Das
11. Jahrhundert
begann am 1. Januar 1001 und endete am 31. Dezember 1100. Die Weltbevolkerung in diesem Jahrhundert wird auf 250 bis 350 Millionen Menschen geschatzt.
[1]
In Europa fuhrte eine religiose Reformbewegung zur Starkung des Papsttums, dessen Herrschaftsanspruche mit denen des Kaisers im
Investiturstreit
kollidierten. Am Ende des Jahrhunderts wurden sowohl die Eroberung muslimisch beherrschter Territorien auf der iberischen Halbinsel (
Reconquista
) als auch die Einnahme Jerusalems durch den ersten
Kreuzzug
religios legitimiert. Im Gegensatz dazu begrundeten die Normannen ihre Eroberungen Englands und Suditaliens vor allem machtpolitisch.
Von Zentralasien eroberten die muslimischen
Seldschuken
ein Gebiet bis nach Anatolien. Die Gebietsverluste in Anatolien schwachten das byzantinische Reich dauerhaft. Auf dem indischen Subkontinent stieg das Reich der
Chola
zu einer machtigen Regional- und Seemacht auf. China erreichte unter der
Song-Dynastie
große technische und wirtschaftliche Fortschritte.
Im 11. Jahrhundert waren die Veranderungen in Europa so weitreichend, dass Historiker in der Mitte dieses Jahrhunderts den Ubergang vom
Fruhmittelalter
zum
Hochmittelalter
sehen.
[2]
Die europaischen Herrschaftsgebiete konnen nach der dominierenden religiosen Ausrichtung gruppiert werden. Nord-, West und Mitteleuropa waren durch das romisch-katholische Christentum gepragt. Das großte und machtigste Reich dieser auch Abendland genannten Region war das
romisch-deutsche Reich
im Zentrum Europas. Ost- und Sudosteuropa pragten orthodox-christliche Reiche, von denen das
Byzantinische Reich
die Region politisch und kulturell dominierte. Auf der iberischen Halbinsel und Sizilien gab es muslimische Reiche, wahrend in einigen Gebieten Nordosteuropas noch
ethnische Religionen
dominierten.
Religiose Reformbewegungen des abendlandischen Europa
[
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Die Gesellschaft des 11. Jahrhunderts war sehr religios. Im abendlandischen Europa waren christliche
Kloster
und kirchliche Amtstrager stark in die politische Ordnung eingebunden. In allen Reichen, insbesondere im Heiligen Romischen Reich, ubten weltliche Herrscher maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der kirchlichen Amter aus. Auch mehrere Papste kamen in der ersten Jahrhunderthalfte auf Initiative der Kaiser, die sich als Stellvertreter Gottes auf Erden verstanden, in ihr Amt.
Anderseits forderten einige Adelige schon seit dem 10. Jahrhundert eine Bewegung zur Klosterreform, die von der
Abtei Cluny
ausgegangen war. Diese setzte der Vernachlassigung der religiosen Praxis in den Klostern die strenge Befolgung der
Benediktregel
entgegen. Ferner wurde die Unabhangigkeit der Kloster von weltlichen Autoritaten gefordert. Einige Klosterreformer waren auch wichtige Forderer der
Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts
, die die Prazisierung der Glaubensinhalte, die Vereinheitlichung der Glaubenspraxis und die Unabhangigkeit der kirchlichen Institutionen von der weltlichen Gewalt zum Inhalt hatten. Diesen Zielen folgend setzten die Reformer die Verpflichtung der Kleriker zu einem
ehelosen Leben
durch und achteten den Kauf kirchlicher Amter, der
Simonie
genannt wird.
In der zweiten Jahrhunderthalfte erstritt sich das Papsttum in schnellen Schritten die Unabhangigkeit von Kaisern und Stadtromern. Ein wichtiger Schritt war die Festlegung im
Papstwahldekret
, dass die Papste zukunftig nur von
Kardinalen
zu wahlen seien. Die katholische Kirche entwickelte sich zu einer europaweit hierarchisch gegliederten Organisation mit dem Papst an der Spitze. Papst
Gregor VII.
dokumentierte im
Dictatus Papae
den Fuhrungsanspruch des Papstes nicht nur uber die Kirche, sondern auch uber die gesamte christliche Welt. Diese Forderung fuhrte zu Konflikten mit verschiedenen Herrschern Europas, der auch
Investiturstreit
genannt wird. Der Konflikt mit
Heinrich IV.
, dem Konig des Heiligen Romischen Reiches, eskalierte am starksten. Konig und Papst erklarten sich gegenseitig fur abgesetzt. Daruber hinaus
exkommunizierte
der Papst Heinrich, der damit der erste exkommunizierte romisch-deutsche Konig war. Der Konflikt wurde in diesem Jahrhundert trotz des
Ganges nach Canossa
nicht endgultig gelost. Auch wenn das Problem der Einsetzung der Bischofe mit dem
Wormser Konkordat
im Jahr 1122 geregelt wurde, pragten die machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Papsten und Kaisern auch die folgenden Jahrhunderte. Insgesamt setzte die Kirchenreformbewegung des 11. Jahrhunderts einen jahrhundertelangen Prozess in Gang, der die christlichen Kirchen Europas zu vom Staat getrennten Institutionen werden ließ.
Der vehement postulierte Vorranganspruch der Papste verstarkte die Trennung zwischen romisch-katholischer und
griechisch-orthodoxer Kirche
, die mit der orthodoxen Missionierung Russlands und des Balkans an Selbstbewusstsein gewonnen hatte. Das sogenannte
Morgenlandische Schisma
von 1054 war ein Meilenstein im jahrhundertelangen Trennungsprozess der beiden christlichen Kirchen.
Eine machtigere und viel starker zentralisierte christliche Kirche begann, Kriege gegen Menschen anderen Glaubens religios zu rechtfertigen. Dem Aufruf des Papstes zum Kreuzzug am Ende des Jahrhunderts folgten die Kreuzfahrer jedoch sowohl aus geistlichen als auch aus weltlichen Motiven. Bevor im
ersten Kreuzzug
vorwiegend franzosische Ritter mit ihrem Gefolge auszogen und Jerusalem eroberten, bildete sich ein nicht von der Amtskirche autorisierter
Volkskreuzzug
aus der armen Landbevolkerung Nordfrankreichs und Lothringens. Im Laufe dieses gescheiterten Kreuzzuges kam es zu den ersten
Judenpogromen
des Mittelalters.
