Unter
Denken
werden alle (psychologischen) Vorgange zusammengefasst, die aus einer inneren Beschaftigung mit
Vorstellungen
,
Erinnerungen
und
Begriffen
eine
Erkenntnis
zu formen versuchen.
[1]
Bewusst
werden dabei meist nur die Endprodukte des Denkens, nicht aber die Denkprozesse, die sie hervorbringen.
[2]
Denken wird als Teil der
Kognition
allgemein von Wahrnehmung und
Intuition
unterschieden. Dies wird in der Regel damit begrundet, dass Wahrnehmung und Intuition unbegrifflich seien,
Gedanken
jedoch als begrifflich oder
propositional
aufgefasst werden. Denken kann auf einem Einfall basieren, spontan durch
Gefuhle
,
Situationen
, Sinneseindrucke oder Personen ausgelost werden, oder es wird abstrakt-konstruktiv entwickelt.
Automatisches
Denken, das unbewusst, absichtslos, unwillkurlich und muhelos ablauft, kann unterschieden werden von
kontrolliertem
Denken, das bewusst, absichtlich, freiwillig und aufwendig ist.
[3]
Die
Umgangssprache
zeigt Denken sowohl in der aktiven Form: ?Ich denke“ als auch in einer passiven, wahrnehmenden: ?Ich habe einen
Gedanken
/ eine
Idee
/ eine
Vorstellung
“.
Daniel Kahneman
unterscheidet ebenfalls ein ?System 1“, das automatisch und schnell, mit geringer oder keiner Anstrengung und ohne bewusste Kontrolle arbeitet, vom ?System 2“, das denjenigen muhevollen mentalen Aktivitaten, die Aufmerksamkeit erfordern, diese zuweist. Die Tatigkeiten des zweiten Systems werden haufig assoziiert mit Urheberschaft, Wahlfreiheit und Konzentration.
[4]
Wie Denken im Einzelnen geschieht, ist Forschungsgegenstand verschiedener Disziplinen.
Wissenssoziologie
,
Ethnologie
,
Psychologie
(insbesondere
Denkpsychologie
) und
Kognitionswissenschaft
betrachten das Denken hochst unterschiedlich. Einige versuchen, deskriptiv die vorliegenden Formen des Denkens zu beschreiben und bestimmte Muster und
Heuristiken
zu finden, denen das Denken von Individuen oder Gruppen im Allgemeinen, gruppenspezifisch oder im Einzelfall folgt. Diese Formen konnen wiederum in der Perspektive der Soziologie, der
allgemeinen Psychologie
, der
Personlichkeitspsychologie
oder in kognitionswissenschaftlichen Modellen betrachtet werden. Die
Gehirnforschung
und verwandte Fachbereiche untersuchen die psychologischen, neuronalen und biochemischen Mechanismen, die dem konkreten Vorgang des Denkens zugrunde liegen.
Erkenntnistheorie
,
Spieltheorie
, Logik und Denkpsychologie untersuchen, welchen Regeln das Denken folgen muss, um Wahrnehmungen sinnstiftend zu verarbeiten, zu wahren Uberzeugungen zu gelangen oder um korrekt Probleme zu losen oder Schlusse zu ziehen.
In Analogie zu den Begriffen der
Verhaltensbiologie
bezeichnet man:
- als
Denkweise
(zu
Verhaltensweise
) den einzelnen Gedankengang
- als
Denkmuster
(zu
Verhaltensmuster
) als regelmaßig in Reaktion auf eine Situation erfolgenden Gedankengang
Die typischen Denkweisen und -muster einer Person hangen von der
Veranlagung
, der
Sozialisation
(auch
Erziehung
,
Bildung
), den gesammelten
Erfahrungen
im Umgang mit Anderen und der Art der
sozialen Beziehungen
sowie der Fahigkeit zu
Perspektivenubernahme
und
Reflexion
ab.
In der
kognitiven Psychologie
wird Denken als eine Mischung aus
Gedachtnis
leistung und logisch abstrakter Symbolverarbeitung angesehen.
