Andreas Vost

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Andreas Vost ist ein Roman des deutschen Schriftstellers Ludwig Thoma , der 1906 veroffentlicht wurde. Die Geschichte schildert, wie ein bayrischer Bauer durch Verleumdung durch den ortlichen Pfarrer zugrunde geht. Andreas Vost ist Thomas erster Roman.

Die Handlung besteht aus drei parallelen Strangen, die sich uberschneiden.

Andreas Vost ist Bauer des Schullerhofes in Erlbach. Er hat den Hof verschuldet geerbt und dank umsichtiger Arbeit wieder hochgebracht. Der ortliche Pfarrer Baustatter ist ihm feind, seit sich Vost dagegen ausgesprochen hatte, den Bau eines neuen Kirchturms mit Gemeindemitteln zu unterstutzen. Als ein neugeborenes Kind der Vosts ungetauft stirbt, zeigt sich der Pfarrer hart und besteht darauf, dass das Kleine außerhalb des geweihten Friedhofes ohne Ritus und Grabmal begraben wird. Vosts Tochter Ursula hat sich auf eine Affare mit dem Sohn des Hieranglbauern eingelassen und ist von ihm schwanger. Der alte Hierangl ist ein getreuer Folgsmann des Pfarrers und Rivale des Schullerbauern; sein Sohn streitet die Vaterschaft ab.

Als der Pfarrer beginnt, in Predigten gegen den Schullerhof zu sticheln, entscheidet sich Andreas Vost, bei den anstehenden Kommunalwahlen fur das Burgermeisteramt zu kandidieren. Der Pfarrer erhalt weiter Oberwasser, als Vosts Mutter stirbt und uberraschend der Kirche funfhundert Mark fur den neuen Kirchturm hinterlasst. Zu Allerseelen zerbricht der Pfarrer offentlich ein kleines Holzkreuz, das die Bauerin fur ihr verstorbenes Baby auf die Begrabnisstatte gepflanzt hatte. Fur Andreas Vost bringen diese Ereignisse eine zunehmende Entfremdung nicht nur von der Kirche, sondern auch von der christlichen Religion.

Vost gewinnt die Burgermeisterwahl knapp gegen Hierangl, was den Pfarrer erzurnt. In vielen anderen Gemeinden siegen ebenfalls die Kandidaten, die dem Bauernbund nahestehen. Pfarrer Baustatter zeigt dem Hierangl eine Notiz, die vermeintlich von seinem Vorganger Held verfasst wurde, der zufolge der Vater Vosts sich nach der Ubergabe des Schullerhofes uber Misshandlungen durch seinen Sohn beklagt habe. Damit will der Pfarrer beim Bezirksamt die Bestatigung Vosts als Burgermeister verhindern; zudem lasst er die Neuigkeit gezielt im Dorfe streuen. Der Schullerhof kommt ins Gerede, bei einem Schlichtungsversuch lasst sich Vost zu einer Tatlichkeit gegen Hierangl hinreißen. Vost stellt den Pfarrer zur Rede, der sich aber geschickt auf die vermeintliche Notiz des Vorgangers beruft.

In der Tat beantragt der Pfarrer, Vost die Ernennung zum Burgermeister zu verweigern und fugt eine Abschrift der vermeintlichen Notiz des Pfarrvorgangers bei. Getrieben von der Sorge, dass der Bezirk ihm zunehmend entgleiten konnte, verweigert der Bezirksamtmann die Zustimmung zur Ernennung Vosts zum Burgermeister.

Vost versucht, auf dem Dienstwege seine Ehre wiederherzustellen. Doch der Amtmann erklart sich als nicht zustandig. Vosts Ruf im Dorf leidet zunehmend, er sucht einen Rechtsanwalt auf, der ihm aber klarmacht, dass er angesichts der Beweislage aus juristischer Sicht kaum etwas unternehmen konne. Vosts Gerechtigkeitsempfinden ist tief getroffen. Er sucht sein Gluck beim Ordinariat , wo er zwar wohlwollend behandelt wird, aber in der Sache auch keine Unterstutzung findet.

Er verweigert den Kirchgang, worunter seine Frau sehr leidet, selbst an Weihnachten , und wird zunehmend zum Außenseiter. Die Dienstboten kundigen, nur noch faule und unwillige Knechte und Magde sind bereit, auf dem Schullerhof zu arbeiten. Die Versuche, den mutmaßlichen Vater seines Enkels (auch gerichtlich) zur Verantwortung zu ziehen, verlaufen im Sande. Als seine Tochter Ursula ihr uneheliches Kind zur Welt bringt, verlangt Pfarrer Baustatter, es musse als Kind der Schande auf den Namen des Heiligen des Geburtstages getauft werden, in diesem Falle Simplicius . Dies bringt Vost weiter gegen den Pfarrer auf. Erst nachdem man sich in der Nachbargemeinde versichert hat, dass dieses Verlangen unrechtmaßig ist und bei der Kirchenverwaltung interveniert, tauft der Pfarrer das Kind auf den von der Mutter gewunschten Namen.

