Berufsarmee

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Weltkarte der Armeeformen :
  •  keine (eigenen) Streitkrafte
  •  keine Wehrpflicht (Freiwilligenarmee / Berufsarmee / ausgesetzt)
  •  Wehrpflicht
  •  Wehrpflicht, aber weniger als 20 % der Altersgruppe (beide Geschlechter) werden tatsachlich eingezogen.
  •  keine Angaben
  • Eine Berufsarmee sind Streitkrafte deren Personal ausschließlich freiwillige Soldaten sind. In ihr dienen keine Soldaten, die Wehrdienst aufgrund einer Wehrpflicht leisten, sondern nur berufsmaßigen Wehrdienst aufgrund freiwilliger Verpflichtung ( Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten ).

    Anstelle des Begriffes Berufsarmee werden verschiedene Begriffe verwendet bzw. vorgeschlagen, um den einen oder anderen Aspekt hervorzuheben bzw. klarzustellen.

    Freiwilligenarmee

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    Berufsarmee impliziert eine Organisation, ahnlich wie Polizei oder Grenzschutz, bei der die meisten Angehorigen bis zum Pensionsalter angestellt sind. Eine solche Streitkraftestruktur lasst sich aber nicht verwirklichen, da diese Organisation mittel- bis langerfristig uberaltern wurde und ihre Funktionsfahigkeit verlieren konnte. Um das klarzustellen, sollte laut einem NATO -Vertreter der Terminus Freiwilligenstreitkraft verwendet werden. [1] Auch der SPD - Bundestagsabgeordnete Manfred Opel , Brigadegeneral a. D., spricht sich fur eine deutliche Unterscheidung zwischen Freiwilligenarmee und Berufsarmee aus. [2]

    Der Begriff Freiwilligenarmee bezieht sich klar auf Streitkrafte, die sich ausschließlich aus freiwilligen Berufsoffizieren und -unteroffizieren, freiwilligen Berufssoldaten und freiwilligen Zeitsoldaten zusammensetzen und eine Prasenzbereitschaft aufweisen.

    Haufig werden die Begriffe Berufsheer und Berufsarmee synonym benutzt. Die Begriffe Heer und Armee beziehen sich im eigentlichen Wortsinn auf die Landstreitkrafte einschließlich ihrer eigenen Fliegerkrafte. Diese bilden mit den Luft- und Seestreitkraften , auch Luftwaffe und Marine genannt, die Gesamtstreitkrafte.

    Der Vorteil einer Berufsarmee gegenuber einer Wehrpflichtigenarmee ist der auf zeitgemaße Anforderungen besser zu optimierende Ausbildungsstand der Soldaten. Hinzu tritt die Senkung der Fluktuation in spezialisierten Aufgabenbereichen, was gegenuber Wehrpflichtarmeen das Ansammeln von Erfahrungswissen und die Fortentwicklung von ?Best Practises“ deutlich fordert. Der klassische Vorteil der Wehrpflichtigenarmee, eine großere Zahl an Soldaten , hat spatestens in der Zeit nach dem Kalten Krieg ? zumindest fur entwickelte Industriestaaten ? an Bedeutung verloren, da sich sowohl die modernen Kriegsszenarien und Konfliktbilder als auch die politisch vorgegebenen Aufgaben der Streitkrafte nachhaltig verandert haben. Gleichbedeutend in diesem Wandel sind rustungstechnische Entwicklungen vor allem im Bereich der Informationstechnik.

    Vorteile einer Berufsarmee sind:

    • schnellere Verfugbarkeit
    • Obwohl eine Berufsarmee als okonomisch bessere Losung angesehen wird und auch besser zu den Prinzipien einer Marktwirtschaft passt, ist zumindest umstritten, ob eine Professionalisierung und eine damit ermoglichte Umfangsreduzierung tatsachlich zu einer geringeren Belastung von Haushaltsmitteln fuhrt. [3]

    Kernpunkte der Diskussion zum heutigen Zeitpunkt sind:
    Umfangszahlen und damit Personalkosten: Strittig ist, ob die aus Rekrutierungsgrunden allgemein fur notwendig erachtete Attraktivitatssteigerung einschließlich eventuell notwendiger Werbeaufwendungen die zu erwartenden Einsparungen bei (geringbesoldeten) Wehrpflichtigen aufzehren oder nicht.
    Ausrustungsfragen: Beachtliches Einsparpotenzial liegt im Bereich des fur Ausbildungszwecke benotigten Gerates. Denn der auszubildende Regenerationsbedarf einer Berufsarmee bedingt einen deutlich geringeren Aufwand als die umfangliche Rekrutenausbildung einer Wehrpflichtarmee.
    Liegenschaften: Eine weitere Verringerung der Standorte wegen geringerer Umfangszahlen, die Aufgabe uberflussiger Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und die unter Experten notwendig erachtete Verschlankungen der Fuhrungsorganisation lassen eine erhebliche Senkung der sich daraus ergebenden Betriebskosten erwarten.

