San Zaccaria
ist eine dem heiligen
Zacharias
geweihte Kirche, die zu einem gleichnamigen Nonnenkloster gehorte. Sie befindet sich im traditionellen Stadtteil (
Sestiere
, Stadtsechstel)
Castello
in
Venedig
. Zur Pfarrei San Zaccaria gehort auch die
Basilica
San Giorgio Maggiore auf der
gleichnamigen Insel
, obwohl die Insel zum Stadtteil
San Marco
gehort.
Das Kloster San Zaccaria war neben dem Kloster San Lorenzo das alteste und wichtigste der venezianischen Nonnenkloster, in denen die reichen Venezianer ihre unverheirateten Tochter, ausgestattet mit einer guten Mitgift, unterbrachten. Die angebliche Grundung des Klosters durch den
byzantinischen
Kaiser
Leo V.
, genannt der Armenier, ist eine Legende. Vielmehr wurde das Kloster im 9. Jahrhundert vermutlich durch den
venezianischen Dogen
Giustiniano Particiaco
(fruher Partecipazio) gegrundet, in dessen Testament von 828/829 es erstmals erwahnt wird. Zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert diente San Zaccaria als Grabstatte fur acht Dogen.
[1]
Die Abtissinnen entstammten den einflussreichsten Familien der Stadt, so etwa
Johanna
, die zuvor mit einem der Dogen verheiratet gewesen war.
Nach der Einweihungsmesse 864 wurde der Doge
Pietro Tradonico
beim Verlassen der Kirche von Verschworern erschlagen. Ein weiterer Doge,
Vitale Michiel II.
, wurde am 28. Mai 1172 in unmittelbarer Nahe der Kirche ermordet.
Das Kloster war reich begutert, vor allem in der Stadt Venedig selbst, wo es Quellen des 14. Jahrhunderts zufolge 153 Hauser besaß, aber auch auf dem Festland, der
Terraferma
, so vor allem in
Monselice
im Gebiet von
Padua
und in Ronco im Gebiet von
Verona
. Sowohl das Areal, auf dem sich der
Markusdom
erhebt, wie auch ein großer Teil der heutigen
Piazza San Marco
gehorten ursprunglich zum Besitz von San Zaccaria.
Das Kloster hatte stets enge Beziehungen zu den Dogen und erfreute sich immer der Wertschatzung durch die venezianische
Signoria
, die das Kloster an Ostern in einer feierlichen Prozession besuchte. Im Zuge der
Sakularisation
durch
Napoleon
wurden die Klostergebaude in eine Kaserne umgewandelt, die heute von den
Carabinieri
genutzt wird. Die Kirche wurde von der Sakularisation nicht betroffen und dient heute als Pfarrkirche.
Der große neuere Kirchenbau schließt sich links an einen alteren Vorgangerbau von 1440 an. Die beiden Kirchen stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern gehen, wie es gelegentlich vorkam, ineinander uber. Das linke Seitenschiff der alteren wurde zum rechten der hoheren jungeren Kirche umgestaltet.
An der um 1458 von
Antonio Gambelli
begonnenen dekorativen Fassade war bei seinem Tod 1481 nur das an die Chorschranken von
Santa Maria Gloriosa dei Frari
erinnernde Sockelgeschoss vollendet. Hier enthalten die vegetabilen Rahmen der Tondi Halbfiguren von Propheten. In den letzten zwei Jahrzehnten des 15. Jhs. ab 1483 vollendete
Mauro Codussi
die Fassade mit einem Giebel wie er ihn schon fur
San Michele
entwickelt hatte. Der Bau ist in seiner heutigen Gestalt eigentlich gotisch - daher die Hohe -, was man außen kaum bemerkt. Das liegt daran, dass das gotische Grundmuster der Fassade von den Renaissance-Motiven der oberen Fassadenhalfte dominiert wird. Auch die Fassadengliederung durch vier Strebepfeiler lasst den Mittelteil hoher erscheinen. Eine verwitterte Marmorstatue von
Alessandro Vittoria
steht uber dem Portal. Das dreischiffige Langhaus und der
polygonale
Chor
wurden bereits in der ersten Bauphase angelegt.
Die Hauptattraktion der Kirche und zugleich ein bedeutendes Renaissance-Gemalde ist
Giovanni Bellinis
Sacra Conversazione
aus dem Jahr 1505 im linken Seitenschiff, das ungefahr zur gleichen Zeit gemalt wurde wie Leonardos Mona Lisa. Giovanni Bellini, ein wichtiger Vertreter der venezianischen
Fruhrenaissance
, ist bekannt fur den Gebrauch bis heute anhaltender leuchtender, warmer Farben.
Bellinis Bild zeigt die Kompositionsprinzipien der Renaissance Gemalde auf und auch die fur die fruhe venezianische Malerei typische Verschmelzung der Farben und deren plastische Wirkung im Unterschied zum von Vasari fur die Florentiner Malerei herausgestellten ?
disegno
“.
Eines der Hauptprobleme, mit denen sich die Maler der Zeit in Theorie und Praxis auseinandersetzten, war die Darstellung eines plausiblen Raumes auf einer ebenen Flache mit Hilfe der
Zentralperspektive
. Man bevorzugt eine klare, ubersichtliche Ordnung des Bildes durch deutliche waagerechte und senkrechte Elemente wie beispielsweise die Architektur im Bild oder durch die aufrecht stehenden Personen auf dem betont waagerechten Boden und durch deutlich voneinander geschiedene einzelne Motive.
Die gemalte Architektur ist bei Bellini keine bloße Hintergrundfolie, sondern setzt eigene Gegenakzente zur vorderen Gruppe der Heiligen. Der obere Teil des Bildes greift mit seiner aufwendigen Schilderung einer Nischenarchitektur den tatsachlichen Bildrahmen auf, fur den es konzipiert wurde und in dem es sich heute noch befindet. Wenn man genau hinsieht bemerkt man, dass die beiden
Pilaster
ganz außen und der Uberfangbogen nicht gemalt sind. Das ist bereits die Kirchenwand. Das Bild nimmt also direkten Bezug zur Architektur der Kirche.
Das Bild ist streng symmetrisch angelegt: Die Mitte des Bildes ist deutlich durch die auf einem Thron sitzende Maria betont und durch den musizierenden Engel zu ihren Fußen. Die beiden Personengruppen an den Seiten sind symmetrisch angeordnet bis zu der Kopfhaltung der Frauen. Dargestellt sind der Apostel
Petrus
in den fur ihn typischen Farben Gelb und Blau, seinem Schlussel und einem Buch, der in Rot gekleidete Kirchenvater
Hieronymus
, hinter ihm die Heilige
Lucia von Syrakus
mit dem Glas, in dem ihre beiden Augen schwimmen und schließlich die Heilige
Katharina
mit der
Martyrerpalme
und dem Symbol fur ihr Martyrium, dem Rad.
Bellini zeigt seine Figuren in großer Ruhe und Gemessenheit, jede ist ein tektonisches Gebilde fur sich. Das Bild ist gleichmaßig ausgeleuchtet und die Motive sind sorgfaltig uber die Bildflache verteilt ? und das ganze in wunderbar leuchtenden Farben. Hier haben wir das klassische venezianische Renaissance-Bild vor uns.
- ↑
Herbert Dellwing
:
Die Kirchen San Zaccaria in Venedig. Eine ikonologische Studie
, in:
Zeitschrift fur Kunstgeschichte
37 (1974) 224?234, hier: S. 224.
45.434722222222
12.343333333333
Koordinaten:
45° 26′ 5″
N
,
12° 20′ 36″
O