Der
Anstellwinkel
oder
Anstromwinkel
ist in der
Aerodynamik
der
Winkel
zwischen der Richtung des anstromenden
Fluids
und der
Sehne
eines
Profils
. Das Profil kann dabei beispielsweise Teil einer
Tragflache
, eines
Rotorblatts
, eines
Segels
oder einer
Turbinenschaufel
sein. Die Große des Anstellwinkels bestimmt zusammen mit der
Anstromgeschwindigkeit
die Große des
dynamischen Auftriebs
. Er ist daher ein wichtiger Parameter beim Betrieb von Flugzeugen, Windkraftanlagen, Turbinen oder Segelbooten.
Im nebenstehenden Diagramm ist die Beziehung zwischen Anstellwinkel α und dem Koeffizienten des dynamischen Auftriebs C
L
dargestellt. Es ist ersichtlich, dass der Auftrieb bei großer werdendem Anstellwinkel zunachst ebenfalls großer wird, dann ein Maximum erreicht und dann wieder kleiner wird. Der Grund dafur ist, dass beim Erreichen des maximalen Auftriebs die Stromung sich vom Profil zu losen beginnt. Bei einer weiteren Vergroßerung des Anstellwinkels kommt es zu einem ganzlichen
Abreißen der Stromung
. Dies vermindert den Auftrieb stark.
Anstell- oder
Nickwinkel
werden gelegentlich verwechselt. Der Anstellwinkel ist nicht zu verwechseln mit dem
Einstellwinkel
(dem Winkel zwischen
Profilsehne
und Flugzeug- oder Propellerlangsachse).
Im stationaren Flug wird der Anstellwinkel durch den
Schwerpunkt
und durch die Stellung des
Hohenruders
beeinflusst. Bei gleichem Anstellwinkel sind die Auftriebskraft und der Luftwiderstand proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit des Flugzeugs (doppelte Geschwindigkeit ergibt vierfache Auftriebskraft) gegenuber der umgebenden Luft. Im Geradeausflug ist der Auftrieb gleich der Gewichtskraft des Flugzeugs. Daher erfordert langsames Fliegen einen besonders großen Anstellwinkel. Da der Auftrieb jenseits eines fur das jeweilige Tragflachenprofil charakteristischen Anstellwinkels wieder abnimmt, bestimmt der Anstellwinkel des maximalen Auftriebs die minimale
Geschwindigkeit, mit der ein Flugzeug fliegen kann
(v
min
).
Bei einigen wenigen Flugzeugen wird der Anstellwinkel ohne
Fluglagenanderung
uber Verandern des
Einstellwinkels
der Tragflache gegenuber dem Flugzeugrumpf gesteuert, z. B. bei der
Vought F-8
. Der Anstellwinkel andert sich auch, wenn das Profil durch Ausfahren von
Vorflugeln
oder
Landeklappen
verandert wird oder wenn es sich durch Auf- oder Abwinde bewegt. Uber den kritischen Anstellwinkel hinaus kann der Auftrieb durch
Strakes
erhoht werden.
Der
Stromungsabriss
und die
Gleitzahl
eines Flugzeuges sind direkt vom Anstellwinkel abhangig und nur indirekt von der Geschwindigkeit (die Mindestgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit des besten Gleitens sind von Fluggewicht,
Lastvielfachen
und weiteren Faktoren abhangig, wahrend die zugehorigen Anstellwinkel fest sind.). Deshalb ist eine Messung des Anstellwinkels von Bedeutung. Diese kann mit speziellen Instrumenten erfolgen (
angle of attack indicator
).
Seitenfaden
sind bei Segelflugzeugen an der Haube ublich und bei
Hangegleitern
an der Unterverspannung. Sie zeigen die Richtung der vorbeistromenden Luft an.
Bei
Hubschraubern
wird der Anstellwinkel der Rotorblatter des
Hauptrotors
gleichformig (kollektiver Pitch) oder winkelabhangig (zyklischer Pitch) uber die
Taumelscheibe
gesteuert, wodurch sich deren Anstellwinkel andert. Bei
Verstellpropellern
wird auf gleiche Weise mit der Anderung des Einstellwinkels der Anstellwinkel und damit der Schub verandert.
Propeller und Lufter haben große Einstellwinkel an der Nabe und kleine an der Spitze, sodass der Anstellwinkel moglichst homogen bleibt.
Moderne
Windkraftanlagen
nutzen die Veranderung des Anstellwinkels der Rotorblatter zur Leistungsregelung. Dabei wird der aerodynamische Wirkungsgrad des Rotors durch Verringerung des Auftriebs so eingestellt, dass die Nennleistung des
Generators
nicht uberschritten wird.
Im Segelsport ist die Wahl des richtigen Anstellwinkels wichtiger Teil des
Segeltrimms
. Der Anstellwinkel des
Segels
muss dabei auf das momentane Segelprofil (Wolbung des Segels) abgestimmt werden, da es im Gegensatz zu herkommlichen Tragflachen durch Einsatz von Trimmeinrichtungen oder passiv durch zu- oder abnehmenden Winddruck verandert wird.
- Ernst Gotsch:
Luftfahrzeugtechnik
. Motorbuchverlag, Stuttgart 2003,
ISBN 3-613-02006-8
.
- Joachim Schult:
Segeltechnik
. 11. Auflage. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2004,
ISBN 3-87412-140-2
.