Abd el-Kader

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Abd el-Kader, um 1850

Haddschi Abd el-Kader , Abd el-Kadir , Abd al-Kadir oder ?Abd al-Q?dir (eigentlich Sidi el-Haddsch Abd el-Kader Uled Mahiddin ; arabisch ??? ?????? ????????   Abd al-Qadir al-Dschaza'iri , DMG ?Abd al-Q?dir al-?az??ir? ?Abd el-Kader, der Algerier‘; * 6. September 1808 in Guetna bei Mascara ; † 26. Mai 1883 in Damaskus ) war ein algerischer Freiheitskampfer und Gelehrter.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fruhe Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Abd el-Kader wurde um 1807 oder 1808 in der Ghetna, einer Unterrichtsanstalt unweit Mascara im westlichen Algerien , als Sprossling einer Familie von Marabouts geboren, die ihren Stamm bis zu den fatimidischen Kalifen zuruckfuhrte. Er wurde in der Zawiya seines Vaters Sidi el-Mahiddin zum Gelehrten ausgebildet, wanderte aber, vom Dey von Algier wegen seiner hohen Begabung und seines Ehrgeizes bedroht, nach Kairo aus und erwarb sich durch eine Pilgerfahrt nach Mekka den Ehrentitel eines Haddschi . 1827 kehrte er nach Algerien zuruck, um zunachst sein Leben dem Studium zu widmen. [1]

Im Widerstand gegen die franzosische Herrschaft [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach der Eroberung von Oran , Algier und Bone durch die Franzosen (1830) vereinigte er die Berberstamme in Westalgerien im Kampf gegen Frankreich . Nach dem Sturz des Dey 1830 in seine Heimat zuruckgekehrt, wurde er im November 1832 von mehreren aufstandischen arabischen Stammen bei Mascara zum Emir gewahlt [2] und fuhrte an ihrer Spitze mit Ausdauer und kriegerischer Gewandtheit den Kampf gegen die Franzosen. Mehrmals geschlagen, erschien er immer wieder an der Spitze neuer Truppen, unterwarf von 1832 bis 1833, von den Franzosen nicht gehindert, alle unabhangigen Stamme zwischen Mascara und dem Meer, zuletzt die der machtigen Provinzhauptlinge Bei der Duair und Zmela, der ihn anfangs besiegte, dann aber geschlagen und durch Milde in einen Verbundeten verwandelt wurde. Dadurch notigte el-Kader den franzosischen General Desmichels (1779?1845) zum Frieden vom 26. Februar 1834, worin seine Herrschaft ausdrucklich anerkannt wurde. Spater besiegte Desmichels Abd el-Kader; die beiden schlossen am 4. Juli 1834 den ?Traite Desmichels“.

Abd el Kader reformierte unter seiner Herrschaft tiefgreifend das bestehende staatliche System. Er teilte das von ihm kontrollierte Territorium in acht Khalifaliks. Diese waren in meist stammeszentrierte Aghaliks unterteilt. Abd el Kader richtete ein System von Notablenversammlungen und eine zentralisierte Beamtenschaft ein. Wahrend das osmanische System zumeist auf die lokalen Eliten zuruckgriff, um Amter zu besetzen, betrieb Abd el Kader bewusst ein Ernennungssystem, in dem alle gesellschaftlichen Gruppen reprasentiert sein sollten. [3] Abd el-Kader trat im Amt dem Sufi-Orden der Rahmaniyya bei und griff fur viele Amter auf deren Wurdentrager zuruck. [4] Ebenso versuchte die Regierung durch Investitionen in Manufakturen die Wirtschaftskraft des Landes zu starken. Seine Armee bestand zu Hochzeiten aus rund 50.000 Kampfern. Den Kern bildeten 9500 Berufssoldaten, die die Mehrheit der Infanterie sowie die Artillerie stellten. [3]

Bald nahm er den Krieg gegen die Franzosen wieder auf und erfocht am 28. Juni 1835 uber General Trezel (1780?1860) an der Makta einen Sieg. Abd el-Kader erlitt im weiteren Verlauf des Kriegs auch einzelne Niederlagen; gleichwohl errang er einen bedeutenden Sieg uber den franzosischen General d'Arlanges am Oued Tafna (25. April 1836) und fuhrte den Guerilla-Krieg mit solchem Gluck, dass er seine Herrschaft uber Titeri und sogar uber einen Teil der Provinz Algier ausdehnte.

