Die
Uberschussreserve
ist im
Bankwesen
dasjenige
Zentralbankgeld
, um welches das Zentralbankgeldguthaben einer
Geschaftsbank
ihre sich aus der
Mindestreserveverpflichtung
ergebende und bei der
Zentralbank
gehaltene Mindestreserve (Reserve-Soll) ubersteigt.
Geschaftsbanken mussen bei ihrer Zentralbank Mindestreserven unterhalten. Das sind gesetzliche Pflichtguthaben, deren Hohe sich aus den bei Geschaftsbanken angelegten
Sicht-
,
Termin-
,
Spareinlagen
und bestimmten
Sparbriefen
errechnet. Unterhalt eine Geschaftsbank bei der Zentralbank ein uber diese Mindestreserve hinausgehendes Guthaben, so heißt der Unterschiedsbetrag Uberschussreserve.
[1]
Es handelt sich um frei verfugbares Zentralbankgeld der Geschaftsbanken bei ihrer Zentralbank, das uber die nicht frei verfugbare Mindestreserve hinausgeht.
[2]
Das Zentralbankgeld setzt sich mithin aus Mindestreserve und Uberschussreserve zusammen und wird auch als
Liquiditatsreserve
bezeichnet.
[3]
Eine Uberschussreserve entsteht, wenn bei einer Geschaftsbank insbesondere durch
Gutschriften
oder
Bareinzahlungen
von
Nichtbanken
eine
Sichteinlage
gebildet und diese als Zentralbankgeld bei der Zentralbank angelegt wird:
Sichteinlage
von
Nichtbanken
1000
Geldeinheiten
-
Mindestreserve
hierauf (1 %) 10
Geldeinheiten
= Uberschussreserve 990
Geldeinheiten
Formal ergibt sich die Uberschussreserve
durch Gegenuberstellung des gesetzlich erforderlichen Mindestreserve-Solls
mit dem Mindestreserve-Ist
:
, wobei
.
Dabei wird vorausgesetzt, dass das Mindestreserve-Ist mindestens uber dem Mindestreserve-Soll liegt. Diese Uberschussreserve kann als uberschussiges und frei verfugbares Zentralbankgeld bei der Zentralbank verbleiben, in
Wertpapieren
(
Aktien
,
Anleihen
,
Geldmarktpapieren
) angelegt oder im
Kreditgeschaft
als
Kredite
ausgeliehen werden. Ein großer Teil dieser Kredite erscheint im
Bankensystem
erneut als Sichteinlage, so dass sich ein multipler Prozess der
Giralgeldschopfung
ergibt, in dessen Mittelpunkt der
Geldschopfungsmultiplikator
steht.
Die Uberschussreserve
ist Ausgangspunkt fur die Berechnung der
volkswirtschaftlichen Kennzahl
des Geldschopfungsmultiplikators
, bei dem die
Bargeldquote
und der Mindestreservesatz
als limitierende Faktoren zu berucksichtigen sind:
[4]
.
Das zusatzlich geschaffene Giralgeld
entstand aus einer Bareinzahlung oder Gutschrift als erster Uberschussreserve
bei einer Geschaftsbank. Diese Uberschussreserve ist die Hauptquelle fur die Geldschopfung und den Geldschopfungsmultiplikator.
[5]
Verwendet ein Kreditnehmer die Kredite ausschließlich fur
bargeldlose Zahlungen
, wird der Multiplikator optimiert, weil die Bargeldquote
ist.
[6]
Die mechanisch wirkende Formel unterstellt unter anderem, dass das zusatzlich geschaffene Giralgeld stets als
Kreditangebot
auf den
Kreditmarkt
gelangt, wo es durch die
Kreditnachfrage
vollstandig absorbiert und dadurch in einem sich wiederholenden Prozess erneut zu Sichteinlagen wird. Tatsachlich aber kann das zusatzlich geschaffene Giralgeld beispielsweise bei einer
Kreditklemme
oder bei der
Anschaffung
von
Wertpapieren
durch Kreditinstitute nicht zu einer Erhohung des Kreditangebots fuhren.
