AIM-132 ASRAAM

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ASRAAM

Allgemeine Angaben
Typ Luft-Luft-Rakete
Hersteller MBDA
Entwicklung 1984?1989 (EU)
1989?1998 (GB)
Indienststellung 1998
Stuckpreis 200.000 USD
Technische Daten
Lange 2,9 m
Durchmesser 166 mm
Gefechtsgewicht 88 kg
Spannweite 450 mm
Antrieb Feststoffmotor
Geschwindigkeit Mach 3 (offiziell)
Reichweite 15 km (offiziell)
Ausstattung
Zielortung Infrarotsuchkopf
Gefechtskopf 10 kg
Zunder Laserannaherungs- und Aufschlagzunder
Waffenplattformen ? Eurofighter
? F-35 Lightning II
? F/A-18E /F Super Hornet
? Panavia Tornado
? AV-8B Harrier II
Listen zum Thema

Die AIM-132 ASRAAM (engl. Advanced Short Range Air-to-Air-Missile ; dt. fortschrittliche Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete ) ist eine Entwicklung des Rustungsunternehmens MBDA . Sie soll die AIM-9 Sidewinder in den Streitkraften Großbritanniens und Australiens ablosen.

Ende der 1980er-Jahre wurde ein Memorandum of Understanding (MoU) zwischen europaischen Staaten und den Vereinigten Staaten uber zukunftige Luft-Luft-Lenkwaffen als Ersatz fur die AIM-7 Sparrow und AIM-9 Sidewinder unterzeichnet. Die Europaer sollten eine Lenkwaffe fur Kampfentfernungen innerhalb der Sichtweite des Piloten entwickeln ( engl. within visual range, WVR ), wahrend den USA die Entwicklung einer radargelenkten Waffe fur weite Entfernungen ( engl. beyond visual range, BVR ) zugesprochen wurde. Die Waffen wurden als ?Advanced Short Range Air-to-Air-Missile“ und ? Advanced Medium Range Air-to-Air Missile “ bezeichnet. Die Europaer teilten die Aufgaben und Entwicklungskosten wie folgt ein, dabei wurde auch Kanada berucksichtigt:

  • 42,5 % Großbritannien
  • 42,5 % Deutschland
  • 10 % Kanada
  • 5 % Norwegen

Die Definitionsphase des Programmes begann 1984. Im Februar 1988 veranlassten die Vereinigten Staaten eine Reihe von Designanderungen, verloren aber durch den Zusammenbruch der Sowjetunion das Interesse an dem Programm. Genau ein Jahr spater, im Februar 1989 stand das Projekt vor dem Abschluss der Entwicklung. Im Zuge der Wiedervereinigung war Deutschland aber in den Besitz der MiG-29 samt Flugkorpern des Typs AA-11 Archer gekommen. Es stellte sich heraus, dass die AA-11 wesentlich leistungsfahiger war, als vor dem Fall des eisernen Vorhangs angenommen wurde. Ihrem damaligen westlichen Gegenstuck, der AIM-9L/M, war sie in samtlichen Parametern weit uberlegen. Besonders herausstechend waren hierbei die große Reichweite und Manovrierfahigkeit sowie die Fahigkeit, auch Ziele bis zu 45° abseits der Flugachse ( engl. off-boresight ) zu erfassen. Da man das Einsatzkonzept der ASRAAM fur nicht mehr zeitgemaß hielt, verabschiedete sich Deutschland im Juli 1989 aus dem Projekt. Ahnliche Uberlegungen fuhrten auch bei anderen Landern zum Ausstieg aus dem Projekt und zur Entwicklung eigener Flugkorper, bei denen Manovrierfahigkeit im Nahkampf vor Reichweite und Geschwindigkeit stand. Daraus resultierte die Entwicklung von IRIS-T und AIM-9X .