General Bugeaud befreite zwar die an der Mundung des Tafna eingeschlossenen Franzosen und brachte Abd el-Kader am 6. Juli am Sikak eine bedeutende Niederlage bei; trotzdem schlossen die Franzosen, die eben damals an die Eroberung von Constantine dachten, um hierzu die notige Ruhe vor dem oft auch erfolgreichen Abwehrkampf zu gewinnen, den Vertrag von Tafna (30. Mai 1837), in dem Abd el-Kader tatsachlich als Emir von Algerien unter der bloß nominellen Herrschaft Frankreichs anerkannt wurde und die Verwaltung der Provinzen Oran , Medea , Tlemcen und Algier ? mit Ausnahme der Hauptstadte und der Mitidscha von Algier ? zugesprochen bekam, wahrend Frankreich praktisch nur die Kontrolle uber einige Kustenstadte und Hafen behielt. Nun begann Abd el-Kader, sein Reich um die Hauptstadt Tagdempt zu organisieren. Als er aber, von seinen fanatischen Anhangern gedrangt, 1839 den Krieg wiederaufnahm, wurde ihm das Gluck untreu. Da die Franzosen, unbeirrt von seinem blutigen Guerillakrieg, mit blitzartigen Bewegungen und Einfallen einen systematischen Vernichtungskrieg gegen seine Anhanger fuhrten, fielen die ihm ergebenen Stamme nach und nach von ihm ab, um sich vor dem Hungertod zu retten.

Abd el-Kader wurde mit dem osmanischen Mecidiye-Orden und dem Osmanje-Orden hochster Klasse ausgezeichnet.

Schließlich sah er sich 1844 genotigt, beim Sultan Abd ar-Rahman von Marokko Zuflucht zu suchen. Die Schlacht am Jsly (14. August 1844), in der Abd el-Kaders Truppen und die Marokkaner von Bugeaud schwer geschlagen wurden, fuhrte aber eine rasche Entscheidung herbei; aus Furcht vor Abd el-Kaders Einfluss in seinem eigenen Land schloss der Sultan Frieden mit Frankreich. Dagegen gewann Abd el-Kader die kriegerischen Stamme Marokkos und wurde sogar der Herrschaft Abd ur Rahmans gefahrlich. Daher drangte der ihn 1847 uber die Grenze. Dort wurde er von den Franzosen umzingelt und musste sich am 22. Dezember ergeben.

In Gefangenschaft in Frankreich [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Abd el-Kader wurde mit seinen Frauen und Dienern nach Frankreich erst in das Fort Lamalgue zu Toulon gebracht, dann Ende April 1848 im Schloss Pau in Bearn und endlich im Schloss Amboise eingekerkert. Hier verfasste er im Dezember 1848 seine Abhandlung ?Die scharfe Schere zum Abhacken der Zunge desjenigen, der die Religion des Islams durch Verleumdung und Ketzerei herabsetzt“ ( al-Miqr?? al-??dd li-qa?? lis?n muntaqi? d?n al-isl?m bi-?l-b??il wa-?l-il??d ). Der Anlass fur die Schrift war die Aussage eines franzosischen katholischen Priesters, dass es nach dem religiosen Gesetz des Islams erlaubt sei, zu lugen. Abd el-Kaders Gefolge drangte ihn daraufhin, eine Abhandlung zur Verteidigung des Islams zu schreiben. [5] In seiner Abhandlung unternahm Abd el-Kader den Versuch, unter Ruckgriff auf die Vernunft ( ?aql ) den Wahrheitsanspruch des Islams und der Scharia zu beweisen. [6] Hierbei holte er sehr weit aus und behandelte auch Fragen der Kausalitat . [7]

Im Oktober 1852 kundigte der Prasident Louis-Napoleon Bonaparte, der spatere Kaiser Napoleon III. , dem Emir seine Freiheit an, wogegen Abd el-Kader auf den Koran seine Unterwerfung ?ohne Vorbehalt und Hintergedanken“ beschwor.

In Syrien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit seiner Freilassung 1852 kam er auch in den Genuss einer franzosischen Pension von 100.000 Franc und nutzte seine Muße u. a. zur Abfassung eines religios-philosophischen Werks, das er in arabischer Sprache an die franzosische Akademie einsandte. In franzosischer Sprache erschien es von Gustave Dugat bearbeitet unter dem Titel: Rappel a l'intelligent, avis a l'indifferent (Paris: B. Duprat, 1858).

Er ließ sich zunachst in Brussa in Kleinasien nieder, siedelte aber, durch das Erdbeben von 1855 von dort vertrieben, nach Damaskus uber. Im Juli 1860, als sich der Burgerkrieg im Libanongebirge ausbreitete, nahm er sich der verfolgten Christen an und rettete in Damaskus mehrere tausend von ihnen vor einem Massaker durch die Drusen . Er wurde dafur von Napoleon III. mit dem Großkreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet.

In Mekka traf er auf Imam Schamil , den Anfuhrer des muslimisch-kaukasischen Widerstandes gegen die russische Expansion und Kolonisierung.

