A la zingara

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Vorbereitung Zigeunerschnitzel

Mit a la zingara (franzosisch; von zingaro (zingara) , italienisch fur ? zigeunerisch “; a la kuchensprachlich ), nach Zigeunerart (fruher auch nach Zigeunerinnen-Art [1] ), gypsy style oder Tzigane [2] [3] wird eine seit dem 19. Jahrhundert gebrauchliche Garnitur der klassischen Kuche bei der Zubereitung von Speisen bezeichnet. Wie bei anderen kuchensprachlich tradierten Garnituren werden dabei nicht nur Beilage oder Sauce eines Gerichtes, sondern auch die Art der Zubereitung eingegrenzt wie auch die Namensgebung vorgegeben.

Die tatsachliche kulinarische Tradition [4] der Sinti und Roma ist damit nicht abgebildet. [5]

Zubereitung nach klassischem Rezept

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Die Garnitur wird bei der Zubereitung von Gerichten aus geschmortem oder gebratenem Kalbfleisch und Geflugel verwendet. Typische Fleischsorten sind Kalbskotelett , Kalbshirn und Rinderfilet . [6] Dafur wird eine tomatierte Demiglace mit Estragon gewurzt und mit in Butter angeschwitzten Julienne (Streifen) von gepokelter Zunge , gekochtem Schinken , Champignons und Truffeln vermischt. Das Fleisch kann darin gegart oder damit als Beilage oder Sauce serviert werden. [7] Eine weitere Variante verwendet daneben auch Gemusepaprika , Zwiebel und Salzgurke . [2]

Fur die Geflugelkraftbruhe Zigeunerart verwendet man unterschiedlich gefarbten Eierstich . [2]

Die Garnitur kann ebenso bei weiteren Fleischgerichte mit Bezug zum Begriff ?Zigeuner“ verwandt werden, wie Zigeunergulasch , Zigeunerbraten und Zigeunerschnitzel . Ein anderes, ebenso von der Garnitur abgeleitetes Gericht ist die Zigeunersauce ( Sauce zingara ), [8] bei der Paprikaschoten verwendet werden. Diese ist bereits 1903 in Auguste Escoffiers Guide culinaire als Zigeunersauce ( Cote de veau Zingara oder Zingara sauce [9] ) belegt.

Sangerin in der Opernrolle der spanischen Zigeunerin Carmen 1884

In der klassischen Variante gehorten Gerichte a la zingara bereits im 19. Jahrhundert zur gehobenen Restaurant- und Hotelkuche. Sie ist bereits in The Modern Cook von 1858 und im Deutsch-amerikanischen illustrierten Kochbuch von 1888 enthalten. [10] [11]

Anna von Kuhlmann-Redwitz’ Tafelfreuden von 1910 fuhrt a la Zingara im Deutschen aber auf Art (spanischer) Zigeuner an, die bunte Dekoration mit Scheibchen von roter Zunge und Truffel verweise danach auf die Tracht von Zigeunermadchen, [12] wie sie mit der Oper Carmen popular wurden. Entsprechende Fleischgerichte wu rden ebenso der Regionalkuche der Donaumonarchie zugeschrieben. [13] Beim Ende des 19. Jh. bzw. Anfang des 20. Jh. entstandenen Ungarn-Stereotyp werden Csardas , ?Zigeuner“ und Paprika mit einer eigentumlichen ?Zigeunerromantik“ verknupft. [14] Diese sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts Grundlage fur romantisch aufgeladene Komposita (vgl. auch Zigeunerblut , Zigeunerbaron etc.) wie die Bezeichnung ebenso zunehmend rassistisch konnotiert wurde. [15]

Die Namensgebung farbte spater ebenso auf Gerichte ab, die zwar unter dem klassischen Namen angeboten werden, aber mittlerweile teilweise oder uberhaupt nicht mehr der Originalzubereitung entsprechen. [16] [17] Bereits mit dem beruhmten franzosischen Kochbuch La bonne Cuisine de Madame E. Saint-Ange von 1927 wurden vereinfachte Versionen vorgeschlagen. [18] Ebenso in Edouard de Pomianes Cuisine en dix minutes, ou l'Adaptation au rythme moderne von 1931 (deutsch 1935). [19]

In Deutschland sind die ursprunglichen hochklassigen Zubereitungsarten ohne Gemusepaprika gegenuber dem einfachen Zigeunerschnitzel der Imbissbuden kaum noch bekannt. [5] Allerdings entspricht die zum einfachen Zigeunerschnitzel gereichte Sauce in Grundzugen der von der Garnitur abgeleiteten gemusepaprikahaltigen Zigeunersauce .

