Etienne Pasquier

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Etienne Pasquier.
Portrat von Thomas de Leu .

Etienne Pasquier (* 7. Juni 1529 in Paris ; † 30. August 1615 ebenda) war ein franzosischer Jurist und Literat.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Pasquier entstammte dem gebildeten Pariser Burgertum und studierte Jura in Paris und Toulouse sowie in Bologna und Pavia , wo er neben seiner juristischen auch seine humanistische Bildung vervollkommnete und sich mit der seinerzeit als vorbildhaft geltenden italienischen Literatur beschaftigte. Hier aber auch, im gerade zwischen Frankreich und Deutschland/Spanien umkampften Norditalien, wurde er sich seiner Identitat als Franzose bewusst.

1549 zuruck in Paris, erhielt er die Zulassung als Anwalt am Obersten Pariser Gericht, dem Parlement . Neben seiner offenbar nicht absorbierenden Tatigkeit als Jurist verkehrte er mit Autoren der Dichtergruppe La Pleiade , u. a.  Pierre de Ronsard und Joachim du Bellay , und publizierte diverse kleinere Texte, in denen er haufig das idealistische, von italienischen Humanisten vertretene neuplatonische Liebesideal hinterfragt, dem er eine in Frankreich verbreitete nuchternere Sicht entgegensetzt.

Vor allem aber verfolgte Pasquier das Thema Frankreich, genauer das des Werdens und der Identitat der franzosischen Nation. Deren Wurzeln sah er nicht, wie bis dahin ublich, bei den Romern oder den Franken oder gar dem legendaren Trojaner Francus , sondern bei den keltischen Galliern . Sein Hauptziel war der Nachweis einer geradezu exemplarischen konstitutionellen und kulturellen Eigenstandigkeit Frankreichs, die schon bei den Galliern angelegt gewesen, nach dem Intermezzo der Romerzeit wiederbelebt und dann von Konigen, intellektueller Elite und Volk kontinuierlich weiterentwickelt worden sei (siehe auch Keltenideologie ). Diese durchaus nationalistische Zuge tragenden Vorstellungen legte er dar in der geschichtsphilosophischen Schrift Recherches de la France (1560) (deutsch ?Forschungen uber Frankreich“), mit der er zugleich die Idee propagierte, dass die Belange der in Jahrhunderten organisch gewachsenen Nation Vorrang hatten vor den wechselnden Partikularinteressen und insbesondere vor der religios motivierten Parteilichkeit, mit der Katholiken und Protestanten das Land spalteten und sogar fremde Machte in ihren Konflikt hineinzogen.

Mit seiner Idee vom Vorrang des Interesses der Nation war Pasquier einer der ersten ?politiques“, jener bald wachsenden Zahl uberkonfessionell denkender Intellektueller und politischer Kopfe, die angesichts der 1562 ausgebrochenen Religionskriege Frankreich zu befrieden versuchten, dies allerdings erst 1598 unter dem vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierten neuen Konig Heinrich IV. schafften.

1564 machte Pasquier von sich reden durch ein fulminantes Pladoyer fur die traditionsreiche, so typisch franzosische Pariser Universitat, die Sorbonne , und gegen die ultramontan orientierten Jesuiten , die gerade das neuartige College de Clermont gegrundet hatten. Mit seiner Schelte der quasi unpatriotischen Jesuiten hatte er ein Thema gefunden, das ihn immer wieder beschaftigen sollte, z. B. 1602 mit dem sarkastischen Catechisme des Jesuites , dem spater Blaise Pascal manche Anregung fur seine Lettres provinciales (1656?1657) entnahm.

1585 wurde Pasquier (sicherlich auch dank dem Erfolg seiner Recherches ) Generalstaatsanwalt am koniglichen Rechnungshof, was er zwei Jahrzehnte lang blieb. Auch dieser Posten absorbierte ihn sichtlich nicht vollig, denn neben diversen kleineren, haufig polemischen Texten publizierte er ab 1586 viele Bande literarischer Briefe, die mit denen des Romers Plinius oder des Italieners Claudio Tolomei rivalisieren sollten.

Von 1588 bis 1594 war Pasquier Abgeordneter der Stadt Paris bei der intermittierend tagenden Versammlung der Generalstande in Blois . Er war mit dem Essayisten und Philosophen Michel de Montaigne befreundet. [1] [2]

Mit seinem Werdegang war er ein typischer Vertreter des neuen Amtsadels, der Noblesse de robe , d. h. einer aus der koniglichen Justiz- und Verwaltungselite samt ihren Familien bestehenden Schicht zwischen dem hoheren Burgertum und dem alteren Adel, der Noblesse d’epee .

Recherches de la France. (1596)

Fur die Zeitgenossen und die Nachwelt war er vor allem der Autor der Recherches , die nach der ersten Auflage 1560 nochmals 1565, 1596, 1607 (sowie postum 1621ff) in uberarbeiteten und um neue Kapitel erweiterten Versionen erschienen.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Sarah Bakewell: Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten. C. H. Beck, Munchen 2012, ISBN 978-3-406-63969-2 , S. 96
  2. Edoardo Costadura: Der Edelmann am Schreibpult: Zum Selbstverstandnis aristokratischer Literaten zwischen Renaissance und Revolution. Niemeyer, Tubingen 2006, ISBN 3-484-55046-5 , S. 31