Die
Bucherverbrennung
in
Hannover
erfolgte am 10. Mai 1933 an der
Bismarcksaule
nach ahnlichem Muster wie die anderen
Bucherverbrennungen in Deutschland
, jedoch weniger straff organisiert.
[1]
Kurz nach der
Machtergreifung
durch die
Nationalsozialisten
im Jahr 1933 initiierte das
Reichsministerium fur Volksaufklarung und Propaganda
das
Ausmerzen
?undeutscher Kunst und Literatur“ als ?
Aktion wider den undeutschen Geist
“. Mit der Durchfuhrung wurde der
Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund
beauftragt.
[1]
In Hannover bildete sich daraufhin ein dreikopfiger ?Kampfausschuss“, dem als Vertreter der
TH Hannover
Curt Habicht
angehorte. Hauptbestandteil einer vorbereitenden ?Aufklarungsaktion“ war ab dem 12. April 1933 die Verbreitung von ?12
Thesen
wider den undeutschen Geist“;
[2]
das entsprechende
Flugblatt
fur den ?Kampfausschuss der Deutschen Studentenschaft Hannover“ unterzeichnete
I. A. Hansen
. Daraufhin durchsuchten
[1]
Mitglieder des studentischen ?Kampfausschusses“,
[3]
meist in
SA
-Uniform, in pedantischer Kleinarbeit Buchladen, Leihbuchereien, Schul- und Hochschulbibliotheken und auch private Bestande, um Werke von
judischen
und
politisch linken
Autoren zu beschlagnahmen.
[1]
Selbst Arbeiten von
Liberalen
und
Pazifisten
,
[2]
aber auch sogenannte ?
erotische
“ Literatur, insbesondere ?
homoerotische
“, gleich ob
wissenschaftlich
oder
belletristisch
, stand auf den undatierten
Schwarzen Listen
. Doch die hannoverschen
[1]
?
Stoßtrupps
“
[2]
waren offenbar schlecht informiert, nicht im Besitz Schwarzer Listen und gingen in Hannover ungleich
stumperhafter
vor als beispielsweise gegen das
Institut fur Sexualwissenschaft
von
Magnus Hirschfeld
in Berlin. So beschwerte sich ein Parteigenosse am 9. Mai 1933 in einem Brief an die
NSDAP
:
[1]
?Betr.: Aktion gegen die Schmutz- und Schundliteratur
Am Sonnabend vormittag erschienen zwei
SA
-Leute in der wohl als national zu bezeichnenden Buchhandlung Richard Beek, Lister Platz, und verlangten, wie mir mitgeteilt wird, einige
exotische
Schriften. Nachdem sich nach einigem Hin und Her herausgestellt hatte, dass sie erotische Schriften meinten, wurden ihnen einige Bucher ausgehandigt. Die beiden S.A.-Leute verließen dann den Laden...
[4]
“
In demselben Brief beschwerte sich der Parteigenosse, dass die Buchhandlung am
Lister Platz
am Nachmittag ein zweites Mal von zwei S.A.-Leuten aufgesucht wurde und das nunmehr erfolglose Vorhaben der Beschlagnahmung ?lebhaften Unwillen ... bei der Kundschaft“ ausloste.
[4]
Sammelstellen fur die zu verbrennenden Bucher waren die
Technische Hochschule
, die
Tierarztliche Hochschule
, das
Goethegymnasium
und das
Realgymnasium
, die
Leibnizschule
und die
Humboldtschule
sowie die
Staatlich-stadtische Handwerker- und Kunstgewerbeschule
.
[5]
Der Direktor der Leibnizschule,
Fritz Heiligenstaedt
, zugleich stellvertretender Leiter der
Stadtischen Abendschule
sowie Leiter der ?Beratungsstelle fur das volkstumliche Buchereiwesen in der Provinz Hannover“, meldete dem ?Kampfausschuss“ die ?Reinigung“ seiner Buchereien und fugte ein Schreiben seiner Beratungsstelle an die Buchereien bei, in dem es unter anderem hieß:
[1]
?Zu entfernen ist unter allem Umstanden: ... belehrende und unterhaltende Literatur, welche die sittlichen und religiosen Grundlagen unseres Volkslebens untergrabt.
[1]
“
Aus ganz Hannover kam eine Wagenladung von Buchern zusammen, die am 10. Mai 1933 an der Bismarcksaule verbrannt wurde.
