Ahmed Adnan Saygun
(*
7. September
1907
in
?zmir
; †
6. Januar
1991
in
?stanbul
) war ein
turkischer
Komponist
, Musiker und Musikwissenschaftler, der in der 1923 gegrundeten Turkischen Republik zu den fuhrenden Vertretern einer auf die westliche Klassik zielenden Reform der
turkischen Musik
gehorte. Er gehorte zu den
Turkischen Funf
, der Gruppe der ersten professionellen Komponisten der Turkei.
Als Sohn des Ehepaares Mehmet Celal (Mathematiklehrer) und Zeynep Seniha kam Ahmed Adnan 1907 nach seiner Schwester Nebile als zweites Kind in
?zmir
zur Welt.
In der Familie gab es keine Musiker, jedoch war der Vater aktives Mitglied im
Mevlevi-Orden
und nahm als Zeremonienmeister am Zikr teil, ein Umstand, der auch den jungen Adnan lebenslang pragen sollte. In der Mittelschule Ittihad ve Terakki Numune Sultanisi wurde er in Gesang und Klavier unterrichtet, die Schule besaß fur turkische Verhaltnisse unublich einen eigenen
Chor
(worauf seine spateren choralen Werke fußen). Von dem Musiklehrer Ismail Zuhdu erhielt er in dieser Schule grundlegenden Klavierunterricht, den er mit dem turko-ungarischstammigen Lehrer
Macar Tevfik
fortsetzen sollte (spater sollte dieser die rumanische Konigin
Elisabeth zu Wied
unterrichten). Parallel zu dem Unterricht in der Mittelschule entwickelte sich das Interesse fur das
Komponieren
, fur das er franzosischsprachige Artikel aus der Bibliothek seines Vaters (der Vater grundete die stadtische Bibliothek ?zmirs) ins Turkische ubersetzte, u. a. Artikel von
Salomon Jadassohn
und
Ernst Friedrich Richter
. Nach Abschluss der Schule versuchte er sich als Buchwarenhandler und Pianist im Stummfilmtheater ?zmirs.
Einen wichtigen Karrieresprung fur den klassikbegeisterten Arbeitssuchenden stellte die Ankundigung einer musikalischen Revolution hin zu mehrstimmiger westlicher Musik durch den Prasidenten
Mustafa Kemal
dar, fur die im Land dringend Musiklehrer gesucht wurden. So fiel mit dem Untergang des osmanischen Vielvolkerstaats die Palastmusik in Ungnade und die Erschaffung einer dem entgegengerichteten, nationalen Musik auf Basis einer durch westliche Klassik ?veredelten“ anatolischen Volksmusik wurde forciert. Ahmed Adnan erhielt eine Lehrstelle als Musiklehrer in ?zmir und schaffte es, sich in einem Wettkampf 1928 als Stipendiat zu qualifizieren, wodurch ein Aufenthalt in Europa ermoglicht wurde. Er entschied sich fur das Studium an der
Schola Cantorum
in
Paris
. Dort wurde er u. a. von
Vincent d’Indy
in Komposition und von
Paul Le Flem
in Kontrapunkt unterrichtet, ebenfalls gab es Chor- und Orgelunterricht. Aufgrund seines Talents von den Lehrern ermutigt, schrieb er sein Opus 1
(Divertimento)
und reichte es in einem internationalen Wettbewerb im Rahmen der
Pariser Kolonialausstellung
ein. Das orientalisch anmutende Stuck setzte sich durch, ihm war es aber nicht moglich, an der Urauffuhrung teilzunehmen, weil 1931 sein Stipendium schon abgelaufen war und er ? wieder in der Turkei ? kein Geld fur eine Ruckreise auftreiben konnte
[1]
und sein Vater den Planen fur eine Musikkarriere misstrauisch gegenuberstand.
Einen Ritterschlag erhielt Saygun 1934, als er beauftragt wurde, in nur vier Wochen fur den Staatsbesuch des iranischen Schahs
Reza Schah Pahlavi
in Ankara ein turkischsprachiges
Singspiel
anzufertigen; die Thematik auf Basis des beruhmten Werks
Schahname
Firdausis
wurde vom Prasidenten Mustafa Kemal personlich vorgegeben. Beeindruckt von seinem Konnen ließ ihn Mustafa Kemal zum Leiter des prasidentialen Orchesters
(Riyaset-i Cumhur Filarmoni Orkestrasi)
ernennen, wobei er diese Stelle aber als junger Emporkommling nur fur eine kurze Zeit ausuben konnte, da er das Amt ? seiner Meinung nach aufgrund von Intrigen ? wieder verlor und die durch ihn reprasentierte ?franzosische Schule“ der Klassik im Wettkampf um die Bestimmung der musikpolitischen Zukunft der Turkei gegen den zunehmenden Einfluss der deutschen Schule unterlag, wobei andere behaupteten, es sei an seinem kleinlich-perfektionistischen Charakter gescheitert. Mit verschiedenen Lehrauftragen betraut (er leitete die Musikerziehungsabteilung der
Halkevi
-Bildungsinstitutionen) verschwand er aus dem Rampenlicht. In dieser Zeit lernte er seine ungarische Partnerin Irene Savaks kennen und heiratete sie. In diese Zeit fallt auch die bedeutsame, von
Bela Bartok
initiierte
musikethnologische
Expedition ins anatolische Inland, bei der er Bartok assistierte. Diese Reise hat den Stil des postromantisch ausgerichteten Saygun stark beeinflusst, weshalb er auch aufgrund des gleichen musikalischen Ansatzes ?turkischer Bartok“ oder ?turkischer
Szymanowski
“ genannt wird.