Großbritannien entwickelte den Flugkorper nun alleine fort, bereits im August 1989 wurden die Auftrage vergeben. Dabei erhielt das Hughes Santa Barbara Research Centre den Zuschlag fur den Sucher. Eine Evaluation der Angebote und die Vergabe des 912 Millionen US-Dollar-Auftrages fand Anfang 1992 statt. Die Entwicklung begann im Marz des Jahres und im Mai 1994 wurden die Liefervertrage unterzeichnet. Von Januar 1995 bis Juni 1996 testeten die USA die Waffe und kamen zu dem Schluss, dass diese ihre Anforderungen bezuglich Wendigkeit nicht erfullen konnte und entwickelten die Sidewinder weiter. Die erste ASRAAM wurde Ende 1998 an die Royal Air Force ausgeliefert.

Am 14. Dezember 2021 schoss ein Eurofighter Typhoon der Royal Air Force im Rahmen ihres Einsatzes gegen den Islamischen Staat eine feindliche Drohne uber Syrien ab. Hierbei handelt es sich um den ersten bestatigen Einsatz einer ASRAAM gegen ein feindliches Luftfahrzeug. Gleichzeitig stellt dieser Abschuss den ersten Luft-zu-Luft Kampf der britischen Streitkrafte seit dem Falklandkrieg 1982 dar.

Die ASRAAM ist ein ungewohnlicher Flugkorper. Ahnlich wie bei der AIM-95 Agile war eine deutliche Erhohung der Abschussdistanz ( Terminus : F-Pole ) das Hauptentwicklungsziel. Gegnerische Flugzeuge sollen so bereits im Anflug ( engl. pre-merge ) zerstort werden, bevor es zu einem Kurvenkampf kommt. Der Grundgedanke dahinter ist, dass der Erstschießende die großten Gewinnchancen hat. Sollte es nicht gelingen, den Gegner auf Distanz zu zerstoren, muss die Rakete uber eine gute Leistung im Nahkampf verfugen. Die Erhohung der Manovrierfahigkeit fur den Nahkampf war im Vergleich zur Sidewinder jedoch ein sekundares Entwicklungsziel, obwohl auch hier durch den wesentlich schubstarkeren Raketenmotor und den widerstandsarmen Flugkorper Verbesserungen erzielt wurden.

Die AIM-132 ASRAAM ist die einzige Kurzstreckenwaffe, die intern mitgefuhrt werden kann.

Auf Grund ihrer hohen effektiven Reichweite und der Fahigkeit, ein Ziel erst nach dem Start zu erfassen, kann die ASRAAM auch als Mittelstrecken-Luft-Luft-Flugkorper mit geringer Reichweite aufgefasst werden. Die Lenkwaffe kann dadurch auch auf ein Ziel außerhalb der Sichtweite des Piloten abgefeuert werden. Die Navigation wahrend der Flugphase ubernimmt dann ein inertiales Navigationssystem, dem kurz vor dem Start der Rakete die aktuelle Position und der Kurs des Zieles von der Tragerplattform ubermittelt wird. Wenn die ASRAAM im Zielgebiet ankommt, aktiviert sie ihren Infrarotsucher, sucht das Ziel, schaltet es auf und zerstort es ( engl. lock-on after launch, LOAL ). In Verbindung mit einem Helmvisier oder dem Distributed Aperture System erlaubt dies auch die Bekampfung von Zielen hinter dem abfeuernden Flugzeug ( engl. over-the-shoulder-capability ). Dies wurde erstmals im Marz 2009 von der Royal Australian Air Force mit einer Super Hornet demonstriert. [1] [2]

Die AIM-132 ASRAAM ist die einzige Kurzstreckenwaffe, die von einer F-35 Lightning II intern mitgefuhrt werden kann. Andere Waffen wie die Sidewinder konnen nur extern mitgefuhrt werden, was die Tarnkappeneigenschaften jedoch verschlechtert. Da die Manovrierfahigkeit der Maschine mit einer F-16 Fighting Falcon vergleichbar ist und die B- und C-Versionen kein Geschutz mitfuhren, ist die Fahigkeit, den Gegner bereits im Anflug zu zerstoren ( engl. pre-merge ), sinnvoll. [3]

In Kombination mit infrarotgestutzter Zielsuche und Zielverfolgung ( engl. infrared search and track ) wie PIRATE oder dem Distributed Aperture System konnen mit der Waffe auch Fluggerate mit Stealth-Eigenschaften außerhalb der Sichtweite des Piloten bekampft werden.