[3]
In der ersten Jahrhunderthalfte wurde das Heilige Romische Reich von drei machtigen Kaisern regiert. Nach dem letzten ottonischen Kaiser
Heinrich II.
wurde
Konrad II.
durch den Adel zum ersten Konig der
Salier
-Dynastie erhoben. Er erweiterte das Reich durch Erbgang um das
Konigreich Burgund
.
Im Selbstverstandnis und der Herrschaftsausubung
Heinrichs III.
, dem Sohn und Nachfolger Konrads, fanden Entwicklungen ihren Hohepunkt, deren Anfange bei den Ottonen des vorherigen Jahrhunderts lagen. Sie pragten, wenn auch mit unterschiedlichem Schwerpunkt, schon deutlich die Herrschaft seiner zwei Amtsvorganger. Heinrich III. sah sich nicht nur als hochster weltlicher Herrscher, sondern auch als Stellvertreter
Jesu Christi
auf Erden.
[4]
Bei der Durchsetzung seiner Herrschaft nahm er wenig Rucksicht auf einen Ausgleich mit dem Adel, wie es noch sein Vater Konrad II. tat und es dem Gerechtigkeitsempfinden der Adelsschicht entsprach. Wie auch seine Vorganger besetzte er fast alle Bischofsamter des Reiches mit seinen Getreuen, steigerte den Besitz der Bistumer und stutzte sein Regierungshandeln vornehmlich auf die Bischofe und ihre Ressourcen. In diesem Zusammenhang sprechen Historiker vom
Ottonisch-Salischen Reichskirchensystem
. Sein autoritarer Herrschaftsstil fand in den letzten Lebensjahren vor seinem Tod im Jahre 1056 sowohl bei weltlichen Adeligen als auch bei Kirchenvertretern zunehmend Widerspruch.
Doch erst sein Sohn
Heinrich IV.
geriet in einen weitreichenden Konflikt sowohl mit dem Papst als auch einer Adelsopposition, die ihn einer tyrannischen Machtpolitik beschuldigte. Seine Exkommunikation konnte Heinrich zwar mit dem
Gang nach Canossa
revidieren, die erstmalige Ernennung eines romisch-deutschen
Gegenkonigs
konnte er jedoch nicht verhindern. Erst durch dessen Tod in der
Schlacht bei Hohenmolsen
erlangte Heinrich seine Macht zuruck. Der Konflikt hatte weitreichende Folgen fur die Herrschaftsstruktur des Reiches. Den nachfolgenden Konigen stand ein selbstbewusster Adel oft auch in Opposition gegenuber.
[5]
Auch auf die Bischofe und Abte im Reich konnten sie sich viel weniger verlassen. Ihre Herrschaft legitimierten sie zunehmend mit weltlichen Argumenten.
Westlich des Heiligen Romischen Reiches erstreckte sich das franzosische Konigreich. Im 10. und 11. Jahrhundert waren die franzosischen Konige auf ihren Kernraum in der
Ile-de-France
beschrankt. Diese
Krondomane
betrug ungefahr ein Zehntel des Konigreiches.
[6]
Die restlichen Teile wurden von rund einem Dutzend großer Kronvasallen beherrscht, uber die der Konig nur die nominelle Oberhoheit hatte. Wie der Monarch in seiner Krondomane so konnten auch die anderen Kronvasallen eine zentrale Herrschaftsposition innerhalb ihrer Territorien aufbauen. Im 11. Jahrhundert nahmen die Kontakte zwischen Frankreich und dem Heiligen Romischen Reich, die beide aus dem
Frankenreich
hervorgegangen waren, stark ab.
Im Jahr 1016 eroberte der danische Konig
Knut der Große
England. Er regierte England in Personalunion mit großen Teilen Skandinaviens. Dieses
Nordseereich
brach jedoch kurz nach seinem Tod im Jahr 1035 unter seinen Nachfolgern zusammen. Mit der
normannischen Eroberung
durch
Wilhelm den Eroberer
erlebte England einen grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Umbruch. Seinem Sieg in der
Schlacht bei Hastings
im Jahre 1066 folgte ein weitgehender Austausch der weltlichen und kirchlichen Fuhrungsschicht. Ein hierarchisches
Lehnssystem
wurde etabliert und zahlreiche Burgen im Land gebaut. Die Normannen ubernahmen ein im Vergleich zum ubrigen Europa gut ausgebautes Verwaltungs- und Steuersystem von ihren Vorgangern. Zur Steigerung der Steuereinnahmen fuhrte der Konig mit der Erstellung des sogenannten
Domesday Books
eine fur diese Zeit beispiellose statistische Erhebung des Besitzes seiner Untertanen durch. Zwar gerieten auch die englischen und franzosischen Monarchen in Konflikt mit den Reformpapsten, dieser eskalierte jedoch weniger stark als der mit dem romisch-deutschen Konig.
Eine andere normannische Gruppe eroberte im 11. Jahrhundert das muslimisch regierte Sizilien und das christliche Suditalien. Die
normannische Eroberung Suditaliens
war ein Prozess, der sich fast uber das ganze Jahrhundert hinzog und an dessen Ende die Herrschaft der Bruder
Roger I.
und
Robert Guiskard
stand. Bei der Eroberung Suditaliens sahen sich die Normannen den verschiedenen Interessen der Papste sowie der byzantinischen und romisch-deutschen Kaiser in dieser Region ausgesetzt. Außer dem Austausch der obersten Eliten ergaben sich keine großen Anderungen fur die Bevolkerung, die in Sizilien zur Halfte muslimischen Glaubens war.
Im 11. Jahrhundert waren vier italienische Stadte,
Venedig
,
Genua
,
Pisa
und
Amalfi
machtige Seemachte. Auf Basis ihrer wirtschaftlichen Erfolge setzten sie auch ihre politischen Interessen mit ihren machtigen militarischen Flotten durch.
