Abraham Uhlfelder

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Abraham Uhlfelder (* etwa 1748 in Markt Uehlfeld ; † 1813 in Munchen ) war bayerischer Hoffaktor und Vorsteher der judischen Gemeinde Munchens . Neben David Friedlander in Berlin leistete er in Munchen fur die Emanzipation der Juden reprasentativ die wichtigste Vorarbeit. [1]

Leben und Wirken [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Aus dem Markt Uehlfeld stammend, einem mittelfrankischen Ort mit uberdurchschnittlich hohem judischen Bevolkerungsanteil, [2] kam der Goldschmied Abraham Uhlfelder in den 1770er Jahren aus Mergentheim nach Munchen. Auf der Grundlage eines Schutzjuden patents wurde er Hoffaktor des bayerischen Kurfursten Karl Theodor . Um das Jahr 1800 hatte Uhlfelder eine eigene Bank- und Handelsfirma in Munchen, die auch großere Geldgeschafte besorgte. ?Er galt als ein Charakter, dem die Gerichte ein unparteiliches Zeugnis seiner Rechtschaffenheit, friedfertigen Betragens und Emsigkeit in Erhaltung der Ordnung bei samtlicher Judenschaft gaben. Gleiches Ansehen fand er bei seinen Glaubensgenossen, deren Angelegenheiten er durch viele Jahre autokratisch, energisch, zielbewußt und derbpraktisch leitete.“ [3]

1797 hatte er versucht, die Rechtsverhaltnisse der Juden in Munchen aktiv mitzugestalten, indem er beantragte, zum Oberhoffaktor ernannt zu werden, um als offizieller Ansprechpartner den Missbrauch mit Patenten abzustellen und fur eine bessere Regelung anfallender Probleme zu sorgen. Doch zeigten die kurfurstlichen Behorden keinerlei Interesse an einer grundsatzlichen Regelung. [4] Zunachst in Zusammenarbeit mit dem hochbetagten Abraham Wolf Wertheimer, dann in dessen Nachfolge war Abraham Uhlfelder in eine fuhrende Rolle in der judischen Gemeinde Munchens hineingewachsen.

1799 trat Kurfurst Maximilian IV. Joseph aus der wittelsbachischen Nebenlinie Pfalz-Zweibrucken-Birkenfeld die Nachfolge Karl Theodors an. Er erklarte alle von diesem ausgestellten Hoffaktorspatente fur erloschen. Seine Position gegenuber den Juden ? damals 254 in Munchen, 0,7 % der Bevolkerung von etwa 36.000 ? war schwankend. Neue Patente wurden zunachst nicht ausgestellt; aber die bisherigen Hoffaktoren ? darunter Abraham Uhlfelder ? blieben im Amt, da sie unentbehrlich waren, indem sie mit Krediten die außerst bedrohliche Staatsliquiditat aufrechterhielten sowie die Armee mit Uniformen, die Kavallerie mit Futter und die Hofgesellschaft mit Luxusartikeln versorgten. Mit anderen angesehenen Juden vertrat Abraham Uhlfelder ihre Interessen gegenuber den Behorden. 1802 unterzeichneten Uhlfelder und Wertheimer die Anstellungsbescheinigung fur den Rabbiner Hessekiel Hessel aus Sulzburg . 1805 wurde Abraham Uhlfelder zum Vorsteher der judischen Gemeinde Munchens gewahlt. [5] 1806 wurde aus dem Bedurfnis, dem traditionellen religiosen Leben eine breitere Basis und zugleich eine Organisationsform zu schaffen, die ?Chewra Talmud Tora “ gegrundet.

Ein 1805 veroffentlichtes ?Regulativ uber die hiesige Judenschaft“ setzte auf Emanzipation nur unter dem Vorbehalt der ?Besserung“, was bedeutete, dass die Emanzipation in die Hande von Burokraten gelegt wurde. Den standigen Aufenthalt garantierte nur die Aufnahme in die neu zu erstellende Matrikel , wobei die zugeteilte Nummer auf jeweils nur ein Kind ubertragen werden konnte. Der Zutritt in die zunftischen Gewerbe blieb Juden verwehrt. Erlaubt waren ihnen jetzt immerhin Ansiedlung im ganzen Stadtgebiet und Religionsausubung . 70 judische Familien erhielten Bleiberecht; 37 Familien mussten Munchen verlassen. Außerhalb der staatlichen Judengesetzgebung stand die kleine Schicht von Bankiers und Großhandlern, die durch Geschaftstatigkeit und Finanzanleihen ihre Nutzlichkeit fur den bayerischen Staat bewiesen hatten; sie bewegten sich ganz selbstverstandlich innerhalb des Hofes und der hoheren Beamtenschaft.

