Unter dem
Osterreichisch-Ungarischen Ausgleich
versteht man die verfassungsrechtlichen Vereinbarungen, durch die das
Kaisertum Osterreich
in die
Doppelmonarchie Osterreich-Ungarn
umgewandelt wurde.
Nach der Niederlage im
Deutschen Krieg
von 1866 war Kaiser
Franz Joseph I.
gezwungen, die
Nationalitatenfrage
im
Vielvolkerstaat
zu losen. Die offenkundige Beschrankung der inneren
Autonomie
in den
Landern der ungarischen Krone
, wie sie nach der Niederschlagung der
ungarischen Revolution
und des Freiheitskrieges von 1848/49
absolutistisch
festgelegt wurde, konnte wegen des passiven Widerstandes der fuhrenden
magyarischen
Schichten gegen den
Einheitsstaat
nicht mehr aufrechterhalten werden.
Deshalb traten 1866 die
k.k.
Regierung und der ungarische Landtag zu Verhandlungen zusammen. Diese fuhrten im Februar 1867 zur Wiederherstellung des
ungarischen Reichstages
von 1848 (statt eines Landtages), zur Bildung des konstitutionellen ungarischen Ministeriums (einer koniglich-ungarischen Regierung) und am 8. Juni 1867 zur Kronung Franz Josephs I. in
Budapest
. Die Lander der ungarischen Krone (?Lander der heiligen ungarischen Stephanskrone“) waren nun von Osterreich innenpolitisch unabhangig; vor allem bei Außenpolitik und Militar hatte der Monarch aber auf einer
Realunion
zwischen Osterreich (juristisch und politisch dort oft
Cisleithanien
genannt) und Ungarn (
Transleithanien
) bestanden; ihre Einrichtungen wurden als
k.u.k.
bezeichnet.
51 Jahre spater wurde diese
Realunion
wenige Tage vor dem Ende des
Ersten Weltkriegs
per 31. Oktober 1918 mit Zustimmung von Konig
Karl IV.
, gleichzeitig Kaiser Karl I. von Osterreich, von der ungarischen Regierung aufgekundigt. Der Monarch stand nur mehr in
Personalunion
an der Spitze von Osterreich und Ungarn.
Die Notlage der Monarchie nach dem
Italienischen Krieg
von 1859 zwang die kaiserliche Regierung in Wien zur Nachgiebigkeit: Nachdem
Erzherzog Albrecht
als
Generalgouverneur
durch den Ungarn
Benedek
ersetzt worden war, wurde mit dem
Oktoberdiplom
des Monarchen am 20. Oktober 1860 die alte Verfassung Ungarns vor 1848 im Wesentlichen wiederhergestellt und der Landtag zur Beratung eines neuen Wahlgesetzes berufen, das die Vertretung aller Stande ermoglichen sollte. Die ungarische Hofkanzlei, die
Komitatsverwaltung
, die ungarische Justiz mit der
Curia regia
und dem
Judex curiae
in
Pest
, das Amt des
Tavernicus
und die
ungarische Sprache
als Amtssprache wurden wiederhergestellt. Die auswartigen Beamten mussten das Feld raumen, die von Wien vorgegebenen Gesetze wurden fur aufgehoben erklart.
Diese Zugestandnisse wurden von den fuhrenden Schichten der
Magyaren
aber nur als Abschlagszahlung angenommen; als Preis der Versohnung forderten sie die vollige Wiederherstellung des alten Rechtszustandes mit Einschluss der Gesetze von 1848 und eine Amnestie fur alle, die sich den kaiserlichen Wunschen nicht gebeugt hatten. Im Februar 1861 berief die
k.k.
Regierung gleichzeitig mit der Verkundung einer
neuen Verfassung fur den Gesamtstaat
den Landtag nach dem Wahlgesetz von 1848 ein; dieser wurde am 6. April eroffnet. Das Unterhaus, in dem der Schwerpunkt der Verhandlungen lag, spaltete sich in zwei Parteien, die
Adresspartei
unter
Ferenc Deak
, die den Standpunkt der Nation der
Februarverfassung
gegenuber in einer Adresse an den Monarchen darlegen und damit den Weg von Verhandlungen betreten wollte, und die
Beschlusspartei
unter
Kalman Tisza
, die die Rechtsgultigkeit der 1848er Gesetze durch einfachen Beschluss erklaren wollte. Nach langen Debatten siegte am 5. Juni die Adresspartei mit 155 gegen 152 Stimmen, aber ihre Forderung, den osterreichischen Einfluss auf Ungarn auf eine
Personalunion
mit Osterreich zu reduzieren, wurde am 8. Juli 1861 vom Kaiser mit der Forderung der vorherigen Revision der 1848er Gesetze beantwortet.
