Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation fur die deutsche Sprache dar.
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, die Situation fur andere Sprachen zu schildern.
-ing
ist ein
althochdeutsch
-
germanisches
Suffix
. Es bezeichnet eine Zugehorigkeit zum
Denotat
des vorhergehenden Wortteils, der in der Regel ein
Personenname
ist. Das Suffix tragt damit die Bedeutung ?Kind(er), Nachkommen, Leute, Sippe [desjenigen, dessen Name im Vorderglied genannt wird]“. Mit dem Suffix
-ingen
versehene Worter hingegen konnen sowohl Personennamen als auch Ortsnamen sein.
Die hauptsachlichen Varianten lauten
-ang(en), -engo, -in(c)k, -ing(en/er), -ongen, -ung(e/en)
.
Das Suffix
-ing
geht zuruck auf ein
urgermanisches
Suffixkonglomerat
*-inga-
, dessen Ursprung in Ableitungen mit dem urgermanischen Suffix
*-ga-
(aus
uridg.
*-ko-
) von (zu thematischen Basiswortern gehorenden) individualisierenden
n
-Stammen ? wie sie in den haufigen althochdeutschen Kurznamen auf
-o
vorliegen ? liegt.
[1]
Daher wird z. B. ahd.
Menzinga
(Nominativ Plural) herkommlich als Ableitung zu einem Personennamen
Manzo
gedeutet und
?binga
(urkundlich belegt ist der Dativ Plural
Ubingun
) entsprechend zu
Ubo
, also ?die Leute des Manzo bzw. Ubo“.
Der Wortteil
-ing
, der in englischen Wortbildungen begegnet, wie etwa
Framing
,
Jogging
,
Stalking
,
Walking
etc., steht nicht im Zusammenhang mit dem deutschen Suffix
-ing,
sondern entstand aus einem Zusammenfall von Endungen, die deutschem
-ung
(
Substantivierung
) bzw.
-end
(Partizip Prasens) entsprechen.
[2]
Die wohl fruhesten Formen dienen zur Bezeichnung von Gruppenzugehorigkeiten mittels eines
Vornamens
, vermutlich des
Anfuhrers
oder
Altvorderen
der jeweiligen Gruppe. Wahrend diese Ableitung im Suden schon in
althochdeutscher
Zeit verschwindet, halt sie sich im Norden (
Niederlande
,
Friesland
,
Stammesherzogtum Sachsen
,
Mecklenburg
,
Pommern
) wesentlich langer. Sie erfullt hier die Funktion ?ist Sohn von“ als
Patronymikon
.
[3]
Beispiele:
Die Zugehorigkeit zu einer Familie kann ebenfalls damit bezeichnet werden, vor allem in der
Geschichtswissenschaft
vor der Entstehung von Nachnamen. Ein Zeugnis aus dem Bereich der
Mythologie
ist der Name der
Nibelungen
, der zudem als Teillinie der
Arnulfinger
, einer der Stammlinien der
Karolinger
, der Kinder und Kindeskinder
Karl Martells
, auftritt (ahnlich
Merowinger
).
Die Endung
-ing
oder
-ingen
ist ein haufiger Bestandteil deutscher
Ortsnamen
. Wie auch bei Familiennamen wird eine Zugehorigkeit ausgedruckt, in der Regel ist der vorhergehende Wortteil ein Ort oder eine Person. Im Althochdeutschen (vor etwa 1050) war die Endung
-inga
, in den allerfruhesten Schriftzeugnissen findet sich gelegentlich noch das
germanische
-ingas
(z. Bsp.
Unterfohring
, 750
Feringas
).
Der ortsanzeigende
Dativ
Plural
-ingen
(
altfrankisch
-ingan
) diente zunachst als Stellenbezeichnung, die dann auf einen eigentlichen Ortsnamen ubertragen werden kann. Haufig gehen auch diese Ortsnamen auf einen Personennamen zuruck und beziehen so die Siedlung auf einen lokalen Anfuhrer (z. B.
Mainflingen
< Mainolf). Daneben ist auch ein Bezug auf die geographischen Gegebenheiten der Siedlung moglich (z. B.
Gottingen
< altsachsisch
gota
?
Bach
‘).
Der Ortsnamentyp kommt in allen Gegenden vor, die von der
Volkerwanderung
bis ins
fruhe Mittelalter
(etwa 6.?9. Jahrhundert) germanisch besiedelt waren oder wurden.
[4]
Heimatkundler bringen die Endung gerne mit speziellen Phasen oder Gruppen in Verbindung, etwa der
frankischen Landnahme
oder auch ? gerade im Gegensatz zu frankischen Siedlungen ? mit den
Alamannen
. In Osterreich und
Altbayern
markieren die
-ing
-Namen explizit den Raum und die Zeit der sukzessiven
bajuwarischen Landnahme
in den seinerzeit
slawischen
Alpenraum vom 7. bis zum 9. Jahrhundert, wo sich an den Sudostrandern dann charakteristische Mosaikgebiete einer Mischbevolkerung ergeben. Extrem selten sind sie dagegen im Bereich der
hochmittelalterlichen
deutschen Ostsiedlung
(etwa
Graningen
im Havelland).