Eine Aufforderung der Munchner Polizeidirektion, die judische Gemeinde solle eigene Schulen errichten, lehnte Uhlfelder als Gemeindevorsteher mit der Begrundung ab, er konne den Mitgliedern nicht vorschreiben, in welche Schule sie ihre Kinder schickten; vermogende judische Eltern stellten fur ihre Kinder Hauslehrer ein. 1804 wurde den Juden der Eintritt in die hoheren und niederen Lehranstalten der christlichen Konfessionen gestattet. 1811 trat Julius Jolson-Uhlfelder , Abraham Uhlfelders altester Enkel, der im Haus des Großvaters aufgewachsen war, in das Wilhelmsgymnasium ein und durfte damit zu den ersten judischen Gymnasiasten Bayerns gehort haben. Im Marz 1810 hatte der Lokalschulkommissar Weichselbaumer beanstandet, dass von 39 schulfahigen Kindern nur 10 die deutschen Stadtschulen besuchten. [6] Uhlfelder legte ihm in einer Eingabe vom 10. April 1810 seinen Standpunkt dar, dass die Motivation dafur fehle, weil es den Juden verwehrt blieb, ?zu offentlichen Aemtern zu gelangen und in die Reihe der Staats Diener zu treten“. [7] Es erfolgte zum 31. Dezember 1810 die allerhochste Weisung, alle schulfahigen und -pflichtigen Judenkinder vom 6. bis 12. Lebensjahr in die christlichen Volksschulen zu schicken. [8]

Der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Munchens war der erste im Konigreich Bayern , der sich ohne Vorbehalt auf den Boden der neuen Zeit stellte und die noch in den Ministerien schwebenden Verhandlungen und Beratungen zu beeinflussen versuchte durch eine von Abraham Uhlfelder als Vorsteher sowie vier Deputierten unterzeichnete ?zur allerhochsten Stelle gerichtete Immediateingabe“ vom 8. April 1812. [9] Nach den ublichen schmeichlerischen Einleitungsfloskeln wagten sie, den Konig ?um die Emanzipation unserer Glaubensgenossen im ganzen Konigreiche allerunterthanigst anzuflehen und um den Genuss der staatsburgerlichen Rechte aller devotest zu bitten, indem wir zugleich die treueste und heiligste Erfullung aller staatsburgerlichen Pflichten ohne Ausnahme geloben.“ Dann folgt die rhetorische Frage : ?Ob die Juden in Rucksicht ihrer Religion des Genusses der Burgerrechte fahig und wurdig sind?“ Weiter heißt es, diese Frage sei theoretisch und auch praktisch ? affirmativ beantwortet“ durch die erfolgreiche Judenemanzipation in Napoleons Kaiserreich und einer ganzen Reihe deutscher Staaten. ?Und in Baiern sollten wir zuruckstehen? ... Nicht moglich! Die Constitution und mehrere fruhere und spatere Gesetze und organische Edicte sprechen zu bestimmt vollkommene Religions- und Gewissensfreyheit aus, als dass wir von dieser Seite etwas zu befurchten hatten.“

1813 erließ Minister Montgelas das sogenannte Bayerische Judenedikt , das jedoch fur die Betroffenen eine Enttauschung war. Grundmotiv der Judenpolitik blieb Beschrankung und Kontrolle der judischen Niederlassung durch Polizei und Behorden. Von nun an waren die Juden in Bayern verpflichtet, unveranderliche Familiennamen anzunehmen. Das Edikt von 1813 beseitigte die Autonomierechte der judischen Gemeinden in Bayern und unterstellte das Amt des Rabbiners staatlicher Bestatigung und Aufsicht. Mit der Formierung der Kultusgemeinde 1815 erhielten die Munchner Juden erstmals eine offentlich-rechtlich geregelte und staatlich garantierte Organisationsform.

Bis Ende 1815 erhielten von den etwa 100 judischen Haushaltsvorstanden in Munchen nur 61 eine dauernde Aufenthaltsgenehmigung; damit war das Verfahren zur Festlegung der ?auf eine Matrikel-Nummer ansaessigen Israeliten“ abgeschlossen. Zusatzlich wurde 18 auswartigen Juden eine ? jahrlich neu zu beantragende ? Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Als 1817 die in Munchen immatrikulierten Juden erneut um die Verleihung der staatsburgerlichen Rechte baten, wurden sie jedoch ab- und auf ihren ?groben Irrthum“ hingewiesen.

Abraham Uhlfelder war bis zu seinem Tod 1813 ?ein frommer Jude geblieben, der treu ohne ein Jota zu lassen, zu dem Glauben seiner Vater stand. Seinen Enkel Julius hat er in seinem Haus streng glaubig erzogen, und daß der große Systematiker der konservativen Weltanschauung preußisch-protestantischer Pragung aus seinem Hause hervorging,“ sei kein Paradox der Weltgeschichte, sondern hinge ?mit dem streng autoritativen, antiliberalen Prinzip zusammen, das dem thoratreuen Judentum“ eigen gewesen sei, schrieb am 11. November 1933 die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung . [10]