Als der ungarische Landtag darauf in einer zweiten Adresse die
Pragmatische Sanktion
und die Gesetze von 1848 als die allein annehmbare Grundlage bezeichnete, die Kronung Franz Josephs von der Wiedervereinigung der
Nebenlander
mit Ungarn abhangig machte, die Beschickung des Reichsrats in Wien ablehnte und gegen jeden Beschluss desselben protestierte, brach die Wiener Regierung alle weiteren Verhandlungen ab. ?Osterreich kann warten“, erklarte Staatsminister
Anton von Schmerling
in der Hoffnung, dass Ungarn sich schließlich der Februarverfassung fugen werde. Bis dahin wurde, nachdem der Landtag am 21. August 1861 aufgelost worden war, wieder absolutistisch regiert. Gleichzeitig versuchte man die offentliche Meinung durch eine Amnestie der politischen Strafgefangenen und Fluchtlinge sowie durch eine Spende von 20 Mio.
Gulden
zur Linderung einer entsetzlichen Hungersnot (1863) zu gewinnen. Aber schon 1865 wurde in
Wien
das Regierungssystem wieder geandert: Vom liberalen Zentralismus Schmerlings ging man zum altkonservativen Foderalismus
Belcredis
uber.
Nach einem neuen Besuch Kaiser
Franz Josephs
in
Pest
wurden die Fuhrer der altkonservativen Partei in
Ungarn
, Graf
Mailath
und Baron
Sennyey
, an die Spitze der ungarischen Regierung gestellt. Am 14. Dezember 1865 wurde der ungarische Landtag von neuem eroffnet. Die Thronrede versprach die Wiederherstellung der Integritat der ungarischen Krone, erkannte die Rechtskontinuitat und die formelle Gultigkeit der Gesetze von 1848 an, forderte aber deren Revision vor der Einfuhrung. Die Verhandlungen hieruber und uber die Feststellung der gemeinsamen Angelegenheiten der Gesamtmonarchie waren noch nicht zum Abschluss gediehen, als wegen des
Osterreichisch-Preußischen Krieges
der Landtag am 26. Juni 1866 geschlossen wurde.
In dem Streit, der nach dem
Frieden von Prag
in Osterreich uber die Neugestaltung des Reiches ausbrach, nahmen die Ungarn unter Fuhrung von
Ferenc Deak
von Anfang an eine klare, bestimmte Stellung ein und erreichten dadurch die meisten ihrer Ziele. Um der Auflosung der Monarchie in funf Konigreiche und der Herrschaft der
Slawen
vorzubeugen, entschied sich Ministerprasident
Friedrich Ferdinand von Beust
mit Zustimmung der Deutschliberalen fur den
Dualismus
, fur die Teilung des bisherigen
Kaisertums Osterreich
in eine westliche Halfte, wo die
Deutschen
, und eine ostliche Halfte, wo die
Magyaren
das Ubergewicht haben sollten. Von Beust verstandigte sich in personlichen Verhandlungen mit den Fuhrern der Deakpartei uber die Bedingungen des Ausgleichs zwischen Osterreich und Ungarn.
Am 17. Februar 1867 wurde Graf
Gyula Andrassy
von Franz Joseph I. zum ungarischen Ministerprasidenten berufen. Dem Reichstag, wie der Landtag nun wieder hieß, wurde am 18. Februar 1867 die Wiederherstellung der Verfassung von 1848, fur welche nur wenige Modifikationen ausbedungen wurden, angezeigt. Zwei Tage spater bildete Graf Andrassy seine Regierung.