[6]
Am Tag darauf berichtete der
Hannoversche Kurier
, dass der studentische
Fackelzug
an der
Herrenhauser Allee
am
Georgengarten
begann, seinen Weg nahm durch die gesamte hannoversche Innenstadt, gesaumt von tausenden von Zuschauern,
[1]
vom
Konigsworther Platz
durch die
Lange Laube
,
Georgstraße
,
Hildesheimer Straße
und
Geibelstraße
bis zur Bismarcksaule.
[2]
An der Spitze marschierte die nationalsozialistische Studentenschaft, gefolgt von einer S.A-
Kapelle
, den
Korporationen
in vollem
Wichs
, unter denen sich auch Mitglieder des ?Akademischen Reitklubs“ zu Pferde befanden.
[1]
Unter ?aufruttelnden“ Ansprachen verschiedener Redner, darunter wieder Victor Curt Habicht, und ?unter dem Jubel der großen Zuschauermenge“ wurden Werke von
Karl Marx
,
Kautsky
,
Heinrich Mann
,
Erich Kastner
,
Heinrich Heine
und vieler anderer auf einem
Scheiterhaufen
an der Bismarck-Saule verbrannt.
[2]
Die
Niedersachsische Tageszeitung
berichtete am 12. Mai des Jahres, dass auch ?eine ganze Reihe ?prominenter‘ Erotiker“ dabei gewesen ware.
[1]
Zum 80. Jahrestages der Bucherverbrennung am 10. Mai 2013 hat das
Projekt Erinnerungskultur
der Landeshauptstadt Hannover einen Flyer zur Veranstaltung
Der Weg der verbrannten Bucher
herausgegeben. Dieser informiert uber die funf Stationen der Veranstaltung, wo ?kleine Informationsveranstaltungen, Lesungen und Aktionen zu den Autoren und ihren Buchern“ stattfanden:
- Karljosef Kreter
, Julia Berlit-Jackstien:
Weg der verbrannten Bucher
, Veranstaltungs-Flugschrift als
PDF-Dokument
zum 80. Jahrestag der Bucherverbrennung in Hannover, Hannover: Projekt Erinnerungskultur, Mai 2013
- Rainer Hoffschildt
:
Die Bucherverbrennung am 10. Mai 1933.
In:
Olivia. Die bisher geheime Geschichte des Tabus Homosexualitat und der Verfolgung der Homosexuellen in Hannover
. Verein zur Erforschung der Geschichte der Homosexuellen in Niedersachsen, Hannover 1992, Selbstverlag,
ISBN 3-9802909-0-5
, S. 87ff.
- Anke Dietzler:
Bucherverbrennung in Hannover am 10. Mai 1933.
In:
Hannoversche Geschichtsblatter
, Neue Folge, Band 37 (1983), S. 100?121
- Carola Schelle
:
Die Bucherverbrennung in Hannover.
In:
Stichtag der Barbarei
, hrsg. von Niels Schiffbauer und Carola Schelle, Hannover 1983, S. 55?63
- Klaus Mlynek
:
Bucherverbrennung.
In: Klaus Mlynek,
Waldemar R. Rohrbein
(Hrsg.) u. a.:
Stadtlexikon Hannover
. Von den Anfangen bis in die Gegenwart.
Schlutersche, Hannover 2009,
ISBN 978-3-89993-662-9
, S. 92.
- ↑
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
Rainer Hoffschildt:
Die Bucherverbrennung am 10. Mai 1933
(siehe Literatur)
- ↑
a
b
c
d
e
Klaus Mlynek:
Bucherverbrennung.
In:
Stadtlexikon Hannover
, S. 92
- ↑
Hugo Thielen
:
Bismarck-Saule
(siehe Literatur)
- ↑
a
b
Nach Rainer Hoffschildt: Brief von
Kurt W.
, 9. Mai 1933,
Niedersachsisches Hauptstaatsarchiv Hannover
,
Hann. 320 IV Nr. 10
- ↑
siehe Flugblatt, abgebildet bei Rainer Hoffschildt:
Olivia ...
(siehe Literatur)
- ↑
Angaben laut Rainer Hoffschildt in: Anke Dietzler:
Bucherverbrennung in Hannover ...
(siehe Literatur)
- ↑
Karljosef Kreter, Julia Berlit Jackstien:
Weg der verbrannten Bucher
52.356784
9.739788
Koordinaten:
52° 21′ 24,4″
N
,
9° 44′ 23,2″
O