[2]
Eine Rehabilitierung feierte er mit dem
Oratorium fur Yunus Emre
im Jahr 1951, das auf der humanistischen Interpretation des anatolischen Dichters
Yunus Emre
aufbaut. Das Werk erregte sowohl national als auch international Aufmerksamkeit und wurde vielfach in mehrere Sprachen ubersetzt und aufgefuhrt. 1959 wurde es in New York unter der Leitung
Leopold Stokowskis
zum Jahrestag der UN-Grundung aufgefuhrt. Im gleichen Jahr erhielt er die
Jean-Sibelius
-Medaille, deren Vergabe dieser Komponist kurz vor seinem Tod ausdrucklich begrußte. Nach diesem Hohepunkt seiner Karriere folgte eine Phase der Niedergeschlagenheit, bei der er jedoch produktiv blieb. In diese reife Phase nach 1952 fallen u. a. seine drei hauptsachlichen Opernwerke
Kerem,
Koro?lu
und
Gılgame?
,
seine funf Symphonien, seine beiden Konzerte fur Klavier und Orchester (Op. 44 und Op. 71), sein Konzert fur Bratsche und Orchester (Op. 59) und das Cellokonzert (Op. 74), welche besonders hervorstechen.
Fehlende Anerkennung von staatlicher und gesellschaftlicher Seite (so wurde ein Angebot Stokowskis, sein Werk
Yunus Emre
in der
Hagia Sophia
aufzufuhren, von Burokraten torpediert) ließ ihn enttauscht zuruck. Die goldenen Jahre der Forderung von klassischer Musik aufgrund konservativerer Regierungen waren vergangen, so dass auch die Ernennung zum ?Staatskunstler“ im Jahr 1972 ihn kalt ließ. Er wurde im gleichen Jahr von seiner Stelle als Lehrbeauftragter des Konservatoriums in
Ankara
pensioniert und zog nach ?stanbul, wo er am dortigen Konservatorium bis zu seinem Tod weiterlehrte. Zeitlebens war er mit der Ausbildung von Musiklehrern beschaftigt. Zu seinen Schulerinnen gehort
Gulsin Onay
, der er sein zweites Klavierkonzert (Op. 71) widmete.
Die letzten zwei Lebensjahre waren gekennzeichnet durch korperliches Gebrechen und schwindendes Augenlicht. Er verstarb 1991 in seiner Wohnung in ?stanbul und wurde am
Friedhof Zincirlikuyu
bestattet.
Einen Monat nach seinem Tod wurde sein vorher abgesagtes Werk
Oratorium fur Yunus Emre
trotz islamistischer Proteste in der
Hagia Sophia
aufgefuhrt.
[1]
Um Nachlass und Forschungen kummert sich die
Bilkent-Universitat
. In seiner Heimatstadt ?zmir wurde das Kulturzentrum mit Konzerthalle
Ahmed Adnan Saygun Sanat Merkezi
(AASSM) ihm zu Ehren benannt.