Siebenburgen
und das
Banat
wurden wieder mit Ungarn vereinigt. Am 27. Februar 1867 wurde der
ungarische Reichstag
wiederhergestellt. Am 15. Marz leistete Graf Andrassy mit seiner Regierung in
Ofen
Konig
Franz Joseph I.
den Treueeid.
Zugleich traten die Regelungen des osterreichisch-ungarischen Ausgleichs de facto in Kraft; de jure wurden sie in Ungarn (nach der feierlichen Kronung Franz Josephs I. am 8. Juni) mit Gesetzesartikel XII vom 12. Juni 1867 und in Osterreich als inoffiziell
Delegationsgesetz
genannter Teil der
Dezemberverfassung
vom 21. Dezember 1867 publiziert (
Gesetz uber die allen Landern der osterreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung
).
Gemeinsame Ministerien, Delegationen, Zentralbehorden
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Die Verhandlungen zwischen dem osterreichischen Ministerprasidenten Friedrich von Beust und den ungarischen Politikern Ferenc Deak und Gyula Andrassy erbrachten, dass Ungarn innenpolitisch praktisch unabhangig wurde. Neben der Person des Monarchen, der zugleich Konig von Ungarn und Kaiser von Osterreich war, blieben nur das
k.u.k. Außenministerium
, das
Kriegsministerium
sowie das
Reichsfinanzministerium
(dieses lediglich zur Finanzierung von Außenpolitik,
Heer
und
Kriegsmarine
) gemeinsame
(pragmatische)
Angelegenheiten. Erster k.u.k. Außenminister wurde Friedrich Ferdinand von Beust (1867?1871), ihm folgte Graf Gyula Andrassy (1871?1879) nach.
→
Siehe auch:
Vorsitzende des Ministerrats fur gemeinsame Angelegenheiten
Ungarn legte Wert darauf, dass die drei gemeinsamen Ministerien nicht als ihm ubergeordnete Regierung erschienen. Nach Beust trug daher niemand mehr den Titel Reichskanzler; nach 1900 wurde der Begriff Reich auch aus der Bezeichnung von Kriegsministerium und gemeinsamem Finanzministerium weggelassen. Diese Veranderungen wurden nicht gesetzlich festgelegt, sondern sind den Ernennungsschreiben des Monarchen fur die Minister zu entnehmen.
Den drei gemeinsamen Ministerien ? ?
kaiserlich und koniglich
“ (k.u.k.) ? standen als Volksvertretung die jahrlich tagenden
Delegationen
gegenuber, getrennte Ausschusse des
osterreichischen Reichsrates
und des ungarischen Reichstages, die von beiden Hausern des jeweiligen Parlaments beschickt wurden. Die nach osterreichischem und nach ungarischem Gesetz zu ubereinstimmenden Beschlussen ermachtigten Delegationen waren mit je 60 Mitgliedern gleich groß, tagten zur gleichen Zeit in derselben Stadt (abwechselnd in Wien und Budapest), aber getrennt voneinander. Ein gemeinsamer Beschluss kam nur zu Stande, wenn die Vorlage in jeder der beiden Delegationen mit Mehrheit angenommen wurde. Das Uberstimmen der Mehrheit einer Delegation durch eine Minderheit, die mit der Mehrheit der anderen Delegation stimmte, ware zwar im Notfall gemaß
Delegationsgesetz
in gemeinsamer Plenarsitzung moglich gewesen, wurde aber aus politischen Grunden de facto ausgeschlossen. Die Beschlusse der Delegationen waren zu ihrer Verbindlichkeit vom Monarchen zu sanktionieren (= genehmigen).
Weitere gemeinsame Zentralbehorden waren:
[1]
Fur die gemeinsamen Angelegenheiten wurden durch zwei Deputationen (ebenfalls Ausschusse der beiden Parlamente, aber nur je 15 Personen) eine Kostenaufteilung zwischen Cis- und Transleithanien festgelegt, die alle zehn Jahre zu revidieren war. Ab 1867 waren das fur Ungarn 30 Prozent der Gesamtkosten. Diese Quote wurde bei den Ausgleichsverhandlungen 1888 auf 31,4 Prozent und 1907 auf 36,4 Prozent erhoht.
[2]
1917 konnte man sich uber Anderungen nicht mehr einigen.
