Begriff

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Mit dem Wort Begriff (auch: Konzept ) wird der Bedeutungsinhalt einer Bezeichnung oder Vorstellung angesprochen. Die englische und franzosische Bezeichnung fur Begriff lautet nach dem lateinischen Ursprung concept (von lateinisch conceptum ?das Zusammengefasste, das Begriffene“).

Ein Begriff bildet eine semantische Einheit, die Teil einer Proposition oder eines Gedankens ist. [1] Ein definierter Begriffsinhalt kann in jeder Sprache eine unterschiedliche Bezeichnung haben (seine Benennung) oder durch ein Symbol gekennzeichnet sein oder einen Code als Bezeichner haben (vergleiche Wikidata ).

Unterschiedliches Verstandnis von Begriffen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Begriffe werden in der Gemeinsprache und in manchen Fachsprachen ? je nach Perspektive ? oft unscharf abgegrenzt gegenuber Wortern oder Ausdrucken als außerlichen, sprachlichen Einheiten einerseits und gegenuber Auffassungen oder Vorstellungen als innerlichen, rein gedanklichen Einheiten andererseits.

Teilweise wird ?Begriff“ als mentale Informationseinheit verstanden, [2] oder bedeutungsgleich zum ?Begriff“ im Sinne der vormodernen philosophischen Tradition, siehe Begriff (Philosophie) .

Als Begriff kann auch ein ? lexikalisiertes Konzept“ verstanden werden, [3] wobei dann das mit einem Lemma verbundene Konzept gemeint ist (als mentale Reprasentation eines einzelnen Objekts oder einer kognitiven Kategorie ). In der Alltagssprache und daruber hinaus steht das Wort Begriff oft falschlich fur eine Benennung, also fur ein Wort oder eine Wortgruppe.

Die Untersuchung von Begriffen in verschiedenen Wissenschaften, wie Psychologie , Neurowissenschaften , Sprachwissenschaft , in Ansatzen formaler Wissensreprasentation (insbesondere Formale Begriffsanalyse ) und Disziplinen der Philosophie ( Logik , Erkenntnistheorie , Semiotik ) nimmt dabei verschiedene Perspektiven auf den ?Begriff“ ein. In den Kultur- und Geschichtswissenschaften werden in der Begriffsgeschichte historisch der Bedeutungswandel und die Veranderung der begrifflichen Verhaltnisse von Ausdrucken untersucht, im Unterschied zur Ideengeschichte , die sich mit Vorstellungen und Konzepten (auch unabhangig von ihren Bezeichnungen) beschaftigt.

Im Strukturalismus wird die Inhaltsseite eines Zeichens als Signifikat bezeichnet. Dieses wird je nach Bedeutungstheorie als Begriff , Bedeutung oder Sinn verstanden, worauf mittels Lauten oder Buchstaben die Ausdrucksseite eines Zeichens, Signifikant genannt, verweist. In einer einfachen Lesart entspricht ein Signifikat damit auch einem Begriff, was im semiotischen Dreieck als Vermittlung zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem dargestellt wird; ein Begriff stellt als Sinn des Symbols dessen Bezug zum Referenzobjekt her.

Wortherkunft [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Verb begreifen ist bereits seit dem 8. Jahrhundert nachweisbar ( althochdeutsch bigr?fan , mittelhochdeutsch begr?fen ), die ursprungliche Bedeutung war ?ergreifen, umgreifen“. [4] Eine Bedeutungsausdehnung beginnt schon im Althochdeutschen, mit der Verwendung als Ubersetzung des lateinischen comprehendere (?begreifen“) oder concipere (?erfassen“, ?in sich aufnehmen“). Insbesondere in Texten mystischer Theologie wird der Ausdruck in erweitertem Sinne gebraucht, indem korperliches ?Fassen, Greifen“ auf geistiges Begreifen als ?mit dem Verstande erfassen, verstehen“ ausgedehnt wird. [5]