In einem zweiten Strang schildert Thoma den Aufstieg des Bauernbundes. In Nußbach diskutieren Handwerker und Bauernvertreter (mit Unterstutzung einer kirchenkritischen Lokalzeitung) die Notwendigkeit, wie andernorts in Bayern, Kooperativen fur die Bauern einzurichten und sich auch politisch vom Zentrum zu emanzipieren, da der Klerus die Interessen der Landwirtschaft und Handwerker nicht mehr angemessen vertrete. Indes besucht der Landtagsabgeordnete Metz, Dekan und papstlicher Hauspralat, den Bezirksamtmann, um ihn zu drangen, rechtzeitig zu den Kommunalwahlen seinen Einfluss zugunsten der Zentrumskandidaten zu nehmen. Der Amtmann erfragt bei den Pfarrern, wo aufruhrerische Tendenzen bestunden und erhalt aus Erlbach eine eindringliche Warnung vor dem Charakter des Andreas Vost.

Bei einer Burgerversammlung begeistert ein Redner des Bauernbundes die Landwirte von der Idee, sich politisch und okonomisch zusammenzuschließen. Dem ebenfalls auftretenden Abgeordneten Metz schlagt breite Ablehnung entgegen.

Im dritten Erzahlstrang wird von der Abkehr des Sylvester Mang von der Geistlichkeit berichtet. Der junge Sylvester Mang ist Sohn einer Hauslerin aus Erlbach. Mit den Mitteln eines Vetters konnte er das Gymnasium in Freising besuchen und studiert nun Theologie in Munchen . Seine Mutter wunscht seinen sozialen Aufstieg mit einer Karriere als Pfarrer. Wahrend seiner Ausbildung besuchte er regelmaßig den alten Pfarrer Held, der ihm eine Art Mentor war. Nach dem Tod des volksnahen Pfarrers Held bleibt das Verhaltnis zu dessen Nachfolger Baustatter distanziert.

Bei einem Besuch zu Hause lernt er Gertrude Sporner kennen, Tochter aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Munchen, die auf Verwandtenbesuch ist. Die Liebe zur Musik bringt die beiden einander naher, und Mang verkehrt in der Folge regelmaßig im Haus der Sporners, um mit Traudl zu musizieren. Vater Sporner legt ihm nahe, aufgrund seiner anstehenden Weihen die Besuche zu unterlassen.

Sylvester zweifelt zunehmend an seiner Berufung zum Priesteramt. Durch liberale Professoren liest er die Werke weltlicher Autoren und freundet sich mit seinem Mitbewohner Schratt an, der 1848 bei der Revolution mitgetan hatte und auch den alten Pfarrer Held aus gemeinsamen Revolutionstagen kennt. Schratt ermutigt Mang, sich einer weltlichen Karriere zuzuwenden, und vermittelt ihm eine Stelle als Hauslehrer .

Auf einem Ball kommt es zur Wiederannaherung mit der Familie Sporner, die der Verbindung mit Traudl nicht mehr entgegenstehen, nachdem sie erfahren, dass Sylvester kein Pfarrer mehr werden will. Auch mit seiner Mutter sohnt er sich aus, auch sie akzeptiert seine weltliche Zukunft. Der Pfarrer Baustatter versucht, Mang zu schaden, indem er beim Vetter, der den Gymnasialbesuch finanziert hatte, gegen ihn intrigieren lasst, aber Sylvester ist optimistisch, das klaren zu konnen.

Bei einem Besuch bei Pfarrer Baustatter stellt ihn Sylvester wegen der Vorwurfe gegen Vost zur Rede, die nach seiner Kenntnis der Umstande jeder Grundlage entbehren. Als der Pfarrer ihm das Beweisstuck prasentiert, erkennt Mang, dass die Schrift auf der Notiz nicht die seines Mentors Pfarrer Held ist, die er gut kennt. Da aber außerdem das Kirchensiegel aufgedruckt ist, wird ihm klar, dass die Notiz eine Falschung durch Baustatter sein muss. Mang teilt dies Vost mit und fahrt mit ihm zum Bezirksamt. Dort erklart man den beiden, dass die Bestatigung als Burgermeister dennoch nicht erfolgen werde, solange Vost nicht gerichtlich den Vorwurf geklart habe.

Vost, der zwischenzeitlich wieder Hoffnung geschopft hatte, ist jetzt am Ende. Am Ostersonntag betrinkt er sich im Wirtshaus und gerat in eine Auseinandersetzung mit Hierangl, dem er einen Masskrug an den Kopf schlagt. Hierangl stirbt. Vost wird zu vier Jahren Gefangnis verurteilt, wahrend der Pfarrer mit dem Bau des neuen Kirchturmes beginnt.

