Die
Bauchige Windelschnecke
(
Vertigo moulinsiana
) ist eine
Schneckenart
aus der Familie der
Windelschnecken
(Vertiginidae), die zur Unterordnung der
Landlungenschnecken
(Stylommatophora) gerechnet werden. Sie lebt bevorzugt im sumpfigen Verlandungsbereich stehender Gewasser, dort vor allem auf Großseggen (z. B.
Sumpfsegge
,
Ufersegge
oder
Rispensegge
). Der Boden typischer Standorte wird gekennzeichnet durch Nahrstoffreichtum und oberflachennahes Wasser, und darf nicht allzu kalkarm sein.
Das Gehause misst in der Lange nur 2,2 bis 2,7 mm und in der Breite 1,3 bis 1,6 mm. Es ist bauchig-eiformig. Die Mundung weist vier Vorsprunge (sogenannte ?Zahne“) auf, die manchmal noch weitere, kleinere Zahnchen an der Basis haben konnen. Sie sollen Fressfeinde (z. B. rauberische
Insektenlarven
) und
Parasiten
am Eindringen in das Gehause hindern und das zu schnelle Austrocknen des Korpers verhindern. Fuß und Kopf der bauchigen Windelschnecke sind schwarz glanzend. Die Farbe des Gehauses reicht von rotbraun bis hellgelblich; die Oberflache ist glanzend. Die Gehause sind fast glatt, lediglich eine schwache Anwachsstreifung ist zu erkennen.
Es gibt vereinzelte Vorkommen dieser Art in ganz
Mittel-
und
Westeuropa
, auf den
britischen Inseln
und den sudlichen Gebieten
Skandinaviens
. Die nordafrikanische Kuste ist die sudlichste Region, an der bis jetzt eine
Kolonie
dieser Schneckenart entdeckt wurde.
[1]
Die großten
Kolonien
mit einer intakten Population befinden sich in
Sudostengland
, in
Irland
und in
Nordostdeutschland
. In
Schleswig-Holstein
findet man sie im
FFH-Gebiet Niehuuser Tunneltal und Krusau mit angrenzenden Flachen
an der Grenze zu
Danemark
[2]
und im
FFH-Gebiet Aassee und Umgebung
in Strandseen an der Nordseite der
Eckernforder Bucht
.
[3]
[4]
Im Osten reicht das Vorkommen bis in den Kaukasus. Die Art ist relativ empfindlich gegen tiefe Wintertemperaturen. Die isolierten Vorkommen in Mitteleuropa werden daher als Relikte der nacheiszeitlichen Warmzeit (
Atlantikum
, ca. 7200 bis 3800 v. Chr.) gedeutet. Dies ist allerdings umstritten.
Die bauchige Windelschnecke ist ein nachtaktives Tier. Tagsuber ruht sie mit ihrem Schleim festgeklebt an den Blattern großerer
Seggen
. Sie ist ein typischer Weideganger, ihre Nahrung besteht aus
Pilzen
, die auf diesen Grasern leben, ebenso wie aus Pollen und anderen pflanzlichen Partikeln. Die Bauchige Windelschnecke ist noch wenig erforscht. Aufgrund ihrer geringen Große ist sie auf eine passive Verbreitung hauptsachlich durch Wasservogel angewiesen. So werden am Gefieder haftende Eier oder Jungtiere uber einige Kilometer in neue, geeignete Lebensraume transportiert. Eine Verbreitung durch Wind, vergleichbar mit Pollen, kommt hingegen nicht in Frage, da die Bauchige Windelschnecke nicht die fur einen solchen verlustreichen Weg erforderlichen Eier-Massen produzieren kann. Die Bauchige Windelschnecke vermehrt sich als gegenseitig befruchtender
Zwitter
, sie vermag sich allerdings auch selbst zu befruchten. Von Mai bis August legt sie eine kleine Anzahl weichschaliger
Eier
ab. Wie die Tiere den Winter uberstehen, ist noch nicht vollstandig geklart. Sie wurden sowohl in Bodennahe zwischen organischem Material und Blattern als auch frei an den Blattunterseiten der Großseggen sitzend entdeckt. Harte Winter dezimieren die Populationen erheblich.
Die Bauchige Windelschnecke ist in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet vom
Aussterben
bedroht. Vor allem durch die Zerstorung ihres Lebensraumes ist sie stark gefahrdet und ist in manchen europaischen Landern schon ausgestorben (Niederlande?). In Deutschland steht sie auf der ?
