Appendizitis

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Klassifikation nach ICD-10
K35 Akute Appendizitis
K36 Sonstige Appendizitis
- chronische Appendizitis
- rezidivierende Appendizitis
K37 Nicht naher bezeichnete Appendizitis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)
Entzundeter Wurmfortsatz, der Lange nach durchgeschnitten

Die Appendizitis (lateinisch Appendicitis ) oder Wurmfortsatzentzundung ist eine Entzundung des Wurmfortsatzes ( Appendix vermiformis ) am Ende des Blinddarms (des Caecums). Ist der Blinddarm entzundet, wird von einer Typhlitis gesprochen. Im Deutschen wird auch die Wurmfortsatzentzundung umgangssprachlich als Blinddarmentzundung bezeichnet. Die akute Appendizitis ( Appendicitis acuta ) stellt einen Notfall dar.

Der Verlauf der Erkrankung kann von einer leichten Reizung uber die schwere Entzundung und eine Abszessbildung bis hin zum Wanddurchbruch (Perforation) in die freie Bauchhohle ( Blinddarmdurchbruch ) und damit zu einer lebensbedrohlichen Peritonitis (Bauchfellentzundung) fuhren.

Anatomie, Ursachen, Haufigkeit

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Schema des menschlichen Magen-Darm-Trakts mit Blinddarm (6) und dessen Wurmfortsatz (8)
Akute Appendizitis mit neutrophilen Granulozyten im Epithel . Histologie .

Der Wurmfortsatz (Appendix vermiformis), umgangssprachlich falschlicherweise auch ?Blinddarm“ genannt, ist ein Anhangsel am Blinddarm bei einigen Saugetieren. Beim Menschen ist er im Regelfall etwa zehn Zentimeter lang.

Als Ursache fur die Appendizitis wird eine Abflussstorung des Appendix lumens in den Blinddarm vermutet. Daraus folgt eine Druckerhohung im Wurmfortsatz, Minder perfusion der Darmwand und Einwanderung von Bakterien. Die Abflussstorung kann beispielsweise durch Abknickung, Narbenstrange, entzundliche Schleimhautschwellung oder Verlegung mit Kotsteinen oder Fremdkorpern verursacht werden. [1] [2] Im Gegensatz zu dieser Vermutung stehen andere Untersuchungen. Dabei wurden gelegentlich Kotsteine im Appendixlumen gefunden, ohne dass diese eine Entzundung verursachten. [3] Ein weiteres Beispiel sind Untersuchungen zur Druckerhohung im Wurmfortsatz. Es wurden bei 19 von 33 Patienten mit Appendizitis keine Abflussstorung des Appendixlumes festgestellt. Die tatsachliche Ursache wird in wesentlich komplexeren Zusammenhangen vermutet. [4]

Die Appendizitis ist die haufigste Ursache fur das akute Abdomen und tritt in westlichen Landern mit einer Haufigkeit von etwa 100 Fallen pro 100.000 Einwohner pro Jahr auf. Von 2007 bis 2009 wurden jahrlich im Durchschnitt rund 127.000 Blinddarmoperationen (operative Entfernungen des Wurmfortsatzes, Appendektomien ) durchgefuhrt. [5] Das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Appendizitis zu erkranken, liegt bei etwa 7?8 %.

Eine Appendizitis tritt nach der Krankenhausdiagnosen-Statistik 2009 am haufigsten bei Kindern und Jugendlichen sowie bei jungen Erwachsenen auf. 38 % aller Appendektomien entfallen auf die Altersgruppe von 5 bis 19 Jahren, 58 % auf die von 5 bis 29 Jahren. [5] Kleinkinder erkranken seltener, haben aber eher nur geringe klinische Symptome und zeigen einen atypischen Verlauf, so dass die Erkrankung gefahrlicher ist. Bei Kindern uber 2 Jahren ist die Appendizitis die haufigste Ursache des akuten Abdomens.