Durch
Lautverschiebungen
sind einige Abwandlungen mit der gleichen Bedeutung entstanden:
- Eine lautliche Variation ist
-ing
/
-inge
/
-ingen
oder auch verkurzt
-in
.
- Dabei findet sich
-ing
besonders in
England
(etwa
Reading
), in
Danemark
(
Kolding
,
Jelling
) sowie im bis ins 19. Jahrhundert mit Danemark verbundenen
Herzogtum Schleswig
(
Brekling
,
Gelting
,
Sankt Peter-Ording
,
Tonning
,
Weding
oder in zusammengesetzten Namen wie
Hollingstedt
,
Bollingstedt
). In Danemark finden sich -ing-Namen meist in Jutland, inge-Namen eher auf den Inseln
[5]
- Auch im
oberdeutschen Sprachraum
findet sich
-ing
. Ostlich des
Lechs
, im
bairischen Sprachgebiet
, wird geschrieben wie gesprochen
-ing
(z. B.
Tutzing
,
Haiming
,
Petting
,
Fugging
). Westlich des Lechs dagegen, im
schwabischen
Sprachgebiet lautet die Schriftform
-ingen
(schwabisch ausgesprochen
-enga
oder seltener
-ig
/
-eg
) und ist besonders haufig anzutreffen (z. B.
Esslingen
,
Tubingen
,
Uberlingen
,
Sigmaringen
).
- Im
Niederlandischen
und im
Niedersachsischen
(
Scheveningen
,
Groningen
,
Selsingen
) ist
-ingen
ebenfalls verbreitet.
- Auf den
Markischen Kreis
beschrankt ist die verkurzte Variante
-in
(
Reblin
,
Rarin
).
- Die Variante
-inge
findet sich z. B. bei
Blekinge
, einer schwedischen und bis ins 17. Jh. danischen Provinz.
[6]
sowie im heutigen Danemark wie z. B. der Ort und das Kirchspiel
Gevninge
auf der Insel
Seeland
.
- Auch in Frankreich finden sich Auspragungen, etwa im ehem.
Nord-Pas-de-Calais
mit der Endung
-ingue(s)
/
-inghe
(
Affringues
,
Wulverdinghe
), und in der
Franche-Comte
kommen zwischen Besancon und Dole konzentriert und gehauft Ortschaften mit der Endung
-ans
(Bathans,
Etalans
,
Foucherans
) vor; analog in der ehemaligen
Sapaudia
(
Savoie
)
-ans
/
-ens
, wo die Burgunder sich niedergelassen haben (Randans, Sermorens); in
Aquitanien
als
-ens
/
-eins
(
Escatalens
;
Tonneins
).
[7]
Seltener sind diese Endungen in den anderen Regionen Frankreichs.
- Ostlich von Genf tauchen Dorfer mit der Endung
-inge
und
-inges
auf wie beispielsweise
Puplinge
. Im burgundisch-alemannischen Mischbereich finden sich bei Biel und Freiburg im Uchtland (Fribourg) viele Orte auf
-ingen
, aber auch nordlich des Bieler Sees z. B. Macolin, offiziell auch und von der mehrheitlich deutschsprachigen Bevolkerung dort ?
Magglingen
“ genannt.
- Die Endung
-ange
in
Lothringen
,
Belgien
und
Luxemburg
ist haufig eine recht junge
Franzisierung
von
-ingen
; in Nord
frankreich
setzt dieses Ortsnamensuffix jedoch direkt die altfrankischen Formen fort.
- Sogar in Norditalien existierten Ortsnamen auf
-ingen
, gehauft zwischen Mailand und Turin beidseits des
Po
, die auf die
Langobarden
zuruckgehen und im Zug der langobardischen Integration ins Italienische italianisiert auf
-engo
enden (vgl. den Ortsteil
Marengo (Alessandria)
in Piemont). Dagegen heißen die bis 1920 osterreichischen Sudtiroler Gemeinden auf
-ing
wie z. B.
Hafling
und
Marling
, die ihre Namen nicht den Langobarden, sondern bairischen Siedlern verdanken, erst durch die Italianisierung der Namen in Sudtirol nach dem Ersten Weltkrieg auf italienisch Avelengo und Marlengo.
- Eine weitere Grundvariante ist
-ung(en)
, das vor allem in
Thuringen
, der
Rhon
, am
Harz
und in
Hessen
gelaufig ist.
[8]
- Die Endung
-ing(en)
ist mitunter zu
-en
verschliffen worden oder ganz entfallen (vgl.