Historisch interessante Dokumentation zur
Entwicklung der Bankenliquiditat
:
Deutsche Bundesbank
, Monatsbericht Juni 1973, S. 18 zu damals
restriktiver Geldpolitik
via Minderung der
freien Liquiditatsreserven
(Lf)
- Allgemeines
Die
Liquiditatstheorie
betont die Bankenliquiditat als die entscheidende Ursache fur die Kreditschopfung des
Bankensystems
und die Vermehrung der
Geldmenge
durch den Geldschopfungsmultiplikator.
[7]
Die Liquiditatstheorie sagt etwas uber die Uberschussreserven aus, indem sie betont, dass Kreditinstitute aus Grunden der
Rentabilitat
? wenn uberhaupt ? nur eine sehr geringe Uberschussreserve halten und deshalb vielmehr potenzielle Liquiditatsreserven (Geldmarktpapiere oder freie
Hauptrefinanzierungsinstrumente
bei der Zentralbank) bevorzugen, mit deren Hilfe sich die Geschaftsbanken jederzeit Zentralbankgeld beschaffen konnen.
[8]
- Primarliquiditat, Sekundarliquiditat, Liquiditatssaldo
Als
Primarliquiditat
werden in der
Bankbetriebslehre
liquide Mittel
auf der
Aktivseite
der
Bankbilanz
bezeichnet. Als
Sekundarliquiditat
gelten Vermogenspositionen (ebenso auf der Aktivseite der Bankbilanz), die im Bedarfsfalle jederzeit bei der jeweiligen Zentralbank gegen Zentralbankgeld
getauscht
werden konnen.
[9]
Diese
Bilanzpositionen
in der jeweiligen Bankbilanz gelten dann als
refinanzierungs-
[10]
bzw.
notenbankfahig
.
Hans E. Buschgen
schreibt zum
Liquiditatssaldo
: ?Der Mangel des traditionellen Kreditschopfungsmodells, von einer Uberschussreserve an Zentralbankgeld auszugehen, wird in dem Liquiditatssaldokonzept dadurch aufgehoben, dass neben dem aktuellen Zentralbankgeld auch potentielles Zentralbankgeld als Bestimmungsfaktor fur das Kreditangebot der Banken einbezogen wird, da fur die Liquiditatssituation der Banken nicht der Stand ihres aktuellen Zentralbankgeldes (praktisch = Mindestreserve) entscheidend ist, sondern die Fahigkeit, durch Auflosung freier Liquiditatsreserven (= potentielles Zentralbankgeld) Verluste an Zentralbankgeld auszugleichen, also insbesondere Zentralbankgeldabflusse wieder aufzufullen, die im Zuge einer Kreditexpansion eintreten. Die hier bedeutsame Große ist der ?Liquiditatssaldo‘ (LS)“.
[11]
Die Festsetzung der Kriterien der
Refinanzierungsfahigkeit
von (unterschiedlichen) Geldmarktpapieren obliegt der jeweiligen Zentralbank
[12]
und stellt insofern ein expansives/kontraktives Instrument innerhalb der
Geldpolitik
dar.
Bilanzverlangerung
und
Bilanzverkurzung
bei Kreditgewahrung aus einzelwirtschaftlicher Perspektive
Wertminderungen
von Vermogenspositionen verschlechtern außerdem die
Liquiditatsquote
des jeweiligen Kreditinstitutes
Die Summe aus Uberschussreserve und Sekundarliquiditat bildet die
freie Liquiditatsreserve
(Lf) der jeweiligen Geschaftsbank und diese stellt nach
Claus Kohler
den maximalen
Kreditschopfungsspielraum
fur ein
einzelnes
Kreditinstitut dar
[13]
[14]
[15]
unter Voraussetzung der Erfullung der
Eigenkapitalanforderungen
nach
Basel III
fur die Kreditinstitute der
EU-Mitgliedstaaten
.