In Frankreich und Italien ist die traditionelle Garnitur deutlich haufiger verbreitet. [5] Dirk Gabler bemuhte demgegenuber den Gastronomiejournalisten Wolfram Siebeck , demzufolge ?Zigeuner“-Speisen ?der popularen Ethno-Welle“ zugeordnet werden konnten. [20] Der Begriff sei nicht geschutzt, so dass ?jedes blode Rezept als Zigeuner-Variante“ bezeichnet werden konne. [20] Hinzu kame, dass ? so zitiert er Siebeck ?die Rezepte … mit den Eßgewohnheiten der Zigeuner soviel Ahnlichkeit wie Winnetou mit den Apachen “ hatten. [20] Siebeck selbst zieht bei seinem Blog uber entsprechende Euphemismen wie das angebliche Verbot des Wortes Zigeuner in polemischer Manie her. Demnach hatte nicht nur der osterreichische Mohr im Hemd verschiedene Diskussionen bei Konditoren zur Folge, die politische Korrektheit habe sich wie ein Aschenregen uber die Begriffe gelegt. [21] ?Was ehemals farbenprachtig und putzlebendig erschien, musste plotzlich Gipsbeine tragen mit dem Aufdruck: Enthalt gut gemeinte Absichten, ist appetithemmend und kann Depressionen hervorrufen“ ( Wolfram Siebeck ). [21]

Franzosisches Plakat zur Operette Der Zigeunerbaron

Das Bestimmungswort ?Zigeuner-“, das einen Teil des Namens bildet, erfahrt im deutschen Sprachgebrauch zunehmende Ablehnung. Der Begriff Zigeuner per se ist eine Fremdbezeichnung, die Eigenbezeichnung lautet ?rom/romni“, Mehrzahl ?roma“ (?Mann/Frau“), bzw. ?manu?“ (?Mensch“), im Gegensatz zu den ?gadsche“ (?Nicht-Roma, Fremder“). Sie wird gelegentlich auch als Eigenbezeichnung verwendet, ist aber als negativ konnotierte Bezeichnung unter Kritik. Eine positive Verwendung als Geusenwort hat sich nicht durchgesetzt. Aus der sprachwissenschaftlichen Perspektive wird der mittlerweile abgelehnte Einzelbegriff und die nach wie vor gebrauchlichen Zusammensetzungen (neben Zigeunerschnitzel auch der Fachterminus Zigeunersprache ) unterschieden. [22] Das Eigennamen-Lexikon unterscheidet 2003 ebenso den bereits im 16. Jahrhundert etablierten Gebrauch des Terminus Zigeuner als Schimpfwort, eine davon zu unterscheidende romantisierende Verklarung der Lebensweise und eine fast ganzlich etablierte Verwendung verschiedener Wortkombinationen in der Gastronomie. [23]

Die in der Gastronomie verwendeten Wortkombinationen wurden mittlerweile ofter in Frage gestellt. So wurde 2013 etwa die Bezeichnung Zigeunersauce im deutschen Sprachraum von Vertretern von Sinti- und Roma -Verbanden als diskriminierend (siehe Antiziganismus ) kritisiert. [24] Ein Verband forderte Hersteller von Zigeunersaucen mit anwaltlichem Schriftsatz zur Umbenennung auf. [25] Andere Verbande der Sinti und Roma hingegen distanzierten sich von solchen Forderungen und bezeichneten sie als hanebuchen oder unsinnig. [26] Ebenso gaben 2013 in Linz Poster und Collagen der Romni Marika Schmiedt unter dem Motto Warum wollen sie uns essen Anlass zu einem kleineren Kunstskandal und Kontroversen u. a. mit der ungarischen Botschaft und Romavertretern. [27] [28]

Wahrend Signifies wie ? Schokokuss “ oder ? Schwedenbombe “ den ? Negerkuss “ abgelost haben, ist dies bei den Wortverbindungen mit 'Zigeuner' seltener der Fall. [29] Die soziologische Betrachtung, etwa durch den Soziologen Wulf D. Hund sieht bei Zusammensetzungen wie ?Zigeunerschnitzel“ oder ?Zigeunersauce“ neben einem unausgewiesenen ?Geschmack der Freiheit“ im Sinne der Zigeunerromantik auch einen ?Beigeschmack der Diskriminierung“. [30]

