach Vietnam geschickt zu werden, versuchten (wie bereits im Verlauf des
Zweiten Weltkrieges
) viele junge Manner auszuwandern, ein Studium zu beginnen, der
Nationalgarde
beizutreten oder unterzutauchen, so dass es an
Rekruten
mangelte.
Gleichzeitig mit dem Ruckzug aus Vietnam 1973 wurde die Wehrpflicht in den USA ?ausgesetzt“. Die USA etablierten Berufsstreitkrafte, die heute als die schlagkraftigsten der Welt angesehen werden konnen. Doch seit Beginn des zweiten
Irak-Krieges
mangelte es den Streitkraften wieder an Rekruten. Immer aufwendigere Kampagnen sind notig, um die Soll-Starke der Armee, teils auch der als Arbeitgeber populareren Marine und Luftwaffe zu erreichen.
Trotzdem ist die gesellschaftliche Bindung der
Streitkrafte der Vereinigten Staaten
ausgesprochen hoch und beispielsweise deutlich hoher als bei der
Bundeswehr
in der
Bundesrepublik Deutschland
. Wahrend in Deutschland schon vor Aussetzung der
Wehrpflicht in Deutschland
2011 ein ?wohlwollendes Desinteresse“ (Zitat
Horst Kohler
, ehemaliger
Bundesprasident
) vorherrschte, gelten US-Soldaten und US-Matrosen in den USA tendenziell als Helden und genießen durch den vorherrschenden starken Patriotismus ein hohes Ansehen.
Eine Wiedereinfuhrung der Wehrpflicht wird zwar immer wieder diskutiert, gilt aber bislang als unwahrscheinlich.
Als Beispiel fur Nachteile der US-Landstreitkrafte konnen entsprechend den oben aufgefuhrten Punkten folgende Entwicklungen aufgefuhrt werden. Heftige Proteste gegen den
Irakkrieg
wie zu Zeiten des
Vietnamkrieges
blieben aus. Es gab zwar Proteste, doch waren diese sehr viel verhaltener als wahrend des Vietnamkrieges. Allerdings blieben die Verlustzahlen des Irakkrieges mit bisher (Stand November 2008) mehr als 4200 Gefallenen
[4]
(die im Irak eingesetzten und umgekommenen
Soldner
sind hier nicht enthalten) auch weit hinter den 58.226 des Vietnamkrieges zuruck.
Zur Problematik eines ?Staates im Staate“ gibt es etliche Symptome: z. B. die ungeklarten Fragen zum
Gefangenenlager Guantanamo
und der
Abu-Ghuraib-Folterskandal
. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch die Wehrpflicht nicht vor derartigen Verfehlungen schutzt. So steht das
Massaker von My Lai
fur eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der amerikanischen Wehrpflichtarmee wahrend des
Vietnamkrieges
.
Die erste vergleichbare Berufsarmee moderner Auspragung war die
Armee
im
Romischen Reich
, die durch
Gaius Marius
im Jahr 104 v. Chr. gegrundet wurde. Nach dessen Niedergang kam es erst im spateren
Mittelalter
in Europa zur Aufstellung kleinerer stehender Verbande, im Auftrag der Stadte zur Sicherung der Handelswege. Diese Verbande rekrutierten sich zumeist aus verarmten
Rittern
, denen sich so eine Verdienstquelle eroffnete.
Die
Soldnerheere
des spaten Mittelalters und der
Neuzeit
konnen teilweise als Berufsarmeen aus
Zwangsrekrutierten
angesehen werden. Im 18. Jahrhundert dienten die
Offiziere
und
Unteroffiziere
als Freiwillige, wahrend unter den angeworbenen Mannschaften auch zwangsverpflichtete Berufssoldaten waren. Die Repressionen und teilweise grausame Durchsetzung von Disziplin und Gehorsam hatte ungunstige Auswirkungen auf die Kampfkraft der Truppen im Vergleich mit aus Wehrpflichtigen bestehenden Verbanden. Dies trat besonders im Aufeinandertreffen von
Napoleonischen
und
preußischen Truppen
in der
Schlacht von Jena und Auerstedt
zu Tage, die mit der anschließenden weitgehenden Auflosung der preußischen Armee infolge ihrer Niederlage endete.
Dem
preußischen
Beispiel folgend wurde nach den
deutschen Einigungskriegen
in nahezu allen europaischen Staaten die
allgemeine Wehrpflicht
eingefuhrt. Bis zur Beendigung des
Kalten Krieges
in den 1990er-Jahren waren Berufsarmeen eher selten, da die Militarstrategen eine große Armee als wichtiger ansahen als eine sehr gut ausgebildete kleine, aber schlagkraftigere Truppe. Nach dem Fall des ?
Eisernen Vorhangs
“ wurden die europaischen Armeen Schritt fur Schritt verkleinert und Mitte der 1990er-Jahre wurde als erstes in
Belgien
auch konsequenterweise auf die Wehrpflichtigen verzichtet.
In 20 von 28
EU
-Landern ist die
Wehrpflicht
ausgesetzt, beibehalten wurde sie nur in
Estland
,
Finnland
,
Griechenland
,
Osterreich
und
Zypern
[5]
. Wiedereingefuhrt wurde sie 2015 in
Litauen
, 2017 in
Schweden
und 2024 in
Lettland
.
24 der 32
NATO
-Staaten
[6]
haben Freiwilligen- bzw. Berufsarmeen, ausgenommen sind Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen,
Norwegen
, Schweden und die
Turkei
.
- ↑
Michael Ruhle:
Eine Freiwilligenarmee.
(PDF) Archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
17. November 2011
;
abgerufen am 12. August 2015
.
- ↑
Verwirrspiel um Berufsarmee und Freiwilligenarmee
- ↑
Wehrpflicht oder Freiwilligenarmee?
(
Memento
vom 11. Januar 2012 im
Internet Archive
)
- ↑
U.S. Military Deaths in Iraq
(
Memento
vom 14. September 2008 im
Internet Archive
) (Abgerufen am 17. November 2008)
- ↑
asfrab.de:
Wehrformen in der EU
(
Memento
vom 18. Januar 2010 im
Internet Archive
)
- ↑
asfrab.de:
Wehrformen in der NATO
(
Memento
vom 14. Januar 2010 im
Internet Archive
)