AirLand-Battle-Konzept

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
US-General Bernard W. Rogers im Jahr 1983
M1-Abrams-Panzer der 1st Armored Division/V US-Corps
Gefechtsubung der US-Panzerstreitkrafte
Prazisionsmunition fur Morser
Prazisionsmunition fur Panzerhaubitzen

Das AirLand-Battle-Konzept ( deutsch Luft-Land-Schlacht ), bzw. AirLand-Battle-Doktrin (ALB), wurde von den Streitkraften der Vereinigten Staaten entwickelt und bildete in der Zeit von 1982 bis 1990 als eine Art Dachkonzept den strategischen Rahmen fur eine mogliche Kriegsfuhrung der NATO in Mitteleuropa . Grundlage dieser Doktrin war eine enge Koordination zwischen den Land- und Luftstreitkraften, die nach dem Follow-on-Forces-Attack (FOFA)-Konzept vorrangig die zweite Staffel des Angreifers, die den Nachschub fur die erste Staffel sicherstellte, in der Tiefe des Raumes bekampfen sollte. US-General Bernard W. Rogers , der oft mit dem Airland-Battle-Konzept in Verbindung gebracht hat, war federfuhrend bei der FOFA-Doktrin (Bekampfung des Gegners bis 140 km im Hinterland) und der Schlage in der Tiefe (Deep Strike). [1] ALB wie auch der Rogers-Plan [2] besaßen eine aggressive offensive Komponente, um die Handlungsoptionen der NATO zu vergroßern. Das AirLand-Battle-Konzept ersetzte 1976 den Vorganger ?Active Defense“-Doktrin und wurde seinerseits durch die ?Full Spectrum Operations“ ersetzt.

Das vom United States Army Training and Doctrine Command (TRADOC) unter dem Eindruck des Vietnamkrieges entwickelte AirLand-Battle-Konzept (ALB) wurde im August 1982 erstmals bei der United States Army im Field Manual FM 100-5 (Operations) [3] etabliert und spater zum ?AirLand-Battle-Konzept 2000“ mit damals vorgesehener Gultigkeit fur den Zeitraum 1995 bis 2015 weiterentwickelt. Hauptkriegsschauplatz dieses Konzeptes war Mitteleuropa . Durch das ALB wurde die konventionelle Kriegsfuhrung wieder als eigenstandiges Instrumentarium betrachtet und nicht nur als Vorstufe der Eskalation zu einem globalen Atomkrieg . Das AirLand-Battle-Konzept ging uber die Forderung hinaus, einen moglichen Angriff des Warschauer Paktes abzuwehren, sondern durch eigene Initiative einen bewaffneten Konflikt zu gewinnen. Ausgangspunkt dieser Uberlegungen war die hohe quantitative Uberlegenheit des Warschauer Paktes an Personal und Waffensystemen, und dass mit der ?Active Defense“-Doktrin ein ? Blitzkrieg “ des Gegners nicht abgewehrt werden konnte. Trotz dieser Unterlegenheit sei ein bewaffneter Konflikt mit dem Warschauer Pakt infolge qualitativ hoherwertiger Waffensysteme und elektronischer Kampfmittel gewinnbar. In diesem neuen Denkansatz tauchten Begriffe wie ?erweitertes Gefechtsfeld“ bis in die Tiefe des feindlichen Territoriums sowie ?integriertes Gefechtsfeld“ fur den Einsatz neuartiger chemischer und elektronischer Kampfmittel und Waffensysteme auf. Dokumentiert wurde das ALB im FM 100-5, dem US-Field-Manual, das den deutschen Heeresdienstvorschriften (HDv 100/100 Fuhrung im Gefecht) entsprach. Eine Weiterentwicklung von AirLand-Battle war das AirSea-Battle-Konzept, [4] das insbesondere im Angesicht der Bedrohung durch die Marine der Volksrepublik China weiterentwickelt wurde.

