Kalifornien
(
spanisch
California
) bezeichnet ursprunglich eine Landschaft in
Nordamerika
, die den nordwestlichen Teil der
spanischen Kolonialbesitzungen
in
Amerika
, der
Mexiko
nach dessen Unabhangigkeit zufiel, umfasste. Der Nordteil dieser Landschaft hat seinen Schwerpunkt im heutigen
US-Bundesstaat
Kalifornien
im Westen der
USA
, dessen Ostgrenze erst seit 1850 genau definiert ist. Er hieß bis Mitte des
19. Jahrhunderts
Oberkalifornien
(spanisch
Alta California
, engl.
Upper California
). Der Sudteil der historischen Landschaft ist die Halbinsel
Niederkalifornien
(span.
Baja California
, engl.
Lower California
) und entspricht heute den mexikanischen Bundesstaaten
Baja California
und
Baja California Sur
.
Erste Spuren menschlicher Besiedlung fanden sich bereits in
palaoindianischer Zeit
um 9000 bis 10.000 v. Chr. auf den heutigen
Kanalinseln
.
[1]
Bereits vor 8000 v. Chr. jagten kleine Gruppen Wild, Bergschafe und Vogel und fischten. Hinzu kam das Sammeln von Eicheln und Wildgrasern. Ackerbau und Korbflechterei wurden von einigen Gruppen weit entwickelt.
[2]
Die ersten europaischen Entdecker segelten vom fruhen 16. Jahrhundert an vor der Kuste Kaliforniens. Ihre Schiffe fuhren unter den Flaggen
Spaniens
und
Englands
. Die bedeutendste Kolonialmacht, Spanien, fokussierte sich auf ihre Gebiete in
Mexiko
,
Peru
und auf den
Philippinen
. Doch waren die Spanier bestrebt, ihre Macht um die Kustenlinien des ganzen Pazifiks auszudehnen, wodurch ihr Augenmerk auch auf Kalifornien gelenkt wurde. Dabei spielte die Sicherung der
Manila-Galeonen
, also des Handelsverkehrs zwischen den sudostasiatischen und den amerikanischen Besitzungen Spaniens, eine bedeutende Rolle. Allerdings erschien den Entdeckern das Gebiet nur als hugliges Grasland, das fur die Kolonisierung unattraktiv war. Sie konnten nicht ahnen, dass die Goldvorkommen in Kalifornien ihre Vorstellung vom
Eldorado
wohl weit ubertroffen hatte. Erst im 18. Jahrhundert setzte die spanische Kolonisierung ein, und Anfang des 19. Jahrhunderts grundeten
russische
Fellhandler den Stutzpunkt
Fort Ross
.
Etwa um 1530 wurde dem damaligen Prasidenten der Audiencia von
Neuspanien
,
Nuno Beltran de Guzman
, von einem Sklaven von den
Sieben Stadten
berichtet, deren Straßen mit
Gold
und
Silber
gepflastert seien. Etwa um die gleiche Zeit horte Hernan Cortez Berichte uber ein wundervolles Land im Nordwesten, das von
Amazonen
bevolkert sei und wo es Gold, Perlen und Edelsteine im Uberfluss gebe.
Im Jahre 1533 entdeckte Cortez eine Bucht, vermutlich jene von
La Paz
, vor der er durch Schwierigkeiten zur Ruckkehr gezwungen wurde. Er unternahm 1534 und 1535 weitere Expeditionen, ohne jedoch das gesuchte Land zu finden. Schließlich beanspruchte er die
Isla de Santa Cruz
(heute
Baja California
) fur Spanien und grundete eine Stadt, die spater den Namen La Paz bekommen sollte. Noch lange Zeit hielt man Kalifornien fur eine dem amerikanischen Kontinent vorgelagerte Insel (
Insel Kalifornien
).
Im Juli 1539 sandte Cortez, von neuerlichen sagenhaften Geschichten getrieben, Francisco de Ulloa mit drei kleinen Schiffen aus. Der erreichte die Mundung des
Colorado River
und umsegelte die Halbinsel bis nach
Cedros
. Die
Straße von Anian
, die de Ulloa ebenfalls zu finden hoffte, fand er jedoch nicht, ganz im Gegenteil fand er Hinweise darauf, dass Kalifornien nur eine Halbinsel bildete.
Der erste Europaer, der die kalifornische Kuste bereiste, war Juan Rodriguez Cabrillo, ein spanischer Kapitan, der fur die spanische Krone in See gestochen war. Er war von der Westkuste Mexikos aus aufgebrochen und am 28. September 1542 in der Bucht von
San Diego
an Land gegangen und hatte die ?Insel“ Kalifornien fur Spanien in Besitz genommen.
Beim Versuch die Reise weiter nach Norden fortzusetzen, um den Landweg nach Asien zu finden, verungluckte Cabrillo und kam ums Leben. Kommandant an seiner Stelle wurde
Bartolome Ferrelo
, der etwa bis zur Mundung des
Rogue River
im sudlichen
Oregon
kam.