2009 wurden deutschlandweit 46.500 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 19 Jahren am Blinddarm operiert. Allerdings zeigen sich in den einzelnen Landkreisen deutliche Unterschiede in der OP-Haufigkeit. Im Kreis mit dem hochsten OP-Index (2,3) liegt diese ? bezogen auf die Zahl der dort lebenden Menschen im Alter zwischen 5 und 19 Jahren ? sechsmal hoher als im Kreis mit dem niedrigsten Index (0,4). [5]

Hauptsymptom ist der klinische Symptomwechsel beim abdominellen Lokalbefund: Meist sind Schmerzen in der Gegend des Bauchnabels (periumbilikal) sowie in der Magengegend spurbar, die sich innerhalb weniger Stunden in den rechten Unterbauch verlagern. Haufig leiden die Patienten unter Appetitlosigkeit , Ubelkeit , Erbrechen und bekommen in fortgeschrittenen Stadien eine Darmlahmung (paralytischer Ileus ). Die Korpertemperatur kann auf bis zu 39 °C ansteigen ( Fieber ; dabei besteht eine Temperaturdifferenz zwischen rektaler und axillarer Messung von etwa 1 °C) mit entsprechend beschleunigtem Puls ( Tachykardie ). Durch eine Verlagerung des Wurmfortsatzes kann es bei Schwangeren zu Schmerzen im rechten Ober- oder Mittelbauch kommen. Bei alteren Patienten sind die Beschwerden nicht so deutlich ausgepragt, so dass die Symptome nicht so leicht zugeordnet werden konnen (sog. Altersappendizitis). Die Symptome einer akuten Appendizitis sind nicht immer typisch, so dass die Diagnosestellung schwierig sein kann.

Die Diagnose der akuten Appendizitis stutzt sich meist auf eher unspezifische Zeichen wie rechtsseitige Unterbauchschmerzen, Fieber, erhohte Entzundungswerte sowie auf die Vorgeschichte des Patienten. Eine einigermaßen zuverlassige Diagnose der Blinddarmentzundung kann nur durch eine Reihe arztlicher Untersuchungen gestellt werden. Rein außerlich gibt es keine eindeutigen Beweise dafur, dass eine Appendizitis vorliegt. Zu den wichtigsten arztlichen Untersuchungen gehoren daher neben einer korperlichen Untersuchung mit beispielsweise vorsichtigem Abtasten des Unterbauches zur Feststellung von Schmerzen, deutlicher Druckempfindlichkeit schon an der Bauchoberflache und muskularer Abwehrspannung die Anamnese , die Laboruntersuchungen (insbesondere Feststellung der erhohten Leukozytenzahl und eines erhohten CRP -Wertes), der Ultraschall und bei untersuchungstechnischen Schwierigkeiten die Computertomographie . Allerdings ist mittlerweile bei einem typischen Befund im Ultraschall die Diagnose relativ sicher, da die Ultraschallauflosung hinreichende Qualitat erreicht hat. Der Ausschluss einer Appendizitis bei uberblahtem Darm oder bei adiposen Patienten ist jedoch oft schwierig, da deren Bauch im Ultraschall und mittels Tastbefund schlecht beurteilbar ist. Hier kann die Computertomographie hilfreich sein.

Bei einer retrozokalen (hinter dem Zokum gelegen) Appendizitis kann es auch zu einer Mitentzundung des Harnleiters kommen. [6] Eine dabei auftretende Erythrozyturie (Vorkommen von roten Blutkorperchen im Urin) und Leukozyturie (vermehrtes Vorkommen von weißen Blutkorperchen im Urin) [7] darf dann nicht zu einem vorschnellen Verwerfen der Diagnose Appendizitis fuhren.