Roten Liste
“ und wird als stark gefahrdet eingeschatzt.
[5]
Fur diese Art existieren eine ganze Reihe von Synonymen wie z. B.
Pupa charpentieri
Shuttleworth, 1852,
Pupa laevigata
v. Gallenstein, 1852,
Vertigo limbata
Partiot, 1855,
Vertigo ventrosa
Heynemann, 1862,
Pupa kuesteriana
Westerlund, 1875 sowie einige Falschschreibungen
Pupa desmoulinsiana
Jeffreys, 1855,
Vertigo moulinsii
Moquin-Tandon, 1855 und
Vertigo demoulinsi
Germain, 1913.
Im Juni 2002 wurde vom Leonberger Grafiker Gunter Jacki Stucke eine
Briefmarke
mit einer Abbildung der
Bauchigen Windelschnecke
gestaltet und von der
Deutschen Bundespost
unter dem Motto ?Bedrohte Tierarten“ gedruckt.
[6]
Die Schnecke wurde vom
Stuttgarter Naturkundemuseum
im
Goldersbachtal
bei
Tubingen
nach der
FFH-Richtlinie
1999 gesammelt.
[7]
Im Jahre 2003 wurde sie zum
Weichtier des Jahres
gewahlt.
- Rosina Fechter und
Gerhard Falkner
:
Weichtiere.
287 S., Mosaik-Verlag, Munchen 1990 (Steinbachs Naturfuhrer 10),
ISBN 3-570-03414-3
- Uwe Jueg:
Die Verbreitung und Okologie von Vertigo moulinsiana (DUPUY, 1849) in Mecklenburg-Vorpommern (Gastropoda: Stylommatophora: Vertiginidae)
. - Malak. Abh. Staatl. Mus. Tierkde. Dresden, 22: S. 87?124.
- Michael P. Kerney, R. A. D. Cameron, Jurgen H. Jungbluth:
Die Landschnecken Nord- und Mitteleuropas.
384 S., Paul Parey, Hamburg/Berlin 1983,
ISBN 3-490-17918-8
- Michael L. Zettler und Uwe Jueg:
Verantwortung fur wenig populare Tiergruppen? Beispiel Egel, Hohere Krebse und Mollusken.
Pulsatilla, 2001(4): S. 76?80, Bonn 2001
ZDB
-ID
1412992-9
- ↑
M. B. Seddon, D. T. Holyoak:
Land gastropoda of NW. Africa. New distributional data and nomenclature.
Journal of Conchology, 34: S. 311?323, 1993
Abstract
- ↑
Managementplan FFH-Gebiet DE 1122-391 Niehuuser Tunneltal und Krusau mit angrenzenden Flachen.
(PDF; 5860 kB) Karte 7 - Notwendige Erhaltungsmaßnahmen -. In:
Landesportal Schleswig-Holstein.
Landesamt fur Landwirtschaft, Umwelt und landliche Raume des Landes Schleswig-Holstein, 25. Juli 2016,
abgerufen am 6. Oktober 2020
(Erhalt der bestehenden Populationen der Bauchigen Windelschnecke durch Schutz der Lebensraume).
- ↑
STANDARD-DATENBOGEN fur besondere Schutzgebiete (BSG). vorgeschlagene Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (vGGB), Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB) und besondere Erhaltungsgebiete (BEG) DE1425330 Amtsblatt der Europaischen Union DE L 198/41.
(PDF; 69 kB) 3.2. Arten gemaß Artikel 4 der Richtlinie 2009/147/EG und Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG und diesbezugliche Beurteilung des Gebiets. In:
Landesportal Schleswig-Holstein.
Ministerium fur Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und landliche Raume des Landes Schleswig-Holstein, Mai 2019,
S. 4
,
abgerufen am 25. August 2021
.
- ↑
Managementplan fur das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet DE-1425-330 ?Aassee und Umgebung“.
(PDF; 1222 kB) Karte 5 - Notwendige Erhaltungsmaßnahmen. In:
Landesportal Schleswig-Holstein.
Ministerium fur Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, 26. September 2017,
abgerufen am 24. August 2021
.
- ↑
Archivlink
(
Memento
vom 28. September 2007 im
Internet Archive
)
- ↑
Archivierte Kopie
(
Memento
vom 7. September 2012 im Webarchiv
archive.today
)
- ↑
Hans-Jorg Niederhofer:
Flora Fauna Habitatrichtlinie: FFH-Kartierung bedrohter Tierarten in Baden-Wurttemberg.