    Nachteilig wirken sich aus:

    • eine tendenziell niedrigere politische Hemmschwelle vor dem Einsatz der Armee, da ?nur“ freiwillige Soldaten betroffen sind und weil der potenziell betroffene Kreis der Wahlburger aus dem sozialen Umfeld der Soldaten marginalisiert wird.
    • die weniger kontrollierbare Herausbildung und Verstarkung eines ausschließlich an sogenannten ?soldatischen Tugenden“ orientierten Korpsgeistes mit Tendenzen zur Verselbstandigung und damit moglicherweise einhergehender Verlust politischer und gesellschaftlicher Kontrolle (? Staat im Staate “).
    • es findet keine Vermittlung von militarischen Kenntnissen an die breite Bevolkerung statt, was im Falle eines Militarputsches jedoch Garant fur die Selbstverteidigungsfahigkeit der Bevolkerung ware.
    • steigender Aufwand fur die Nachwuchswerbung und Besoldung, um die Attraktivitat des Soldatenberufes gegenuber den zivilen Berufsfeldern konkurrenzfahig zu gestalten.
    • Verlust der schnellen Aufwuchsfahigkeit der Armee bei unvorhergesehenen Bedrohungen des Staatsgebietes, was aufgrund der heutzutage technisch anspruchsvollen Waffen ebenfalls von zunehmend niedrigerer Bedeutung ist, da Wehrpflichtige nicht den Umgang mit modernen Waffensystemen erlernen.
    • Wegfall des Zivildienstes : strittig ist die Argumentation, ob der Wegfall der Zivildienstleistenden fur das Sozialsystem hohere Kosten verursachen kann. Wehrpflichtbefurworter gehen davon aus, dass die Kosten steigen, Befurworter einer Freiwilligenarmee argumentieren mit den volkswirtschaftlichen Auswirkungen (Verhaltnis Ausbildung und Einsatzzeit, "Fernbleiben" der Zivildienstleistenden aus dem Erwerbsleben) und dass die Kosten durch den Wegfall reduziert werden. Anlasslich der Volksbefragung zur Wehrpflicht in Osterreich 2013 wurde vor allem die Hohe der Kosten von Wehr- und Zivildienst als Argument sowohl der Befurworter als auch der Gegner verwendet.

    Ein gutes Beispiel fur die kontroversen Erfahrungen mit Berufsstreitkrafen sind die USA . Prinzipiell galt und gilt in den USA Wehrpflicht. Wahrend des Vietnamkrieges jedoch kam es zu Demonstrationen gegen den Krieg und die Regierung, große Teile der Bevolkerung (zumeist junge, wehrpflichtige) standen gegen den Staat auf. Aus Angst, nach Vietnam geschickt zu werden, versuchten (wie bereits im Verlauf des Zweiten Weltkrieges ) viele junge Manner auszuwandern, ein Studium zu beginnen, der Nationalgarde beizutreten oder unterzutauchen, so dass es an Rekruten mangelte.

    Gleichzeitig mit dem Ruckzug aus Vietnam 1973 wurde die Wehrpflicht in den USA ?ausgesetzt“. Die USA etablierten Berufsstreitkrafte, die heute als die schlagkraftigsten der Welt angesehen werden konnen. Doch seit Beginn des zweiten Irak-Krieges mangelte es den Streitkraften wieder an Rekruten. Immer aufwendigere Kampagnen sind notig, um die Soll-Starke der Armee, teils auch der als Arbeitgeber populareren Marine und Luftwaffe zu erreichen.

    Trotzdem ist die gesellschaftliche Bindung der Streitkrafte der Vereinigten Staaten ausgesprochen hoch und beispielsweise deutlich hoher als bei der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland . Wahrend in Deutschland schon vor Aussetzung der Wehrpflicht in Deutschland 2011 ein ?wohlwollendes Desinteresse“ (Zitat Horst Kohler , ehemaliger Bundesprasident ) vorherrschte, gelten US-Soldaten und US-Matrosen in den USA tendenziell als Helden und genießen durch den vorherrschenden starken Patriotismus ein hohes Ansehen.