[3]
Fur die indigene Bevolkerung bedeutete die Expedition Cabrillos moglicherweise einen starken Einbruch der Bevolkerungszahlen durch eingeschleppte Pocken.
[4]
Am 7. Juni 1579 entdeckte der englische Entdecker Sir Francis Drake einen Hafenplatz, der ihm sehr geeignet zum Ankern erschien. Er nannte die Stelle
Nova Albion
. Wo dieser Hafen gelegen hat, ist heute nicht mehr bekannt. Eine 1936 gefundene Steinplatte, die von dieser Landung berichtete, entpuppte sich als eine Falschung. Dennoch nannten fortan alle englischen Karten das Gebiet nordlich von Baja California, New Granada und New Mexico ?Nova Albion“.
Weitere Entdecker, wie Pedro de Unamuno (1587) und Sebastian Rodriquez Cermeno (1595) erkundeten die Kuste. Im Jahr 1602 umfuhr der Spanier Sebastian Vizcaino die kalifornische Kustenlinie bis zur
Bucht von Monterey
, wo er an Land ging. Er reiste der Kuste entlang nach Suden und erreichte vermutlich
Carmel
. Bedeutung fur die Geschichte des Staates erlangte er durch seine Reiseberichte, die insbesondere das Gebiet um
Monterey
als fur eine Besiedlung sehr geeignet darstellten, aber auch durch seine detaillierten Landkarten von den Kustengebieten, die fast zweihundert Jahren verwendet wurden.
[5]
Die Besiedlung Kaliforniens wurde schließlich erst Ende des
17. Jahrhunderts
vom
spanischen
Konig beschlossen und den
Jesuiten
anvertraut, die unter der Bedingung der Anerkennung der koniglichen Autoritat auf dem kalifornischen Territorium auch alle weltliche Autoritat innehatten, insbesondere die Oberhoheit uber die sie begleitenden spanischen Truppen.
Durch die
Mission
ierung wurde die Halbinsel Baja California von den Jesuiten kolonisiert. Die erste Mission und Siedlung, die Bestand hatte, wurde von ihnen 1697 im Zentrum Niederkaliforniens errichtet (
Loreto
). Die Missionssiedlung wurde zur ?Hauptstadt“ Kaliforniens ausgebaut, und es folgten weitere Missionsgrundungen in Niederkalifornien. Dabei ist
Eusebio Francisco Kino
besonders hervorzuheben.
Das spatere Alta California (Oberkalifornien) ruckte 1769 mit der ersten Grundung einer Mission im heutigen
San Diego
(de Alcala) in den Mittelpunkt der spanischen Kolonialpolitik.
Im Jahre 1774 zog Capitano
Juan Bautista de Anza
von
Tucson
, Arizona, uber den
Colorado River
bei
Yuma
und weiter zum Pazifischen Ozean. Entlang der Kuste stieß er bis zur
Bucht von San Francisco
vor und grundete dort den Militarstutzpunkt
Presidio San Francisco
. Seine Begleiter vom Orden der
Franziskaner
, die nach dem
Jesuitenverbot
die Missionierung ubernommen hatten, grundeten die benachbarte
Mission San Francisco de Asis
. Fur die mitgereisten Bauern wurde die Siedlung
Pueblo de San Jose
errichtet. In den folgenden Jahren wurden drei Militarstutzpunkte in
Monterey
,
Santa Barbara
und San Diego gegrundet, von denen aus die Provinz in der Folge verwaltet wurde. Ihnen war zunachst jeweils eine Missionsstation und ein Pueblo zugeordnet. In den folgenden Jahren entstanden weitere Missionen und Pueblos, insgesamt errichteten die Spanier 21 Missionen in California. Sie alle waren durch
El Camino Real
, die konigliche Straße, verbunden, die sich entlang der Kuste zog.
1781 zerstorten Indianer vom Volk der
Yuma
die
Mission San Pedro y San Pablo de Bicuner
in Arizona und unterbrachen damit die Straßenverbindung zwischen Mexiko und Kalifornien. Die Verbindung wurde zu spanischen Zeiten nie wiederhergestellt, seitdem war die Provinz nur noch auf dem Seeweg erreichbar. Auf Grund der vorherrschenden Windrichtungen dauerte die Fahrt von Mexiko nach San Diego oder weiter nordlich oft drei Monate, weshalb die Anbindung der Provinz an das
Vizekonigreich Neuspanien
nur locker war.
Im Jahr 1804 wurde Kalifornien in zwei administrative Gebiete, das nordliche
Ober-
und das sudliche
Niederkalifornien
, geteilt. Im
Mexikanischen Unabhangigkeitskrieg
von 1810 bis 1821 erreichten die Mexikaner die Unabhangigkeit von Spanien, allerdings zu einem sehr hohen Preis.
Im
mexikanisch-amerikanischen Krieg
wurde der Nordteil 1846 von den
USA
besetzt und dann 1848 mit dem
Vertrag von Guadalupe Hidalgo
den USA uberlassen; bis 1857 gab es Annexionsabsichten fur den Sudteil. Bald danach wurde der bei Mexiko verbliebene Teil in die noch heute bestehenden Gebiete Baja California und Baja California Sur geteilt.
