Andreas Meyer (Historiker)

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Andreas Meyer (* 19. Dezember 1955 in Zurich ; † 6. Februar 2017 ) war ein Schweizer Historiker .

Meyer lehrte von Sommersemester 2001 bis zu seinem Tod 2017 als Professor fur Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Philipps-Universitat Marburg . Meyer galt als einer der besten Kenner der papstlichen Kanzlei des Spatmittelalters. Als sein wichtigstes Forschungswerk gilt die Neuedition der Regule Cancellarie .

Der Sohn des Germanisten Kurt Meyer legte die Matura im aargauischen Suhr ab. Er studierte Geschichte und Literatur an der Universitat Zurich , zunachst mit dem Ziel, Lehrer im Schuldienst zu werden. Nach bestandenen Examen blieb er jedoch an der Universitat. Er wurde Assistent von Ludwig Schmugge . In Zurich wurde er 1984 promoviert mit einer von Schmugge betreuten Arbeit uber die Stellenbesetzung und Klerikerversorgung in Zurich durch die papstliche Kurie wahrend des Spatmittelalters. [1] Er habilitierte sich 1993 ebenfalls in Zurich mit einer Arbeit zu Notariatsinstrumenten . Meyer war Assistent an den Universitaten Zurich und Bern . Von 1989 bis 1996 nahm er einen Forschungsaufenthalt am Istituto Svizzero di Roma und am Deutschen Historischen Institut in Rom (DHI) wahr. Dort erarbeitete er schwer erschließbare italienische Archivbestande. Der Italienaufenthalt hinterließ nachhaltigen Eindruck auf ihn und seine weiteren Forschungen. Die Ergebnisse seiner Arbeit in Italien mundeten in die Habilitationsschrift zum Notariat im fruh- und hochmittelalterlichen Lucca . Von Oktober 1993 bis September 1994 ubernahm er die Gastdozentur am DHI in Rom. Hinzu kamen Lehrstuhlvertretungen in Zurich, Tubingen und Bern. Von Juli 1998 bis Februar 2001 war er Assistenzprofessor an der Universitat Zurich.

Er war seit Marz 2001 als Nachfolger von Hans K. Schulze ordentlicher Professor fur Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Philipps-Universitat Marburg. Bis zu seinem Tod betreute er 15 Dissertationen. [2] Er leitete zugleich das Lichtbildarchiv alterer Originalurkunden bis 1250 und erwarb um dessen Erhalt und Digitalisierung bleibende Verdienste. [3] Unter Meyers Leitung wurde die Sammlung in eine im Internet nutzbare Datenbank umgewandelt. Als akademischer Lehrer unternahm er regelmaßig Exkursionen nach Rom, Bologna , Lucca, Pisa , Venedig , Apulien oder in seine Schweizer Heimat. Meyer engagierte sich in der Kommission des Grimm-Preises , im Mittelalterzentrum und beim Mittelalterpreis sowie als Vorsitzender des Seniorenkollegs.

Meyer starb im Februar 2017 an Pankreaskrebs . [4] Er wurde auf dem Aarauer Stadtfriedhof beigesetzt. [5]

Forschungsschwerpunkte

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Schwerpunkte seiner Forschungen waren das italienische und deutsche Notariat, die spatmittelalterliche Kirchengeschichte, besonders das Pfrundenwesen , die Alltagsgeschichte, papstliche Kanzleiregeln, die Luccheser Stadtgeschichte, der Heiligenkult im Mittelalter, der Fernhandel im Spatmittelalter und die Hospitalgeschichte.

In seiner Dissertation befasste Meyer sich mit den Klagen uber den Missstand der papstlichen Pfrundenvergabe im Spatmittelalter und wollte exemplarisch am quellenmaßig gut dokumentierten Zurcher Frau- und Großmunsters zeigen, wie der ?Mechanismus der Pfrundenvergabe“ tatsachlich funktionierte. [6] Seit Leo Santifallers Dissertation uber das Brixener Domkapitel aus dem Jahre 1919 wurde das Thema der personellen Zusammensetzung von Dom- und Stiftskirchen des mittelalterlichen Reiches nicht mehr in dieser Grundlichkeit untersucht. Die Arbeit wurde von Hans Conrad Peyer am 27. Januar 1987 in der Neuen Zurcher Zeitung als ?ein wichtiges, zuverlassiges Grundlagenwerk fur die weitere Erhellung unserer spatmittelalterlichen Geschichte in ihrer europaischen Verflechtung“ gewurdigt. Seine Arbeit hatte Pioniercharakter. In den folgenden Jahren erschienen an der Universitat Zurich weitere Dissertationen uber eidgenossische Stiftskirchen, die Meyers Ansatz fortsetzten. [7]