Mit Hilfe von Modellen, sogenannten
kognitiven
Architekturen, werden u. a. Denk- und
Problemloseprozesse
simuliert. Die bekanntesten Modelle sind
Denken als Problemlosen
Ein
Problem
besteht, wenn von einem gegebenen Ausgangszustand aus ein gewunschter Zielzustand nicht ohne weiteres erreicht werden kann. Das zwischen Ist- und Soll-Zustand liegende Hindernis muss durch Einsatz von Hilfsmitteln (sogenannten Operatoren) beseitigt werden. Hierzu sind Denkprozesse erforderlich.
In diesem Zusammenhang werden im Unterschied zu
Intelligenztests
komplexere Aufgaben verwendet, wie z. B. die
Turme von Hanoi
oder
Computersimulationen
.
Die Hauptkategorien des Denkens ?
bewusstes
,
unbewusstes
oder vorbewusstes Denken ? sind beim Problemlosen nicht zu trennen. Jedem bewussten Denkprozess gehen unbewusste Denkschritte voraus. Viele Erkenntnisse ?reifen“ unbewusst, in einer Phase der
Entspannung
, wenn man sich von dem Problem distanziert hat. Etliche große wissenschaftliche Einsichten kamen den Forschern scheinbar im Schlaf oder ?aus heiterem Himmel“.
Analytisches Denken vs. analoges Denken
In der
Kognitionspsychologie
spielt die Unterscheidung zwischen analytischem Denken, das auf einer
Analyse
von Sachverhalten o. A. beruht, und analogem Denken, welches ohne eine Analyse auskommt, eine wichtige Rolle. Analoges Denken findet
assoziativ
, spontan statt. Auf diese Weise kann etwa durch
Konnotationen
ein komplexer Sachverhalt erschlossen werden. So ist es bspw. moglich, einen schwierigen
literarischen
Text durch das assoziative Malen eines Bildes zu interpretieren, ohne vorher eine
Interpretation
auf der Basis einer Textanalyse geleistet zu haben.
Denken hat oft mit
Wissen
und mit
Erfahrung
zu tun. In der
Entwicklungspsychologie
wird unter anderem erforscht, wie Kinder lernen,
kausale
Zusammenhange zu erkennen. Dieses ?Kausalitatswissen“ wachst oft durch
gegenstandliches
Erleben und Denken.
Das gegenstandlich-kausale Denken eines Kindes ist ab etwa neun Monaten zu bemerken; ihm geht eine Phase der ?Pra-Kausalitat“ voraus. Ahnlich scheint es mit den oben erwahnten
assoziativen
Denkvorgangen zu sein. Mit etwa drei Jahren wird auch
abstrakte
Kausalitat einsichtig, doch sind Fehler im logischen Denken oft ?resistent“ (bleiben lange bestehen), was allerdings auch beim Erwachsenen vorkommt (vgl. die Forschung von
Jean Piaget
).
Wenn Kleinkinder lernen, z. B. einzelne Elemente oder Bausteine zu gruppieren, werden mit zunehmender Ubung die Effekte logischer
Operationen
merkbar. Zunachst konzentrieren sie sich auf ein Merkmal, spater auf wenige Merkmale. Die
Logische Multiplikation
? z. B. als kombiniertes Beachten von Form und Farbe ? gelingt erst mit einigen Jahren, wird aber durch
Zufallserlebnisse
gefordert.
Verschiedene Versuche ? unter anderem mit geistig Behinderten ? widersprechen der haufig geaußerten Annahme, dass Kinder alternative Denkweisen hatten. Wie viel des kindlichen Wissens ?angeboren“ ist und ob ihre begriffliche Denkstruktur jener von Erwachsenen entspricht, wird derzeit intensiv untersucht.
Denken ist auch relevant fur die
Leistungsmotivation
, z. B. im
Leistungssport
. Diese ist in diesem Zusammenhang vielleicht ebenso wichtig wie
Psychomotorik
und
Coaching
bzw.
Training
. Es gilt, das Denken, die Vorstellung, die aktuelle
Wahrnehmung
und sogar das Gedachtnis auf das Ziel zu konzentrieren.
Automatisierung
aller wichtigen Reaktionen und Sequenzen ist erforderlich. So steht auch unter Leistungsdruck das ganze personliche Leistungsspektrum zur Verfugung.
