Die in der
Stadtpfarrkirche
im aargauischen
Baden
vom 19. Mai bis 8. Juni 1526 abgehaltene
Badener Disputation
war ein von ca. 200 namentlich bekannten Teilnehmern besuchtes offentliches Streitgesprach zwischen Vertretern der
altglaubigen Kirche
und Anhangern der
Reformation
. Es war der mit der osterreichischen Ubergangsregierung in
Wurttemberg
und dem
Bischof von Konstanz
abgestimmte Versuch der damals noch mehrheitlich altglaubigen schweizerischen
Orte
, den Zurcher Reformator
Huldrych Zwingli
zum Schweigen zu bringen und die Glaubenseinheit der
Eidgenossenschaft
zu bewahren. Das Scheitern dieses Versuchs markiert den eigentlichen Beginn des fur die Schweiz charakteristischen konfessionellen Nebeneinanders mit bis in die Gegenwart reichenden politischen und gesellschaftlichen Folgen.
Auf der altglaubigen Seite waren die drei Theologen
Johannes Eck
,
Johann Fabri
und
Thomas Murner
und auf der neuglaubigen Seite Ulrich Zwingli eingeladen. Zwingli weigerte sich jedoch, trotz Zusage des
freien Geleites
, in Baden zu erscheinen. So disputierten in erster Linie Johannes Eck auf der einen Seite mit
Johannes Oekolampadius
und
Berchtold Haller
auf der anderen Seite. Es handelte sich um die erste Disputation der zwinglianischen Reformation ausserhalb von
Zurich
. Neun Stande der Tagsatzung entschieden sich am Ende fur den alten Glauben, vier fur den neuen. Damit verfestigte die Badener Disputation die konfessionelle Trennung in der
Alten Eidgenossenschaft
und war von entscheidender Bedeutung fur die Schweizer Geschichte und fur die konfessionellen Auseinandersetzungen der Reformationszeit.
Die Disputation wurde von der
Tagsatzung
einberufen, die auch die Regeln bestimmte, wobei die altglaubige Seite in verschiedener Hinsicht bevorzugt wurde. Vier Prasidenten leiteten die Disputation, darunter der Abt von
Engelberg
und der Rektor der
Universitat Basel
, die deutlich fur die altglaubige Seite Partei nahmen. Die Disputation fand in deutscher Sprache statt, was fur die Disputationen der zwinglianischen Reformation typisch ist und im Gegensatz zu beispielsweise der
Leipziger Disputation
steht.
Die Badener Disputation ist fur eine theologische Disputation aus der Reformationszeit ungewohnlich gut dokumentiert. Vier Schreiber (je zwei Alt- und Neuglaubige) zeichneten sie auf Anordnung der Tagsatzung auf. Jeder dieser Schreiber hatte einen Aufseher der Gegenseite. Am Abend verglichen die Schreiber, zu denen als funfter der Luzerner Stadtschreiber Johannes Huber kam, jeweils ihre Aufzeichnungen und deponierten sie anschliessend beim Landvogt. Es war ausdrucklich untersagt, dass irgendjemand sonst Aufzeichnungen machen durfe. Vier Protokolle kamen im
Zweiten Villmergerkrieg
nach Zurich und befinden sich heute in der
Zentralbibliothek Zurich
, zwei Protokolle sind im
Staatsarchiv Luzern
aufbewahrt.
Der Luzerner Stadtschreiber fasste die funf Protokolle zu einem zusammen. Der Franziskaner
Thomas Murner
veroffentlichte dieses am 15. Mai 1527 in
Luzern
als gedruckte Ausgabe. Der Druck war jedoch von sehr schlechter Qualitat mit teilweise sinnentstellenden Druckfehlern. Eine moderne kommentierte
Edition
des Protokolls auf der Basis der Druckvorlage von Johannes Huber erschien im April 2015.
Neben den Protokollen gibt es trotz des Verbots der Tagsatzung noch verschiedene Briefe, Berichte und Flugschriften von Anwesenden, die den Inhalt der Protokolle bestatigten. Auch Zwingli war uber den Verlauf bestens orientiert, durch den Basler Humanisten
Thomas Platter
, der als Huhnerverkaufer getarnt morgens in die Stadt kam und sie abends wieder verliess. Andererseits waren die Teilnehmer der Disputation des Ofteren uberrascht, dass am Morgen Texte von Zwingli verlesen wurden, die genau auf die Argumente des Vortags eingingen.
- Die Badener Disputation von 1526. Kommentierte Edition des Protokolls.
Hrsg. von Alfred Schindler und Wolfram Schneider-Lastin, unter Mitarbeit von
Ruth Jorg
, Detlef Roth und Richard Wetzel. Mit einer historischen Einleitung von Martin H. Jung. TVZ, Zurich 2015.
- Die disputacion vor den xij orten einer loblichen eidtgnoschafft ... von wegen der einigkeit in christlichem glauben in iren landen und undterthonen.
Hrsg. von Thomas Murner. Luzern 1527.
doi
:
10.3931/e-rara-652
- Caussa Helvetica orthodoxae fidei. Disputatio Helvetiorum in Baden superiori.
Hrsg. von Thomas Murner. Luzern 1528.
Digitalisat
- Irena Backus
:
Disputationen.
In:
Historisches Lexikon der Schweiz
.
- Irena Backus:
Das Prinzip ?Sola scriptura“ und die Kirchenvater in den Disputationen von Baden (1526) und Bern (1528).
Theologischer Verlag, Zurich 1997,
ISBN 3-290-10996-8
.
- Thomas Fuchs:
Konfession und Gesprach. Typologie und Funktion der Religionsgesprache in der Reformationszeit
(=
Norm und Struktur.
Bd. 4). Bohlau, Koln u. a. 1995,
ISBN 3-412-04895-X
.
- Leonhard von Muralt
:
Die Badener Disputation 1526
(=
Quellen und Abhandlungen zur schweizerischen Reformationsgeschichte.
Bd. 6,
ZDB
-ID
517938-5
). Heinsius, Leipzig 1926.
- Ernst Staehelin
:
Das theologische Lebenswerk Johannes Oekolampads
(=
Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte.
Bd. 21,
ISSN
0171-2179
). Heinsius, Leipzig 1939, (Nachdruck. Johnson, New York NY u. a. 1971).