Eine weitere Grenzlinie zwischen christlich beherrschten nordlichen Territorien und muslimisch beherrschten sudlichen Territorien verlief auf der Iberischen Halbinsel. Zu Beginn des Jahrhunderts brach das die Mitte und den Suden der Halbinsel beherrschende
Kalifat von Cordoba
aufgrund ethnischer Spannungen zusammen. Aus dem zentralen Reich entstanden zahlreiche kleine
Taifa-Konigreiche
.
[7]
Die Taifas versuchten einerseits durch Kultur und Prachtentfaltung andererseits durch Kriegszuge ihre Macht auszuweiten. Bis in die 1070er Jahre kam es zu zahlreichen interreligiosen Koalitionen zwischen einzelnen christlichen Konigreichen des Nordens und einzelnen Taifas. Danach gewann die christliche Reformbewegung in Nordspanien schnell an Anhangern. Dies hatte zur Folge, dass das christliche Spanien viele Elemente der Kultur des ubrigen Europas ubernahm und die Kirche sich der unmittelbaren Herrschaft Roms unterstellte. Jedoch erst mit der Kreuzzugbewegung im letzten Jahrzehnt wurde die Ruckeroberung der muslimischen Gebiete, auch
Reconquista
genannt, stark religios legitimiert.
Die christlichen Reiche nutzten am Ende des Jahrhunderts die geringe Große der Taifas aus, um große Gebietsgewinne zu erzielen. Die hochste Symbolkraft hatte dabei die Eroberung der Stadt Toledo. Die Taifas holten zu ihrer militarischen Unterstutzung die nordafrikanischen
Almoraviden
ins Land. Diese Gruppe vertrat einen dogmatisch rigiden sunnitischen Islam und geriet schnell in Konflikt mit der Bevolkerung der Taifas, die den Islam wesentlich liberaler auslegte. Bis zum Ende des Jahrhunderts wurden die Taifas nacheinander entweder vom christlichen Norden oder von den Almoraviden erobert.
Das Bestreben der polnischen Konige war es, die Unabhangigkeit des polnischen Konigreiches zu bewahren. Dabei fuhrten sie mehrfach Auseinandersetzungen mit dem romisch-deutschen Kaiserreich und den
Kiewer Rus
. Tschechien blieb trotz polnischer Eroberungsversuche ein selbstandiger Teil des Heiligen Romischen Reiches.
Die Kiewer Rus war eine lockere Foderation slawischer Herrschaftsgebiete, die von der ostlichen Ostsee bis nach Kiew reichte. Unter
Jaroslaw dem Weisen
bluhte der Fernhandel und damit die an den großen Flussen gelegenen Stadte. Die Russen pflegten wirtschaftliche und politische Kontakte sowohl nach Europa als auch nach Byzanz. Basierend auf der wirtschaftlichen Starke wurden die Sophienkathedralen von
Kiew
und
Nowgorod
errichtet, deren Baustil sich an Byzanz orientierte. In dem von Jaroslaw eingefuhrten
Senioratsprinzip
, nach dem die Großfursten ihr Amt vererbten, lag jedoch auch der Keim, der im 12. Jahrhundert zum Zerfall des Reiches fuhrte.
Zu Beginn des Jahrhunderts eroberte das Byzantinische Reich den ganzen Balkan, so dass sich Byzanz beim Tod des Kaisers
Basileios II.
im Jahr 1025 von der Balkanhalbinsel bis nach Syrien unter Einschluss mehrerer Mittelmeerinseln und Teilen Suditaliens erstreckte. Bezogen auf die Zeit nach der
Islamischen Expansion
des 7. Jahrhunderts erreichte das politisch stabile Byzanz den Hohepunkt seiner Macht. Am Ende des Jahrhunderts war das Kaiserreich wesentlich schwacher, da es große Teile Kleinasiens und seine Territorien in Suditalien verloren hatte.
Nach dem Tod des kinderlosen Basileios konnte die
Makedonische Dynastie
keine langerfristig stabile Kaiserherrschaft mehr etablieren. Schnelle Wechsel der Amtsinhaber schwachten die kaiserliche Zentralmacht. Schon in den vergangenen Jahrhunderten hatten Adel und Kirche begonnen, einen immer großeren Großgrundbesitz zu erwerben. Sie zahlten nicht nur weniger Steuern, sondern verringerten die Zahl der selbstandigen Soldatenbauern.
[8]
Das fuhrte dazu, dass die byzantinische Armee immer starker auf Soldner angewiesen war. Um Mittel fur diese zu beschaffen, schwachten die Kaiser in der Mitte des Jahrhunderts den Wert der byzantinischen Wahrung.
[9]
Der
Solidus
, zuvor eine der bedeutendsten Leitwahrungen Europas und des Mittelmeerraums, verlor insbesondere im Ausland bis zum Jahrhundertende einen großen Teil seiner Reputation. Dies wirkte sich dauerhaft negativ auf die byzantinische Macht und Wirtschaftskraft aus.
Insbesondere in der zweiten Jahrhunderthalfte stand die byzantinische Armee zahlreichen neuen außeren Feinden des Reiches gegenuber. Die Normannen konnten die Byzantiner im Jahr 1071 vollstandig aus Italien vertreiben. Ihre Angriffe auf die westliche Balkanhalbinsel wehrte die byzantinische Armee jedoch ab. Der ostliche Balkan wurde von den nomadischen
Petschenegen
bedroht, die sich von Westsibirien in Richtung Balkan ausgedehnt hatten. Durch einen militarischen Sieg im Jahr 1091 konnte Byzanz diese Bedrohung seiner Territorien abwehren.
Besonders folgenreich erwiesen sich die Reaktionen der Byzantiner auf ihre Niederlage gegen die muslimischen
Seldschuken
in der
Schlacht bei Manzikert
im Jahr 1071. Eigene Ziele verfolgend untergruben Adelsfamilien die nach der Schlacht getroffenen Abmachungen und lieferten den Seldschuken damit den Vorwand, Anatolien zu besetzen und dort das
Sultanat der Rum-Seldschuken
zu etablieren. Erst der zweite
Komnenen
-Kaiser
Alexios I.
konnte den Rest des byzantinischen Territoriums stabilisieren. Die
Kreuzritter
, die auf sein Hilfegesuch die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel erreichten, stellten sich jedoch nicht wie erhofft in seinen Dienst, sondern verfolgten eigene Interessen. Sie grundeten unabhangige Kreuzfahrer-Reiche in der
Levante
.
