Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten (ABF)
waren in der
Deutschen Demokratischen Republik
Institutionen an Universitaten und Hochschulen zur Vorbereitung junger Arbeiter und Bauern und deren Kindern auf ein Hochschulstudium; sie dienten der Brechung des Bildungsprivilegs. Auch Kinder von Angestellten und Handwerkern hatten in beschranktem Maße diesen Zugang zur hoheren Bildung (Abitur). Die ABF entstanden 1949 aus den zuvor an den
Universitaten
der
Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands
eingerichteten
Vorstudienanstalten
.
[1]
Die
Vorlaufige Arbeitsordnung der Universitaten und Hochschulen der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands
vom 23. Mai 1949 erhob die 1946 gegrundeten Vorstudienanstalten, aus denen spater die Vorstudienabteilungen hervorgegangen waren, in den Rang von Fakultaten. Die Horer dieser als Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten bezeichneten Einrichtungen wurden mit diesem Schritt formalrechtlich den ordentlich immatrikulierten Studenten der Hochschulen gleichgestellt. Zu ordentlichen Studenten wurden damit diejenigen erklart, die durch einen Abschluss an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultat zunachst das Recht hatten erwerben sollen, eine Ausbildung an einer Hochschule bzw. Universitat beginnen zu konnen.
Auch die
Dozenten
der Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten wurden rechtlich den Dozenten der Hochschulen und Universitaten gleichgestellt. Weiterhin erhielt der Direktor der Arbeiter-und-Bauern-Fakultat ? gleich den
Dekanen
der Fakultaten ? Sitz und Stimme im Universitatssenat. Dem Leiter der Vorstudienabteilung war dieses Recht nur in Fragen des Arbeiterstudiums eingeraumt worden.
Im Wintersemester 1949/50 richteten die Universitaten in
Berlin
,
Greifswald
,
Halle-Wittenberg
,
Jena
,
Leipzig
und
Rostock
sowie die
Technische Hochschule Dresden
, die
Bergakademie Freiberg
und die
Brandenburgische Landeshochschule Potsdam
Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten ein. Weitere ABF gab es u. a. an der
Hochschule fur Architektur und Bauwesen
Weimar und fur bildende Kunst ab 1952 an der
Hochschule fur Bildende Kunste Dresden
.
[2]
Die Studiendauer an den ABF, d. h. die
Vorbereitungszeit auf das eigentliche Studium
, betrug zwei bis drei Jahre und endete mit dem Erwerb des Abiturs.
1962 gab es noch 10 ABF mit 3.340 Studierenden, von denen 2.540 Arbeiter- und Bauernkinder waren. Von 1951 bis 1963 gelangten 33.729 Absolventen der ABF zum Hochschulstudium.
[3]
1963 wurden die ABF mit Ausnahme derjenigen in Halle (Saale) und Freiberg aufgelost.
Wesentlich spater (um 1983) wurden Vorkurse speziell fur Facharbeiter an Hochschulen und Universitaten der DDR eingerichtet, die befahigten Facharbeitern die Moglichkeit boten, eine fachgebundene Hochschulreife direkt an der Hochschule zu erwerben und anschließend dort auch zu studieren. Der
Vorkurs fur junge Facharbeiter
dauerte ein Jahr.
In
Halle (Saale)
existierte außerdem die spezielle
ABF II
als Einrichtung der
Martin-Luther-Universitat
. Das
Institut zur Vorbereitung auf das Auslandsstudium (IVA)
unterrichtete von 1954 bis 1991 delegierte Schuler aus der gesamten DDR. Diese wurden in Ein- oder Zweijahreskursen sprachlich, fachlich, ideologisch und landeskundlich auf ein Hochschulstudium im
sozialistischen Ausland
(insbesondere in der
Sowjetunion
) vorbereitet. Sie legten zeitweilig das
Abitur
neben den ublichen Fachern in der Sprache des kunftigen Studienlandes ab. Nach Zusammenlegung beider Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten 1966 in Halle zur ABF
Walter Ulbricht
diente die Institution nur noch der Vorbereitung auf das Auslandsstudium.
