Athiopistik

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Athiopistik ist die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit Sprachen und Kulturen sowie der Geschichte Athiopiens und Eritreas befasst. Sie ist ein Teilbereich der Orientalistik .

Entstehung des Faches

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Historisch gesehen hat sich die Athiopistik aus der klassischen Orientalistik entwickelt, die sich mit dem christlichen Orient und semitischen Sprachen befasste. Im Mittelpunkt der Forschung standen die antike christliche Kultur und die Literatur, die vor allem auf Altathiopisch verfasst war ? der einzigen Literatursprache des Landes bis zum fruhen 19. Jh. und heutigen Sprache der Liturgie ( Athiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche ). Die klassische Athiopistik war deswegen insbesondere im 19. Jahrhundert eine reine Philologie ( Textkritik ) des Altathiopischen, auf den entsprechenden Sprachforschungen basierend, verbunden mit der Geschichte der Region, wie sie aus altathiopischen Quellen erschließbar war. [1]

Mit der Entwicklung schriftlicher Kultur in anderen Sprachen und der verstarkten Konzentration auf Feldforschung, und damit auch nicht-schriftliche Aspekte der Kulturen, erweiterten sich die Grenzen der Athiopistik. Allerdings hatte auch Hiob Ludolf , der Begrunder der Athiopistik, bereits im 17. Jahrhundert eine umfassende Darstellung aller Kulturen, Volker und verschiedenen Staatswesen in der athiopischen Region versucht. Dieses umfassende kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm wurde erst wieder im spaten 20. Jahrhundert durch die Ethnologie (darunter Ulrich Braukamper in Gottingen) und die klassische Athiopistik in Hamburg aufgenommen. [2]

Forschungsgegenstand Sprachen

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Insgesamt werden in Athiopien und Eritrea uber 70 Sprachen gesprochen. Die wichtigsten darunter sind:

Athiopistik als Querschnittfach

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Heute ist die Athiopistik ein Querschnittfach aus Philologie , Sprachwissenschaft , Geschichte , Theologie , Archaologie , Ethnologie und Politik .

Als Wissenschaftsdisziplin verfugte die Athiopistik im Bereich der so genannten ?Orientwissenschaften“, anders als beispielsweise die Iranistik oder die Islamwissenschaft, lange Zeit nicht uber ein umfassendes fachbezogenes Nachschlagewerk. Diesem seit Jahrzehnten zunehmenden akademischen Bedurfnis folgend, hat sich Siegbert Uhlig mit seinem Mitarbeiterstab in Zusammenarbeit mit einem internationalen Expertengremium zur Aufgabe gemacht, die auf funf Bande veranschlagte Encyclopaedia Aethiopica zusammenzustellen. [3] 2014 wurde das Enzyklopadieprojekt abgeschlossen.

Den einzigen eigenstandige Lehrstuhl fur Athiopistik an einer deutschen Universitat gibt es in Hamburg. Dort gehort das Arbeitsgebiet Athiopistik zur Abteilung fur Afrikanistik und Athiopistik des Asien-Afrika-Instituts [4] , obwohl die wissenschaftliche Methodik im Vergleich zur Afrikanistik sehr unterschiedlich ist. Athiopistische Spezialisierungen bieten außerdem an der Freien Universitat Berlin das Seminar fur Semitistik und Arabistik [5] sowie der Arbeitsbereich Historische Geographie des antiken Mittelmeerraumes ( Klaus Geus ) am Friedrich-Meinecke-Institut an. [6]

Die Geschichte deutsch-athiopischer Beziehungen setzt im spaten Mittelalter ein mit den Studien deutscher Theologen uber das ferne christliche Reich. Schon Athanasius Kircher hatte die Altathiopische Sprache erlernt. Als Begrunder gilt allgemein Hiob Ludolf .