Es gibt also letztlich keine Untersuchungsmethode, die fur sich alleine eine Appendizitis mit Sicherheit bestatigen oder ausschließen kann. Erst die Summe aller Untersuchungsergebnisse kann gegebenenfalls mit großerer Zuverlassigkeit zur Diagnose einer Appendizitis fuhren. Die Erfahrung des untersuchenden Arztes und das Ermessen speziell des Chirurgen spielt dann bei der Entscheidung fur oder gegen die Operation eine wesentliche Rolle. [5]

Bei der Anamnese ist die Verlagerung des Schmerzes vom mittigen Oberbauch in den rechten Unterbauch und das Aufhoren des anfangs bauchnabelnahen (periumbilikalen) oder magennahen (epigastrischen) Schmerzes moglich. Die Ursache fur diese charakteristische Schmerzwanderung liegt in der lokalen Einbeziehung des dem Entzundungsherd benachbarten, die Bauchhohle auskleidendem außerem Blattes des Bauchfells (Peritoneum parietale) in den Erkrankungsprozess (Viszeralschmerz → Peritonealschmerz).

Das plotzliche Auftreten eines schmerzfreien Intervalls (der sogenannte ?faule Frieden“) mit anschließenden massiven Schmerzen im ganzen Bauchraum spricht fur einen Durchbruch (eine Darmperforation ) [8] der Appendizitis.

Klinische Untersuchung und Labor

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Diagnose der Wurmfortsatzentzundung erhartet sich durch klinische Befunde:

Lokalisation des McBurney-Punktes (1), Bauchnabel (2), rechter vorderer oberer Darmbeinstachel (3)
  • Erhebung der Vorgeschichte und korperliche Untersuchung des Patienten mit Abtasten von dessen Bauch
    • Die Palpation des Unterbauchs, McBurney-Punkt , Lanz-Punkt , retrogrades Darmausstreichen in Richtung Appendix (sog. Rovsing-Zeichen , diese Untersuchung ist gefahrlich und sollte nicht durchgefuhrt werden)
    • Kontralateraler Loslassschmerz ( Blumberg-Zeichen ): Auf der Korpergegenseite (kontralateral, also links) wird ein manueller Druck auf den Unterbauch ausgeubt und plotzlich wieder losgelassen. Im positiven (= zutreffenden) Fall stellt sich daraufhin rechts ein Schmerz ein.
    • Psoas-Zeichen: das Bein wird im Huftgelenk gegen einen Widerstand gebeugt; wenn dabei Schmerzen im Unterbauch auftreten, ist der Test positiv
    • Schmerzen bei Erschutterung
    • Douglas-Schmerz (Schmerzen bei digital-rektaler Untersuchung)
    • Ligat-Probe ( Hyperasthesie des 10. Dermatoms . In 86 % der Falle, in der die Probe positiv ist, liegt eine nichtperforierte Appendizitis vor)
    • Sitkowski-Zeichen (zunehmende Schmerzsymptomatik bei Einnahme der Linksseitenlage durch innere Dehnung)
    • Ten-Horn-Zeichen (aktives Herunterziehen des Hodens fuhrt zu Schmerzen am McBurney-Punkt)
    • Retraktionszeichen (Druck am McBurney-Punkt fuhrt zu einem kurzzeitigen Hochziehen des rechten Hodens durch den Musculus cremaster )
  • Temperaturmessung (Eine fruher ubliche Temperaturdifferenzmessung Achselhohle-Mastdarm (0,5?1 °C) wird heute kaum mehr durchgefuhrt.)
  • Blutuntersuchung, eventuell auch Urinuntersuchung
    • Laboruntersuchung des Blutes ( Leukozytose , Erhohung des CRP u. a.)
  • bei Frauen immer gynakologische Untersuchung
  • Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes (Kokardenformation, tubulare Struktur, Abszess, Ausschluss anderer Erkrankungen): Als spezifisches Zeichen fur eine Appendizitis gilt ein maximaler Außendurchmesser der Appendix von mehr als 6 oder 7 mm, [9] wobei ein großerer Durchmesser spezifischer ist. Die entzundete Appendix ist zumindest teilweise rund im transversen Schnittbild und nicht kompressibel. Ein Appendikolith ist ebenfalls spezifisch fur eine Appendizitis, unabhangig vom maximalen Außendurchmesser der Appendix. [10] Sekundare Zeichen der Appendizitis sind eine Wanddicke von mehr als 3 mm, ein Halo wegen eines Odems und vermehrt odematoses mesenterisches Fett. [11]
  • Kernspintomographie [12]
  • Computertomographie (CT)
  • Evtl. Rontgen des Abdomens im Stehen