Auch
Ehrgeiz
,
Egoismus
,
Wille
und das Hinarbeiten auf ubergeordnete
Ziele
lassen sich unter kognitivem Blickwinkel betrachten.
Das Denken steht immer unter dem Einfluss der beiden wichtigsten Motive des Menschen:
- dem Bedurfnis nach einem positiven
Selbstbild
und
- dem Bedurfnis nach einem realistischen Weltbild.
[5]
Als Akteur im
sozialen Feld
ist der Mensch mit seinen begrenzten Ressourcen (beschrankte
Aufmerksamkeit
, beschranktes
Kurzzeitgedachtnis
, Schwachen des
Langzeitgedachtnisses
usw.) beim Denken standig auf
Heuristiken
angewiesen, z. B.
automatisches
Denken,
Implizites Wissen
,
Einstellungen
wie Vorurteile, Sympathie usw.,
Schemata
wie
Urteilsheuristiken
,
Implizite Personlichkeitstheorien
usw. Durch
kognitive Uberlastung
konnen Denkfehler und
kognitive Verzerrungen
auftreten.
[3]
Die
Philosophie
(alt- und neugriechisch
φιλοσοφ?α
philosophia
, wortlich ?Liebe zur Weisheit“) hat im Gegensatz zu den einzelnen Wissenschaften keinen begrenzten Gegenstandsbereich. Allgemein konnte man sie als den Versuch der kritisch-rationalen Selbstuberprufung des Denkens bezeichnen, als eine methodische
Reflexion
, die sich inhaltlich tendenziell auf eine Gesamtdeutung der Welt und der menschlichen Existenz richtet. Das Denken selbst wird insbesondere in der
Erkenntnistheorie
der Philosophie der
Logik
, der
Sprachphilosophie
und in der
Moral
philosophie (in der Theorie des moralischen Urteilens) thematisiert.
Denken als wortlose Sprache?
Das Denken konnte man auch als stummes Sprechen in einer inneren, allen Menschen gemeinsamen Sprache bezeichnen, die nach dem Philosophen
Jerry Fodor
language of thought
(etwa: Sprache des
Geistes
) oder auch
mentalese
(etwa: ?Denkisch“ oder ?Mentalisch“) genannt wird. Die Idee einer Sprache des Geistes (einer
lingua mentis
) findet sich auch schon ? ausgehend von einer These des griechischen Philosophen
Aristoteles
? in der Philosophie des Mittelalters. Ein Zitat von
Ludwig Wittgenstein
bringt dies so zum Ausdruck: ?Alle Philosophie ist Sprachkritik.“
Allerdings gibt es auch ein Denken in
Bildern
, das die Kunst kennt und das dem
Traum
und der Vorstellung verwandt ist ? die
Einbildung
(Wie etwa in der Legende, dass der Chemiker
Friedrich August Kekule
die Ringstruktur des
Benzol
molekuls
traumte
).
Martin Heidegger
, einer der Hauptbegrunder der
Phanomenologie
, beschreibt das Denken als einen Weg. Das zu-Denkende entzieht sich dem Menschen und zieht ihn mit. Weil sich das zu-Denkende dem Menschen entzieht und sich von ihm abwendet, nimmt es ihn in Anspruch. Der Mensch wird dadurch zu einem Zeichen und verweist auf das, was sich ihm entzieht.
[6]
Denken kann
kulturell
gepragt sein; diese Behauptung wird gestutzt von Befunden, die verschiedenen Kulturraumen unterschiedliche Denkstile zuordnen. So wird individualistischen
Gesellschaften
eine eher analytische Denkweise zugesprochen und im Gegensatz dazu kollektivistischen Kulturen eine eher
holistische
Denkweise.
Beim
analytischen
Denken wird auf der Ebene der Wahrnehmung der Kontext haufig ignoriert; bei der Betrachtung eines Bildes, z. B. wird das Hauptobjekt starker fokussiert als der Hintergrund. Dies nennt man Feldunabhangigkeit. Eine analytisch denkende Person nimmt Objekte eher bezuglich ihrer Eigenschaften wahr und ordnet sie daraufhin in
Kategorien
ein. Aufgrund dieser Kategorisierung werden Einschatzungen uber zukunftige Ereignisse und
Verhaltensweisen
getroffen. Also verwendet ein analytischer Denker
Regeln
, um Verhalten vorherzusagen. In Entscheidungssituationen wahlt er eindeutig ?Pro“ oder ?Contra“ anstelle der ?goldenen Mitte“.
