Die Entfuhrung der Psyche
. Gemalde von
William Adolphe Bouguereau
Antonio Canova
:
Amor und Psyche
, Paris,
Louvre
(1793)
Auguste Rodin
:
Amor und Psyche
, 1885, Paris,
Musee des Beaux-Arts de la ville de Paris
Amor und Psyche als Kinder
von
William Adolphe Bouguereau
, 1890
Skulptur von
Reinhold Begas
, Briefmarke 1981
Amor und Psyche
ist ein sehr verbreitetes
Sujet
der
Bildenden Kunst
der
Antike
und der Neuzeit und ein beliebtes Thema der
Belletristik
und der Musik. Dargestellt werden Aspekte der mythischen Liebesbeziehung zwischen dem Gott
Amor
, auch Cupido genannt, und der sterblichen Konigstochter Psyche, die schließlich unter die Unsterblichen aufgenommen wird. Die neuzeitliche kunstlerische Behandlung des Stoffs knupft direkt oder indirekt an die Erzahlung von Amor und Psyche an, die in den
Metamorphosen
des
Apuleius
aus dem 2. Jahrhundert enthalten ist. In der bildenden Kunst der Antike war die Darstellung von Amor (Eros) und Psyche schon in der Epoche des
Hellenismus
, lange vor der Zeit des Apuleius, beliebt.
In dem elf Bucher umfassenden Werk
Metamorphosen
nimmt die Erzahlung breiten Raum ein: Sie macht den Schluss des vierten Buches, das gesamte funfte Buch und den großten Teil des sechsten Buches aus (4,28?6,24). Die Geschichte von Amor und Psyche stammt nicht aus der griechischen Vorlage der Metamorphosen; offenbar handelt es sich um eine Schopfung des Apuleius. Eingebettet ist sie in die Darstellung des Schicksals des Madchens Charite, das von einer Rauberbande entfuhrt worden ist. Die alte Haushalterin der Rauber erzahlt Charite, um sie von ihrem Leid abzulenken, die Geschichte vom Gott Amor und der Konigstochter Psyche, deren Name das griechische Wort fur ?Seele“ ist.
Psyche ist die jungste und schonste der drei schonen Tochter eines Konigs. Sie ist so schon, dass alle aufhoren,
Venus
, die Gottin der Schonheit und der Liebe, zu verehren. Verargert ruft Venus ihren treuen Sohn
Amor
und befiehlt ihm, Psyche dazu zu bringen, sich in einen schlechten Mann zu verlieben. Der Vater schickt seine Tochter ? wie das
Orakel
des Gottes
Apollon
ihm befohlen hat ? in einem Brautkleid an eine einsame Bergspitze, auf der sie einen furchtbaren
Damon
heiraten soll. Doch anstatt die Gemahlin des Damons zu werden, wird sie von
Zephyr
, dem Herrn der Winde, auf Anweisung Amors, der selbst der uberirdischen Schonheit Psyches erlegen ist, in ein marchenhaftes
Schloss
gebracht.
In diesem Schloss sucht ihr jetziger Geliebter Amor sie Nacht fur Nacht auf, doch tagsuber verschwindet er, ohne dass sie ihn je zu Gesicht bekommt. Da sich Psyche einsam fuhlt, gewahrt er ihr einen Besuch von ihren Schwestern. Amor warnt sie aber, sie durfe sich nicht von den Schwestern verleiten lassen, herauszufinden, wer er sei.
Die Schwestern sind zunachst froh, Psyche wohlbehalten vorzufinden, jedoch alsbald von
Neid
verzehrt. Bei einem weiteren Besuch gelingt es ihnen, das naive Madchen, das mittlerweile ein Kind erwartet, davon zu uberzeugen, dass Amor in Wirklichkeit eine grassliche Schlange sei, weswegen er ihr nie bei Tageslicht gegenubertrete, und uberdies beabsichtige, die Schwangere zu verschlingen.
