Bejaia
(
arabisch
?????
,
Bidsch?ya
,
kabylisch
??????,
Bgayet
,
Vgaiet
) ist eine Hafenstadt in der
Kabylei
mit ca. 190.000 Einwohnern am
Mittelmeer
und die Hauptstadt der
Provinz Bejaia
im Nordosten
Algeriens
; sie ist auch Hauptort einer Gemeinde
(
commune
)
mit ca. 200.000 Einwohnern. Bekannt wurde die Stadt, weil
Leonardo Fibonacci
um das Jahr 1200 hier die
arabischen Zahlen
kennenlernte und spater deren Ausbreitung in
Europa
forderte.
Die Namen bzw. Schreibweisen
Asselden
,
Saldae
,
al-Naciriya
,
Bougie
,
Bejaia
und
Bgayte
sind uberliefert. Seit 1963 hat die Stadt ihren heutigen Namen, vorher war sie unter dem franzosischen Namen
Bougie
bekannt (siehe
Franzosisch-Algerien
).
Bejaia liegt etwa 250 Kilometer (Fahrtstrecke) ostlich der Hauptstadt
Algier
am westlichen Ufer der gleichnamigen, von den Bergen des
Tellatlas
umgebenen Bucht, in welche der
Oued Soummam
einmundet.
[2]
Das Klima ist gemaßigt bis warm; der fur algerische Verhaltnisse reichliche Regen (ca. 830 mm/Jahr) fallt hauptsachlich im Winterhalbjahr.
[3]
Jahr
|
1977
|
1987
|
1998
|
2008
|
Einwohner
|
ca. 74.000
|
114.500
|
144.405
|
176.139
|
Seit den 1960er Jahren erlebt Bejaia eine starke Zuwanderung von
Berberfamilien
aus den landlichen Regionen Algeriens. Man spricht
kabylisch
,
arabisch
und
franzosisch
.
In der Stadt selbst haben sich Handler, Handwerker und Dienstleister aller Art niedergelassen, die bereits im Mittelalter vom Handel mit Europa (Venedig, Genua, Pisa, Sevilla, Barcelona) profitierten. In den Außenbezirken der Stadt finden sich zahlreiche Unternehmen der
petrochemischen Industrie
, die von einer Erdolpipeline aus der
Sahara
profitieren. Wichtigste Exportartikel der ? nach Algier und Oran ? zweit- oder drittgroßten Hafenstadt Algeriens sind Wein, Sudfruchte, Bodenschatze, Tierhaute und Erdolprodukte.
Der
Flughafen Bejaia
wird national und international angeflogen.
Bejaia steht an der Stelle der antiken
karthagischen
Stadt
Saldae
bzw.
Civitas Salditana
, eines kleinen Hafens in
karthagischer
,
mauretanischer
und
romischer
Zeit (ab 42 v. Chr.). Ursprunglich wurde das Gebiet von Numidern und Berbern bewohnt.
Augustus
verlieh der Stadt den Status einer
colonia
und
uberließ
die Landereien seinen
Veteranen
. In der
Spatantike
wurde es ein bedeutender
Bischofssitz
in der Provinz
Mauretania Caesarensis
(spater
Mauretania stifensis
). Im 5. Jahrhundert n. Chr. wurde dieser von den
Vandalen
unter
Geiserich
eingenommen und als Hauptstadt des kurzlebigen Vandalenreichs befestigt. 533 nahm der
byzantinische
General
Belisar
Saldae ein, woraufhin eine afrikanische
Prafektur
und spater das
Exarchat von Karthago
errichtet wurden.
Nach der
muslimischen Eroberung
im 7. Jahrhundert wurde der Ort als
Bejaia
neu gegrundet und sank zunachst auf den Status eines Fischerdorfes zuruck, doch im Jahr 1062 wurde er Sitz des Herrscherhauses der
Hammadiden
und blieb fur viele Jahre eine der wichtigsten und bevolkerungsreichsten Hafenstadte Nordafrikas und des gesamten Mittelmeerraumes und zugleich ein bedeutendes Kulturzentrum.