Die Verhaltnisse in Europa des 11. Jahrhunderts waren regional sehr unterschiedlich. Das abendlandische Europa wies trotz regionaler Vielfalt mit seiner feudalistischen, romisch-katholisch gepragten Struktur auch zahlreiche Gemeinsamkeiten auf und grenzte sich damit deutlich von Byzanz und dem muslimischen Europa ab.
Beherrschender Wirtschaftszweig war die Landwirtschaft. Bedingt durch ein gunstiges Klima und eine im Gegensatz zu den vorherigen Jahrhunderten friedliche Zeit stieg die landwirtschaftliche Produktion an.
[10]
Die seit dem 8. Jahrhundert bekannte Methode der
Dreifelderwirtschaft
wurde nun in vielen neuen Territorien angewandt.
[10]
Neben dieser methodischen Verbesserung fanden auch technische Innovationen, wie der Wendepflug, das
Kummet
und der Hufbeschlag von Pferden eine weite Verbreitung.
[11]
Zu diesen ertragssteigernden Faktoren bestehender Flachen kam die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flachen durch intensive Rodungstatigkeiten.
[11]
Die signifikante Steigerung der landwirtschaftlichen Ertrage fuhrte zu einer starken Verringerung der Hungersnote und ermoglichte ein breites Bevolkerungswachstum. Dies fuhrte zu einer Siedlungsverdichtung, wobei Dorfer zu Stadten wurden und bestehende Stadte wuchsen. Vermehrte Stadtneugrundungen gab es in diesem Jahrhundert nur im franzosischen Reich. Trotz dieses Stadtewachstums blieben die Stadte des Abendlandes in Komplexitat und Große hinter den Stadten anderer Weltgegenden stark zuruck. Insbesondere in Norditalien, aber auch am Rhein begannen die Burgerschaften einiger Stadte, eigenstandige Rechte vom Hochadel zu erstreiten. Doch im Gegensatz zu den folgenden Jahrhunderten waren die Stadte noch in adelige Herrschaftsstrukturen integriert und kein dominierender Faktor.
[10]
In West- und Mitteleuropa begann das Dorf zum entscheidenden Strukturelement zu werden. Es fasste bisher zerstreute Bauernsiedlungen zusammen.
[11]
Regelungen fur das dorfliche Zusammenleben und die Benutzung von Gemeinschaftsfeldern entstanden.
Im abendlandischen Europa des 11. Jahrhunderts wurde die Geldwirtschaft stetig bedeutender. Der durch den expandierenden Binnenhandel steigende Bedarf an Munzen wurde durch neu erschlossene Silberminen befriedigt. Auch die Eisenproduktion erhohte sich deutlich. Die Einfuhrung des horizontalen Webrahmens verhalf dem Textilhandwerk in
Flandern
und der
Champagne
zu bisher unbekannter Produktivitat. Ferner fuhrte der Boom im Kirchenbau zu einem Aufschwung des Bauhandwerkes.
Gefordert von der kirchlichen Reformbewegung sowie begunstigt durch den wirtschaftlichen Aufschwung und die relative politische Stabilitat setzte im Abendland ein Bauboom von Steinkirchen ein. Diese Kirchen, wie der
Speyerer Dom
und die
Abteikirche von Cluny
, die deutlich großer waren als die Kirchen der vorherigen Jahrhunderte, wurden im
romanischen Stil
gebaut. Dieser Baustil ging von der romischen Bauweise aus und passte sie zeitlichen Bedurfnissen und Geschmack an. Er zeichnet sich durch dicke Mauern, runde Bogen und Wurfelkapitelle aus. Zum Ende des Jahrhunderts wird mit dem Einsatz des
Kreuzrippengewolbes
zur Dachkonstruktion eine bauliche Innovation in Zentraleuropa verwirklicht. Die Kirchenbauten wurden vermehrt durch
Monumentalplastiken
geschmuckt. Wie die Plastiken so bilden auch Buch- und Wandmalerei sehr oft religiose Inhalte ab. Sie zeichnen sich durch einen hohen Symbolismus aus, der fur eine naturgetreue Abbildung wenig Raum lasst.
Im abendlandischen Europa reflektierte man zum ersten Mal im Mittelalter uber die Struktur der Gesellschaft. Dabei identifizierte man drei Gruppen, die sich durch ihre Funktion fur die Gesellschaft voneinander unterschieden, den kampfende Adel, den Klerus und die Bauern. Konige, weltlicher Adel, Bischofe und Abte bildeten die Fuhrungselite Europas. Der Elite gehorte der Grund entweder als Eigenbesitz oder als Lehen. Grundbesitz war nicht nur die bedeutendste wirtschaftliche Ressource, sondern begrundete oft
Herrschaftsrechte
uber die Bevolkerung, die auf ihm lebte. Der Grundbesitz wurde von den Grundherren abhangigen Bauern bearbeitet. Dabei ebneten sich die fruheren Unterschiede zwischen freien und unfreien Bauern soweit ein, dass man von einem einheitlichen Bauernstand spricht
[11]
Europaweit gab es viele unterschiedliche Formen von Abhangigkeitsverhaltnissen zwischen Bauern und Grundbesitzen.
Fur die Adelsfamilien wurde es zunehmend wichtig uber geschlossene Territorien zu herrschen. Dabei kam es nicht unbedingt darauf an, dass sie ihnen rechtlich gehorten, sondern darauf, dass sie die Gerichtsbarkeit uber diese ausuben konnten, sei es auch als belehnte Vasallen oder
Vogte
.
[12]
Vor allem zur Verwaltung von Teilgebieten ihrer Territorien aber auch fur den Militardienst setzten der Konig, weltliche Adelige und die Kirche des Heiligen Romischen Reiches zunehmend
Ministeriale
, unfreie Dienstmannen, ein. Aus ihnen entwickelte sich der Kern der deutschen
Ritter
.