Komplizierte Form der Appendizitis

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur das diagnostische und therapeutische Vorgehen sowie fur die Einschatzung der Prognose ist eine Unterscheidung zwischen einfacher Appendizitis und der komplizierten Form wichtig. [13] Eine komplizierte Form liegt vor, wenn mindestens eines der folgenden Ereignisse eingetreten ist: [14]

Weitere Zeichen einer komplizierten Form der Appendizitis konnen sein:

Differenzialdiagnosen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die folgende Liste der moglichen anderen Diagnosen, die sich hinter einer vermuteten Blinddarmentzundung verbergen konnen ( Differenzialdiagnosen ), ist lang. Sie umfasst alle Krankheiten, die sich durch starke Bauch- und Unterleibsschmerzen außern. Der medizinische Begriff fur diesen Komplex ist akutes Abdomen . Durch technische Untersuchungsmoglichkeiten und klinische Verlaufsuntersuchungen lassen sich diese Moglichkeiten meist auf wenige Krankheiten reduzieren.

Gastrointestinale Differenzialdiagnosen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gynakologische und urologische Differenzialdiagnosen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Pulmologische Differenzialdiagnosen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Systemische Differenzialdiagnosen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Differenzialdiagnosen bei Kindern

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Bilder einer Appendektomie

Die Qualitat der Behandlung wird am Anteil der nicht indizierten (also medizinisch nicht notwendigen) Appendektomien gemessen. Die negative Appendektomie, also das Vorliegen einer normalen Appendix nach positivem Untersuchungsbefund und chirurgischer Entfernung, wird durch histologische Untersuchung gesichert. Die negative Appendektomierate ist der Anteil unnotigerweise durchgefuhrter Blinddarmoperationen und betragt zwischen 10 und 40 %. [16] Bei zusatzlicher Diagnostik ? nach chirurgischer bzw. internistischer Evaluation ? mittels der Computertomographie kann die negative Appendektomierate auf 4 % gesenkt werden. [17]

Ein Abwarten mit konservativer Behandlung (Bettruhe, antibiotische Behandlung , Nahrungskarenz und laborchemische Kontrollen) ist prinzipiell moglich. Bei diesem Vorgehen kann die negative Appendektomierate Studien zufolge auf 6 % gesenkt werden. [18]

Grundsatzlich bleibt die Operation indiziert, wenn eine akute Appendizitis nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen ist. Das Risiko der negativen Appendektomien ist geringer anzusetzen als das Risiko der akuten Appendizitis. Bei bis zu 28 % der Patienten wird bei der Operation eine Perforation der Appendix festgestellt, die mit einer Letalitat (Sterblichkeit) von ca. 10 % einhergeht (beim Auftreten einer diffusen Peritonitis bis zu 30 %). [19] Dabei sollte moglichst fruh (innerhalb von etwa 48 Stunden) operiert werden. Die Appendektomie kann offen chirurgisch durch den sogenannten Unterbauchwechselschnitt (sog. Laparatomie ) durchgefuhrt werden oder laparoskopisch mit Hilfe einer in die Bauchhohle eingefuhrten Kamera und weiteren Arbeitszugangen (sog. minimalinvasive Laparoskopie bzw. ?Schlussellochchirurgie“).

Die Prognose (Aussicht auf Heilung) der Erkrankung ist sehr gut. Die Letalitat beim Eingriff liegt bei nichtperforierter Appendizitis unter 0,1 % und ist damit sehr gering. Bei Durchbruchen der Entzundung in die freie Bauchhohle (Perforation) liegt sie allerdings bei etwa 10 %.

