Zweite Schlacht bei Chlumec
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Teil von: Bohmischer Erbstreit
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Konig
Lothar III.
kampft bei Chlumec gegen die Bohmen.
Illustration einer Ausgabe der
Historia septem sapientum
, um 1450.
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Datum
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18. Februar
1126
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Ort
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bei
Chlumec
(Kulm),
Osterzgebirge
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Ausgang
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Sieg der Bohmen
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Die
Zweite Schlacht bei Chlumec
war die
Kulmination
eines Erbstreites um das Herzogtum
Bohmen
und fand am 18. Februar 1126 in der Nahe des Ortes
Chlumec u Chaba?ovic
(deutsch: Kulm) am sudlichen Rand des
Osterzgebirges
statt. Bohmische Truppen unter
Sob?slav I.
siegten dabei uber Konig
Lothar III.
und dessen mahrischen Verbundeten
Otto den Schwarzen
.
Bohmen erlebte zu Beginn des 12. Jahrhunderts eine Phase politischer Instabilitat. Die Herzoge aus dem Geschlecht der
P?emysliden
wechselten rasch.
B?etislav I.
hatte im 11. Jahrhundert das Gesetz des
Seniorats
eingefuhrt, nach dem der alteste mannliche Angehorige der Dynastie Anspruch auf den Thron hatte. Mit jedem neuen Herzog ruckten die ubrigen Anwarter in der Hierarchie nach oben. Je mehr sich das Geschlecht verzweigte, desto schwieriger wurde es, die Senioratsregeln umzusetzen. Zeitweise gab es mehrere vom
Kaiser
offiziell anerkannte Herzoge nebeneinander. Den Prager Thron bestieg in der Praxis derjenige, der seinen Anspruch tatsachlich durchsetzen und den bohmischen Adel auf seine Seite bringen konnte.
Nach dem Tode
Vladislavs I.
1125 gab es zwei Anwarter auf den Thron: Vladislavs Bruder
Sob?slav I.
und
Otto den Schwarzen
, der die Herrschaft uber einen Großteil von
Mahren
ausubte. Nachdem sich Vladislav auf dem Totenbett mit seinem Bruder versohnt hatte, entschied sich auch der Adel fur Sob?slav und erhob ihn am 1. Oktober 1125 zum Herzog. Otto hatte damit nicht nur den Thronstreit verloren, sondern bußte anschließend auch einen Teil seiner mahrischen Besitzungen ein. Er hatte jedoch noch einen potentiellen Verbundeten in der Hinterhand, den neugewahlten romisch-deutschen Konig
Lothar III. von Supplinburg
.
Ende November 1125 entschied sich Lothar III. auf einem Treffen mit bayerischen Großen in
Regensburg
, Otto den Schwarzen zu unterstutzen, der ihm nach Aussage des Chronisten
Otto von Freising
viel Geld geboten hatte. Sob?slav war dagegen nicht personlich nach Regensburg gekommen, sondern hatte lediglich Unterhandler geschickt. Das Treffen endete fur die Delegation des gewahlten Herzogs mit einem Ultimatum: Der Konig drohte ein bewaffnetes Eingreifen sachsischer Truppen an, wenn der Adel Sob?slav nicht selbst verjage.
Im Winter 1125/1126 bereitete sich Sob?slav auf den bevorstehenden Krieg vor. Er sicherte sich sakralen Beistand der bohmischen Landespatrone, indem er ein wunderkraftiges
Feldzeichen
anfertigen ließ. Es bestand aus der Standarte des heiligen
Adalbert
, das von seinem Kaplan in der Kirche von
Vrb?any
aufgefunden und an der Lanze des heiligen
Wenzel
befestigt wurde. Am
Kulmer Steig
, dem voraussichtlichen Weg der sachsischen Heere durch das Grenzgebirge, ließ er Barrieren anlegen und richtete in den Waldern verborgene Feldlager ein, in denen er seine Kampfer zusammenzog. Der Winter war außerordentlich hart und schneereich. Mitte Februar stiegen die Temperaturen jedoch an, und die beginnende Schneeschmelze sollte die Bewegungen der feindlichen Truppen zusatzlich erschweren.