Abgrenzungslinien FEBA und FLOT
AirLand-Battle. Abgrenzung des Gefechtsfeldes in Rear-Operations-Zone, Hauptgefechtszone, Verzogerungszone und Deep-Operations-Zone. FEBA: Front Edge of Battle Area, FLOT: Forward Line of Own Troops

Ein wesentliches Prinzip des AirLand-Battle-Konzeptes waren sowohl Auftragstaktik der Truppenfuhrer, die taktischen Bewegungen der eigenen Truppe als auch vor allem das Fuhren von Gegenangriffen mit der Absicht, den Gegner dadurch nachhaltig zu zerschlagen. Oberstes Ziel dabei war, den Vormarsch sowjetischer Panzerarmeen nach Westeuropa aufzuhalten, [4] indem die erste Angriffswelle aufgehalten und deren Nachschub an die Front unterbunden wird. Der Angriff der NATO soll mit Wucht vornehmlich ins Hinterland des Gegners (?Deep Strike“) getragen werden, um die eigene Truppe vorne am ?Vorderen Rand der Verteidigung (VRV)“ ( englisch Front Edge of Battle Area (FEBA) ) zu entlasten. Fur diese Uberlegungen wurden das Gefechtsfeld und der Handlungsraum der NATO erheblich erweitert. Die Vernichtung der Reserven des Warschauer Paktes wurde vorne an der Front zu einer Nivellierung des Krafteansatzes und damit zu erhohten Chancen fuhren, die Schlacht zu gewinnen. Durch das ALB-Konzept gewann die NATO stark an Kriegsfuhrungsfahigkeit ? im Gegensatz zu der in der Vergangenheit betriebenen Strategie der Kriegsvermeidung bzw. Verteidigung des eigenen Territoriums ( Vorneverteidigung ) gegenuber einem zahlenmaßig weit uberlegenen Gegner.

Erweitertes Gefechtsfeld (extended battlefield)

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
F-111 als Haupttrager strategischer Luftschlage
Jagdbomber F-111 lost Mark-82 Bomben aus

Das AirLand-Battle-Konzept findet auf Korpsebene statt. Die einzelnen Gefechtsstreifen der Divisionen sind in ?Rear Battle Area“ (ruckwartiges Gebiet), ?Close Battle Area“ (Brigade-/Bataillonsgefechtsstreifen, dem eigentlichen Kampfgebiet zwischen eigenen und feindlichen Truppen), ?Deep Battle Area“ (vorgelagerte Zone, noch vor dem VRV), der Sicherungslinie und der ?Forward Line of Own Troops (FLOT)“ und der ?Strategic Area“ (Hinterland des feindlichen Territoriums) unterteilt. [3] Bis auf die Strategic Area liegen die drei Zonen im Verantwortungsbereich von Heer und United States Air Force (USAF). Unter der Abriegelungsstrategie versteht man beim ALB vorzeitige Schlage (?Schlacht in der Tiefe“) gegen Infrastruktur und Nachschub des Gegners in der zweiten Staffel ( englisch echelon ), noch bevor der eigentliche Kampf mit der ersten Staffel begonnen hat. Diese Schlage konnen durch Kurz- und Mittelstreckenraketen (z. B. Pershing II oder Marschflugkorper ) ? entweder mit konventionellen oder nuklearen Gefechtskopfen ? oder durch die Luftwaffe ausgefuhrt werden. Dabei baute das Konzept v. a. auf die Druck- und Strahlenwirkung atomarer Sprengmittel, welche die feindlichen Krafte vernichten sollten. Der Einsatz nuklearer Waffen hatte jedoch die Freigabe des US-Prasidenten moglichst noch vor Beginn der Kampfhandlungen erfordert. Die zweite Staffel des WAPA hatte die Aufgabe, vorne aufgeriebene Kampftruppen nach Bedarf vollstandig zu ersetzen und spielte in deren Planungen eine große Rolle. Die ALB-Offensive richtet sich vorrangig auf Schlusselobjekte des Gegners, die sich bis zu 300 km tief in deren Territorium befinden. Unter Hochwertzielen fur Luftangriffe werden vor allem Befehls- und Kommandostellen (Gefechtsstande), Nachschubeinrichtungen (z. B. Treibstoffversorgung) und atomare Abschussvorrichtungen verstanden. Durch gezielte Schlage gegen die zweite Staffel und ihre Einrichtungen werden Truppenmassierungen ROT unterbunden, die generische Offensive droht zusammenzubrechen, und außerdem wird dadurch die operative Voraussetzung geschaffen, um eigene Gegenangriffe am Boden auszufuhren.