Bis ins fruhe 20. Jahrhundert wurde die Blinddarmentzundung meist konservativ, im 19. Jahrhundert zum Teil noch durch Aderlasse , aber durch lokale Kalteanwendung [20] behandelt, allerdings bei echter Appendizitis oft mit schlechtem Ergebnis. Systematisch erforscht wurde die Appendizitis ab etwa 1886 durch den Virchow-Schuler und Harvard-Professor Reginald Heber Fitz (1843?1913), der diese Erkrankung erforschte [21] und ihr auch ihren Namen gab. [22] Ein prominenter Fall war der britische Konig Eduard VII. , der 1901 den Thron bestieg und kurz vor seiner Kronung eine schwere Blinddarmentzundung nur mit Muhe uberlebte.

Dass der Wurmfortsatz die Ursache eitriger Entzundungen sein kann, vermutete erstmals Lorenz Heister (1711), der einen solchen Befund bei der Obduktion eines Erhangten sah. [23] Dem franzosischen Chirurgen Claudius Amyand soll 1735 eine operative Entfernung des Wurmfortsatzes ( Appendektomie ) gelungen sein. [24] Den Zusammenhang der lebensgefahrlichen diffusen Bauchfellentzundung mit einer durchbrochenen Appendix erwog 1812 erstmals James Parkinson und den zwischen eine lokale Bauchfellentzundung verursachenden Eiterungen in der rechten Iliakalgegend mit dem ( gangranosen ) Wurmfortsatz erkannte zuerst Louyer-Villermay. Dieser berichtete 1824 [25] vor der Akademie in Paris uber zwei dementsprechende Falle. [26] Die erste Operation bei Blinddarmentzundung zur Vermeidung einer Perforation versuchte 1848 H. Hancock (1809?1880) in London. [27] Rudolf Ulrich Kronlein war 1884 der Erste, der den Wurmfortsatz bei einer perforierten Wurmfortsatzentzundung entfernte. [28] Als erste erfolgreiche Appendektomie gilt [29] auch eine am 4. Januar 1885 in Davenport (Iowa) durchgefuhrte Operation an der 22-jahrigen Mary Gartside durch den Chirurgen William West Grant . Gartside erholte sich vollstandig und starb erst 1919. [30] Als Pioniere der Appendektomie wurden auch der kanadische Chirurg Abraham Groves (1847?1935), der 1883 in Nordamerika erfolgreich eine Appendektomie durchgefuhrt haben soll, und der britische Chirurg Robert Lawson Tait (1845?1899), von dem sogar schon fur 1880 die erste Appendektomie uberhaupt belegt sein soll, genannt. [29]

Eine bei perforierter Wurmfortsatzentzundung, wie sie seit dem 18. Jahrhundert bekannt ist (1759 Mestivier, Lamotte 1766 [31] ), durchgefuhrte Entfernung der Appendix vermiformis erfolgte auch 1887 durch George Thomas Morton . [32] Einer der ersten deutschen Chirurgen, der sich fur die operative Entfernung des entzundeten Wurmfortsatzes einsetzte, war der geburtige Mecklenburger Bernhard Riedel (seit 1888 Ordinarius und Direktor der Chirurgischen Klinik in Jena). Gleichzeitig mit dem Amerikaner Charles McBurney erarbeitete Riedel den Wechselschnitt als Operationstechnik. McBurney, der ebenfalls die Fruhoperation bei Appendizitis propagierte, veroffentlichte 1889 vor der New York Surgical Society seinen klassischen Bericht uber das fruhzeitige operative Eingreifen, welches durch John Murphy (1857?1916) popular gemacht wurde und sich ab etwa 1910 auch in Europa allgemein durchsetzte. [32] [33] McBurney beschrieb die Stelle des starksten Schmerzes im rechten Unterbauch, die seither als McBurney-Punkt bekannt ist. Nach den ersten chirurgischen Erfolgen bei der Blinddarmentzundung wurde die Krankheit fur mehrere Jahrzehnte eine rein chirurgische Angelegenheit. Der Chirurg diagnostizierte und operierte sie. Das fuhrte zu einer relativ hohen Zahl von Blinddarmoperationen. Ein Meilenstein in der chirurgischen Technik war die Einfuhrung und Verbreitung der laparoskopischen Appendektomie in den Jahren 1980 bis 1990.