Am 18. Februar uberschritt Lothars Heer die Grenze und ruckte im dichten Schneetreiben auf die bohmische Seite vor. Die Truppenstarke wird auf etwa 2000?3000 Kampfer geschatzt, denen 3000?4000 Bohmen gegenuberstanden. Der Weg der Truppen und die Lage des
Schlachtfeldes
lasst sich aus den Quellen nicht zweifelsfrei rekonstruieren. Wahrscheinlich erscheint, dass die Sachsen von der
Nollendorfer Hohe
aus durch das Tal eines Gebirgsbaches, entweder der Tellnitz oder des
Eulabach
, in Richtung Kulm hinabstiegen. Lothar hatte sein Heer in zwei Gruppen eingeteilt. Die
Vorhut
, die etwa 200 Ritter mit Begleitung umfasste und fur das Hauptheer den Weg freiraumen sollte, stand unter dem Kommando Ottos des Schwarzen. Diese Vorhut griffen die bohmischen Truppen in einem engen Tal zwischen zwei steilen Bergen nahe Kulm an. Daneben muss es, wahrscheinlich an einem anderen Ort, zu einem zweiten Gefecht mit dem Hauptteil des Heeres gekommen sein. Dieses soll nach lokaler Tradition am Lotar?v vrch (
Lotterberg
) bei
Jilove
(deutsch: Eulau) stattgefunden haben. Dem Konig war der Ruckweg zum Nollendorfer Pass abgeschnitten. Er wurde mit dem Rest seiner Truppen eingeschlossen und nahm auf einem Hugel eine Verteidigungsposition ein.
Insgesamt endete die Schlacht mit einer vernichtenden Niederlage des Konigs. Wahrend Sob?slav nach Angaben der Chronisten nur drei Kampfer verloren habe, sollen auf Seiten Lothars III. 500 Ritter ums Leben gekommen sein. Otto der Schwarze fiel und viele sachsische Krieger wurden gefangen genommen. Unter den Gefangenen befanden sich auch hochrangige Adlige wie
Albrecht der Bar
und Graf Ludwig von Thuringen. Sob?slav suchte mit einigen Großen das Notlager des Konigs auf und nahm von ihm das Herzogtum Bohmen zu
Lehen
an, ehe er ihn ziehen und die Gefangenen frei ließ. Der offizielle Lehensakt war eine verbindliche Geste, die den Kriegszustand beendete.
Als Sob?slav von Lothar III. Bohmen zu Lehen nahm, unterwarf sich der Sieger dem Besiegten. Dies scheint auf den ersten Blick widerspruchlich, doch tatsachlich brachte der Ausgang der Schlacht beiden Seiten Vorteile: Lothar starkte seine Position im Reich, insbesondere gegenuber den
Staufern
, Sob?slav gewann fur seine Herrschaft Prestige auch im internationalen Maßstab.
Die bohmischen Chroniken stellen dagegen nicht so sehr die Person des Herzogs in den Mittelpunkt. Der Sieg bei Kulm wird von ihnen als Verdienst der ganzen Gemeinschaft geschildert, der als
familia sancti Venceslai
(Gesinde des heiligen Wenzel) durch Fursprache des Landespatrons der Sieg gewahrt worden sei. In diesem Zusammenhang fallt auch der Bau einer romanischen
Rotunde
, die Sob?slav auf dem Gipfel des nahen
?ip
errichten und dem heiligen Adalbert weihen ließ. Sie wird als eines der ersten tschechischen Nationaldenkmaler betrachtet. In diesen Nachwirkungen der Schlacht von Kulm wird eine neue Fassung des mittelalterlichen Staats- und Herrschaftsgedankens sichtbar, in dem der Herrscher nicht nur fur sich selbst, sondern fur das ganze Land kampft und fur dessen Wohl verantwortlich gemacht wird.
- Vratislav Vani?ek:
Sob?slav I. P?emyslovci v kontextu evropskych d?jin v letech 1092?1140
(=
Historicka pam?t?
, Velka ?ada, Band 14). Paseka, Praha / Litomy?l 2007,
ISBN 978-80-7185-831-7
, besonders S. 165?197 (
tschechisch
).