Leonardo Fibonacci
(um 1170 ? um 1250), der Sohn eines
pisanischen
Kaufmanns (und moglicherweise
Konsuls
), studierte in Bejaia unter
almohadischer
Herrschaft arabische Mathematik (welche er als
Modus indorum
bezeichnete) und das
arabische Zahlensystem
. Er brachte diese neuen Methoden mit nach Europa.
[4]
Ein mathematisch-historische Analyse von Fibonaccis Umfeld und Verbundenheit mit Bejaia, damals einer bedeutenden Wachsexporterin, außerte die These, dass es damals die Imker von Bejaia und die Kenntnisse von den Bienenvolkern waren, die zu den
Fibonacci-Zahlen
inspiriert hatten und nicht die Kaninchenzucht, wie sie in Fibonaccis wichtigstem Werk, dem
Liber Abaci
, genannt wird.
[5]
Im 13. Jahrhundert ubernahmen die
Hafsiden
die Herrschaft uber Bejaia.
1315 wurde
Ramon Llull
in Bejaia
gesteinigt
,
[6]
[7]
wo ein paar Jahre zuvor moglicherweise Peter Armengaudius (Peter Armengol) gehangt wurde.
[7]
[8]
Nach der spanischen Besetzung wurde die Stadt 1555 von den
Osmanen
erobert. Fast drei Jahrhunderte lang verwendeten
Berberpiraten
Bejaia als Stutzpunkt. Die Stadt wurde hauptsachlich von arabischsprachigen
Mauren
,
Morisken
und
Juden
bevolkert. Von den Letzteren fluchteten viele wegen der Verfolgungen in Spanien durch die
Inquisition
nach Bejaia. Die Berber in den umgebenden Dorfern kamen nur zu den Markttagen in die Stadt.
Bejaia wurde 1833 von Frankreich als Teil der
Kolonie Algerien
eingenommen
. Die meiste Zeit diente der Ort als Verwaltungssitz eines eigenen
Arrondissements
innerhalb des
Departements Constantine
. Mitte des 20. Jahrhunderts lebten in dem Arrondissement 513.000 Einwohner, davon 20.000 in Bougie/Bejaia selbst. 1957 wurde Bougie selbst zum Departement.
Mit der sich im 16. Jahrhundert abwechselnden Besetzung des Gebietes durch Spanier und Turken sank die Bedeutung der Stadt zugunsten von Algier immer mehr, bis schließlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts kaum mehr als Ruinen geblieben waren. Nach der Einnahme durch die Franzosen (1833) erlangte sie jedoch einiges von ihrem fruheren Wohlstand zuruck. Der Hafen wurde erweitert und modernisiert und durch eine Nebenstrecke an die Bahnstrecke
Tunis
?
Oran
angeschlossen.
Im
Zweiten Weltkrieg
landeten im Rahmen der
Operation Torch
britische und amerikanische Truppen in Nordafrika, inklusive eines
Bataillons
des britischen Royal West Kent Regiment, welches am 11. November 1942 in Bejaia stationiert wurde.
An demselben Tag um 16:40 warfen 30
Ju 88-Bomber
und mehrere
Torpedobomber
der deutschen
Luftwaffe
uber Bejaia ihre Bomben ab. Die Transporter
Awatea
und
Cathay
wurden versenkt und die
Monitor
HMS
Roberts
beschadigt. Am nachsten Tag wurde das
Flakschiff
Tynwald
torpediert und versenkt, wahrend der Transporter
Karanja
von Bomben zerstort wurde.
[9]
Nach der algerischen Unabhangigkeit wurde Bejaia zur Hauptstadt der gleichnamigen
Provinz Bejaia
in der ostlichen
Kabylei
.
Mit der Ausbreitung des
Christentums
wurde Saldae zum Bischofssitz. Sein Bischof Paschasius zahlte zu denjenigen, welche der
arianische
Vandalenkonig
Hunerich
484 nach Karthago berufen und anschließend exiliert wurde.
Das Christentum uberlebte die muslimische Eroberung, das Verschwinden des alten Saldae und die Grundung der neuen Stadt Bejaia. Es existiert ein an
clero et populo Buzee
(Klerus und Volk Bejaias) adressierter Brief von Papst
Gregor VII.
(im Amt 1073?1085), in welchem er die Amtseinfuhrung eines Bischofs namens Serandus fur das christliche Nordafrika anspricht.