Seine Habilitation befasste sich mit dem italienischen Notariat von seinen Anfangen bis um 1400 (S. 7?178) und analysierte am Beispiel von Stadt und Diozese Lucca den notariellen Arbeitsalltag zwischen 1220 und 1280 (S. 235?502). [8] Die Forschungen zum Notariat setzte er mit der Arbeit des Luccheser Notars Ser Ciabatto fort. Im Jahr 2005 gab er dessen Imbreviaturen , die zu den fruhesten Notariatsregistern gehoren, in einen Band fur die Jahre 1222 bis 1232 heraus. Als sein Hauptwerk gilt die Neuedition der Regule Cancellarie . [9] Fur diese Neuedition konnte er uber 180 Handschriften mit Kanzleiregeln in unterschiedlichsten Archiven und Bibliotheken aufspuren. In seinen letzten Jahren widmete er sich den spatmittelalterlichen papstlichen Kanzleiordnungen. Meyer gab gemeinsam mit Sebastian Muller und Thomas Wozniak eine Festschrift fur Hans K. Schulze heraus. Damit sollten sowohl das 50-jahrige Promotionsjubilaum als auch der im Herbst 2012 anstehende 80. Geburtstag Schulzes gefeiert werden. Aus diesem Anlass fand am 8. Oktober 2012 ein Festakt im Hessischen Staatsarchiv Marburg statt. Der 2014 veroffentlichte Sammelband enthalt Beitrage von 15 Autoren, die sich anhand verschiedener Themen mit Schulzes Forschung befassen. [10]

Meyer war seit 2008 Mitglied der Commission Internationale de Diplomatique . Er ubernahm zusammen mit Irmgard Fees im Jahr 2015 mit dem Band 61 die Herausgeberschaft des Archivs fur Diplomatik .

Ein Schriftenverzeichnis erschien in: Theo Kolzer : Nachruf Andreas Meyer (1955?2017). In: Archiv fur Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 63 (2017) S. XI?XXIV, hier: S. XV.?XXIV.

  • Felix et inclitus notarius. Studien zum italienischen Notariat vom 7. bis zum 13. Jahrhundert (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom. Bd. 92). Niemeyer, Tubingen 2000, ISBN 3-484-82092-6 .
  • Manducator von Lucca. Ein unbekannter Kanonist des fruhen 13. Jahrhunderts. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 76, 1996, S. 94?124 ( Digitalisat )
  • Spatmittelalterliches Benefizialrecht im Spannungsfeld zwischen papstlicher Kurie und ordentlicher Kollatur: Forschungsansatze und offene Fragen. In: Stanley A. Chodorow (Hrsg.): Proceedings of the eighth international congress of medieval canon law (= Monumenta iuris canonici. Series C: Subsidia. Bd. 9). Biblioteca Apostolica Vaticana, Citta del Vaticano 1992, ISBN 88-210-0634-4 , S. 247?262.
  • Das Wiener Konkordat von 1448 ? eine erfolgreiche Reform des Spatmittelalters. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 66, 1986, S. 108?152 ( Digitalisat ).
  1. Andreas Meyer: Zurich und Rom. Ordentliche Kollatur und papstliche Provisionen am Frau- und Grossmunster 1316?1523. Tubingen 1986.
  2. Dissertationsprojekte
  3. Theo Kolzer : Nachruf Andreas Meyer (1955?2017). In: Archiv fur Diplomatik 63, 2017, S. XI?XXIV, hier: S. XI.
  4. Ludwig Schmugge : Andreas Meyer (1955?2017). In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 98, 2018, S. 459?462, hier: S. 459 ( online ).
  5. Todesanzeigen der Familie: Neue Zurcher Zeitung vom 14. Februar 2017, S. 18 ( online ) und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Februar 2017, S. 13 ( online ).
  6. Andreas Meyer: Zurich und Rom. Ordentliche Kollatur und papstliche Provisionen am Frau- und Großmunster 1316?1523. Tubingen 1986, S. 6. Vgl. dazu die Besprechungen von Brigide Schwarz in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte , Kanonistische Abteilung 75, 1989, S. 447?448; Michael Reimann in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 68, 1988, S. 588?589 ( Digitalisat ); Rudolf Reinhardt in: Zeitschrift fur Kirchengeschichte 101, 1990, S. 110?111.
  7. Ludwig Schmugge: Andreas Meyer (1955?2017). In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 98, 2018, S. 459?462, hier: S. 459 f. ( online ). Martin Gabathuler: Die Kanoniker am Grossmunster und Fraumunster in Zurich. Eine Prosopographie von den Anfangen bis 1316. Bern u. a. 1998.
  8. Vgl. dazu die Besprechungen von Claude Jeay in: Bibliotheque de l’Ecole des chartes 160, 2002, S. 315?318; Thomas Vogtherr in: Das Mittelalter 7, 2002, S. 225 f.; Benoit-Michel Tock in: Francia 29/1, 2001, S. 382?384 ( online ); Jorg W. Busch in: Historische Zeitschrift 274, 2002, S. 722?724.
  9. Vgl. zu dieser Neuedition Andreas Meyer: Die geplante neue Edition der spatmittelalterlichen papstlichen Kanzleiregeln. In: Martin Bertram (Hrsg.): Stagnation oder Fortbildung? Aspekte des allgemeinen Kirchenrechts im 14. und 15. Jahrhundert. Tubingen 2005, S. 117?131; Andreas Meyer: Emil von Ottenthal revisited. Unterwegs zu einer erweiterten Neuedition des spatmittelalterlichen Regulae cancellariae apostolicae. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 122, 2005, S. 218?236.
  10. Thomas Wozniak , Sebastian Muller und Andreas Meyer (Hrsg.): Konigswege. Festschrift fur Hans K. Schulze zum 80. Geburtstag und 50. Promotionsjubilaum. Leipzig 2014.