Walsrode
<
[Walenis] Roding
). Sie erscheint außerdem in verschiedenen Verbindungen:
- mit
-heim
als
-igheim
(
Bietigheim
,
Besigheim
in Sudwestdeutschland) sowie als
-inghem
und
-inghen
/
-enghien
in
Nord-Pas-de-Calais
(
Tatinghem
,
Echinghen
) und
Flandern
(wo flamisch noch gesprochen wird)
-igem
/
-egem
bzw. mit
altenglisch
-h?m
als
-ingham
(
Birmingham
,
Nottingham
,
Bellingham
) in England;
- mit
-hofen
/-hoven
als
-inghoven
zwischen Eder und Lippe (
Sauerland
), in der
deutschsprachigen Schweiz
als
-ikon
(<
-ighofen
/
-inghoven
)
[6]
, sowie gelegentlich in Sudwestdeutschland (
Inzigkofen
);
- mit
-haus
als
-inghausen
(
Recklinghausen
), spater manchmal zu
-iehausen
oder
-i(n)gsen
verkurzt (
Denkiehausen
,
Lendringsen
,
Varrigsen
), haufig im
altsachsischen
Sprachgebiet nordlich und westlich der
Leine
;
- mit einem
Rodungsnamen
als
-i(n)(g)erode
(
Harlingerode
,
Wernigerode
,
Bentierode
), vor allem am
Harz
und im
Eichsfeld
;
- mit dem Suffix
-bostel
fur eine Bauernstelle (
Bad Fallingbostel
,
Bendingbostel
);
- in England mit
-town
fur umfriedete Siedlung als
-ington
(
Islington
,
Kensington
,
Wilmington
) und auch in
Boulonnais
(Frankreich) als
-ingthun
(Terlincthun,
Verlincthun
,
Baincthun
).
- Im
Nordgermanischen
haben sich Fugungen wie
-kobing
(danische Ortsnamenendung),
-koping
(schwedische Endung) und
Kaupang
(norwegischer Ortsname, alle von
altnordisch
kaupa
?kaufen“, also etwa ?
Marktflecken
“), etabliert.
Es gibt eine Fulle von heutigen Namen auf
-ing
, die sich nicht sinnvoll auf eine Bildung zu einem Personennamen oder anderem Toponym ruckfuhren lassen, und die nicht auf fruhmittelalterliche Hofgrundungen zuruckgehen. Diese werden unechte
-ing
-Namen genannt und sind ihrer Herkunft wie auch dem Alter nach haufig unklar. Teilweise handelt es sich um eine spatere Umwandlung anderer Namensendungen, die an die verbreitete Endung
-ing
angeglichen wurden. Manche werden auf Adjektive mit dem Suffix
-ic
oder
-ig
zuruckgefuhrt. Andere entstanden aus der Zugehorigkeitsbezeichnung
-ar(e)n/-er(e)n
zu einer Flur oder Tatigkeit (
Fisching
in der Steiermark von
Uissern, Viscaern
?bei den Fischern‘
[9]
). Sie konnten sogar Eindeutschungen slawischen oder noch alteren Namensguts sein (etwa zum Ortssuffix
-i?e
, so vielleicht
Faning
in Karnten, vgl. slow. Bani?e zu awarisch
ban
?Furst‘
[10]
). In die letztere Gruppe fallen auch die haufigen Flussnamen auf
-ing
, die etwa zur slawischen Gewassernamensendung
-ika
[10]
und ahnlichem zu stellen sind; hierbei sind die gleichlautenden
-ing
-Siedlungsnamen gewohnlich von den Gewassernamen abgeleitet (
Liesing, Wien
aus
*l?sьnika
,Waldbach‘;
Koßing
in der
Oberpfalz
aus
kozina
?Ziegenbach‘), denen spater manchmal noch ein
tautologisch
verdeutlichendes
-bach
angehangt wurde (z. B.
Lassing und Lassingbach
).
- ↑
Stefan Schaffner
:
Altenglisch
nif(e)l
, althochdeutsch
firnibulit
, altislandisch
nifl-
, altfriesisch
niuen
und die Etymologie des Nibelungen-Namens
. In:
Die Sprache
.
Band
40
,
Nr.
1
.
Harrassowitz Verlag
, Wiesbaden 1998,
S.
43?71
(
fau.de
[PDF]).
(siehe S. 60?62)
- ↑
Online Etymology Dictionary s.v.
-ing
- ↑
Konrad Kunze
:
dtv-Atlas Namenkunde.
S. 79.
- ↑
Jurgen Schrader:
Der Flecken Calvorde. Eine 1200-jahrige Geschichte.
Verlag Die Werkstatt, Gottingen 2011, S. 70.
- ↑
Den Store Danske: -inge
- ↑
a
b
Konrad Kunze:
dtv-Atlas Namenkunde.
S. 91.
- ↑
Charles Rostaing
,
Les noms de lieux
, collection
Que sais-je ?
, Presse universitaire de France, 1945 (neuer Verlag 1985), Paris, S. 64?65.
- ↑
B. Lex:
Ortsnamen der Thuringischen Landeschronik (Codex Gothanus Chart. B 180).
Magisterarbeit, Jena 2001.
- ↑
Otto Michael Schinko:
Von Achner bis Zugtal. Berg-, Gewasser-, Haus-, Ried- und Siedlungsnamen im oberen Murtal
. disserta Verlag, Hamburg 2015, S. 33 (
online
).
- ↑
a
b
H. D. Pohl:
Slawische und slowenische (alpenslawische) Ortsnamen in Osterreich
(Webartikel, Ubersicht).