Andrzej Tadeusz Wirth
(*
10. April
1927
in
Włodawa
; †
10. Marz
2019
in
Berlin
[1]
) war ein polnisch-
amerikanischer
[2]
Theaterwissenschaftler
,
Theaterkritiker
und
Hochschullehrer
. Er grundete 1982 in
Gießen
das
Institut fur Angewandte Theaterwissenschaft
, das erstmals in der Ausbildung theoretisches, geisteswissenschaftliches Reflektieren und gestalterisches, praktisches Tun miteinander verknupft hat. Absolventen dieses Studiengangs haben maßgeblich die Stromung des
postdramatischen Theaters
gepragt.
Der Großvater von Wirth war Bahnbeamter der
k.u.k.-Monarchie
in
Galizien
. Die Mutter von Wirth ist als Tochter verbannter polnischer Adeliger in Russland geboren worden. Sein Vater diente ab 1939 als Stabsoffizier der polnischen Exilregierung, kampfte in Italien gegen die deutsche Wehrmacht und ließ sich nach dem Krieg in Großbritannien nieder.
[2]
[3]
Andrzej Wirth wurde 1927 in Włodawa, an der Grenze des heutigen Weißrusslands zu Polen geboren. Seine Eltern besaßen einen Gutshof. Wahrend des Zweiten Weltkriegs verhinderten Bedienstete des Gutshofs die Deportation der Familie ins KZ.
[4]
[5]
Wirth erhielt wahrend des Krieges heimlich Gymnasialunterricht in Warschau.
[2]
Wirth studierte Philosophie in
Łod?
und
Warschau
und ubersetzte
Horaz
und
Lukrez
aus dem Lateinischen und
Johannes R. Becher
aus dem Deutschen. Spater promovierte er uber
Bertolt Brecht
und ubersetzte Brechts Drama
Schweyk im Zweiten Weltkrieg
. Im sozialistischen Polen ubersetzte er zusammen mit seinem Freund
Marcel Reich-Ranicki
Romane von
Franz Kafka
und
Friedrich Durrenmatt
ins Polnische. Mitte der funfziger Jahre war Wirth als Literaturredakteur der Wochenzeitung ?
Polityka
“ tatig, wo er zwei Kapitel aus
Gunter Grass
’ ?
Die Blechtrommel
“ vorab abdruckte.
[2]
Mit seiner Promotion uber Brecht wurde er auch deutschen Fachkreisen bekannt, was ihm eine universitare Karriere außerhalb Polens ermoglichte.
[3]
Von 1956 bis 1958 lebte er auf Einladung des
Berliner Ensembles
in Berlin, wo er mit deutschen Akademikerinnen und Literaten in Kontakt kam.
[4]
[5]
Wirth grundete die avantgardistische Zeitschrift
Nowa Kultura
, die 1963 vom Chef der kommunistischen Partei Polens
Władysław Gomułka
verboten wurde.
[6]
Wirth betatigte sich als Theater- und Literaturwissenschaftler sowie als Kritiker, Ubersetzer und Herausgeber und schloss sich der
Gruppe 47
an. 1966 verfasste er eine Anthologie des polnischen modernen Dramas. Neben
Jan Kott
gilt er als einer der bedeutendsten polnischen
Theaterkritiker
.
[4]
[5]
In den 60er Jahren reiste er in die USA aus. Seit 1966 lehrte er an der
Stanford University
,
Harvard University
,
Yale University
,
University of Oxford
und in
London
, an der
City University of New York
und der
Freien Universitat Berlin
.
Er ist Verfasser zweier Vorworte (1960 und 1976) zum
Stroop-Bericht
, dem Bericht des Anfuhrers des Massenmordes im
Warschauer Ghetto
Jurgen Stroop
(1895?1952).
Er trat als Herausgeber von
Bruno Schulz
und
Tadeusz Borowski
hervor und war Mitglied der
Gruppe 47
.
Im Jahr 1982 grundete Wirth das Institut fur Angewandte Theaterwissenschaft an der
Justus-Liebig-Universitat Gießen
und leitete es bis zu seiner
Emeritierung
1992. Zusammen mit seinem Mitarbeiter
Hans-Thies Lehmann
pragte er den Begriff des
Postdramatischen Theaters
, der auf die Werke fast aller seiner Studenten zutrifft.
[4]
[5]
Zu den Studenten und ihren Theatergruppen von Wirth zahlen:
[7]
Wirth publizierte auf Polnisch, Deutsch und Englisch zur polnischen und internationalen Theater- und Literaturgeschichte, sowie uber die
Teit des Nationalsozialismus
und die Judenverfolgung in Polen.
[8]
- Andrzej Wirth (Hrsg.): Modernes polnisches Theater. Neuwied u. a. 1967.
- Vorworte zum Stroop-Bericht (1960 und 1976): "Es gibt keinen judischen Wohnbezirk in Warschau mehr" : Stroop-Bericht / [Jurgen Stroop]. Mit Vorw. aus den Jahren 1960 u. 1976 von Andrzej Wirth. Darmstadt : Luchterhand, 1976 (
Sammlung Luchterhand
; 171) zuerst Neuwied [u. a.] : Luchterhand, 1960
- The Stroop Report. The Jewish Quarter of Warsaw is no more! Translated from the German and Annotated by Sybil Milton. Introduction by Andrzej Wirth. New York 1979.
- Andrzej Wirth/Sławomir Mro?ek, Zabawa (Hrsg.): Satire in lustloser Zeit. Frankfurt/Main 1992.
- Andrzej Wirth/Stanisław Witkiewicz (Hrsg.): Verruckte Lokomotive. Ein Lesebuch. Frankfurt/Main 1994.
- Gerhard Fischer (Hrsg.): Debating Enzensberger. Great Migration an Civil War. Tubingen 1996.
- Lob der dritten Sache. In: Spiegel der Forschung 20 (2003) Nr. 1/2.2003
- Grenzgange zwischen Literatur und Medien. Baden-Baden 2013
- Kurztexte. Herausgegeben von Thomas Irmer. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2016
- ↑
Andrzej Wirth gestorben
, theaterderzeit.de, abgerufen am 11. Marz 2019.
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d
Gerhard Gnauck: Wie Andrzej Wirth Reich-Ranicki bespitzeln sollte.
In: Die Zeit, 26. Februar 2009
- ↑
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b
Andrzej Wirth. Theaterwissenschaftler.
In: Website der Internationalen Heiner-Muller-Gesellschaft
- ↑
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d
Andre Mumot: Wirths Welt. Andrzej Wirth ? Flucht nach vorn. Gesprochene Autobiografie und Materialien.
In: Nachtkritik, 5. November 2013
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Wirth, Andrzej, Glossar von Nachtkritik
(
Memento
des
Originals
vom 30. Dezember 2014 im
Internet Archive
)
Info:
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@2
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ANDRZEJ WIRTH, in: Der Spiegel, 46/1965
- ↑
Institut fur Angewandte Theaterwissenschaft - - Institut - Absolvent_innen.
Archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
21. Dezember 2015
;
abgerufen am 13. Marz 2019
.
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@2
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Andrzej Wirth. Theaterwissenschaftler. In: Website der Internationalen Heiner-Muller-Gesellschaft