Die Agile war bereits mit Schubvektorsteuerung ausgestattet.

Bedingt durch die Anforderung nach moglichst großer Abschussdistanz wurde der Flugkorper so widerstandsarm wie moglich entworfen. Lediglich die unvermeidlichen Steuerflachen am Ende der Rakete storen die Aerodynamik. Das Aussehen der AIM-132 ASRAAM ahnelt damit dem der AIM-95 Agile , wobei letztere mit Schubvektorsteuerung ausgestattet wurde. Da bei der ASRAAM die Erhohung der Abschussentfernung im Vordergrund stand, wurde vorerst darauf verzichtet; eine als P3I-ASRAAM bezeichnete Version wird allerdings mit Schubvektorsteuerung angeboten. Das Wegfallen von Tragflachen hat Vor- und Nachteile: Reichweite und Geschwindigkeit werden erhoht, allerdings zu Lasten der Wendigkeit. So konnen hochmanovrierfahige Flugkorper wie die IRIS-T bis zu 60 g -Kurven fliegen, wahrend die ASRAAM ?nur“ bis zu 50 g ziehen kann. Besonders in der Boostphase, wenn der Flugkorper von der Startschiene beschleunigt, sorgt die hohe Masse fur schlechte Wenderaten. Dies war auch ein Kritikpunkt bei den Tests in den Vereinigten Staaten, wo die schlechte Wendefahigkeit direkt nach dem Start ( engl. off-axis capability ) den Ausschlag zugunsten der AIM-9X gab. Das Nachrusten mit Schubvektorsteuerung lost das Problem nur bedingt: Die Wendefahigkeit kann dadurch zwar verbessert werden, durch das Fehlen von Tragflachen verliert die Lenkwaffe dabei aber stark an Energie. Der Nachteil gegenuber anderen Waffen bleibt somit bestehen.

Die Lenkrakete besteht im Prinzip aus drei Teilen: Sucher und Elektronik, Gefechtskopf und Antrieb. Die AIM-9X und die ASRAAM benutzen den gleichen abbildenden Infrarotsuchkopf, der vom Unternehmen Raytheon entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um ein Focal Plane Array mit 128 × 128 Elementen. Das Bauteil wird als Indium-Antimon-Die gefertigt und ist im Wellenlangenbereich von 0,5 μm bis 5,4 μm empfindlich. Der Chip wird im Einsatz auf ungefahr 80 Kelvin (?193 °C) heruntergekuhlt. Die hohe Auflosung erschwert Gegenmaßnahmen erheblich, durch die intelligente Bildverarbeitung ist die Rakete in der Lage, das Ziel zu ?sehen“ und kann es von Flares unterscheiden. Der Sucher ist dabei kardanisch aufgehangt und weist einen Schielwinkel ( engl. boresight ) von bis zu 90° auf. Somit konnten auch Ziele, die sich neben dem eigenen Flugzeug befinden, von der Lenkwaffe vor dem Start aufgeschaltet werden. Die Elektronik besteht unter anderem aus Beschleunigungssensoren und Laserkreiseln , um fur alle drei Achsen die Position der Rakete im Raum zu errechnen. Des Weiteren sind ASICs fur die Bildverarbeitung des Suchkopfes und des Lenkalgorithmus vorhanden, die Software dafur wurde in Ada geschrieben. Der Splittergefechtskopf der Waffe wird von der Gesellschaft fur verteidigungstechnische Wirksysteme mbH hergestellt und wiegt 10 kg. Trotz der hohen Prazision, die meist zu einem Direkttreffer im Ziel fuhrt ( engl. hittile ), wurde der Aufschlagzunder noch durch einen Laser-Annaherungszunder erganzt. Das Feststoffraketentriebwerk beschleunigt die Rakete mit einem starken Boost, wenn sie sich vom Flugzeug trennt. Nach einem kurzen Zeitraum brennt der Motor mit geringerer Schubkraft im Erhaltungsmodus ( engl. sustainer ) weiter bis zum Schluss ab. Der Raketenmotor ist im Gegensatz zu konventionellen Designs, die spanend hergestellt werden, aus laminierten Stahlblechen gefertigt, um das Gewicht zu reduzieren und den Treibstoffmassenanteil zu erhohen. Der Durchmesser ist dabei mit 166 mm deutlich großer als bei der alten Sidewinder, die 127 mm aufweist. Er ist somit eher mit einer AA-11 Archer (170 mm) oder MICA (160 mm) vergleichbar. Der großere Durchmesser ermoglicht es, auf derselben Lange 70 % mehr Treibmittel mitzufuhren, um Geschwindigkeit und Reichweite zu erhohen.