Das Substantiv Begriff ist als begrif (mittelhochdeutsch und fruhneuhochdeutsch begrif oder begrifunge ) bereits im Mittelhochdeutschen mit der Bedeutung ?Umfang, Bezirk“ belegt. Spater ubertrug sich dessen Bedeutung analog zum Verb auf ?Vorstellung“. [4] Das Wort kommt im 18. Jahrhundert insbesondere durch Christian Thomasius und Christian Wolff in Gebrauch. [5] Seine Bedeutung wird in der Zeit der Aufklarung auf ?Allgemeinvorstellung“ eingeengt und zur Ubersetzung von ?Idee“ verwendet. [4] In der philosophischen Terminologie werden schließlich ?Begriff“ und ?Vorstellung“ voneinander abgegrenzt. [5]

Das Adjektiv begreiflich , mit der heutigen Bedeutung ?verstandlich“, ist aus dem mittelhochdeutschen begriflich (?fassbar, leicht fassend, begreifend“) entstanden. Demgegenuber ist begrifflich , mit der Bedeutung ?einen Begriff, eine gedankliche Einheit betreffend“, aus dem Substantiv abgeleitet. Das Adjektiv begriffsstutzig (?schwerfallig im Begreifen, schwer von Begriff“) entstand Mitte des 19. Jahrhunderts. [5]

Begriffsbildung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

?Der Begriff ist das Werkzeug, mit dem wir die Wirklichkeit deuten.“ (Hans Aebli 1989). [6] Die menschliche Kognition ist lebenslang zur Begriffsbildung in der Lage, um Objekte oder Ereignisse nach ihren Merkmalen zu kategorisieren. Das ist ein Gebiet der Denkpsychologie . Fur die Entwicklungspsychologie ist die ansteigende Fahigkeit zum Bau von Begriffen nach der Geburt bis in die Jugend von besonderem Interesse, um das Lernen besser zu verstehen. Dabei wird vorausgesetzt, dass Merkmale uberhaupt unterschieden ( Diskrimination ) sowie die charakteristischen Merkmale von den unwesentlichen unterschieden werden konnen. Minimal muss ein Begriff dem Menschen erlauben, ein bestimmtes Phanomen wiederzuerkennen. Die maximale Anforderung wird erreicht, wenn der neue Begriff sich als invariant gegenuber außeren Veranderungen und damit von stabiler Bedeutung erweist. Die Begriffsbildung ist ein aktiver kognitiver Strukturierungsprozess, d. h. die neue Struktur bildet die Umwelt nicht einfach ab, sondern ist Ergebnis mentaler Konstruktionen, haufiger eine Umstellung bereits bestehender Begriffsstrukturen und seltener eine Neubildung. Zusammengefasst werden folgende Schritte vollzogen:

  • Abstraktion von unwichtigen Reizmerkmalen,
  • Differenzierung und Loschung der Reizmerkmale,
  • vermittelte Assoziation oder
  • Invariantenbildung aufgrund schrittweiser Informationsverarbeitung [7]

Eigenschaftsbegriffe entstehen durch eine Kategorisierung , daher heißen sie auch oft einfach Kategorie: Mondfinsternis wird zugeordnet partiell oder total. Fur manche Begriffe wird ein Prototyp (idealer Vertreter) gebildet: korperliche Aggression ist Schlagerei .

Erklarungsbegriffe beinhalten eine Erklarung, also Annahmen, die auf etwas Bekanntes (Theorie, Zusammenhang) zuruckgreifen, um das Phanomen zu begreifen. Mondfinsternis wird erklart als Mond im Erdschatten .