[11]
Doch bildeten die Ritter noch keine geschlossene Gruppe wie im Spatmittelalter.
Einige Kirchenreformer wollten die christliche Lehre mit Hilfe der Vernunft besser verstehen. So formulierte
Anselm von Canterbury
Gedanken, die die maßgebliche philosophische Richtung des Mittelalters, die
Scholastik
, begrundeten.
Ein Landstreifen, der vom Suden der Iberischen Halbinsel uber Nordafrika und den Nahen Osten bis nach Zentralasien reichte, wurde von Muslimen regiert. Zu Beginn des Jahrhunderts standen große Teile Nordafrikas unter der Herrschaft der Kalifen der
Fatimiden
-Dynastie. Diese hatte ihren Sitz im agyptischen Kairo, wahrend die Familie der
Ziriden
fur sie das westlich von Agypten gelegene
Ifr?qiya
regierte. Zur Mitte des Jahrhunderts veranderten drei Entwicklungen den Nordwesten des afrikanischen Kontinents. Zunachst sagten sich die Ziriden von den Fatimiden los und wechselten von der schiitischen zur sunnitischen Konfession. Danach zogen muslimische Nomaden, die arabischen
Ban? Hil?l
, von Oberagypten nach Nordwestafrika und verdrangten zahlreiche einheimische Berberstamme von den Hochebenen und flachen Kustenregionen in die Berge des
Maghrebs
. Mit der Einwanderung der Banu Hilal vergroßerte sich der arabische Bevolkerungsanteil in der Region erheblich. Die Nomaden zerstorten
Qairaw?n
, die wichtigste Stadt Nordwestafrikas, große Teile der Landwirtschaft und andere wirtschaftliche Ressourcen der Region. Dadurch wurde diese sowohl politisch als auch wirtschaftlich stark geschwacht. Diese Schwache half den
Almoraviden
, von der westlichen Sahara aus den Maghreb zu erobern. Von dieser Basis aus eroberten sie dann den Suden der Iberischen Halbinsel. Die Almoraviden propagierten einen dogmatisch rigiden sunnitischen Islam, den sie gewaltsam verbreiteten.
Die agyptischen Fatimiden beherrschten das machtigste muslimische Reich des 11. Jahrhunderts.
[13]
Am Anfang des Jahrhunderts umfasste es große Teile Nordafrikas, Palastinas und Syriens. Zeitweise unterstanden ihnen die
Scherifen
von Mekka und Medina, den heiligen Orten der Muslime. Der Verlust von Ifriqiya zur Jahrhundertmitte wurde durch den Gewinn der Herrschaft uber den Jemen mehr als ausgeglichen.
[14]
Die Fatimiden, schiitisch-ismailitische Kalifen, standen wahrend des gesamten Jahrhunderts in Gegnerschaft zu den sunnitischen
abbasidischen
Kalifen von Bagdad und den sie stutzenden weltlichen Dynastien der
Buyiden
und Seldschuken. An letztere verloren sie zum Ende des Jahrhunderts Teile Syriens.
Die wirtschaftliche Starke des Fatimiden-Reiches beruhte darauf, dass sowohl Agypten als auch der Jemen Drehkreuze des Seehandels mit Mittel- und Ostasien sowie Europa waren. Fur den Handel zwischen Europa und der muslimischen Welt waren die Handelsrouten zwischen den italienischen Seehandelsstadten und Agypten von zentraler Bedeutung. Produkte der produktiven Landwirtschaft und der hochwertigen Textilproduktion Agyptens waren international genauso gefragt, wie das dort geforderte Mineral
Alaune
.
[14]
Obwohl die Herrscher Agyptens dem schiitisch-ismailitischen Islam angehorten und stark fur diese Richtung des Islam warben, war die Mehrheit der Muslime Sunniten. Ferner stellten
koptische Christen
einen großen Anteil der Bevolkerung. Mit Ausnahme des ersten Viertels des Jahrhunderts, in dem die Herrscher Gewalt gegen Christen und Juden ausubten, war das Zusammenleben der Religionen weitgehend friedlich.
In Zentralasien traten zum Ende des 10. Jahrhunderts turkische Clans und Stamme, die bis zu diesem Zeitpunkt zum Islam konvertiert waren, das Erbe des persischen
Samaniden
-Reiches an. Der Beginn des 11. Jahrhunderts war durch die Eroberungen zweier bedeutender Herrscher-Dynastien gepragt, den
Karachaniden
und den
Ghaznawiden
. Letzte waren ehemalige Militarsklaven, die von
Ghazni
, einer Stadt im heutigen Ost-Afghanistan, ein großes Territorium eroberten. Auf dem Hohepunkt ihrer Macht in den 1030er Jahren reichte dies von Mittelpersien bis zur Stadt
Lahore
im heutigen Ost-Pakistan. Gestutzt auf ihre starke Armee fuhrten sie regelmaßig Beutezuge nach Nordindien bis in die Gangesebene durch. Durch die Niederlage gegen die Seldschuken in der
Schlacht von Dandanqan
im Jahre 1040 verloren sie ihr westliches Territorium konnten jedoch ihre Macht im heutigen Ost-Afghanistan und Pakistan weiterhin aufrechterhalten.
Die
Karachaniden
hatten gegen Ende des 10. Jahrhunderts ihr ursprungliches Herrschaftsgebiet, das vom Tarimbecken bis zum Fluss
Irtysch
reichte, nach
Transoxanien
ausgedehnt. Dieses Reich wurde in den Jahren 1042/43 in ein West- und ein Ostreich geteilt, wobei das Westreich dem Ostreich untergeordnet war. Im Jahr 1072 geriet insbesondere das Westreich unter die Oberhoheit der Seldschuken.
[15]
Die Karachaniden-Herrscher regierten in den folgenden Jahrzehnten als seldschukische Vasallen.