Die Heimatstaaten erkannten den jeweiligen Abschluss im Gastland (z. B. das
Diplom
oder den
Magister
) an.
Ab 1990 wurden die Auslandsstudenten aus der DDR organisatorisch der
Hochschule fur Okonomie
?
Bruno Leuschner
“ Berlin zugeordnet. Diese Hochschule betreute auch schon vor der politischen Wende Auslandsstudierende in sozialen Fragen wie auch in der Organisation so genannter Leistungsstipendien, die bei Bewilligung einmal pro Jahr in Mark der DDR in drei Abstufungen gezahlt wurden. Auf Antrag bestatigte die letzte
DDR-Regierung
und nach der
deutschen Wiedervereinigung
auch das jeweils zustandige Landesministerium die Anerkennung des Abschlusses.
Im Zeitraum 1951 bis 1963 zahlten die Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten mehr als 30.000 Absolventen. Zu diesen gehorten der Schriftsteller
Hermann Kant
und der Schauspieler
Peter Sodann
sowie die
Historiker
Laurenz Demps
und
Hans Schleier
. Kants Roman
Die Aula
thematisiert das Schicksal von Absolventen der Arbeiter-und-Bauern-Fakultat in Greifswald.
- Hans-Georg Gadamer
:
Arbeiter-Studium und Universitat.
In: Kultur und Kritik, Heft 6, Leipzig 1994, S. 112?122.
- Siegfried Hoyer
:
?Arbeiter an die Universitat“. Die Vorbereitungskurse zum Hochschulstudium in Sachsen 1946?1949.
In:
Neues Archiv fur sachsische Geschichte
, Bd. 71 (2000), S. 239?261,
ISSN
0944-8195
.
- Ilko-Sascha Kowalczuk
:
Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945?1961.
Christoph Links Verlag, Berlin 2003,
ISBN 3-86153-296-4
. (
Onlineversion
)
- Ingrid Miethe:
Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten (ABF) als Forschungsgegenstand der Bildungs- und Hochschulgeschichte der DDR. Eine Bestandsaufnahme.
(PDF-Datei; 136 kB) In:
Die Hochschule
, Jg. 15 (2006), H. 1, S. 170?183,
ISSN
1618-9671
.
- Ingrid Miethe:
Bildung und soziale Ungleichheit in der DDR. Moglichkeiten und Grenzen einer gegenprivilegierenden Bildungspolitik.
Barbara Budrich Verlag, Opladen 2007,
ISBN 978-3-86649-094-9
.
- Ingrid Miethe; Martina Schiebel:
Biografie, Bildung und Institution. Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultaten in der DDR.
Campus-Verlag, Frankfurt u. New York 2008,
ISBN 978-3-593-38604-1
.
- Herbert Stallmann:
Hochschulzugang in der SBZ/DDR 1945?1959.
Richarz, Sankt Augustin 1980,
ISBN 3-88345-600-4
.
- Jana Woywodt:
Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultat der Friedrich-Schiller-Universitat Jena 1949?1963. Eine Geschichte der ABF aus Sicht ihrer Dozenten und Studenten.
Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009,
ISBN 978-3-8300-4059-0
.
- ↑
Schreibweisen auch:
Arbeiter- und Bauernfakultat
oder
Arbeiter- und Bauern-Fakultat
.
- ↑
Noch freie Studienplatze
. In:
Neues Deutschland
, 25. Oktober 1959, S. 4;
online
.
- ↑
Peter Christian Ludz, Johannes Kuppe:
DDR-Handbuch
. Hrsg.: Bundesministerium fur Innerdeutsche Beziehungen. 2. Auflage. Verlag Wissenschaft und Politik, Koln 1979,
ISBN 3-8046-8515-3
,
S.
49
.