Vor diesem Hintergrund wurde die alternative Benennung ?Paprikaschnitzel“ fur die einfachen Rezeptvarianten vorgeschlagen, [31] was aber mit dem traditionellen, kuchenfachlich etablierten Begriff Paprikaschnitzel , welches mit Gewurzpaprika zubereitet wird, nicht ubereinstimmt. [18] [32] In der professionellen Gastronomie wie in der industriellen Lebensmittelherstellung (?Zigeunersauce“, ?Zigeunereintopf“) wird der Begriff nach wie vor verwendet. [33] Ebenso werden der Romantische Rassismus sowie Zigeunerstereotypen bei popularen Musiktheaterstucken wie Carmen oder dem Zigeunerbaron keineswegs in Frage gestellt. [34] Die unterschiedliche Wahrnehmung bildet sich auch in der nach wie vor nicht erfolgten Anerkennung von Antiziganismus als eigenstandiger Form von Rassismus ab. [35]

In der Kochkunst , der Kuchensprache und in Kochrezepten ist beim Bestimmungswort ?Zigeuner-“ nicht die Ethnie , sondern die intensive Verwendung von Paprika als Zutat ausschlaggebend. [36] Mit ?a la zingara“ wird in der internationalen Kuche eine Garniturform , eine Zubereitung und die Verwendung geschmacklich dominierender Zutaten (Paprika, Zwiebeln ) bezeichnet. Hierzu gehoren Zigeunerbraten , Zigeunersauce oder Zigeunerschnitzel .