Die islamisch-turkischen
Seldschuken
begannen im Jahr 1040 mit ihrem Sieg uber die Ghaznawiden, die sie jahrelang bekampft hatten, ihren Siegeszug. Ausgehend von der Wuste
Karakum
zogen sie nach Westen und eroberten das Reich der
Buyiden
, die ein Gebiet von der Levante bis nach Ostpersien beherrschten. Der Sieg in der
Schlacht bei Manzikert
gegen Byzanz ermoglichte den Seldschuken, große Teile des byzantinischen Anatoliens dauerhaft zu besetzen. War das Reich auch von beachtlicher Große, so war es jedoch nur ein loser Verbund von Einheiten mit hoher Autonomie.
[16]
Nach dem Tod ihres Herrschers
Malik Schah I.
im Jahr 1092 zerfiel das Reich in verschiedene Regionalherrschaften.
[17]
Ihre Herrschaft ließen sie sich von den Kalifen in Bagdad legitimieren.
[17]
Dem Zerfall des Gesamtreiches der Seldschuken ab den 1090er Jahren leisteten die Institutionen des Militarlehens,
Iqta
, und der Prinzenerzieher,
Atabeg
, Vorschub. Beide Gruppen, die Lehnsempfanger und die Prinzenerzieher, konnten auf Basis der ihnen ubertragenden Herrschaftsrechte lokale Territorialherrschaften aufbauen.
Wahrend der Kalif, ahnlich wie bei den Buyiden, die oberste Instanz religioser Lehre war, ubten die Seldschuken die reale politische und militarische Herrschaft aus. Als
Sultane
sahen sie sich als weltliche Herrscher, die auch den Auftrag zur Durchsetzung des Islam hatten. Deshalb waren sie bemuht die sunnitische Richtung des Islam gegen die Schiitische durchzusetzen. Dazu etablierten sie in der islamischen Welt die Institution der
Madrasa
. Der Grundung einiger dieser theologischen Hochschulen durch die Sultane folgten zahlreiche private Grundungen durch Amtstrager des Reiches.
[18]
Die Forderung des sunnitischen Islams durch die Herrscher ließ jedoch Raum fur ein großtenteils friedliches Zusammenleben von Sunniten und Schiiten, war doch ihr gemeinsamer Feind der ismailitische Islam der fatimidischen Kalifen.
Die Seldschuken waren Nomaden, die in den eroberten Gebieten meist auf eine sesshafte Bevolkerung trafen. Die unterschiedlichen Lebens- und Wirtschaftsweisen waren eine standige Quelle von Konflikten zwischen den Bevolkerungsgruppen. Insbesondere in fur ihre nomadische Lebensweise geeigneten Regionen setzten sich die Turkvolker durch.
[17]
Die Verwaltung des Reiches, an deren Spitze ein
Wesir
stand, ließen die Herrscher von alten meist persischen Eliten durchfuhren. Die Seldschuken forderten die persische Kultur und Literatur. So erlebten persische Architektur, Kunsthandwerk und Literatur unter ihnen eine Blute.
Der indische Subkontinent wurde von Regionalreichen beherrscht. Das starkste unter ihnen war das sudindische Reich der
Chola
. Die Konige
Rajaraja I.
und
Rajendra I.
setzten den im 10. Jahrhundert begonnenen Expansionskurs fort und eroberten große Teile Sud- und Ostindiens, die Malediven und Sri-Lanka.
[19]
Auch Bengalen und das Gebiet des heutigen
Myanmar
gehorten zeitweise zum Einflussgebiet der Chola. Ziel der Chola war es, einen moglichst großen Anteil am maritimen Asienhandel zu bekommen. Dazu nutzten sie zum einen Diplomatie insbesondere mit China als auch die Macht ihrer Kriegsflotte, mit der sie in Sudostasien intervenierten.
Den Handel selbst betrieben machtige Handlergilden, die an der ostindischen Kuste aber auch in Sudostasien autonome Handelsplatze, Emporien, nutzten oder in großen Stadten Selbstverwaltungsorgane besaßen. Die Gilden beschaftigten eigene Handwerker und Soldnertruppen.
[19]
Das Chola-Reich wurde von
hinduistischen
Konigen regiert. Die von ihnen gebauten Tempel, wie der um das Jahr 1012 fertiggestellte
Brihadishvara-Tempel
in
Thanjavur
, wurden dazu benutzt die Herrschaft der Konige religios zu legitimieren.
[20]
Zu gleichen Zwecken wie bei den Chola entstanden auf dem Indischen Subkontinent im 11. Jahrhundert mehrere Reichstempel, die die Große bisheriger Tempel um ein Vielfaches uberschritten. Den Konigen kam jeweils eine zentrale Rolle im religiosen Ritus zu, der bis zur Gottessohnschaft gehen konnte.
[20]
Den Tempelbetrieb finanzierten die Tempel durch die Ertrage aus ihren großen Landereien. Die indischen Konige schenkten
Brahmanen
, Angehorigen der hochsten Priesterkaste, Landereien, siedelten sie damit gleichmaßig auf ihrem Herrschaftsgebiet an und sicherten somit ihre Macht gegenuber lokalen Kraften.
Im Gegensatz zum wohlhabenden Suden litten die nordindischen Gebiete unter den Uberfallen der Ghaznawiden. Bei ihren Raubzugen in der ersten Jahrhunderthalfte raubten sie große Mengen von Wertgegenstanden und zerstorten einen betrachtlichen Teil der Infrastruktur. Von diesen wirtschaftlichen Verlusten konnten sich die nordindischen Gebiete bis ins 12. Jahrhundert hinein nicht erholen.
Im 11. Jahrhundert war das von der
Song-Dynastie
regierte China in kultureller, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht das fuhrende Reich Ostasiens. Flachenmaßig wesentlich kleiner als das Reich der vorherigen
Tang-Dynastie
und das heutige China war es umringt von militarisch und politisch ebenburtigen Staaten. Der machtigste Nachbar war das von der
Liao-Dynastie
regierte Reich der
Kitan
. Im Jahr 1005 legten die Song einen 25-jahrigen Grenzkrieg mit ihren nordlichen Nachbarn bei. Als Preis fur den Frieden verpflichtete sich China zu regelmaßigen umfangreichen Tributzahlungen an die Kitan, was die chinesischen Kaiser fur sinnvoller hielten als die hoheren Kosten der Kriegsfuhrung. Zusatzlich zu den Tributen wurde die Liao-Dynastie als gleichwertig anerkannt und damit diplomatisch stark aufgewertet. Auch mit dem nordwestlich gelegenen
XiXia-Reich
beendete das chinesische Kaiserhaus einen jahrelangen Krieg durch einen im Jahr 1042 geschlossenen Friedensvertrag, der auch mit chinesischen Tributzahlungen an den Nachbarn verbunden war.