Integriertes Gefechtsfeld (Integrated Battlefield)

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Schlacht auf dem integrierten Gefechtsfeld soll nach Ansatz des ALB mit neu entwickelten chemischen, nuklearen sowie elektronischen Waffensystemen und Kampfmitteln gefuhrt werden. Hierbei kommt in vielen Bereichen der technologische Wissensvorsprung der USA gegenuber der Sowjetunion zum Tragen. Zu den neuen Waffentechnologien gehoren unter anderem Fruhwarnsysteme wie Airborne Warning and Control System (AWACS) und prazisionsgelenkte Munition ( englisch Precision Guided Munition (PGM) ) mit stark verbesserter Zielgenauigkeit. Des Weiteren technische Weiterentwicklungen fur computergestutzte Datenverarbeitung, Datenubertragung, Systemkontrolle, elektronische Aufklarung und neuartige Zielerfassungsgerate, welche einen Betrieb in Echtzeit erlauben. Zu den Verbanden, in denen die neusten Technologien von Gefechtssystemen [3] zur Erprobung, bzw. zum Einsatz kamen, gehorte in erster Linie die 9. US-Infanteriedivision (?Old Reliables“) aus Fort Lewis , die im V-Fall als ?NATO-Feuerwehr“ vermutlich im Verantwortungsbereich von LANDJUT eingesetzt ware. Die 9. US-Infanteriedivision war gegen Ende der 1980er Jahre ?High Technology Test Bed (HTTB)“, wurde zu einer ?High Technology Light Division (HTLD)“ umgegliedert und am Ende zu einer ?High Technology Motorized Division (HTMD)“ mit drei motorisierten Brigaden und einer Kavallerie -/Luftlandebrigade. [5]

Rezeption und Kritik

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach Auffassung einiger Militars ließe das AirLand-Battle-Konzept einen bewaffneten Konflikt in Mitteleuropa sehr viel wahrscheinlicher werden. Vor allem im Meinungsbild vieler US-amerikanischer Offiziere wurde sich durch eine offensivere Kriegsfuhrung der Glaube an einen Sieg uber die Sowjetunion manifestieren. Dies kam vor allem durch Begrifflichkeiten wie ?Initiative behalten“, ?Schlage in die Tiefe zu fuhren“ und ?schneller als der Feind zu reagieren“ [6] zum Ausdruck. Gemaß der ALB-Doktrin wurde eine US-Panzerbrigade [6] einen Verband des Warschauer Paktes nicht nur vernichten, sondern anschließend nachsetzen, zuruckweichende Feindteile verfolgen und direkt ihr Aufmarschgebiet auf dem Territorium der DDR oder der ?SSR vernichten. Bei dieser Stoßrichtung wurden schwachere Feindverbande bekampft, starkere jedoch taktisch umgangen, um ein verlustreiches Begegnungsgefecht zu vermeiden und den Angriffsschwung des ?Stoßes in die Tiefe“ ( englisch deep attack ) [6] nicht zu verringern.

DSACEUR [7] General Hans-Joachim Mack sah in der NATO-Triade (konventionelle Waffen, nukleare Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie nukleare Langstreckenraketen/Interkontinentalraketen) die konventionellen Waffensysteme sowohl hinsichtlich ihrer Ausrustung als auch in ihrer Durchhaltefahigkeit als das schwachste Glied [8] an. Im Rahmen einer flexiblen Verteidigung seien Gegenangriffe, seiner Meinung nach ?ein unverzichtbares Element zum Erhalt oder Wiedergewinn der Handlungsfreiheit“. [8] Dies wurde jedoch ?keine strategische Offensive uber die Grenzen hinaus“ [8] beinhalten und seiner Auffassung nach auch nicht im ALB-Konzept verankert sein. Wohl aber die ?Abriegelung des Gefechtsfeldes“ und die Bekampfung gegnerischer Reserven und Verstarkungskrafte. [8] Die zweite Staffel des WAPA musse gemaß Mack [8] dreistufig bekampft werden:

  1. wirksamer Einsatz eigener Verbande, indem das Heranfuhren der 2. Staffel durch Abriegelung unterbunden wird. Dies beinhalte eine ?rasche Verfugbarkeit von Aufklarungs- und Zielortungsmitteln von fliegenden Waffensystemen mit entsprechender Eindringfahigkeit“ [8]
  2. Einsatz moderner Waffensysteme wie zielsuchende Munition, Abstandswaffen und konventionelle Raketenmunition [8]
  3. Einsatz moderner Waffensysteme fur das Aufspuren und die Bekampfung von versteckten wie beweglichen Zielen [8]