- Op. 1,
Divertimento
fur Orchester, 1930
- Op. 2, Suite fur Klavier, 1931
- Op. 3,
A?ıtlar (Laments) I
fur Solotenor und Mannerchor, 1932
- Op. 4,
Intuition
fur zwei Klarinetten, 1933
- Op. 5,
Manastır Turkusu
fur Chor und Orchester, 1933
- Op. 6,
Lied fur Kızılırmak
fur Sopran und Orchester, 1933
- Op. 7,
Coban Arma?anı
fur Chor, 1933
- Op. 8,
Musik fur Klarinette, Saxofon, Klavier und Schlagzeug
, 1933
- Op. 9,
Ozsoy,
Oper, 1934
- Op. 10,
?nci’s Buch
fur Klavier, 1934
- Op. 11,
Ta? bebek,
Oper, 1934
- Op. 12, Sonate fur Violoncello und Klavier, 1935
- Op. 13,
Sihir Raksı
fur Orchester, 1934
- Op. 14, Suite fur Orchester, 1936
- Op. 15, Sonatine fur Klavier, 1938
- Op. 16,
Marchen
fur Stimme und Orchester, 1940
- Op. 17,
Ein Waldmarchen,
Ballettmusik fur Orchester, 1943
- Op. 18,
Da?lardan Ovalardan
fur Chor, 1939
- Op. 19,
Kantate im alten Stil
, 1941
- Op. 20, Sonate fur Violine und Klavier, 1941
- Op. 21,
Aus den vergangenen Minuten
fur Stimme und Orchester, 1941
- Op. 22,
Bir tutam keklik
fur Chor, 1943
- Op. 23, Drei Lieder fur Bass und Klavier, 1945
- Op. 24,
Halay
fur Orchester, 1943
- Op. 25,
Aus Anatolien
fur Klavier, 1945
- Op. 26,
Yunus Emre
,
Oratorium, 1942
- Op. 27, Streichquartett Nr. 1, 1942
- Op. 28,
Kerem,
Oper, 1952
- Op. 29, 1. Sinfonie, 1953
- Op. 30, 2. Sinfonie, 1958
- Op. 31, Partita fur Violoncello solo, 1954
- Op. 32, Drei Balladen fur Stimme und Klavier, 1955
- Op. 33,
Strauß
fur Violine und Klavier, 1955
- Op. 34, Konzert fur Klavier und Orchester Nr. 1, 1958
- Op. 35, Streichquartett Nr. 2, 1957
- Op. 36, Partita fur Violine Solo, 1961
- Op. 37, Trio fur Oboe, Klarinette und Harfe, 1966
- Op. 38, 10 Etuden uber den
Aksak
-Rhythmus
fur Klavier, 1964
- Op. 39, 3. Sinfonie, 1960
- Op. 40,
Modal Solfeggio
, 1967
- Op. 41, 10 Volkslieder fur Bass und Orchester, 1968
- Op. 42,
Empfindungen
fur 3 Frauenstimmen, 1935
- Op. 43, Streichquartett Nr. 3, 1966
- Op. 44, Konzert fur Violine und Orchester, 1967
- Op. 45, 12 Praludien uber den
Aksak
-Rhythmus fur Klavier, 1967
- Op. 46, Quintett fur Blasinstrumente, 1968
- Op. 47, 15 Stucke uber den
Aksak
-Rhythmus fur Klavier, 1967
- Op. 48, Vier Lieder fur Stimme und Klavier (Bearbeitung fur Orchester), 1977
- Op. 49,
Dictum
fur Streichorchester, 1970
- Op. 50, Drei Praludien fur zwei Harfen, 1971
- Op. 51,
Kleine Dinge
fur Klavier, 1956
- Op. 52,
Koro?lu,
Oper, 1973
- Op. 53, 4. Sinfonie, 1974
- Op. 54,
A?ıtlar (Laments) II
fur Solotenor und Mannerchor, 1974
- Op. 55, Trio fur Klarinette, Oboe und Klavier, 1975
- Op. 56,
Ballade
fur zwei Klaviere, 1975
- Op. 57,
Ayin Raksı
fur Orchester, 1975
- Op. 58: 10 Skizzen uber den
Aksak
-Rhythmus fur Klavier, 1976
- Op. 59, Konzert fur Bratsche und Orchester, 1977
- Op. 60,
Die Worter uber den Menschen I
fur Stimme und Klavier, 1977
- Op. 61,
Die Worter uber den Menschen II
fur Stimme und Klavier, 1977
- Op. 62, Kammerkonzert fur Streichinstrumente, 1978
- Op. 63,
Die Worter uber den Menschen III
fur Stimme und Klavier, 1983
- Op. 64,
Die Worter uber den Menschen IV
fur Stimme und Klavier, 1978
- Op. 65,
Gılgame?,
Oper, 1962?1983
- Op. 66,
Die Worter uber den Menschen V
fur Stimme und Klavier, 1979
- Op. 67,
Epos uber Ataturk und Anatolien
fur Solisten, Chor und Orchester, 1981
- Op. 68, Lieder fur vier Harfen, 1983
- Op. 69,
Die Worter uber den Menschen VI
fur Stimme und Klavier, 1984
- Op. 70, 5. Sinfonie, 1985
- Op. 71, Konzert fur Klavier und Orchester Nr. 2, 1985
- Op. 72, Orchestervariationen, 1985
- Op. 73,
Poem
fur zwei Klaviere, 1986
- Op. 74, Konzert fur Violoncello und Klavier, 1987
- Op. 75,
Mythos der Taube,
Ballettmusik fur Orchester, 1989
- ↑
a
b
Emre Aracı:
The life and works of Ahmed Adnan Saygun.
PhD der University of Edinburgh, 1999 (
Online, PDF
)
- ↑
David Hurwitz:
Saygun: Piano Concertos.
CD-Rezension auf
ClassicsToday
, abgerufen am 3. Juli 2015.
- ↑
ONORIFICENZE