Mit der Verfeinerung der bildgebenden Diagnostik des Ultraschalls und des CTs sowie der Erweiterung der Entzundungsdiagnostik im Blut mittels CRP und Leukozyten wanderte die Indikationsstellung zur Appendektomie wieder etwas zuruck in die Innere Medizin , und die Zahl der unnotigen Blinddarmoperationen ging zuruck. Heute wird nur etwa jeder zehnte Patient mit Verdacht auf Blinddarmentzundung operiert. Erstaunlich in der medizinischen Geschichte der Blinddarmentzundung ist die geringe Erfahrung mit der antibiotischen Therapie dieser Erkrankung. Auch im Vergleich operative Therapie gegen eine operative Therapie plus Antibiotikagabe gibt es kaum verwertbare vergleichende Untersuchungen.

Eine Studie von 2014 am Universitatsklinikum Turku hat gezeigt, dass die Behandlung mit Antibiotika in einigen Fallen eine operative Entfernung des Wurmfortsatzes uberflussig machen kann. Es ist jedoch unklar, ob dieses Vorgehen letztlich einen Vorteil fur die Patienten bringt. [34] [35]

Laut einer US-Studie sind ambulante Appendektomien sicher. [36]

  • Ismar Boas : Zur Geschichte der Appendizitis. In: Munchner medizinische Wochenschrift. 1908, S. 2286 ff.
  • J. Burke: Early historical aspects of appendicitis. In: Surgery. Band 30, 1951, S. 905 ff.
  • Faktencheck Gesundheit. Regionale Unterschiede in der Gesundheitsversorgung. Bertelsmann Stiftung , 2011.
  • Georg Michael Edebohls: A review of the history and Literatur of appendicitis. In: Medical Record. Band 56, 1899, S. 773 ff. / Reprint: The Publisher’s Printing Company, New York 1899 ( Volltext als PDF ).
  • Charles McBurney : Experiences with Early Operative Interference in Cases of Disease of the Vermiform Appendix. In: New York Medical Journal. 1889, Band 50, S. 676?684.
  • C. G. Thomas Jr.: Experiences with Early Operative Interference in Cases of Disease of the Vermiform Appendix by Charles McBurney, M.D., Visiting Surgeon to the Roosevelt Hospital, New York City. In: Review of surgery. Mai/Juni 1969, Band 26, Nr. 3, S. 153?166, PMID 4893208 .
  • Nikolaus Papastavrou: Wurmfortsatz. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang ? Entwicklung ? Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei Munchen 1973, ISBN 3-87185-021-7 , S. 132?138.
  • James N. Parker, Philip M. Parker: Appendicitis: A Medical Dictionary, Bibliography, and Annotated Research Guide to Internet References. Icon Health Publications, San Diego (CA) 2003, ISBN 0-585-49038-4 .
  • Hans Adolf Kuhn: Appendicitis (Wurmfortsatzentzundung), Blinddarmentzundung. In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin / Gottingen / Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 813?816.
Wiktionary: Appendizitis  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen
Commons : Appendizitis  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Appendizitis . Auf: pschyrembel.de - Pschyrembel Online. Klinisches Worterbuch.
  2. A. J. Larner: The etiology of appendicitis. In: British Medical Journal. 1988, Nr. 39, S. 540?542.
  3. P. Andreou, S. Blain, C. E. du Boulay: A histopathological study of the appendix at autopsy and after surgical resection. In: Histopathology. 1990, Nr. 17, S. 427?431.