Nachkommen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1813 war Abraham Uhlfelder gestorben. Auf Antrag seiner 67-jahrigen Witwe wurde 1815 ihr Schutzpatent auf den Schwiegersohn ubertragen und dieser unter dem Namen Valentin Golson in die Matrikel und den Verband der Großhandler aufgenommen. [11] Golson hatte mit seiner Frau Barbara acht Kinder, von denen der Alteste am 6. November 1819 zum lutherischen Protestantismus konvertierte und den Namen Friedrich Julius Stahl annahm. Die Eltern samt den ubrigen sieben Geschwistern nahmen dann bei der Taufe am 6. Marz 1824 ebenfalls den Familiennamen Stahl an sowie zusatzlich die Vornamen ihrer Taufpaten: Uhlfelders Tochter nannte sich von nun an Barbara Helene Stahl, ihr Mann Valentin Heinrich [12] [13] , die Sohne: Theodor Ludwig (1810?1834), der Otto von Wittelsbach nach Griechenland begleitete und dort starb, Carl Friedrich , der Arzt und dann Psychiater wurde, Friedrich Wilhelm , spater Professor fur Nationalokonomie und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung ( 1848 /49) und des Gothaer Nachparlaments (1849) sowie der Silberschmied und Maler Albert Alexander Stahl (1815?1885). Die Tochter Johanna Charlotte Amalie (1808?1841) heiratete 1838 den Erlanger Buchhandler Blasing und Josephine Friederieke (1813?1882) ehelichte den Nurnberger, dann Nordlinger Antiquar Thoma. Caroline Eleonore Stahl (1817?1875) blieb unverheiratet und fuhrte dem altesten Bruder Julius den Haushalt. [14]

Maier Uhlfelder, ein Neffe und Adoptivsohn Abraham Uhlfelders, ließ sich 1816 im Vorort Mittersendling katholisch taufen und nahm den Namen Martin Karl Kraft an. [15] 1832 wurde er ? als Bankier und Sachsen-Weimarischer Konsul ? in Munchen von Konig Ludwig I. in den erblichen Adelsstand erhoben.

Abraham Uhlfelder hatte wohl nur zwei Tochter und keine Nachkommen mit seinem Familiennamen, die der judischen Religion treu geblieben waren. Zwar wird 1841 unter den Mitgliedern des 1838 gegrundeten geselligen Vereins ?Gesellschaft Concordia“ in Munchen ein Großhandler namens David Uhlfelder genannt, [16] und 1878 eroffnete Heinrich Uhlfelder im Rosental ein Geschaft fur Haushalts- und Galanteriewaren, das sich zu einem großen Kaufhaus entwickelte; sein Sohn Max musste es 1938 verkaufen und ging ins Exil. Jedoch gab es den Namen Uhlfelder noch haufiger, vor allem in Mittelfranken, und 44 Trager dieses Namens sind im Verzeichnis von Yad Vashem als Opfer der Shoah genannt.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Ernest Hamburger: Juden im offentlichen Leben Deutschlands. Tubingen 1968. S. 8.
  2. Markt Uehlfeld - Geschichte der judischen Gemeinde
  3. Bericht in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 10. November 1933.
  4. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006. S. 56
  5. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006, S. 68.
  6. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006, S. 65 f.
  7. Judenakten des Munchner Kreisarchivs, zitiert nach Gerhard Masur: Friedrich Julius Stahl. Geschichte seines Lebens. Aufstieg und Entfaltung 1802-1840 , Berlin 1930, S. 22
  8. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006, S. 66.
  9. Akten des israelitischen VereinsVorstandes in Furth (Rep. Tit. II Nr. 155), die Verhaltnisse der israelitischen Glaubensgenossen betr. (zitiert nach Eckstein, S. 16 ff.)
  10. http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2091/Uehlfeld%20Bayr%20GZ%2010111933.jpg
  11. Deutsche Rundschau, Bd. 159.
  12. Taufregister-Auszug .
  13. Allgemeines Repertorium der Literatur. Veroffentlicht von der Allgemeinen Literatur-Zeitung, 1824, S. 125.
  14. Uber das Schicksal seiner Geschwister gibt Stahl Auskunft unter dem 30. April 1838 in einem Brief an seinen Freund und ?Beichtvater“ Pfeiffer, landgraflich hessischer Kirchenrat und Homburger lutherischer Stadtpfarrer, abgedr. bei Salzer, Ernst: ?Neue Briefe F. J. St.s“, in ?Deutsche Rundschau“, 40. Jg., S. 117 ff. zit. n. Christian Wiegand: Uber Friedrich Julius Stahl.(1801 ? 1862) Recht, Staat, Kirche (Rechts- und staatswissenschaftliche Veroffentlichungen der Gorres-Gesellschaft. NF H.35) Schoningh, Paderborn 1981, S. 11, Fn. 2.
  15. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006, S. 77.
  16. Anton Loffelmeier: Wege in die burgerliche Gesellschaft (1799-1848) in: Richard Bauer und Michael Brenner (Hg.): Judisches Munchen - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Munchen 2006, S. 86.