Der
Ministerrat fur gemeinsame Angelegenheiten
war das Gremium, in dem die drei gemeinsamen Minister mit den Ministerprasidenten beider Reichshalften die Außen- und Verteidigungspolitik der Gesamtmonarchie abstimmten. Seit 1869 nahmen neben dem
k.u.k. Außenminister
als Vorsitzendem sowie dem
Kriegs
- und dem
gemeinsamen Finanzminister
auch der
osterreichische und der ungarische Ministerprasident
stimmberechtigt teil,
[3]
bei Bedarf auch Minister aus beiden Reichshalften und Fachbeamte. Meistens war auch der
Generalstabschef
anwesend, der das Recht besaß, dem Monarchen direkt vorzutragen. Der Monarch selbst war nach seinem Ermessen anwesend.
Nur der erste Vorsitzende des gemeinsamen Ministerrats,
Friedrich Ferdinand von Beust
, trug den Titel
Reichskanzler
, den Wunschen des Kaisers und altosterreichischer Spitzenpolitiker entsprechend; spater waren die Ungarn an der Vermeidung des Reichsbegriffs fur gemeinsame Angelegenheiten interessiert. Der Wirkungskreis des gemeinsamen Ministerrats beschrankte sich auf
Außenpolitik
und Kriegswesen sowie
beider Finanzierung
sowie auf
staatsrechtliche Prinzipien
und die Mitwirkung an den alle zehn Jahre stattfindenden Verhandlungen zwischen Osterreich und Ungarn zur Adaptierung der Ausgleichsregelungen.
[4]
Da der gemeinsame Ministerrat nur den Teil der Regierungsgeschafte wahrzunehmen hatte, den der Monarch als seine
Prarogative
betrachtete, kann man ihn nicht als Regierung Osterreich-Ungarns bezeichnen. Er war vor allem das hochste beratende Organ des Monarchen, Hauptfunktion war die mundliche Aussprache.
[5]
Im spateren Verlaufe des
Ersten Weltkriegs
verlor der gemeinsame Ministerrat an Bedeutung: Kaiser
Karls I./IV.
Machtbereich und Machtbefugnisse wurden immer mehr auf die Person des Außenministers und seiner ?Clique“ transponiert.
[6]
Alle anderen Ressorts gab es getrennt: in Osterreich ?
kaiserlich-koniglich
“ (k.k.), in Ungarn ?koniglich ungarisch“ (k. oder k.u.). Jede Reichshalfte hatte ihren eigenen Ministerprasidenten. Die innere Verfassung der osterreichischen (
Cisleithanien
) und die der ungarischen Reichshalfte (
Transleithanien
) unterschieden sich in der Folge deutlich, unter anderem war das Wahlrecht unterschiedlich geregelt. Man einigte sich jedoch auf eine Handels- und Zollunion
(dualistische Angelegenheiten)
sowie die gegenseitige automatische Anerkennung von Patenten und ahnlichen Rechten und behielt die
Gulden
-, spater die
Kronenwahrung
gemeinsam (
Oesterreichisch-ungarische Bank
).
Mit allem Pomp fruherer Jahrhunderte erfolgte am 8. Juni 1867 in der
Matthiaskirche
von
Buda
(vorher deutsch als
Ofen
bezeichnet, spater rechtsufriger Teil von
Budapest
) die feierliche Kronung des Konigs und der Konigin
Elisabeth
, die sich in besonderer Weise fur den Ausgleich eingesetzt haben soll. Das Konigspaar erhielt anlasslich der Kronung vom ungarischen Staat
Schloss Godoll?
zur personlichen Disposition. Damit war die Versohnung der Magyaren mit der Dynastie besiegelt. Die heimgekehrten Fluchtlinge schlossen sich ehrlich der neuen Ordnung der Dinge an. Das Volk bestatigte bei jeder Gelegenheit seine
Loyalitat
, und der Reichstag, in welchem die gemaßigte Deakpartei zunachst noch die entschiedene Mehrheit hatte, nahm 1868 bereitwilligst das Wehrgesetz in der Fassung der Regierung an. Nicht nur das stehende Heer, sondern vorerst auch die
Landwehr
wurde in der
Gemeinsamen Armee
unter den Befehl des
Reichskriegsministeriums
gestellt, die letztere jedoch als
Honvedarmee
unter dem Kommando von
Erzherzog Joseph
besonders organisiert.