  4. E Arnbjornsson, S Bengmark: Obstruction of the appendix lumen in relation to pathogenesis of acute appendicitis. In: Acta chirurgica Scandinavica. Band 149, Nr. 8, 1983, S. 789?791.
  5. a b c d Regionale Unterschiede in der Gesundheitsversorgung . Faktencheck Gesundheit. Bertelsmann Stiftung, 2011, S. 32 f.
  6. L. Giambroni, L. Monticelli, C. Simeone, E. Frego. Ureteritis. review. In: Archivio italiano di urologia, nefrologia, andrologia. Marz 1993, Band 65, Nr. 1, S. 31?33, PMID 8475390 ? Abstract: "It is really primary, but it usually ascending from an associated cystitis, descending from pyelonephritis, or due to direct spread from and adjacent inflammatory lesion such as appendicitis or salpingitis."
  7. Thieme-via-medici: Urethritis und Zystitis. ? Steckbrief. "Entscheidend fur die Diagnosestellung ist der typische Urinbefund mit Hamaturie, Leukozyturie, Bakteriurie und positivem Nitritnachweis." Auf: viamedici.thieme.de ; zuletzt abgerufen am 13. Marz 2023.
  8. Vgl. Reginald Fitz: Perforating inflammation of the vermiform appendix. In: America Journal of medical science. Band 92, 1886, S. 773 ff.
  9. C. M. Rumack et al.: Diagnostic Ultrasonic Imaging. 4. Auflage, Elsevier/Mosby, Philadelphia (PA) 2011, ISBN 978-0-323-05397-6 , S. 286.
  10. C. M. Rumack et al.: Diagnostic Ultrasonic Imaging. Philadelphia (PA) 2011, S. 288.
  11. A. B. Goldin, P. Khanna, M. Thapa, J. A. McBroom, M. M. Garrison, M. T. Parisi: Revised ultrasound criteria for appendicitis in children improve diagnostic accuracy. In: Pediatric radiology. Band 41, Nr. 8, 2011, S. 993?999, doi:10.1007/s00247-011-2018-2 .
  12. M. Thieme, M. Leeuwenburgh et al.: Diagnostic accuracy and patient acceptance of MRI in children with suspected appendicitis. In European Journal of Radiology. Band 24, Nr. 3, 2014, doi:10.1007/s00330-013-3044-2 , S. 630.
  13. Ramon R. Gorter, Hasan H. Eker, Marguerite A. W. Gorter-Stam, Gabor S. A. Abis, Amish Acharya: Diagnosis and management of acute appendicitis. EAES consensus development conference 2015 . In: Surgical Endoscopy . Band   30 , Nr.   11 , November 2016, ISSN   0930-2794 , S.   4668?4690 , doi : 10.1007/s00464-016-5245-7 , PMID 27660247 , PMC 5082605 (freier Volltext).
  14. Patrick Teoule, Jan de Laffolie, Udo Rolle, Christoph Reißfelder: Acute appendicitis in childhood and adolescence ? an everyday clinical challenge . In: Deutsches Aerzteblatt Online . 6. November 2020, ISSN   1866-0452 , doi : 10.3238/arztebl.2020.0764 .
  15. Groß et al.: Eine seltene Ursache fur Schmerzen im rechten Unterbauch . In: Medizinische Klinik. Marz 2009, Band 104, Nr. 3, S. 249?250, doi:10.1007/s00063-009-1039-1 .
  16. Peter Knuth, Franz Carl Loch, Peter Sefrin: Notfalle nach Leitsymptomen. 5., neu bearbeitete Auflage. Deutscher Arzte-Verlag, Koln 2006, ISBN 3-7691-0424-2 , S. 7.
  17. J. L. Antevil, L. Rivera u. a.: Computed tomography-based clinical diagnostic pathway for acute appendicitis: prospective validation . In Journal of the American College of Surgeons . Band 203, Nummer 6, Dezember 2006, ISSN   1072-7515 , S. 849?856, doi:10.1016/j.jamcollsurg.2006.08.012 , PMID 17116553 .
