Berlin (Schiff, 1894)

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Berlin
Postkarte von P. F. van den Ende (Rotterdam, 1907)
Postkarte von P. F. van den Ende (Rotterdam, 1907)
Schiffsdaten
Flagge Vereinigtes Konigreich   Vereinigtes Konigreich
Schiffstyp Passagierschiff
Heimathafen Harwich
Reederei Great Eastern Railway
Bauwerft Earle’s Shipbuilding and Engineering Company , Kingston upon Hull
Baunummer 379
Stapellauf 10. Januar 1894
Verbleib 21. Februar 1907 gesunken
Schiffsmaße und Besatzung
Lange 92,2 m ( Lua )
Breite 11,0 m
Tiefgang (max.) 4,9 m
Vermessung 1.775 BRT
Maschinenanlage
Maschine Dreifachexpansions- Dampfmaschinen
Maschinen­leistung 5.800 PSi
Hochst­geschwindigkeit 18  kn (33  km/h )
Propeller 1
Transportkapazitaten
Zugelassene Passagierzahl I. Klasse: 218
II. Klasse: 120
Sonstiges
Registrier­nummern 99454

Die Berlin war ein Passagierschiff des britischen Eisenbahnunternehmens Great Eastern Railway , das von 1894 bis 1907 als Fahre diente und Passagiere und Fracht von der englischen Hafenstadt Harwich nach Hoek van Holland ( Niederlande ) beforderte. Am 21. Februar 1907 wurde das Schiff in einem Sturm auf die nordliche Mole von Hoek van Holland geworfen und zerbrach in zwei Teile. Durch den Sturm wurde die Rettung der 143 Passagiere und Besatzungsmitglieder stark behindert, sodass nur 15 Menschen gerettet werden konnten.

Die Berlin entstand auf der Werft Earle’s Shipbuilding and Engineering Company im nordenglischen Hull und lief am 10. Januar 1894 vom Stapel . Im Marz 1894 wurde das Schiff fertiggestellt. Eigner war die 1862 gegrundete britische Eisenbahngesellschaft Great Eastern Railway (GER), die ein breites Schienennetz in der Region East Anglia betrieb und daneben auch uber eine Flotte von Dampfschiffen verfugte. Die Schiffe fuhren ab Harwich an der Kuste von Essex , einem der wichtigsten Fahrhafen des Vereinigten Konigreichs, von dem noch heute wichtige Fahrverbindungen in die Niederlande und nach Danemark fuhren.

Die Berlin hatte zwei Schwesterschiffe , die Amsterdam (1.745 BRT) und die Vienna (1.753 BRT), die auch beide 1894 in Dienst gestellt wurden.

Das aus Stahl gebaute, 92,2 Meter lange und elf Meter breite Dampfschiff war mit zwei Propellern ausgestattet und wurde mit Dreifachexpansions- Dampfmaschinen angetrieben, die 5.800 PSi erreichten und dem Schiff eine maximale Geschwindigkeit von 18 Knoten ermoglichten. Die Berlin pendelte in einem regelmaßigen Linienverkehr zwischen Harwich und Hoek van Holland bei Rotterdam . Sie konnte dabei 218 Passagiere in der Ersten und 210 in der Zweiten Klasse befordern.

Am Mittwochabend, dem 20. Februar 1907 gegen 22 Uhr, legte die Berlin zu einer weiteren Uberfahrt durch die Nordsee nach Hoek van Holland ab. An Bord waren 90 Passagiere und 53 Besatzungsmitglieder. Ihr Kapitan , der 44-jahrige John Precious aus Dovercourt , war seit 26 Jahren bei der Great Eastern Railway und war einer ihrer renommiertesten Schiffsfuhrer. Direkt nach dem Ablegen geriet das Schiff in heftige, aus Sudwest kommende Starkwinde . Als jedoch am folgenden Morgen der Hafen von Hoek van Holland sicher erreicht wurde, gingen die meisten davon aus, das Schlimmste uberstanden zu haben. Das Schiff passierte die Hafeneinfahrt und naherte sich der Pier . Die Passagiere bereiteten sich auf das Ausschiffen vor. Gegen 05.45 Uhr wurde die Berlin jedoch von einer Orkanbo erfasst und gegen die nordliche Mole , das Noorderpier, geworfen. Der Dampfer wurde noch zwei weitere Male von starken Wogen erfasst und prallte gegen die Mole.