Die ASRAAM wird zusammengebaut in einem hermetisch versiegelten Container ausgeliefert und bleibt dort wartungsfrei liegen. Bei Bedarf kann sie einfach dem Container entnommen werden und ohne weitere Vorbereitungen an das Flugzeug montiert werden. [4] Die Waffe besitzt dabei aus Grunden der Abwartskompatibilitat nicht nur eine Digital-, sondern auch eine Analogschnittstelle zum Flugzeug. Somit kann die Waffe auch an alteren Flugzeugbaumustern eingesetzt werden.

Technische Daten

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Die offiziellen Angaben weichen stark vom Einsatzzweck der Waffe ab. Wird eine MICA desselben Herstellers, die vom Einsatzzweck her ahnlich ist, zum Vergleich herangezogen, konnen die Leistungsdaten grob geschatzt werden. So wird das Gewicht der ASRAAM offiziell mit 88 kg angegeben, was dem Gewicht einer Sidewinder-Rakete entspricht, obwohl die Waffe 63 % mehr Volumen besitzt. Die in manchen Quellen genannte Gewichtsangabe von 100 kg ist deshalb wesentlich realistischer und liegt etwa 10 % unter der einer MICA. Die ASRAAM besitzt 94 % des Volumens einer MICA und ist widerstandarmer gebaut, die Reichweite wird also ahnlich sein. Laut MBDA ist die Waffe die schnellste Kurzstrecken-Luft-Luft-Rakete, was durch den geringen Luftwiderstand und großen Motordurchmesser belegt werden kann. Die in der Zeitschrift Truppendienst erwahnte Geschwindigkeit von Mach 4 ist deshalb realistisch. [5] Es konnen damit folgende Daten abgeschatzt werden:

  • Startgewicht: 100 kg
  • Mindestreichweite: 300 m
  • Maximalreichweite: 50 km
  • Hochstgeschwindigkeit: Mach 4
Commons : AIM-132 ASRAAM  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. YourIndustryNews: RAAF has successfully fired ASRAAM at a target located behind the wing-line of the ‘shooter’ aircraft ( Memento vom 13. Juni 2017 im Internet Archive )
  2. defense-update: Australian ASRAAM Demonstrate Full Sphere Capability ( Memento vom 20. Oktober 2016 im Internet Archive )
  3. F-35A Joint Strike Fighter. Abgerufen am 8. September 2020 .
  4. Advanced Short-Range Air-to-Air Missile (ASRAAM) - Defence Projects - Armed Forces - Defence Suppliers Directory. Abgerufen am 8. September 2020 .
  5. Bundesheer - TRUPPENDIENST - Ausgabe 5/2008 - Der Eurofighter "Typhoon" (VI). Abgerufen am 8. September 2020 .