Aus Angst um sich und ihr ungeborenes Kind befolgt sie den Rat ihrer Schwestern und wartet in der Nacht mit einer Ollampe und einem Messer auf ihren Mann. Als sie ihren Geliebten beleuchtet, erblickt sie indessen kein Ungeheuer, sondern den schonen Korper des geflugelten Amor. Psyche ist von Liebe zu ihrem gottlichen Gatten uberwaltigt und merkt daher nicht, wie ein Tropfen des heißen Ols auf Amors Schultern fallt. Der Gott, der seiner Mutter ungehorsam gewesen ist, fuhlt sich hintergangen, fliegt davon und lasst Psyche untrostlich zuruck.
Venus ist voller Wut daruber, dass ihr Sohn ihre Befehle missachtet und stattdessen mit Psyche ein Kind gezeugt hat. Venus macht das Madchen ausfindig und zwingt es, verschiedene lebensgefahrliche Aufgaben fur die Gottin zu erledigen. Dank der Hilfe von
Ameisen
, sprechendem
Schilfrohr
, Turmen etc. gelingt es ihr, sie zu losen. Bei der letzten Aufgabe lasst sie sich aber von dem Wunsch, ihren Geliebten zuruckzuerobern, uberwaltigen. So offnet sie, um sich fur ihn schon zu machen, ein Kastchen, das eine fur Venus bestimmte Schonheitssalbe von
Plutos
Gemahlin
Proserpina
enthalten soll, und fallt in einen todesahnlichen Schlaf, der der einzige Inhalt des Behaltnisses ist.
Amor hat sich inzwischen von der Verbrennung mit dem heißen Ol erholt und eilt Psyche zur Rettung. Da er sie noch immer liebt, scheucht er mit seinen Flugeln den Todesschlaf wieder in das Kastchen zuruck. Wahrend Psyche das Kastchen abliefert, fliegt Amor zu
Jupiter
und bittet um Erlaubnis, Psyche zu heiraten. Der oberste Gott (nach anderer Erzahlung der Gotterbote Merkur) hat Nachsicht, reicht Psyche einen Becher mit
Ambrosia
und macht sie dadurch unsterblich, so dass einer Hochzeit unter den Gottern nichts mehr im Weg steht.
Psyche gebiert Amor eine wunderschone Tochter, welche den Namen
Voluptas
(Wollust) erhalt.
Die Geschichte von Amor und Psyche hat vielfaltig in Literatur und Musik, vor allem aber in der bildenden Kunst weitergewirkt. Viele Gemalde und Skulpturen befassen sich mit dem Paar. Zu den bekanntesten gehoren die Skulpturen von
Antonio Canova
in der Villa Carlotta am Comer See und
Auguste Rodin
im
Louvre
und in der
Eremitage
, die Skulpturengruppe von
Reinhold Begas
in der
Alten Nationalgalerie in Berlin
sowie die Radierungen von
Max Klinger
. Der Maler
Moritz von Schwind
schmuckte im Rittergut im sachsischen
Rudigsdorf
(
Kohren-Sahlis
) den
Schwind-Pavillon
des Besitzers mit zahlreichen Fresken aus. Viele Psychedarstellungen stammen auch von
Bertel Thorwaldsen
und mehreren seiner Schuler und Nachfolger, darunter
Wolf von Hoyer
und
Ferdinand Schloth
.
[1]
In der
Musik
hat unter anderen
Joseph Schuster
eine Oper seria
Amor und Psiche
in zwei Akten nach dem Libretto von
Marco Coltellini
geschrieben, desgleichen
Cesar Franck
eine dreiteilige sinfonische Dichtung
Psyche
fur
Chor
und
Orchester
und
Richard Franck
eine Tondichtung fur großes Orchester
Liebesidyll ?Amor und Psyche“
(op. 40).
C. S. Lewis
hat mit
Till we have Faces (Du selbst bist die Antwort)
eine moderne Interpretation dieser Geschichte gegeben.