Die anderen Bevolkerungsgruppen der Monarchie profitierten vom osterreichisch-ungarischen Ausgleich nicht; nur Ungarn war nun als eigenstandiger Staat anerkannt. Die osterreichische Reichshalfte grenzte im Norden (
Bukowina
,
Galizien
), Westen (
Mahren
,
Osterreich unter der Enns
,
Steiermark
) und Sudwesten (
Krain
,
Dalmatien
) an die ungarische (mit
Kroatien
, der
Freien Stadt Fiume
und
Siebenburgen
). Da an der Grenze zwischen den beiden Kernlandern Osterreich und Ungarn die
Leitha
floss (heute verlauft die Grenze weiter ostlich), sprach man aus der Sicht Wiens bald von
Cisleithanien
(lat. cis = diesseits) und
Transleithanien
(lat. trans = jenseits).
Die Regelung von Nationalitatenfragen war nun den Regierungen in Wien und Budapest in eigener Verantwortung uberlassen (?Nehmt ihr eure Horden, wir nehmen unsere“). Dies fuhrte zu Spannungen, vor allem mit den in beiden Reichshalften siedelnden
Slawen
. Die beiden Regierungen hatten dazu ganz unterschiedliche Konzepte: War Cisleithanien offiziell ein Vielvolkerstaat, so hatten die fuhrenden Kopfe in Transleithanien nun die Absicht, die nicht-magyarische Halfte der Einwohnerschaft in wenigen Jahrzehnten zu
magyarisieren
. Topografische Namen, das ungarische Schulsystem und das Wahlsystem zum Reichstag in Budapest wurden nun darauf abgestimmt.
Kroatien
, das wie in der
Revolution 1848
loyal zu den Habsburgern gestanden war, wurde ein separater Ausgleich mit Ungarn versprochen, der letztlich am 20. September 1868 zustande kam. Kroatiens Erwartungen wurden dabei nicht erfullt. Es konnte zwar einen
Sub-Dualismus
innerhalb Ungarns erreichen
(
Ungarisch-Kroatischer Ausgleich
)
, war in allen wichtigen Angelegenheiten aber von der Regierung in
Budapest
abhangig.
Das Bewusstsein des durch Ausdauer und Klugheit errungenen politischen Siegs trieb die Magyaren an, den freiheitlichen Ausbau des Staates moglichst rasch zu vollenden. Die politische Gleichstellung der
Juden
wurde am 20. Dezember 1867 im
Parlament
ohne nennenswerte Opposition angenommen. Des Weiteren folgten Bestimmungen uber die fakultative
Zivilehe
, ein Volksschulgesetz u. a. Das Nationalitatengesetz vom 29. November 1868 bestimmte, dass alle Bewohner Ungarns die einheitliche und unteilbare ungarische Nation bilden, die ungarische Sprache Staatssprache sein sollte. Das Ubergewicht der Magyaren, die etwa 50 % der Bevolkerung stellten, bei den Wahlen wurde durch Verteilung der Wahlbezirke und des Stimmrechts aufrechterhalten. Die Verkehrserschließung durch die
Ungarische Staatsbahn
sollte die materielle Entwicklung des Landes fordern.
Eines der außeren Symbole des Ausgleichs war der jahrliche mehrwochige Aufenthalt des Kaisers und Konigs Franz Joseph I. in
Buda
(spater
Budapest
). Als Konig von Ungarn residierte er auf der
Budaer Burg
und nahm in dieser Zeit ? in ungarischer Sprache und in eine ungarische Uniform gekleidet ? mit den Ministern des Konigreiches Ungarn und dem koniglichen ungarischen Reichstag seine ungarischen Amter wahr. Seine Gattin, Kaiserin und Konigin
Elisabeth
(ungar.
Erzsebet kiralyne
), verkehrte oft in der ungarischen Hocharistokratie und hielt sich gern in
Schloss Godoll?
bei Budapest auf, das dem Konigspaar vom ungarischen Staat zur Verfugung gestellt worden war.
Auch der letzte Monarch der Donaumonarchie, Kaiser
Karl I.