  18. I. Montali, M. von Flue: Die akute Appendizitis heute ( Memento des Originals vom 1. Juni 2015 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/eva.unibas.ch (PDF) In Schweiz Med Forum. (SMF) Band 8, Nr. 24, 2008, S. 451?455 (PDF 395kByte).
  19. Wolfram Domschke, Mathias Berger, Werner Hohenberger: Therapie-Handbuch Innere Medizin. Sonderedition 2011/2012, Urban & Fischer, Munchen 2011, ISBN 3-437-22702-5 , S. 392?395.
  20. Nikolaus Papastavrou: Wurmfortsatz. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang ? Entwicklung ? Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei Munchen 1973, ISBN 3-87185-021-7 , S. 132?138, hier: S. 133.
  21. Vgl. Reginald Fitz: Perforating inflammation of the vermiform appendix. In: America Journal of medical science. Band 92, 1886, S. 773 ff.
  22. Barbara I. Tshisuaka: Fitz, Reginald Heber. In: Werner E. Gerabek , Bernhard D. Haage, Gundolf Keil , Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 403.
  23. Nikolaus Papastavrou: Wurmfortsatz. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang ? Entwicklung ? Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei Munchen 1973, ISBN 3-87185-021-7 , S. 132?138, hier: S. 132.
  24. John Blair Deaver: Appendicitis. 3. Auflage. P. Blakiston’s, Philadelphia 1905, S. 34?36. ( Textarchiv ? Internet Archive ).
  25. Vgl. Louyer-Villermay: Observations pour servir a l’histoire des inflammations de l’appendice du coecum. In: Arch. gen. de med. Band 5, 1824, S. 246 ff.
  26. Nikolaus Papastavrou: Wurmfortsatz. 1973, S. 132 f.
  27. Paul Diepgen , Heinz Goerke : Aschoff /Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin / Gottingen / Heidelberg 1960, S. 39.
  28. Paul Diepgen , Heinz Goerke : Aschoff /Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin / Gottingen / Heidelberg 1960, S. 51.
  29. a b First U.S. appendectomy: Jan. 4, 1885. Auf: healthcentral.com
  30. Happy Anniversary: From top hat frights to public flirts . Auf: independent.co.uk
  31. Nikolaus Papastavrou: Wurmfortsatz. 1973, S. 132.
  32. a b Christoph Weißer: Viszeralchirurgie. In: Werner E. Gerabek , Bernhard D. Haage, Gundolf Keil , Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 1448?1449, hier: S. 1448.
  33. Vgl. auch Otto Sprengel : Zur Fruhoperation bei akuter Appendizitis. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft fur Chirurgie II. 1901, S. 87 ff.
  34. Studie: Antibiotika machen Blinddarm-OP oft uberflussig . Spiegel Online , 17. Juni 2015.
  35. Paulina Salminen, Hannu Paajanen, Tero Rautio u. a.: Antibiotic Therapy vs Appendectomy for Treatment of Uncomplicated Acute Appendicitis: The APPAC Randomized Clinical Trial. In: Journal of the American Medical Association (JAMA), 2015, Band 313, Nr. 23, S. 2340?2348, doi:10.1001/jama.2015.6154 .
  36. David R. Rosen, Kenji Inaba, Paul J. Oh, Adam C. Gutierrez, Aaron M. Strumwasser: Outpatient Laparoscopic Appendectomy: Feasible in a Public County Hospital? In: Journal of the American College of Surgeons . Band   224 , Nr.   5 , 1. Mai 2017, ISSN   1072-7515 , S.   862?867 , doi : 10.1016/j.jamcollsurg.2017.02.004 ( journalacs.org [abgerufen am 5. Mai 2017]).