Die Geschichte spielt um 1900 in der Umgebung von Dachau in Bayern . Da der 16. Dezember im Roman auf einen Sonntag fallt, kommen als Handlungsjahre 1894/1895 und 1900/1901 in Frage. Die Kreisstadt Nußbach existiert so nicht, ist aber dem realen Dachau nachempfunden, das im Roman erwahnte Wirtshaus Unterbrau findet sich tatsachlich in Dachau. Die Namen anderer Orte sind zum großen Teil Dorfer oder Flurnamen aus dem Dachauer Umland (Erlbach, Giebing, Fahrenzhausen, Schachach, Webling, Biberbach, Edenholzhausen, Zillhofen), zum Teil verfremdet (Hilgertshofen statt Hilgertshausen).

Die Figur des Bauernbundfuhrers Vachenauer, der Hauptredner bei der Burgerversammlung in Nußbach ist, hat Thoma dem Bauernbundler Georg Eisenberger aus Ruhpolding nachempfunden.

Wahrend der erzahlende Text in suddeutsch gefarbtem Hochdeutsch gehalten ist, lasst Thoma seine Figuren je nach Herkunft und Bildungsgrad in unterschiedlichen Tiefen des bairischen Dialektes sprechen. Andreas Vost spricht konsequent im Dialekt, auch gegenuber dem Pfarrer, beim Bezirksamtmann oder vor Gericht. Pfarrer, Studenten und Stadtbewohner reden naher an der Schriftsprache als Bauern und Knechte. Sylvester Mang passt seine Sprachfarbung den Gesprachspartnern an und spricht mit seiner Mutter mit leichter Dialektfarbung, wahrend er mit seinem Zimmernachbarn und im Hause Sporner reines Hochdeutsch verwendet.

In einem Brief der Mutter Vost an ihren Sohn verwendet Thoma das unbeholfen-komische Schriftdeutsch eines Schreibers, der nur im Dialekt zu Hause ist ("Beim Notari is das Desdament gwest und mir ham nichts gewußd." [1] ). Diesen Stil hat Thoma auch in seinen Filserbriefen verwendet.

Die Dialektfarbung vieler Dialoge ist so stark, dass ein des Bairischen unkundiger Leser sie nicht verstehen wird.

Entstehung und Rezeption

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Wahrend der Entstehungszeit des Romans 1905 lebte Thoma in Munchen und arbeitete neben der freien Schriftstellerei als Chefredakteur des Simplicissimus .

Die Geschichte basiert auf einem wahren Ereignis, das Thoma 1899 wahrend seiner Zeit als Rechtsanwalt in Dachau miterlebt hat. [2] Thoma reflektiert uber die weltliche Macht des katholischen Klerus, die er ablehnt. Dabei ist sein Bild differenziert: Der Figur des intriganten und hinterhaltigen Erlbacher Pfarrers Baustatter stellt er dessen integren Vorganger Held entgegen. Der auktoriale Erzahler zeigt sich in der Haltung zur Religion versohnlicher als die Figur des Vost, der durch sein erlittenes Unrecht ganzlich vom Glauben abfallt. Die winterliche Weihnachtsszenerie in Erlbach und die Schilderung der alpenlandischen Krippe nimmt das Motiv auf, das Thoma 1918 in seinem Versepos Heiligen Nacht ausarbeiten sollte.

Politisch hat Andreas Vost den Aufstieg des Bayerischen Bauernbundes zu Beginn des Jahrhunderts zum Hintergrund. Der Rede des Bauernbundlers Vachenauer und der hilflosen Reaktion des Abgeordneten der Zentrumspartei , des Dekans Metz, gibt Thoma breiten Raum, wobei er den Leser auf die Seite der Bauern zu ziehen versteht und den Kleriker der Lacherlichkeit preisgibt.

Das Motiv des Knaben, der nach dem Willen der Mutter zum Priester ausgebildet werden soll, hat nach Martin Klaus Parallelen zu den Wunschen von Thomas Mutter, denen sich Ludwig Thoma stets widersetzt habe. [3]

Andreas Vost ist in Bayern als Schullekture empfohlen. [4] Fur das ZDF verfilmte Eberhard Itzenplitz den Roman 1979 unter dem gleichen Titel mit Jorg Hube in der Hauptrolle. [5]

Einzelnachweise

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  1. Viertes Kapitel, Andreas Vost
  2. Vgl. Faber-Behutuns (o. J.)
  3. Klaus (2016).
  4. Vgl. den Eintrag im Leseforum Bayern
  5. Vgl. Andreas Vost bei IMDb