Einzelnachweise

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  1. Großes Restaurations-Kochbuch. Ein Hand- und Nachschlagebuch der modernen Restaurations-Kuche. Verlag des Internationalen Verbandes der Koche, 1910, S. 358
  2. a b c Siehe Lemma Zigeunerart. In: Lexikonredaktion des Verlags F. A. Brockhaus (Hrsg.): Der Brockhaus. Kochkunst. Internationale Speisen, Zutaten, Kuchentechnik, Zubereitungsarten. Brockhaus, Leipzig u. a. 2008, ISBN 978-3-7653-3281-4 , S. 594. Anmerkung: Die Redaktion des Brockhaus benutzt die Schreibweise a la Tzigane .
  3. Der große Larousse Gastronomique. Das Standardwerk fur Kuche, Kochkunst, Esskultur. 4000 Eintrage, 1700 Fotos, 2500 Rezepte. Christian Verlag, Munchen 2009, ISBN 978-3-88472-900-7 , S. 943. Anmerkung: Die Redaktion des Larousse benutzt die Schreibweise a la zingara .
  4. La cuisine gitane ou L'art de mettre en appetit ses invites / Esmeralda Romanez , 1993.
  5. a b c Kraut und Igel. In: Der Standard. 30. September 2010.
  6. Erhard Gorys : Das neue Kuchenlexikon. Von Aachener Printen bis Zwischenrippenstuck. 7., vollig uberarbeitete und erganzte Auflage. dtv, Munchen 2001, ISBN 3-423-36245-6 .
  7. Richard Hering, F. Jurgen Herrmann (Hrsg.): Herings Lexikon der Kuche . International anerkanntes Nachschlagewerk fur die moderne und klassische Kuche. 24., erweiterte Auflage. Pfanneberg, Haan-Gruiten 2009, ISBN 978-3-8057-0587-5 .
  8. Udo Pini : Das Gourmet-Handbuch . h. f. ullmann, Potsdam 2011, ISBN 978-3-8331-4302-1 , S. 1027.
  9. Englische Ausgabe: A. Escoffier: A Guide to Modern Cookery . William Heinemann, London 1907, S. 421 (Rezept 1261).
  10. Charles Hellstern: Deutsch-amerikanisches illustriertes Kochbuch, E. Steiger, 1888
  11. Charles Elme Francatelli, The Modern Cook Richard Bentley, 1858
  12. Anna Von Kuhlmann-Redwitz Tafelfreuden von 1910
  13. Edward Renold, David Foskett, John Fuller: Chef’s Compendium of Professional Recipes, Routledge, 2012
  14. Gabriella Schubert : Ungarnbilder. Hintergrunde. Mythen. In: Zeitschrift fur Balkanologie, Bd. 47, Nr. 2 (2011) S. 202?217, hier S. 212
  15. Winter Time: Memoirs of a German Sinto who Survived Auschwitz Walter Stanoski Winter, Struan Robertson, Univ. of Hertfordshire Press, 2004, S. 152 ff
  16. Herings Lexikon der Kuche . Fachbuchverlag Pfannenberg, Haan-Gruiten, 23. Auflage. 2001, ISBN 3-8057-0470-4 .
  17. Erhard Gorys : Das neue Kuchenlexikon . dtv, Munchen 1994?2002, ISBN 3-423-36245-6 .
  18. a b E. Saint-Ange (Pseudonym von Marie Ebrard): La bonne cuisine de Mme. E. Saint-Ange. Huit cents recettes et cinq cents menus. Larousse, Paris 1927, S. 153 (franzosisch).
  19. Edouard de Pomiane:  La Cuisine en dix minutes, ou l'Adaptation au rythme moderne . Paul-Martial, Paris 1931, Neuauflage 2015
  20. a b c Dirk Gabler: Der Geschmack der Freiheit. Vom Igelbraten zum Zigeunerschnitzel. In: Wulf D. Hund (Hrsg.): Zigeunerbilder. Schnittmuster rassistischer Ideologie. DISS, Duisburg 2000, S. 124?136, hier: S. 125f.
  21. a b DER MOHR IM KOPF , 7. April 2012, Blogeintrag von Wolfram Siebeck bei wo-isst-siebeck.de
  22. Deutsches Universalworterbuch 2006: 1978, zitiert bei Matthias Wermke: Frauen und andere Minderheiten: Political Correctness als programmatische Anforderung an die Lexikografie in Lech Zieli?ski, Klaus-Dieter Ludwig, Ryszard Lipczuk: Deutsche und polnische Lexikographie nach 1945 im Spannungsfeld der Kulturgeschichte, Peter Lang, 2011
  23. Rudolf Koster: Eigennamen im deutschen Wortschatz: Ein Lexikon, Walter de Gruyter, 2003, S. 194
  24. Felicitas Kock: Arger um Zigeunersauce. Nicht nur eine Geschmacksfrage . In: Sueddeutsche.de. 14. August 2013, abgerufen am 16. August 2013.
  25. Hannover streicht Zigeunerschnitzel von den Speisekarten. In: derstandard.at . 9. Oktober 2013, abgerufen am 12. Januar 2017 .
  26. Streit um Bezeichnung: Sinti und Roma fordern Aus fur ?Zigeunerschnitzel“. In: Stern . 9. Oktober 2013. Abgerufen am 14. Oktober 2013.
  27. Roms d’Europe : le cas autrichien, Jerome Segal 2014
  28. Hitler und die ?Halbmond-Turkensalami“ made in Austria ? regierungsnahes HirTV uber ?magyarenfeindliche“ Linzer Ausstellung. In: Pusztaranger. Abgerufen am 19. September 2015 .
  29. Christoph Hamann: ?Zigeunerschnitzel“ und ?Zigeunerstuben“. Die neue Online-Publikation ?Deutsche Sinti und Roma“ fur den Unterricht. In: Senatsverwaltung fur Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.): Fachbrief Interkulturelle Bildung und Erziehung. Nr. 13 Nov 2011, S. 9.
  30. Dirk Gabler: Der Geschmack der Freiheit. Vom Igelbraten zum Zigeunerschnitzel. In: Wulf D. Hund (Hrsg.): Zigeunerbilder. Schnittmuster rassistischer Ideologie. DISS, Duisburg 2000, S. 124?136, hier: S. 136.
  31. So z. B.: Petra Laible: Schokokusse und Paprikaschnitzel schmecken besser. In: Sudwest Presse. 25. Januar 2013, siehe: [1] .
  32. Maria Hofmann, Helmut Lydtin: Bayerisches Kochbuch. 55. Auflage. Birken-Verlag, Planegg 1998, ISBN 3-920105-03-6 .
  33. Rudolf Koster: Eigennamen im Deutschen Wortschatz. Ein Lexikon. Walter de Gruyter, Berlin 2003, S. 194.
  34. Wulf D. Hund: Romantischer Rassismus. Zur Funktion des Zigeunerstereotyps. (S. 9?30); Soren Niemann: Eine nomadische Kultur der Freiheit. Vom Traum der Tsiganologie. (S. 31?50), beide in Zigeunerbilder ? Schnittmuster rassistischer Ideologie.
  35. Markus End: Gutachten Antiziganismus, Zum Stand der Forschung und der Gegenstrategien. ( Memento vom 4. Oktober 2013 im Internet Archive ) (PDF; 592 kB), herausgegeben von RomnoKher ? Haus fur Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung, Dezember 2012.
  36. Hannah Dingeldein/Eva Gredel (Hrsg.), Diskurse des Alimentaren: Essen und Trinken aus kultur-, literatur- und sprachwissenschaftlicher Perspektive , 2017, S. 119