Eine Kreditvergabe mit beispielsweise geringem
Ausfallrisiko
, sofern als exzellente
Bonitat
von
Ratingagenturen
mit
AAA
bewertet, so etwa auch einige
Staatsanleihen
, kann große Teile der Aktivseite der Bankbilanz erfassen. ?Der Bankkreditbegriff hat in diesem Zusammenhang einen weiteren Inhalt. Er umfasst nicht allein kurzfristige Wechsel- und Kontokorrentkredite, sondern auch die langfristigen Ausleihungen und Anlagen jeder Art in den Bankbilanzen, soweit ihnen Depositen und nicht aus der
Emission
von Wertpapieren entstandene Verpflichtungen der Banken gegenuberstehen. In diesem Sinne zahlen also zu den Bankkrediten auch die auf der Aktivseite der Bankbilanz aufgefuhrten
Hypotheken
und
Wertpapiere
, im besonderen
Pfandbriefe
,
Industrie-
und
Kommunalobligationen
, Staatsanleihen und
Aktien
. Es ist zwar nicht ublich, Wertpapiere in das Bankkreditvolumen mit einzuordnen, aber sofern sie sich im Besitz des Banksystems befinden, lasst ihr wirtschaftlicher Charakter eine solche Interpretation zu.“
[16]
[17]
Diese Positionen gelten als
sekundarliquide Mittel
(bzw.
potenzielles Zentralbankgeld
) der sie haltenden Geschaftsbank, ?... denn
Bundesanleihen
sind wie alle anderen Staatsanleihen notenbankfahig“.
[18]
Der
Liquiditatsgrad
einer einzelnen Geschaftsbank, also die Hohe der
freien Liquiditatsreserve
in Relation zu ihren Verbindlichkeiten (
Passivseite
) wird durch die
Liquiditatsquote
ausgedruckt.
[19]
- Freie Liquiditatsreserve
Als
Sekundarliquiditat
werden Vermogenspositionen auf der
Aktivseite
der
Bankbilanz
bezeichnet, die im Bedarfsfalle jederzeit bei der jeweiligen Zentralbank gegen
Primarliquiditat
(Zentralbankgeld) getauscht oder verpfandet werden konnen.
[20]
Diese
Vermogenswerte
mussen zwecks
Monetarisierung
Notenbankfahigkeit
besitzen. Die Summe aus Uberschussreserve
und Sekundarliquiditat
bildet die
freie Liquiditatsreserve
der jeweiligen Geschaftsbank, und diese stellt den maximalen
Kreditschopfungsspielraum
fur eine einzelne Bank dar.
[21]
.
Uberschussreserve, Sekundarreserve und Geldschopfung stehen deshalb in einem funktionalen Zusammenhang zueinander.
[22]
Der
Liquiditatsgrad
einer Geschaftsbank, also die Hohe der freien Liquiditatsreserve
in Relation zu den innerhalb von 30 Tagen falligen
Verbindlichkeiten
aus dem
Passivgeschaft
, wird durch die
Liquiditatsdeckungsquote
ausgedruckt:
[23]
.
Das
Liquiditatsrisiko
eines Kreditinstituts nimmt ab, je mehr freie Liquiditatsreserve und je weniger auszuzahlende Verbindlichkeiten es hat. Die Uberschussreserve hat deshalb auch Folgen fur die Bankenliquiditat.
Die Liquiditatsreserven gehoren in der
Bilanzanalyse
zu der Primarliquiditat und sind in der
Geldtheorie
eine wichtige Große fur die
Geldpolitik
der Zentralbanken, weil die Geschaftsbanken mit der Uberschussreserve einen Geldschopfungsprozess einleiten und in Gang halten, der erst zum Stillstand kommen kann, wenn die anfangs vorhandenen Reserven vollstandig durch Barauszahlung und zusatzliche Mindestreserven aufgezehrt werden.
[24]
Solange die Uberschussreserven im
Gironetz
der Kreditinstitute als Buchgeld verbleiben, gibt es Geldschopfungspotenziale.
[25]
Da das
Zahlungsverhalten
der Nichtbanken fur Zentralbanken und Geschaftsbanken einen unbeeinflussbaren
Datenparameter
darstellt, konnen die Zentralbanken die Geldmenge unmittelbar lediglich uber die Mindestreserven steuern.
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