Bernard de Gelieu vers 1890
Bernard von Gelieu
(eigentlich franzosisch:
Bernard de Gelieu
; *
28. September
1828
in
Neuenburg
; †
20. April
1907
in
Potsdam
) war ein aus dem heutigen
Kanton Neuenburg
stammender
preußischer
General der Infanterie
.
Bernard war der Sohn des
reformierten
Pfarrers Bernard de Gelieu und dessen Ehefrau Emilie, geborene von
Bondeli
sowie ein Enkel des seinerzeit als Bienenforscher bekannten Pfarrers
Jonas de Gelieu
; seine Schwester Rose-Albertine (* 27. Oktober 1823 in Colombier; † 6. Marz 1898) war mit dem Geistlichen
Louis-Constant Henriod
verheiratet. Er besuchte das
Gymnasium
in Neuchatel und begann ein Studium der
Theologie
.
Bernard von Gelieu als Seconde-Lieutenant (
Daguerreotypie
von 1848)
1847 schloss er sich einem Freiwilligenbataillon an, das von royalistischen Neuchatellern gegen die im
Furstentum Neuchatel
erstarkende republikanische Bewegung gebildet wurde. Hieraus erwuchs sein Wunsch, Berufsoffizier zu werden. Dabei versuchte er zunachst, eine Offiziersstelle in der franzosischen Armee zu erhalten. Auf Anregung eines Freundes der Familie bewarb er sich aber auch im Januar 1848 um ein Offizierspatent beim
Garde-Schutzen-Bataillon
der
Preußischen Armee
in
Berlin
. Das
Bataillon
war 1814 fur Freiwillige aus dem Furstentum Neuchatel gegrundet worden und der Staatsrat (Conseil d’Etat) des Furstentums besaß ein Vorschlagsrecht fur die Offiziersstellen des Bataillons. Am 17. Januar 1848 wurde Gelieu vom Staatsrat auf eine Offizierstelle des Garde-Schutzen-Bataillons vorgeschlagen. Er verließ Neuchatel kurz nach der Revolution vom 1. Marz 1848, welche die Abschaffung der monarchistischen Herrschaft zur Folge hatte und begab sich nach Berlin, wo er am 9. April 1848 als außerplanmaßiger
Secondeleutnant
in das Bataillon aufgenommen wurde. Er war damit der letzte aus Neuchatel stammende Offizier des Garde-Schutzen-Bataillons.
Bereits kurz nach seiner Eingliederung in das Bataillon nahm Gelieu am
ersten Krieg um Schleswig-Holstein
teil. Im August 1848 erfolgte die Ernennung zum planmaßigen
Secondeleutnant
. Ab Ende September 1848 nahm er an Verhaftungsaktionen gegen demokratisch gesinnte Personlichkeiten im
Spreewald
teil. Im August 1855 wurde Gelieu zum
Premierleutnant
ernannt.
Als die royalistischen Krafte in Neuchatel im Anschluss an die Wahlen des Jahres 1856 die Moglichkeit sahen, die republikanische Verfassung zu beseitigen und den preußischen Konig
Friedrich Wilhelm IV.
wieder in seine Rechte als Furst von Neuchatel einzusetzen, beteiligte sich Gelieu als
Adjutant
des royalistischen Fuhrers Graf
Pourtales
-Steiger in preußischer Armeeuniform an den Kampfen in Neuchatel, deren Ausgang zum sogenannten
Neuenburgerhandel
fuhrte. Nach der Niederwerfung des Aufstandes durch schweizerische Bundestruppen floh der mit Haftbefehl gesuchte Gelieu uber
Bern
zuruck nach Berlin und versuchte, Unterstutzung fur die gefangen genommenen Aufstandischen zu erreichen. Seiner in
Hamburg
lebenden Schwester teilte er mit, von den in Berlin politisch Verantwortlichen ungnadig aufgenommen worden zu sein, zumal seine Teilnahme an dem Aufstand in preußischer Uniform als Indiz fur eine unmittelbare Beteiligung Preußens angesehen worden sei. Zuspruch wollte er lediglich von dem damaligen Prinzen von Preußen, dem spateren Kaiser
Wilhelm I.
erfahren haben, der ihm angeraten habe, nicht aus der Armee auszuscheiden. Die personliche Beziehung zu Wilhelm I. forderte, nachdem dieser zunachst die Regentschaft und nach dem Tod Friedrich Wilhelms IV. den preußischen Thron erlangt hatte, die Karriere Gelieus, die im Ubrigen auch durch den Kronprinzen
Friedrich Wilhelm
unterstutzt wurde.
Bernard von Gelieu als Hauptmann, Ausschnitt aus dem Gemalde
Beginn der Verfolgung bei Koniggratz
von
Christian Sell
1860 wurde Gelieu zum
Hauptmann
befordert und nahm als solcher 1866 am
Krieg gegen Osterreich
teil. In der
Schlacht bei Koniggratz
konnte die von ihm gefuhrte
Kompanie
des Garde-Schutzen-Bataillons bei
Lipa
eine osterreichische Artilleriestellung eroberte. Als Wilhelm I. nach der Schlacht die eroberten Stellungen abritt, begrußte Gelieu ihn mit dem Ruf ?Vive le Roi!“, den der Konig mit den Worten ?Merci, mon brave Neuchatelois!“ erwiderte. Die entsprechende Szene wurde in mehreren Gemalden von
Christian Sell
dargestellt. Wahrend des Krieges von 1866 nahm er auch Kontakte zu Offizieren der Schweizerischen Armee auf. Bis zum Tod Wilhelms I. wiederholte Gelieu jahrlich zum
Tag von Koniggratz
den Gruß ?Vive le Roi!“, den der preußische Konig und spatere Kaiser ihm regelmaßig dankte.