[21]
Ferner fuhrten die Chinesen mit ihren sudlichen Nachbarn einen jahrelangen Krieg ohne nachhaltige Erfolge fur beide Seiten.
Die Song-Kaiser bauten ihre Herrschaft auf einem hierarchischen Beamtenapparat auf, an dessen Spitze der Kaiser stand. Der Zugang zu den Beamtenposten erfolgte in bedeutendem Maße uber Prufungen.
[22]
Das Prufungssystem stand zwar fur die meisten Schichten offen, dennoch bekam der uberwiegende Teil der Kandidaten, der die
Beamtenprufung
bestand, eine starke finanzielle Forderung, die sich nur wohlhabende Familien leisten konnten. Die Beamten waren die Trager einer zentralistisch orientierten Staatsburokratie, die die heterogener werdende Gesellschaft zu kontrollieren versuchte. Dazu standen ihr durch Partizipation am wirtschaftlichen Aufschwung mehr Mittel zur Verfugung als in allen Jahrhunderten zuvor. Auf regionaler und lokaler Ebene jedoch waren die Mittel der kaiserlichen Beamten, auf die sie direkt Zugriff hatten, begrenzt. Hier waren die Beamten auf die Hilfe der lokalen Eliten, meist Großgrundbesitzer, angewiesen. Diese waren die Trager lokaler Infrastruktur, wie Schulen, Sozialeinrichtungen und der Kulturforderung. Die Großgrundbesitzer hatten aufgrund ihrer Besitzrechte auch einen großen Teil der exekutiven Gewalt uber ihre Pachter, deren Freiheit sie stark beschranken konnten.
Im Song-China des 11. Jahrhunderts herrschte Aufbruchsstimmung.
[23]
In diesem Zeitraum setzte sich das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahrhunderte fort. Dieser Prozess zeichnete sich durch eine betrachtliche Produktionssteigerung und Diversifizierung der Landwirtschaft aus, die durch das milde Klima der Zeit begunstigt wurde. Weitere Kennzeichen waren ein Anstieg der Bevolkerung, die Steigerung des Handels und die Entstehung und das Wachstum von Stadten.
80 % der Chinesen wohnten im Suden insbesondere im Delta des Flusses
Jangtsekiang
und den Kustenregionen. Der hier praktizierte Reisanbau konnte viermal so viele Menschen ernahren, wie der Getreideanbau des Nordens. Wie schon in den vergangenen Jahrhunderten war neben dem großeren Reservoir an Arbeitskraften der Einsatz neuer Techniken, wie die Perfektionierung des Nassfeldbaus, der Einsatz neuer Reissorten und das Aufbringen von Dunger, Triebkraft der landwirtschaftlichen Entwicklung.
[24]
Hinzu kamen der Einsatz von Pumpen sowie die Nutzung von Muhlen und Dreschmaschinen.
[25]
Diese Mittel ermoglichten, nicht nur den Ertrag bestehender Flachen zu steigern, sondern auch Flachen zu nutzen, die vorher nicht wirtschaftlich bebaubar waren. Zur Forderung der Wirtschaft wies die Song-Dynastie zusatzliche landwirtschaftliche Nutzflachen aus, verteilte die Steuerlast um und fuhrte Infrastrukturmaßnahmen, wie den Kanal- und Dammbau, durch.
[26]
Hohe landwirtschaftliche Uberschusse begunstigten eine Spezialisierung. Diese erforderte die Ausweitung des Handels und eine marktorientierte Wirtschaft entstand.
Die Waren- und Geldwirtschaft gewann an Bedeutung, was sich in der starken Ausweitung der Munzpragung niederschlug. Die jahrliche Emission Bronzemunzen, die sich in den 70er Jahren sogar vervierfachte, ging mit einer starken Ausweitung der Kupferproduktion einher. Neben Kupfer wurde durch den privat betriebenen Bergbau auch verstarkt Kohle gefordert. Diese wurde fur die Eisenproduktion in Hochofen benotigt, die mit Abstand die großte der damaligen Welt war.
[27]
In großerem Umfang wurden Metalle exportiert, zunehmend auch in der Form von Munzen. Neben Seide war Keramik ein bedeutendes Exportgut, das als Massengut zu einem erheblichen Teil nur fur diesen Zweck produziert wurde. Der Export war fur den Staat eine bedeutende Einnahmequelle, sowohl durch Außenhandelsmonopole als auch durch Zolle, die von freien Handlern entrichtet wurden.
[28]
Der vorher stark regulierte Außenhandel wurde im Jahr 1090 liberalisiert, was insbesondere chinesischen Handlern neue Moglichkeiten eroffnete. Auch der Binnenhandel, fur den der Transport auf Flussen und Kanalen eine zentrale Bedeutung hatte, nahm im Laufe des Jahrhunderts zu. Die staatliche Regulierung ab den 1070er Jahren wirkte belebend auf den Handel.
Eine bedeutende Schiffbauindustrie fertigte hochseetaugliche Schiffe fur den maritimen Export, die technisch weiter verbessert wurden. Chinesische Handler reisten auf ihren Schiffen bis nach Indien. Unterstutzt wurde die Seefahrt durch technische Entwicklungen wie den Kompass. Auch auf anderen Gebieten von Naturwissenschaft und Technik wurden erhebliche Fortschritte erzielt, so dass der Wissenstand in fast allen Bereichen deutlich großer war als der Europas zur selben Zeit. Wesentliche Triebkraft des Fortschritts war das Interesse der Eliten, eine immer komplexer werdende Gesellschaft staatlich zu lenken. Dabei wurde das Wissen aufgrund von Erfahrungen und Beobachtungen gewonnen. An der Entwicklung abstrakter wissenschaftlicher Theorien bestand jedoch kaum Interesse.