In Europa gelten heute als Zentren der Athiopistik die Universitat Hamburg, die Freie Universitat Berlin und die Universita di Napoli L’Orientale (dort als Teil des Lehrbereichs fur Orient- und Afrikastudien). Eine umfassende Sprachausbildung, die die alle oben genannten Sprachen beinhaltet, also Altathiopisch , Amharisch , Tigrinya , Tigre , Arabisch und Oromo , war 2009 an der Freien Universitat Berlin moglich. [7] Heute ist die Universitat Hamburg die einzige Universitat außerhalb Afrikas, an der regelmaßig mehrere athiopische und eritreische Sprachen gelehrt werden. [8]

An der Universitat Hamburg ist das Hiob Ludolf Zentrum fur Athiopistik (HLZ; fruher: Forschungsstelle Athiopistik) angesiedelt. [9] Ebenso befinden sich dort die Redaktionen der Encyclopaedia Aethiopica , [10] der Zeitschrift Aethiopica (International Journal for Ethiopian and Eritrean Studies) [11] und die der Reihe Athiopistische Forschungen . [12]

Weitere fortlaufende Publikationen zur Athiopistik sind: Journal of Ethiopian Studies , [13] Rassegna di Studi Etiopici , [14] Quaderni di studi Etiopici [15] und die Northeast African Studies [16] .

Bedeutende Wissenschaftler, die zur Athiopistik beigetragen haben, sind unter anderen der Theologe und Orientalist August Dillmann (1823?1894, Neubegrunder der Athiopistik in Deutschland), der Orientalist und Archaologe Joseph Halevy (1827?1917), der Philologe Enno Littmann (1875?1958), der Orientalist und Semitist Eugen Mittwoch (1876?1942), der Linguist Marcel Cohen (1884?1974), der italienische Diplomat und zeitweilige Kolonialbeamte Enrico Cerulli (1898?1988), der Semitist und Linguist Wolf Leslau (1906?2006), der Semitist und Historiker Edward Ullendorff (1920?2011), der Archaologe Neville Chittick (1924?1984), der Anthropologe und Linguist Harold C. Fleming (1926?2015), Richard Pankhurst (1927?2017), der Theologe und Orientalist Ernst Hammerschmidt (1928?1993), der Soziologe Donald N. Levine (1931?2015) sowie der Linguist Lionel Bender (1934?2008).

Athiopistische Tagungen

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Nachdem vom 22. bis 24. Juli 2000 die Internationale Athiopische Tagung in Berlin stattfand, [2] folgten die 15. Internationale Konferenz der Athiopistik ( 15th International Conference of Ethiopian Studies ) vom 21. bis 25. Juli 2003 in Hamburg [17] und am 7. bis 8. Februar 2008 ein Internationaler Workshop zur Geschichte und Sprache der Tigre-Sprecher ( International Workshop "History and Language of Tigre-Speaking People (Eritrea and Sudan)) in Neapel. [18]

Vom 1. bis 4. April 2009 wurde die bereits III. Internationale Enno Littmann Konferenz mit dem Thema ?Tigre, Aksum and more“ in Berlin ausgetragen. [19]

Am 12./13. Juni 2009 fuhrte der Arbeitskreis Athiopistik um Rainer Voigt an der Freien Universitat Berlin das I. Internationale Forschungskolloquium zum Horn von Afrika durch. [20] Neben den 7 Referenten des Arbeitskreises Athiopistik sowie drei dem Arbeitskreis affiliierten Referenten aus Berlin, referierten aus dem internationalen athiopistischen Fachkreis auch sieben renommierte Wissenschaftler aus Israel, Italien und Deutschland. Das interdisziplinar ausgerichtete Kolloquium beschaftigte sich mit linguistischen Aspekten der athiosemitischen und kuschitischen Sprachen (12. Juni) sowie zu Kultur, Gesellschaft und Recht Athiopiens (13. Juni). Insgesamt beteiligten sich ca. 30 ?ethiopisants“ an den Diskussionen.

Ein weiteres Zusammentreffen des internationalen Fachkreises ? das II. Internationale Forschungskolloquium zum Horn von Afrika ? mit dem Ziel die jeweils eigene Forschung vorzustellen und mit Kollegen zu diskutieren, fand am 18./19. Dezember 2009 in Berlin nach der XVIIth International Conference of Ethiopian Studies in Addis Abeba (November 2009) statt. [21]

Das III. Internationale Forschungskolloquium zum Horn von Afrika wurde am 20./21. August 2010 an der Freien Universitat Berlin ausgetragen. [22]

Ebenfalls an der Freien Universitat Berlin wurde vom 22. bis 24. Juli 2010 das internationale einschlagige Symposium zur semitohamitischen Forschung ?5000 Jahre semitohamitische Sprachen in Asien und Afrika / 5000 Years Semitohamitic Languages in Asia and Africa“ von Rainer Voigt durchgefuhrt. [23] [24]