Jeder Begriff weist zwei Bestandteile auf:

  • sachliche (denotative) Bedeutung : logische Struktur oder Prototyp (bei den Eigenschaftsbegriffen) bzw. Theorie (bei den Erklarungsbegriffen)
  • emotionale (konnotative) Bedeutung : gefuhlsmaßige Beziehung einer Person zu dieser Sache. [8]

Zur Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bereits in der aristotelisch - thomistischen Tradition wurde die Begriffsbildung als Abstraktion durch einen aktiven Geist erklart. Fur den Empirismus ist der Geist dagegen eher passiv, eine Tabula rasa fur alle neuen sinnlichen Eindrucke, er abstrahiert von selbst aus diesen (viele Wahrnehmungen von Einzelpferden) nur den gemeinsamen Begriff Pferd . Der deutsche Psychologe Narziß Ach (1921) begann mit einfachen Experimenten zur ?Begriffsfindung“. Der Schweizer Jean Piaget hat eine Strukturanalyse der dem jungen Menschen zur Verfugung stehenden kognitiven Strukturen begonnen. Nach ihm bilden sich kognitive Strukturen durch Interaktion mit den Objekten. Alte Strukturen werden so lange beibehalten, bis neue invariante Merkmale zugeordnet werden konnen und so zu einer Korrektur fuhren. Im ersten Fall wird das Objekt der Wahrnehmung angepasst, Piaget nennt dies Assimilation . Im letzten Fall passt sich die Wahrnehmung dem Objekt an, man spricht von der Akkommodation . Zwischen diesen Prozessen herrscht ein Fließgleichgewicht, das er Aquilibration nennt. Die Wahrnehmung und damit einhergehend auch die Moglichkeit, neue Begriffe bilden zu konnen, differenziert sich dadurch immer mehr aus. Er hat experimentalpsychologisch versucht, die naturliche Begriffsbildung bei Kindern nachzuvollziehen, wobei er die konstruktive Rolle des Geistes hervorhob, der traditionellen hierarchischen Abstraktion aber eine Beziehungsbildung (mise en relation) zwischen Phanomen vorzog. Er zeigte dies an einfachen geometrischen Begriffen wie horizontal und vertikal . [9] In den USA erweiterten C. I. Hovland (1952) und Jerome Bruner (1956) diese Experimente, wobei aktive Such?strategien“ gefunden wurden. Edna Heidbreder forschte zu Begriffen in offenen unbegrenzten Systemen und kam ebenso auf die große Rolle von Korrelationen zwischen Phanomenen.

Dabei war in der Theorie lange umstritten, ob die Begriffe scharf (x ist entweder Glas oder Vase) oder vage-fließend (x ist irgendwie ahnlich zu Glas ? Vase) abgegrenzt werden. Die erste Position gilt als klassische Position der Logik , die zweite wird im 20. Jahrhundert seit Ludwig Wittgenstein in der Philosophie und Eleanor Rosch in der Psychologie mit der Prototypentheorie (s. o.) vertreten.

Uber- und Unterordnung von Begriffen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ein ?ubergeordneter Begriff“ liegt in einem hierarchischen Begriffssystem auf einer hoheren Ebene und fasst mehrere Begriffe einer anderen Ebene zusammen. Ein ?untergeordneter Begriff“ liegt in einem hierarchischen Begriffssystem auf einer niedrigeren Ebene.

Ein Oberbegriff ist ein ubergeordneter Begriff, der auf Abstraktionsbeziehungen innerhalb des Begriffssystems beruht. So ist beispielsweise ?Fahrzeug“ ein Oberbegriff von ?Landfahrzeug, Wasserfahrzeug und Luftfahrzeug“. Analog ist ein Unterbegriff ein untergeordneter Begriff, wo innerhalb des Begriffssystems Abstraktionsbeziehungen bestehen. So ist beispielsweise ?Auto“ ein Unterbegriff von ?Fahrzeug“.

Ein ?Verbandsbegriff“ ist ein ubergeordneter Begriff in einem anderen Sinn: Er fußt darauf, dass innerhalb des zugrunde liegenden Begriffssystems Bestandsbeziehungen gegeben sind. So ist beispielsweise ?Europa“ ein Verbandsbegriff von ?Frankreich, Schweiz und Italien“. Man nennt diese Begriffsbeziehung in der Sprachwissenschaft Meronymie .