    Eine Wiedereinfuhrung der Wehrpflicht wird zwar immer wieder diskutiert, gilt aber bislang als unwahrscheinlich.

    Als Beispiel fur Nachteile der US-Landstreitkrafte konnen entsprechend den oben aufgefuhrten Punkten folgende Entwicklungen aufgefuhrt werden. Heftige Proteste gegen den Irakkrieg wie zu Zeiten des Vietnamkrieges blieben aus. Es gab zwar Proteste, doch waren diese sehr viel verhaltener als wahrend des Vietnamkrieges. Allerdings blieben die Verlustzahlen des Irakkrieges mit bisher (Stand November 2008) mehr als 4200 Gefallenen [4] (die im Irak eingesetzten und umgekommenen Soldner sind hier nicht enthalten) auch weit hinter den 58.226 des Vietnamkrieges zuruck.

    Zur Problematik eines ?Staates im Staate“ gibt es etliche Symptome: z. B. die ungeklarten Fragen zum Gefangenenlager Guantanamo und der Abu-Ghuraib-Folterskandal . Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass auch die Wehrpflicht nicht vor derartigen Verfehlungen schutzt. So steht das Massaker von My Lai fur eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der amerikanischen Wehrpflichtarmee wahrend des Vietnamkrieges .

    Die erste vergleichbare Berufsarmee moderner Auspragung war die Armee im Romischen Reich , die durch Gaius Marius im Jahr 104 v. Chr. gegrundet wurde. Nach dessen Niedergang kam es erst im spateren Mittelalter in Europa zur Aufstellung kleinerer stehender Verbande, im Auftrag der Stadte zur Sicherung der Handelswege. Diese Verbande rekrutierten sich zumeist aus verarmten Rittern , denen sich so eine Verdienstquelle eroffnete.

    Die Soldnerheere des spaten Mittelalters und der Neuzeit konnen teilweise als Berufsarmeen aus Zwangsrekrutierten angesehen werden. Im 18. Jahrhundert dienten die Offiziere und Unteroffiziere als Freiwillige, wahrend unter den angeworbenen Mannschaften auch zwangsverpflichtete Berufssoldaten waren. Die Repressionen und teilweise grausame Durchsetzung von Disziplin und Gehorsam hatte ungunstige Auswirkungen auf die Kampfkraft der Truppen im Vergleich mit aus Wehrpflichtigen bestehenden Verbanden. Dies trat besonders im Aufeinandertreffen von Napoleonischen und preußischen Truppen in der Schlacht von Jena und Auerstedt zu Tage, die mit der anschließenden weitgehenden Auflosung der preußischen Armee infolge ihrer Niederlage endete. Dem preußischen Beispiel folgend wurde nach den deutschen Einigungskriegen in nahezu allen europaischen Staaten die allgemeine Wehrpflicht eingefuhrt. Bis zur Beendigung des Kalten Krieges in den 1990er-Jahren waren Berufsarmeen eher selten, da die Militarstrategen eine große Armee als wichtiger ansahen als eine sehr gut ausgebildete kleine, aber schlagkraftigere Truppe. Nach dem Fall des ? Eisernen Vorhangs “ wurden die europaischen Armeen Schritt fur Schritt verkleinert und Mitte der 1990er-Jahre wurde als erstes in Belgien auch konsequenterweise auf die Wehrpflichtigen verzichtet.

    In 20 von 28 EU -Landern ist die Wehrpflicht ausgesetzt, beibehalten wurde sie nur in Estland , Finnland , Griechenland , Osterreich und Zypern [5] . Wiedereingefuhrt wurde sie 2015 in Litauen , 2017 in Schweden und 2024 in Lettland .

    24 der 32 NATO -Staaten [6] haben Freiwilligen- bzw. Berufsarmeen, ausgenommen sind Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Norwegen , Schweden und die Turkei .

    Wiktionary: Berufsarmee  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

    Einzelnachweise

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    1. Michael Ruhle: Eine Freiwilligenarmee. (PDF) Archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 17. November 2011 ; abgerufen am 12. August 2015 .
    2. Verwirrspiel um Berufsarmee und Freiwilligenarmee
    3. Wehrpflicht oder Freiwilligenarmee? ( Memento vom 11. Januar 2012 im Internet Archive )
    4. U.S. Military Deaths in Iraq ( Memento vom 14. September 2008 im Internet Archive ) (Abgerufen am 17. November 2008)
    5. asfrab.de: Wehrformen in der EU ( Memento vom 18. Januar 2010 im Internet Archive )
    6. asfrab.de: Wehrformen in der NATO ( Memento vom 14. Januar 2010 im Internet Archive )