Einzelnachweise

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  1. Ausfuhrlicher: Ernst Hammerschmidt: Athiopistik an deutschen Universitaten . Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 1968, S. 1?3.
  2. a b Rainer Voigt (Hrsg.): Die athiopischen Studien im 20. Jahrhundert. Akten der Internationalen Athiopischen Tagung, Berlin 22. bis 24. Juli 2000 (Ethiopian Studies in the 20th Century). Shaker, Aachen 2003, ISBN 3-8322-2269-3 .
  3. Hatem Elliesie: Der zweite Band der Encyclopaedia Aethiopica im Vergleich. In: Orientalistische Literaturzeitung. Band 102, Heft 4?5, Berlin 2007, S. 397?407. ISSN   0030-5383
  4. Asien-Afrika-Institut, Hamburg
  5. Seminar fur Semitistik und Arabistik ? Kurzportrait. Freie Universitat Berlin, abgerufen am 4. Juli 2023.
  6. Arbeitsbereich Univ.-Prof. Dr. Klaus Geus, Friedrich-Meinecke-Institut. Freie Universitat Berlin, abgerufen am 4. Juli 2023.
  7. Asfa-Wossen Asserate : Haberland und die ?Frankfurter Schule“ der Afrikanistik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung . Mittwoch, 15. Juli 2009, Nr. 161, Seite N3.
  8. Studienangebot Athiopistik an der Universitat Hamburg
  9. Hiob Ludolf Centre for Ethiopian and Eritrean Studies
  10. Website der Encyclopaedia Aethiopica
  11. Website der Zeitschrift Aethiopica ( Memento vom 2. Januar 2014 im Internet Archive ) ISSN   1430-1938
  12. Website der Reihe Aethiopistische Forschungen ISSN   0170-3196
  13. Journal of Ethiopian Studies. ISSN   0304-2243
  14. Rassegna di Studi Etiopici. ZDB -ID 300675-x , ISSN   0390-0096
  15. Quaderni di studi Etiopici . ZDB -ID 13424-7
  16. Northeast African Studies. ISSN   0740-9133
  17. Siegbert Uhlig (Hrsg.): Proceedings of the XVth International Conference of Ethiopian Studies, Hamburg, July 20 - 25, 2003. (= Aethiopistische Forschungen. Band 65). Harrassowitz, Wiesbaden 2006, ISBN 3-447-04799-2 .
  18. Maria Bulakh: February 7-8, 2008 in Naples - International Workshop "History and Language of Tigre-Speaking People (Eritrea and Sudan). In: Aethiopica. 11, Wiesbaden 2008, S. 301f. http://www1.unihamburg.de/AETHIOPICA/Conference reports/2008/Conferences - History and Language of the Tigre-Speaking Peoples in Naples (Bulakh).pdf (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)
  19. http://www1.uni-hamburg.de/AETHIOPICA/Conference reports/2009/3 IntLittConf Berlin (Hatem Elliesie - Breyer) (2011 01 12).pdf (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)
  20. http://www1.uni-hamburg.de/AETHIOPICA/Conference reports/2009/1 IntForschKoll Berlin (Hatem Elliesie - Guss) (2011 01 12).pdf (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)
  21. http://www1.uni-hamburg.de/AETHIOPICA/Conference reports/2009/2 IntForschKoll Berlin (Hever - Wetter) (2011 01 12).pdf (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)
  22. http://www1.uni-hamburg.de/AETHIOPICA/Conference reports/2010/3 IntForschKoll Berlin (Bulakh - Dege) (2011 01 14).pdf (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)
  23. Ankundigung ( Memento vom 25. August 2010 im Internet Archive ) (deutsch).
  24. http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/semiarab/semitistik/Tagungen/Vostok11-1Belova.pdf Anna G. Belova: ''5000 ЛЕТ СЕМИТО-ХАМИТСКИХ ЯЗЫКОВ АЗИИ И АФРИКИ.'' In: ''Vostok (Oriens).'' 2011, Nr. 1, S. 137?142. (Link nicht abrufbar, kein Archivlink auffindbar am 6. Marz 2023)