1864 wurde Abd el-Kader von der Pariser Freimaurerloge Pyramides im Grand Orient de France aufgenommen. [8]

Abd el-Kader starb am 26. Mai 1883 in Damaskus. Seine Sohne nahmen teils eine franzosische Pension an, teils traten sie in den Dienst der Turkei. Sein Enkel Emir Khaled wurde eine der fuhrenden Figuren der Assimilation in der muslimischen Bevolkerung in Franzosisch-Algerien. Er wurde jedoch Anfang der Zwanziger Jahre aufgrund seiner politischen Forderung nach mehr Rechten fur die einheimische Bevolkerung ins Exil geschickt.

Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die amerikanische Kleinstadt Elkader in Iowa ist nach ihm benannt, da deren zeitgenossische Grunder vom Freiheitskampf Abd el-Kaders gegen die franzosische Kolonialmacht beeindruckt waren. [9]

Karl May erwahnt Abd el-Kader in drei Romanen. Am 10. Juni 1900 besuchte er die Grabstatte Abd el-Kaders in Damaskus und fertigte eine Skizze der Anlage an. [10]

Literarisch hat das Thema John Knittel in seinem Roman Abd-el-Kader (Zurich 1930, Orell Fussli Verlag) bearbeitet.

Friederike Kempner widmete ihm das Gedicht Abdel-Kaders Traum . [11]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zeitgenossische Quellen

  • Abd-el-Kader und die Eingebornen . In: Illustrirte Zeitung . Nr.   22 . J. J. Weber, Leipzig 25. November 1843, S.   341?342 ( Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  • Alexandre Bellemare: Abd el-Kader: sa vie politique et militaire. Librairie Hachette, Paris 1863; Neuauflage Editions Bouchene, Paris 2003, Bibliotheque d’histoire du Maghreb, ISBN 2-912946-51-4 .
  • Charles Henry Churchill : The Life of Abdel Kader, ex-Sultan of the Arabs of Algeria. Chapman & Hall, London 1867.
  • Mu?ammad Ibn-?Abd-al-Q?dir al-?asan?: Kit?b Tu?fat az-z??ir f? ma???ir al-am?r ?Abd-al-Q?dir wa-a?bb?r al-?az??ir . Al-Iskandar?ya: al-Ma?ba?a at-Ti??r?ya, 1903. (Arabische Biographie ?Abd al-Q?dirs aus der Feder seines Sohnes)

Sekundarliteratur

  • Smail Aouli, Ramdane Redjala & Philippe Zoummeroff: Abd el-Kader. Fayard, Paris 1994. ISBN 2-213-03192-4 .
  • Paul Azan: L'emir Abd-el-Kader 1808?1883, du fanatisme musulman au patriotisme francais. Paris 1925.
  • David Dean Commins: "?Abd al-Q?dir al-?az??ir? and Islamic Reform" in The Muslim World 78 (1988) 121?131.
  • Bruno Etienne : Abdelkader: Isthme des isthmes (Barzakh al-barazikh) . Hachette Litteratures, Paris 2004. ISBN 2-01-279117-4 .
  • Maike Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. Eine Studie zum Am?r ?Abd al-Q?dir al-?az??ir?s Verteidigung der islamischen Vernunft im 19. Jahrhundert . Ergon, Wurzburg 2012.
  • Janine Teisson: Les Rois de l'horizon . Syros jeunesse, Paris 2002. ISBN 2-7485-0030-X .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Abd el-Kader  ? Sammlung von Bildern

Belege [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Vgl. Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. 2012, S. 44.
  2. Vgl. Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. 2012, S. 44.
  3. a b John Ruedy: Modern Algeria ? The Origins and Development of a Nation. 2. Auflage, Bloomington 2005, S. 61?63.
  4. Julia A. Clancy-Smith: Rebel and Saint ? Muslim Notables, Popular Protest, Colonial Encounters (Algeria and Tunisia 1800?1904). Berkeley, 1994, S. 76.
  5. Vgl. Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. 2012, S. 54f.
  6. Vgl. Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. 2012, S. 12.
  7. Vgl. Neufend: Das Moderne in der islamischen Tradition. 2012, S. 77?81.
  8. Claude Wauthier: L’etrange influence des francs-macons en Afrique francophone . In: Le Monde diplomatique , September 1997, S. 6?7 (englische Online-Ausgabe: A Strange Inheritance ).
  9. Elkader’s First 100 Years auf den Webseiten der Stadt Elkader, abgefragt am 12. Februar 2015
  10. Karl-May-Wiki Abgerufen am 8. April 2016.
  11. Friederike Kempner: Gedichte. Projekt Gutenberg-DE , abgerufen am 28. April 2024 .