Benennung und Gegenstand [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Semiotisches Dreieck

Begriffe vermitteln zwischen Gegenstanden und Benennungen fur diese, dies wird traditionell im Semiotischen Dreieck veranschaulicht:

Reprasentationsebene
Die Benennung sowie die Definition eines Begriffs
Begriffsebene
Der Begriff mit seinen Merkmalen
Gegenstandsebene
Mehrere Gegenstande mit bestimmten gemeinsamen Eigenschaften

Begriffe und die sie verbindenden Relationen (Aquivalenz, Hierarchie usw.) spielen eine entscheidende Rolle beim Information Retrieval sowie beim Aufbau des sogenannten ? Semantic Web “. [10]

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Artur Dubs: Das Wesen des Begriffs und des Begreifens. Max Niemeyer, Halle an der Saale 1911 ( online im IArchive).
  • Michael Gal: Begriff, Definition, Begriffsanalyse: Grundzuge der Terminologie. In: Derselbe: Internationale Politikgeschichte: Konzeption ? Grundlagen ? Aspekte. 2. Auflage. Thelem, Dresden/Munchen 2021, ISBN 978-3-95908-446-8 , S. 165?184.
  • Albert Newen : Die ungeklarte Natur der Begriffe: Eine Analyse der ontologischen Diskussion. In: Proceedings der GAP.5. Funfte Internationale Kongress der Gesellschaft fur Analytische Philosophie, Bielefeld September 2003, S. 419?434 ( PDF: 168 kB, 16 Seiten auf gap5.de).

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Wiktionary: Begriff  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Vergleiche etwa Eric Margolis, Stephen Laurence:  Concepts. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy .: Concepts, pretheoretically, are the constituents of thoughts. Siehe aber auch die nachfolgende dortige Kurzubersicht kontroverser jungerer Positionen zur Ontologie von Begriffen: neben der ? klassisch weithin ublichen ? Auffassung als Elementen von Propositionen, also als Abstrakta, werden Begriffe auch als Fahigkeiten oder als mentale Reprasentationen aufgefasst.
  2. Monika Schwarz, Jeannette Chur: Semantik: Ein Arbeitsbuch. 4. Auflage. Narr, Tubingen 2004, S. 219 ( Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Sebastian Lobner: Begriffsworterbuch Semantik. In: user.phil.hhu.de. 2015, abgerufen am 20. April 2020 (Zusammenfassung aus seinem Buch Semantik: Eine Einfuhrung 2012).
  4. a b c Satz nach Friedrich Kluge : Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache . Band 1. Bearbeitet von Elmar Seebold . 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017473-1 , Lemma: ?begreifen“.
  5. a b c d Satz nach Wilhelm Braun , Wolfgang Pfeifer : Etymologisches Worterbuch des Deutschen. Zentralinstitut fur Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR . Akademie-Verlag, Berlin 1989, Lemma: ?begreifen“.
  6. Hans Aebli: Denkprozesse . In: Denken: das Ordnen des Tuns . 2. Auflage. Band   2 . Stuttgart 1994, ISBN 978-3-608-91035-3 , S.   83 .
  7. K. Foppa: Begriffsbildung , in: Joachim Ritter: Historisches Worterbuch der Philosophie., Band 1, S. 787
  8. Begriffsbildung. In: Lexikon der Psychologie. Spektrum, abgerufen am 27. September 2021 .
  9. Piaget, Jean: Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde . Ernst Klett, 1974, ISBN 3-12-926310-1 .
  10. Wolfgang G. Stock : Begriffe und semantische Relationen in der Wissensreprasentation. In: Information ? Wissenschaft und Praxis. Band 60, Nr. 8, 2009, S. 403?420, hier S. 403 ( PDF: 812 kB, 18 Seiten auf phil-fak.uni-duesseldorf.de).