General John W. Woodmansee, Kommandeur der 2. US-Panzerdivision, verglich das AirLand-Battle-Konzept aufgrund seines Zusammenwirken von Luftwaffe und Bodentruppen mit den damals gefuhrten Blitzkriegen der Wehrmacht : 1940 gegen Frankreich und 1941 gegen die UdSSR. [6] Seiner Auffassung nach wurde ALB ebenso wie der Blitzkrieg, ?eine numerisch uberlegene Streitmacht durch den raschen und chirurgischen Einsatz von Bewegung und Feuerkraft paralysieren und schlagen“. [6] General Otis verstand ALB gar ?als Angriff eines Bewegungskrieg, welcher nicht mit Gegenangriffen oder beweglicher Verteidigung verwechselt werden darf“. [6] Auf dem United States Army War College in Carlisle / Pennsylvania wurde die Ansicht geaußert, [6] dass das Heer der Bundeswehr ?von der Ausrustung und Bewaffnung heute schon besser fur den offensiven Kampf geeignet ist, als es die U.S. Army vielleicht jemals sein wird“. Jedoch sagte Generalinspekteur der Bundeswehr , Wolfgang Altenburg , hingegen gabe es ?keinerlei Planung der Nato, uber die Grenzen hinweg zu reagieren“. [6] Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Hermann Scheer ware ALB gleichbedeutend mit ?einem aggressiven Konzept, das aus der Vorneverteidigung eine Vorwartsverteidigung macht“. [9] Im Juli 1984 stellten Abgeordnete der Grunen, dem Bundestag kritische Fragen [10] zum Thema AirLand-Battle.

  • Heinz Magenheimer : Rogers-Plan, ?Airland Battle“ und die Vorneverteidigung der NATO . In: Aus Politik und Zeitgeschichte . Band 48. (1984), S. 3?17, ISSN 0479-611X.
  • Ronald H. Smiley: Reconstitution on the Airland Integrated Battlefield . Paperback, 1981. (englisch)

Anmerkungen und Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Kurt Becker: Wie offensiv darf Verteidigung sein? In: Die Zeit . 23. November 1984, abgerufen am 22. April 2017 .
  2. Bernard W. Rogers , nicht zu verwechseln mit dem Rogers-Plan von 1969. Der Rogers-Plan der NATO stammt aus dem Jahr 1982 und betont ebenfalls die Bekampfung der 2. Staffel des Warschauer Paktes
  3. a b c Douglas W. Skinner: AirLand Battle Doctrin ( Memento des Originals vom 17. Mai 2017 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.dtic.mil , Center for Naval Analyses , Alexandria, Virginia, September 1988
  4. a b Markus Becker: Machtkampf im Pazifik. Chinas Waffenshow provoziert Pentagon-Strategen. In: Spiegel Online . 6. Januar 2011, abgerufen am 19. April 2017 .
  5. CSI Report, Sixty Years of Reorganizing for Combat: A Historical Trend Analysis. (PDF) In: Combat Studies Institute, US Army Command and General Staff College , Fort Leavenworth , Kansas. Dezember 1999, abgerufen am 22. April 2017 (englisch).
  6. a b c d e f g h Wilhelm Bittorf : Gesegnet wie Hitler . In: Der Spiegel . Nr.   20 , 1985 ( online – SPIEGEL-Autor Wilhelm Bittorf uber die ?AirLand Battle“ in den Kopfen amerikanischer Offiziere).
  7. Deputy SACEUR, Deputy Supreme Allied Commander Europe, stellvertretender NATO-Oberbefehlshaber
  8. a b c d e f g h Romain Leick, Siegesmund von Ilsemann: ?Wir konnen einem Angriff standhalten“ . In: Der Spiegel . Nr.   41 , 1984 ( online – Der Stellvertretende Oberbefehlshaber der Nato in Europa, General Hans-Joachim Mack , uber seine neue Aufgabe).
  9. Aggressives Konzept . In: Der Spiegel . Nr.   34 , 1983 ( online ).
  10. Jurgen Reents , Antje Vollmer , Waltraud Schoppe : Kleine Anfrage der Grunen im Bundestag zum Thema AirLand-Battle und AirLand-Battle 2000. (PDF; 225 kB) In: Deutscher Bundestag . 10. Wahlperiode. 2. Juni 1984, abgerufen am 22. April 2017 .