[6]
[10]
[11]
Heutzutage ist Saldae ein
Titularbistum
der
romisch-katholischen Kirche
[12]
und hatte immer wieder Amtsinhaber (meist aus dem niedrigsten bischoflichen Rang, einige vom mittleren erzbischoflichen Rang).
- Miguel Morro (1510 ? ?),
Weihbischof
von
Mallorca
(1510 ? ?)
- Fernando de Vera y Zuniga, ein
Augustinermonch
, als Weihbischof von
Badajoz
(17. Februar 1614 bis 13. November 1628); spater
Erzbischof
von
Santo Domingo
, schließlich Erzbischof von
Cusco
(16. Juli 1629 ? † 9. November 1638)
- Francois Perez (5. Februar 1687 ? † 20. September 1728), als
apostolischer Vikar
von
Cochin
- Antonio Mauricio Ribeiro (* 27. September 1824 ? † ?), als Weihbischof von
Evora
(27. September 1824 ? ?)
- George Hilary Brown (5. Juli 1840 bis 22. April 1842), als einziger apostolischer Vikar von
Lancashire
(5. Juni 1840 bis 29. September 1850), spater Titularbischof von
Tlos
(22. April 1842 ? September 1850), erster Bischof von
Liverpool
(29. September 1850 ? † 25. Januar 1856).
Trotz ihrer langen Geschichte verfugt die Stadt nur uber wenige Sehenswurdigkeiten:
- Das
Bab el Bahr
und das
Bab El Bounoud
sind Stadttore aus dem 11./12. Jahrhundert.
- Dominierendes Bauwerk der Stadt ist die auf einer Anhohe gelegene Festung
(
kasbah
)
.
- Das
Musee Bordj Moussa
wurde im Jahr 1989 in einem spanischen Festungsbauwerk von 1545 eingerichtet. Es zeigt archaologische Funde.
[13]
- Die
Moschee
des Stadtheiligen Sidi Soufi wurde im Jahr 1889 anstelle eines Vorgangerbaus aus dem 16. Jahrhundert errichtet und wird von Muslimen gerne aufgesucht. Das langgestreckte dreischiffige Innere mit seinen gedrehten Saulen ist fur Moscheebauten ? nicht nur im Maghreb ? vollig untypisch und erinnert in vielem an eine Kirche, wenngleich
Mihr?b
-Nische und holzerne
Minbar
-Kanzel deutlich zu erkennen sind.
- Frankreich
Brest
, Frankreich
- ↑
Bejaia ? Bevolkerungsentwicklung
- ↑
Bejaia ? Karte mit Hohenangaben
- ↑
Bejaia ? Klimadiagramme
- ↑
Stephen Ramsay:
Reading Machines: Toward an Algorithmic Criticism
. University of Illinois Press, 2011, S. 64.
- ↑
T. C. Scott, P. Marketos:
On the Origin of the Fibonacci Sequence.
MacTutor History of Mathematics Archive, University of St Andrews, Marz 2014.
- ↑
a
b
Stefano Antonio Morcelli
:
Africa christiana
, Band 1, Brescia 1816, S. 269.
- ↑
a
b
H. Jaubert:
Anciens eveches et ruines chretiennes de la Numidie et de la Sitifienne
.
In:
Recueil des Notices et Memoires de la Societe archeologique de Constantine
, Bd. 46, 1913, S. 127 ff.
- ↑
J. Frank Henderson:
Moslems and the Roman Catholic Liturgical Calendar. Documentation
2003, S. 18.
- ↑
Atkinson: 2002
- ↑
H. Jaubert:
Anciens eveches et ruines chretiennes de la Numidie et de la Sitifienne
. In:
Recueil des Notices et Memoires de la Societe archeologique de Constantine
, vol. 46, 1913, pp. 127-129.
- ↑
J. Mesnage:
L'Afrique chretienne
, Paris 1912, pp. 8 et 268?269.
- ↑
Annuario Pontificio 2013
. Libreria Editrice Vaticana 2013,
ISBN 978-88-209-9070-1
, S. 963.
- ↑
Bejaia ? Museen
(
Memento
des
Originals
vom 14. Mai 2018 im
Internet Archive
)
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