Im Oktober 1867 wurde Gelieu zum
Major
befordert und in das
5. Thuringische Infanterie-Regiment
nach
Weimar
versetzt, mit dem er 1870 am
Deutsch-Franzosischen Krieg
teilnahm. Zum
Oberstleutnant
befordert, kommandierte er zunachst die
Zitadellen
von
Sedan
und
Chartres
, im Februar 1871 sicherte er als Kommandant des Forts
Rosny
die Kampfe der franzosischen Truppen gegen die
Pariser Kommune
. 1873 wurde Gelieu Kommandeur des
4. Thuringischen Infanterie-Regiments
. Am Jahrestag der Schlacht von Koniggratz wurde Gelieu 1875 zum
Oberst
befordert und kurz darauf zum Kommandanten der
Festung
Neubreisach
ernannt. 1877 veroffentlichte er in einem Neuchateller Verlag ?Militarische Plaudereien eines alten Offiziers fur seine jungen Schweizer Landsleute“, die zugleich eine Aussohnung mit seiner schweizerischen Heimat darstellen.
Am 11. Dezember 1880 ernannte Kaiser Wilhelm I. Gelieu zum Kommandanten der
Festungen Koblenz und Ehrenbreitstein
. Da der Kaiser Fruhjahr und Herbst regelmaßig in
Bad Ems
verbrachte und Kaiserin
Augusta
in dieser Zeit Koblenz zur weiteren
Residenz
neben Berlin und Potsdam machte, stellte die Ernennung ein bedeutendes, dem Hof zugeordnetes Kommando dar. Seine Tochter Sophie wurde in dieser Zeit
Hofdame
der Kaiserin in Koblenz. Im April 1881 zum
Generalmajor
ernannt, wurde Gelieu im April 1886 zum
Generalleutnant
befordert.
1890 erbat Gelieu seinen Abschied. Dieser wurde ihm am 14. Mai 1890 unter Verleihung des
Charakters
als General der Infanterie gewahrt.
[1]
Gleichzeitig wurde Gelieu
a la suite
des Garde-Schutzen-Bataillons gestellt und erhielt das Recht, die Uniform des Bataillons zu tragen.
Gelieu verbrachte seine letzten Lebensjahre zunachst im
Tiergartenviertel
in Berlin und spater in Potsdam. In dieser Zeit nahm er Kontakte zu Verwandten der Familie in Frankreich auf und erneuerte seine Beziehungen nach Neuchatel. Ein Gelieu darstellendes Pastellbild befindet sich im Kasino des Schlosses von
Colombier NE
. Er starb 1907 nach einem Schlaganfall und wurde auf dem
Neuen Friedhof in Potsdam
beigesetzt.
Gelieu heiratete am 11. Oktober 1860 Hedwig von
Wittken
(1838?1924),
[2]
aus einer alten pommerschen Adels- und Offiziersfamilie. Aus der Ehe gingen folgende Kinder hervor:
- Sophie-Charlotte (1861?1944) ?
August von Seebeck
(1834?1914), preußischer General der Infanterie
- Bernhard
(1864?1926), preußischer Generalmajor ? Margarete Dietz (1873?1934)
- Heinrich (1866?1922), Beamter des
Norddeutschen Lloyd
? Emma Klinghoff (1884?1918)
- Hedwig (1878?1954) ? 1897 Friedrich von Gotz und Schwanenflies (* 1871)
- Causeries Militaires d'un vieil officier a ses jeunes compatriotes suisses.
Librairie J. Sandoz, Neuchatel 1877.
- Die vereinfachte Medizin, oder Complexe Homoopathie.
Ubersetzung des Buches von A. Clerc, Basel 1892.
- Florian Imer
:
Le General Bernard de Gelieu.
In:
Versailles. Revue des Societes des amis des Versailles.
Nr. 36, 37. S. 20, 138.
- Kurt von Priesdorff
:
Soldatisches Fuhrertum
.
Band 9, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, o. O. [Hamburg], o. J. [1941],
DNB
986919780
, S. 33?37, Nr. 2730.
- Laure Gruner, Adrien Wyssbrod:
Deux textes en patois Neuchatelois de Bernard de Gelieu.
In: Toujours langue varie..., Geneve 2014, p. 265?272.
- Les Familles bourgeoises de Neuchatel.
S. 116.
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der adeligen Hauser. Alter Adel und Briefadel. 1922.
Sechzehnter Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1921,
S. 274 f.
- ↑
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Rangliste der Koniglich Preußischen Armee und des XIII. (Koniglich Wurttembergischen) Armeekorps fur 1903.
Hrsg.:
Kriegsministerium
.
E.S. Mittler & Sohn
. Berlin 1903. S. 137.
- ↑
Handbuch des preußischen Adels.
Band 1, 1892,
S. 621.