[29]
Das Bevolkerungswachstum und die effektivere und diversifizierte Wirtschaft fuhrten dazu, dass die Zahl und Große der Stadte wuchs. Die Chinesen waren im 11. Jahrhundert die am starksten urbanisierte Gesellschaft der Welt. So lag die großte Stadt der Welt, Kaifeng, deren Einwohnerzahl die Millionen uberstieg, in China. Die Struktur der Stadte war im Gegensatz zu den Stadten der Tang-Zeit offen, was eine uneingeschrankte Mobilitat zwischen den Stadtteilen zuließ. In ihnen gab es eine Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen bis hin zu Vergnugungsvierteln.
Trager der Kultur waren der kaiserliche Hof und lokale Eliten, meist Großgrundbesitzer. Sie forderten oft vielseitige Universalgenies, die in mehreren Gebieten von Kunst und Wissenschaft außergewohnliche Leistungen vollbrachten. In der Malerei waren einerseits idealisierte monumentale Landschaftsbilder popular. Andererseits gab es große Abbildungen von Alltagsszenen, die sehr detailgetreu und realistisch umgesetzt wurden.
Das einen Großteil der koreanischen Halbinsel beherrschende
Goryeo
konnte die Angriffe seines nordlichen Nachbarn
Kitan
, die dieser in der ersten Halfte des Jahrhunderts durchfuhrte, abwehren. Ab dem Jahr 1040 gewannen die traditionellen Clans wieder zunehmend Einfluss auf das Kaiserhaus.
[30]
Japan wurde de facto von der Familie
Fujiwara
regiert. Zwar waren die japanischen Kaiser die Oberhaupter des Landes, in der Realitat waren sie jedoch jeglicher Macht beraubt und mussten dulden, dass die Fujiwara fur sie regierten. Im Jahr 1087 dankte jedoch Kaiser
Shirakawa
zu Gunsten seines Sohnes ab und zog sich von Hof in ein buddhistisches Kloster zuruck. Dort schaffte er sich eine Machtbasis, die die Familie Fujiwara und den japanischen Hof schwachte. Er begrundete somit eine Tradition von Ex-Kaisern, die in Konkurrenz zum japanischen Hof standen. Sie verbundeten sich oft mit dem in den Provinzen ansassigen japanischen Kriegeradel, der seine Stellung in diesem Jahrhundert weiter ausbauen konnte.
Trotz der mit der Schwachung der Familie verbundenen Spannungen entstand das von einer Hofdame geschriebene Werk
Genji Monogatari
(Die Geschichte des Prinzen Genji)
, eines der wichtigsten Werke der japanischen Literatur. Am Hof und in Klostern wurde die chinesische Schrift zur japanischen Schrift weiterentwickelt.
Sudostasien gliederte sich in Großreiche auf dem Festland, von denen
Bagan
im Westen,
Angkor
, und
Champa
im Osten die wichtigsten waren, und maritime Reiche mit Schwerpunkt auf den Inseln, von denen das Reich
Srivijaya
das machtigste war.
Konig
Anawrahta
eroberte die Gebiete der
Mon
und beherrschte von
Bagan
aus ein Gebiet, das in großen Teilen dem des heutigen
Myanmar
entsprach. Sein buddhistischer Nachfolger setzte mit dem Bau des
Ananda-Tempel
in den 1090er Jahren einen umfangreichen Bauboom buddhistischer Bauwerke in dem Reich in Gang, der erst 200 Jahre spater enden sollte.
Die Khmer-Konige des benachbarten Angkor-Reiches fuhrten auch in diesem Jahrhundert ihre Tradition der Tempelbaupolitik fort. Diese sollte die Herrscher stutzen. Eine vorwiegend symbolische Funktion hatte auch die Errichtung des
Westlichen Baray
, eines ungefahr 17 km² großen Stausees. Die Landwirtschaft, die durch ein großes aufwendig gebautes System von Kanalen, Stauseen und Wasserlaufen bewassert wurde, schenkte dem Reich große Uberschusse. Ferner war Angkor uber Wasserstraßen mit der Kuste verbunden, was die Einbindung in den sudostasiatischen Seehandel ermoglichte. Gestutzt auf diese wirtschaftlichen Ressourcen dehnten die Khmer ihr Reich auf das Gebiet des heutigen Zentral- und Sudthailands aus.
[31]
- 1016
: Untergang des judischen
Chasarenreiches
am Nordufer des Kaspischen Meeres.
- 1023
: Mit einer erfolgreichen Flottenexpedition gegen das Reich
Srivijaya
etablierten sich die
Chola
als sudostasiatische Handelsmacht.
- 1087
: Der japanische Kaiser
Shirakawa
dankte zu Gunsten seines Sohnes ab. Danach begrundete er die Institution der Ex-Kaiser, die in Konkurrenz zum japanischen Hof stand.
- Papst
Gregor VII.
postulierte als erster Papst den Machtvorrang der Papste gegenuber den anderen geistlichen und weltlichen Gewalten.
- Kaiser
Heinrich IV.
kampfte im
Investiturstreit
mit dem Papst um die Vorrangstellung des Kaisers bei der Bischofsernennung.
- Konig
Wilhelm der Eroberer
, eroberte England und begrundete die feudale Herrschaftsordnung des englischen Mittelalters.
- Anselm von Canterbury
gilt als erster großer Scholastiker, der vorherrschenden philosophischen Richtung des Mittelalters.
- Kaiser
Basileios II.
fuhrte das mittelbyzantinische Reich zu seinem Machthohepunkt.
- Sultan
Tughrul Beg
leitete die Expansion des
Seldschuken
-Reiches
- Ibn Sina (
Avicenna
) war ein persischer Universalgelehrter, dessen
Kanon der Medizin
in den folgenden Jahrhunderten eine herausragende Stellung in der medizinischen Lehre und Praxis sowohl in der muslimischen Welt als auch im abendlandischen Europa hatte.
- Konig
Rajendra I.
trug maßgeblich zur Expansion des
Chola
-Reiches bei.
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