Das erste
Ballett
um Amor und Psyche wurde 1619 im
Louvre
aufgefuhrt. Es folgte 1656 das
Ballet de Psyche
mit der Musik von
Jean-Baptiste Lully
.
[2]
Lully komponierte auch die musikalischen Zwischenspiele fur die 1671 aufgefuhrte Ballett-Tragodie
Psyche
von
Moliere
,
Pierre Corneille
und
Philippe Quinault
, die er 1678 mit dem Librettisten
Thomas Corneille
zur Oper
Psyche
umarbeitete.
[3]
Weite Verbreitung in Europa fand das 1762 uraufgefuhrte Ballett
Psyche et l’Amour
von
Jean Georges Noverre
nach der Musik von
Jean-Joseph Rodolphe
.
[2]
1917 wurde die fantastische Oper
Eros und Psyche
von
Ludomir Ro?ycki
(Musik) mit einem Libretto von
Jerzy ?uławski
nach dessen szenischem Roman
Eros i Psyche
von 1904 uraufgefuhrt.
Fur die
Erzahlforschung
ist
Amor und Psyche
die alteste schriftlich fixierte Fassung des Marchentyps
Tierbrautigam
.
[4]
Im Roman
Das Parfum
von
Patrick Suskind
sowie in dessen
Verfilmung
spielt ein Parfum mit dem Namen
Amor und Psyche
eine wichtige Rolle.
Auch das Pariser
Kamee-Diadem
, einst angeblich Geschenk
Napoleon Bonapartes
an seine erste Ehefrau, Kaiserin
Josephine
, und heute Teil des
schwedischen Kronschatzes
, ziert eine Darstellung des Amor und der Psyche.
Ein Kurzfilm des Kunstlerduos
VestAndPage
heißt
Amor and Psyche (In Times of Plagues)
(2020).
[5]
Literarische Bearbeitungen:
Kommentar
- Maaike Zimmerman u. a.:
Apuleius Madaurensis: Metamorphoses. Books IV 28?35, V and VI 1?24: The Tale of Cupid and Psyche
. Egbert Forsten, Groningen 2004,
ISBN 90-6980-146-9
(ausfuhrlich)
Rezeption
- Sonia Cavicchioli
:
The Tale of Cupid and Psyche. An Illustrated History.
New York 2002
- Ein Blick auf Amor und Psyche um 1800.
Ausstellungskatalog Musee de Carouge und Kunsthaus Zurich. Zurich 1994
- Christel Steinmetz:
Amor und Psyche.
Studien zur Auffassung des Mythos in der bildenden Kunst um 1800. Dissertation Koln 1989
- Carina Bauriegel, Agneta Jilek, Sebastian Jung:
Opus V, Amor und Psyche
, 1880 in: Frank Zollner (Hrsg.):
Griffelkunst. Mythos, Traum und Liebe in Max Klingers Grafik.
Plottner Verlag, Leipzig 2007,
ISBN 978-3-938442-31-9
- Jorn Steigerwald:
Psyche.
In:
Maria Moog-Grunewald
(Hrsg.):
Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfangen bis zur Gegenwart
(=
Der Neue Pauly
. Supplemente.
Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008,
ISBN 978-3-476-02032-1
, S. 622?630.
- ↑
Stefan Hess
/ Tomas Lochman (Hg.),
Klassische Schonheit und vaterlandisches Heldentum. Der Basler Bildhauer Ferdinand Schloth (1818?1891).
Basel 2004.
- ↑
a
b
Horst Koegler, Helmut Gunther:
Reclams Balletlexikon
, Stuttgart 1984, S. 17.
- ↑
Lois Rosow:
Psyche.
In:
Grove Music Online
(englisch; Abonnement erforderlich).
- ↑
Typ 425 nach
Aarne und Thompson
. Vgl. dazu
Das singende springende Loweneckerchen
,
Grimms Marchen
Nr. 88.
- ↑
http://pixelsgarage.com/amor-and-psyche/