Beim dritten Mal zerbrach die Berlin in zwei Teile. Der vordere Teil ging sofort unter, wodurch die meisten Menschen darauf ins Wasser geschleudert wurden und ertranken. Die Heckpartie , an der sich mehrere Passagiere festklammerten, ragte noch aus dem Wasser. Die Passagiere an Bord eines vorbeifahrenden Schiffs, der Amsterdam der Holland-America Line , konnten die Schreie der Schiffbruchigen horen. Der Sturm befand sich auf seinem Hohepunkt, was die Rettungsversuche stark behinderte. Wegen der hohen Wellen sah es zunachst so aus, als sei die Berlin komplett gesunken; das noch emporragende Heck wurde erst spater bemerkt. Die neunkopfige Mannschaft des Rettungsboots des Hafens von Hoek van Holland, die President van Heel (Kapitan Jensen), versuchte sich dem Schiff zu nahern, wurde aber immer wieder von den Wellen zuruckgedrangt. Auch ein Schlepper beteiligte sich an der Rettungsaktion. Der Passagier Captain Parkinson, ein Schiffskapitan aus Belfast , war vorerst die einzige Person, die gerettet werden konnte. Ein Mann namens Martijn Sperling setzte mit einer Yawl des Bergungsschiffs Van der Tak zur Berlin uber und schaffte es, drei Frauen zu retten.

Insgesamt wurden sechs weibliche und vier mannliche Passagiere sowie funf mannliche Besatzungsmitglieder lebend geborgen. Dies waren die einzigen Uberlebenden des Unglucks. 128 Menschen ertranken (48 Besatzungsmitglieder und 80 Passagiere) in nachster Nahe zum Ufer. Die zu Dutzenden angespulten Leichen wurden auf der Anlegestelle der Holland-America Line aufgereiht. Unter den Todesopfern waren Arthur Herbert, ein diplomatischer Kurier des englischen Konigs, der Diplomatengepack fur Berlin , Kopenhagen und Teheran mit sich fuhrte; das ehemalige Mitglied des britischen Parlaments Alfred Davies; der Reitsportler John F. Rollason; der niederlandische Geschaftsmann Hendrik-Jan Spijker (einer der Mitbegrunder des Automobilherstellers Spyker ); William Dearborn Munroe, Geschaftsfuhrer der Arctic Coal Company ; die Berliner Varietesangerin Lotte Wetterling (Ehefrau von Theodor Bertram ) sowie 19 Angehorige des Mannheimer Nationaltheaters und der Dresdner Semperoper , die von einem Engagement am Londoner Royal Opera House zuruckkehrten. Mit 128 Toten war der Untergang der Berlin das schwerste Schiffsungluck in der Geschichte der Great Eastern Railway und der Stadt Hoek van Holland.

Filmteams der niederlandischen Filmgesellschaft Alberts Freres sowie die britische Warwick Trading Company filmten die Rettungsversuche und den Untergang der Berlin . Neben der Kronung und Hochzeit von Konigin Wilhelmina waren diese Filme die einzigen niederlandischen Aufnahmen, die in den fruhen Jahren des Films internationale Aufmerksamkeit erregten. Die niederlandische Produktionsfirma Filmfabriek F.A. Noggerath machte daraus den Film Hoek van Holland nach der Katastrophe. Der Schiffbruch des Dampfers Berlin , welcher 1907 auch in Deutschland ein breites Publikum fand. Der niederlandische Fernsehsender Andere Tijden strahlte die seltenen Aufnahmen am 1. Marz 2007 aus.