, wurde 1916 als Karl IV. in Budapest feierlich zum Konig von Ungarn gekront. Nach seinem Ruckzug aus den Staatsgeschaften am 13. November 1918 verhinderte
Reichsverweser
Miklos Horthy
1921 zwei Versuche Karls IV., die Staatsgeschafte wieder zu ubernehmen. Ungarn blieb bis 1944 ein Konigreich ohne Konig.
Die ungarische Regierung kundigte mit Genehmigung durch Konig Karl IV. (von Ungarn) Mitte Oktober 1918 den Ausgleich auf. Formell außer Kraft trat er am 31. Oktober 1918. Damit war die Tatigkeit der Delegationen ebenso obsolet geworden wie dadurch, dass Cis- und Transleithanien ab Ende Oktober zerfielen. Praktisch war der Ausgleich zu diesem Zeitpunkt durch das in den Tagen zuvor erfolgte Ausscheiden
Bohmens
,
Mahrens
,
Galiziens
, der
Untersteiermark
,
Krains
, des
Kustenlandes
und
Dalmatiens
aus dem osterreichischen Staatsverband und
Kroatiens
aus dem ungarischen Staatsverband bereits obsolet geworden.
Gemeinsame Einrichtungen wie der Ministerrat blieben noch formell bis 2. November 1918 in Kraft.
- Graf Julius Andrassy:
Ungarns Ausgleich mit Osterreich vom Jahre 1867
. Leipzig 1897.
- Der osterreichisch-ungarische Ausgleich von 1867
, herausgegeben vom Forschungsinstitut fur den Donauraum, 1967.
- Der osterreichisch-ungarische Ausgleich von 1867
, Buchreihe der
Sudostdeutschen Historischen Kommission
20, 1968.
- Gordon C. Craig:
Geschichte Europas 1815?1980. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart
. Munchen, 1995 (S. 174?176).
- Historisches Geschehen im Spiegel der Gegenwart, Osterreich-Ungarn 1867?1967
, Institut fur Osterreichkunde, 1970.
- Anton Vantuch, L?udovit Holotik (Hrsg.):
Der Osterreichisch-Ungarische Ausgleich 1867 : Materialien (Referate und Diskussion) der internationalen Konferenz in Bratislava 28.8.-1.9.1967
. Verlag der Slowakischen Akademie der Wissenschaften, 1971.
- Gerhard Seewann
:
Ausgleich, osterreichisch-ungarischer
. In: Konrad Clewing,
Holm Sundhaussen
(Hrsg.):
Lexikon zur Geschichte Sudosteuropas
. Bohlau, Wien u. a. 2016,
ISBN 978-3-205-78667-2
,
S.
99?101
.
Originaldokumente:
- ↑
Bertrand Michael Buchmann:
Hof, Regierung, Stadtverwaltung: Wien als Sitz der osterreichischen Zentralverwaltung von den Anfangen bis zum Untergang der Monarchie
(= Reihe Osterreich Archiv:
Schriftenreihe des Arbeitskreises fur Osterreichische Geschichte
). Oldenbourg Verlag, 2002,
ISBN 978-348656541-6
, S. 127 (
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Gunther Kronenbitter:
?Krieg im Frieden“. Die Fuhrung der k.u.k. Armee und die Großmachtpolitik Osterreich-Ungarns 1906?1914.
Verlag Oldenbourg, Munchen 2003,
ISBN 3-486-56700-4
, S. 150.
- ↑
Ludwig von Flotow
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November 1918 auf dem Ballhausplatz
, bearbeitet von Erwin Matsch, Bohlau-Verlag, Graz 1982,
ISBN 3-205-07190-5
, S. 385, Anm. 75
- ↑
Miklos Komjathy (Hrsg.):
Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Osterreichisch-Ungarischen Monarchie (1914?1918)
. Budapest 1966, S. 82ff.
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Jozsef Galantai:
Die Außenpolitik Osterreich-Ungarns und die herrschenden Klassen Ungarns
. In:
Osterreich-Ungarn in der Weltpolitik 1900 bis 1918
. Berlin/DDR 1965, S. 255?266, hier: S. 266.
- ↑
Miklos Komjathy (Hrsg.):
Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Osterreichisch-Ungarischen Monarchie (1914?1918)
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