Nach der Trennung entwickelten sich das US-amerikanische Oberkalifornien und das mexikanische Niederkalifornien unabhangig voneinander. Oberkalifornien sah unter anderem durch den
Goldrausch
eine wahre Bevolkerungsexplosion, wahrend der Suden ebenso wie das im Osten benachbarte
Sonora
weiterhin eine dunn besiedelte Randzone Mexikos darstellten. So kam es, dass der Norden allmahlich auf das ?Ober-“ verzichtete und alleine den Namen ?Kalifornien“ tragt. Auch im
Spanischen
bezeichnet heutzutage ?California“ in erster Linie den US-Bundesstaat, nicht die historische Landschaft.
Wahrend der
Mexikanischen Revolution
war Baja California Operationsgebiet des
Partido Liberal Mexicano
(PLM). Die kurzfristige Eroberung Baja Californias durch den PLM loste zunachst neue Spekulationen uber eine Annexion durch die Vereinigten Staaten aus. Gouverneur
Esteban Cantu
nutzte die Wirren der folgenden Jahre schließlich dazu, sich eine von der schwachen mexikanischen Zentralregierung vollig unabhangige Machtstellung aufzubauen, die er von 1915 bis 1920 beibehalten konnte. Mit dem Wiedererstarken der Zentralgewalt in Mexiko kam auch das Ende der
De-facto-Unabhangigkeit
Baja Californias. Nachdem alle Versuche gescheitert waren, Cantu zum freiwilligen Machtverzicht zu bewegen, setzte die mexikanische Bundesregierung eine
Expeditionsstreitmacht
zur Ruckeroberung Baja Californias in Bewegung. Angesichts der fur ihn aussichtslosen militarischen Lage gab Cantu schließlich auf und begab sich im August 1920 ins US-amerikanische Exil.
Die ungleiche Bevolkerungsentwicklung der beiden kalifornischen Bundesstaaten halt praktisch bis zum heutigen Tage an. Der US-Bundesstaat wachst unaufhorlich in seiner Bevolkerung. Dagegen ist Niederkalifornien bis auf die direkt an (Ober-)Kalifornien grenzenden Randbezirke mit den
Millionenstadten
Tijuana
und
Mexicali
eine der am dunnsten besiedelten Regionen Mexikos, die erst in jungster Zeit (auch durch Hollywoodfilme, zum Beispiel die Schlussszene in
Terminator 1
) durch den Tourismus eine Art Boom erlebt. Besonders die Sudspitze mit
Cabo San Lucas
und
San Jose del Cabo
hat sich in den letzten Jahren zu einem sehr beliebten Ferienziel fur US-Amerikaner und Kanadier entwickelt.
Dennoch teilen beide Kalifornien die großtenteils
wustenahnliche
Landschaft mit hohen
Gebirgen
in unmittelbarer Kustennahe. Im menschenleeren Niederkalifornien kann man sich ein Bild machen, wie die heute praktisch vollkommen besiedelte Kustenlandschaft Kaliforniens vor 200 Jahren ausgesehen haben muss.
Wahrend der Zeit der spanischen und der mexikanischen Herrschaft uber Kalifornien war ein Gouverneur mit der politischen Fuhrung des Landes betraut. Bis 1822 waren alle Gouverneure beider Kalifornien (?Las Californias“) und danach von
Alta California
Spanier. 1822 wurde mit
Luis Antonio Arguello
erstmals ein in Amerika geborener Mann Gouverneur in Kalifornien.
- ↑
In der Daisy Cave, im Norden der Channel Islands, fanden sich unter anderem Uberreste aus der Zeit um etwa 10.300?9100 v. Chr. Vgl. Torben C. Rick, Jon M. Erlandson & Rene L. Vellanoweth:
Paleocoastal Marine Fishing on the Pacific Coast of the Americas: Perspectives from Daisy Cave, California.
In: American Antiquity 66/4 (2001) S. 595?614.
- ↑
Die Fundstatte ist die
Arlington Spring Site
im
Arlington Canyon
, die Orr 1959 entdeckte. Vgl. Phil C. Orr:
The Arlington Spring Site, Santa Rosa Island, California.
In: American Antiquity 27/3 (Januar 1962), S. 417?419. Dazu auch:
John R. Johnson:
Ancient Bones May Rewrite History
, Santa Barbara Museum of Natural History
(
Memento
vom 9. Marz 2009 im
Internet Archive
)
- ↑
U.S. National Park Service official website about Juan Cabrillo.
(abgerufen am 18. Dezember 2006)
- ↑
Jon M. Erlandson, Torben C. Rick, Douglas J. Kennett und Phillip L. Walker:
Disease: Cultural Contacts and Possible Evidence for Old World. Epidemics Among the Protohistoric Island Chumash.
In: Pacific Coast Archaeological Society Quarterly 37/3 (2001), S. 11?26.
- ↑
Information from Monterey County Museum about Vizcaino's voyage and Monterey landing
(abgerufen am 18. Dezember 2006);
Summary of Vizcaino expedition diary
(abgerufen am 18. Dezember 2006)