Beim
holistischen Denken
richtet man seine
Aufmerksamkeit
dagegen auf die Beziehung zwischen dem fokussierten Objekt und dem Kontext (
Feldabhangigkeit
). Man versucht, auf dieser Basis (statt auf der Grundlage von Regeln) Ereignisse zu erklaren und vorherzusagen. Holistische Ansatze basieren eher auf Erfahrungen und weniger auf abstrakter Logik. Holistisches Denken kann
intuitiv
sein. Auch
dialektisches
Denken wird zuweilen als holistisch bezeichnet, da Gegensatze herausgearbeitet,
Widerspruche
wahrgenommen und Veranderungen in Form von
Synthesen
bzw.
Kompromissen
gesucht werden.
Der Ethnologe
Claude Levi-Strauss
bezeichnete die traditionell ganzheitlichen Denkweisen der
naturangepassten Kulturen
als ?
Wildes Denken
“.
[7]
Bereits Darwin außerte die Uberzeugung, dass das menschliche Denken Entsprechungen in der Tierwelt besitzt und nur graduelle, aber keine prinzipiellen Unterschiede vorhanden seien.
[8]
Heute ist unbestritten, dass das Denken einen evolutionaren, von verschiedenen Disziplinen erforschbaren Ursprung hat.
[9]
Der evolutionare Weg des Denkens verlauft bei
Tomasello
vom uberwiegend individuellen, konkurrenzbestimmten Denken der Menschenaffen zum kooperativen Denken des Menschen. Dabei denkt der Mensch kooperativ, indem er gemeinsame Ziele entwirft, diese gemeinsam verfolgt und auch gemeinsam uberdenken und korrigieren kann. Diese Fahigkeiten bedeuten evolutionare Systemubergange oder
Innovationen
. Im Unterschied zu Tieren evolvierte beim menschlichen Denken die Fahigkeit zu stabiler, generationenubergreifender Akkumulation von Denkinhalten (
Wagenheber-Effekt
) auf Populationsebene. Der Mensch kann in ausgepragt episodischem Denken, bezogen auf Vergangenheit ? Gegenwart ? Zukunft, komplexe gedankliche Szenarien entwerfen und ist stark motiviert, Informationen mit anderen zu teilen. Diese Denkformen sind Tieren nicht moglich.
[10]
[11]
Die Theorie des sozialen Gehirns weist auf einen Zusammenhang der Gehirngroße und maximalen Gruppengroße sozial lebender Arten. Soziale Bedingungen mit immer großeren Anforderungen an Denkleistung in großer werdenden Gruppen treiben im Evolutionsverlauf das Gehirnwachstum und damit auch die komplexer werdenden Denkformen in der Geschichte des sozialen Lebens des Menschen und seiner Vorfahren, nicht umgekehrt.
[12]
Auch Tiere konnen denken. Begrifflichkeit ist dazu nicht erforderlich. Vogel zeichnen sich durch eine vom Saugetier unterschiedliche Gehirnarchitektur aus. Insbesondere ihr Vorderhirn mit hoherwertigen Funktionen ist bei ihnen konvergent, also unabhangig evolviert. Obwohl sie keinen
Neocortex
besitzen, haben sie mit einer alternativen Gehirnstruktur fruher nicht fur moglich gehaltene, hoch entwickelte kognitive Fahigkeiten entwickelt. Dazu gehoren vielfaltiger Werkzeuggebrauch, kausale und analoge Gedankengange, Selbsterkennung und andere Fahigkeiten. Das gilt vor allem fur
Rabenvogel
,
Tauben
und
Papageienvogel
.
[13]
Bei den Wirbellosen sind Bienen ein evolutionar hoch entwickelter Endpunkt.
Bienen
verfugen in ihrem Gehirn mit dem unter den Insekten großen
Pilzkorper
uber ein Aquivalent zur
Großhirnrinde
. Sie besitzen eine detaillierte raumliche
Duftkarte
. Sie konnen neue Dufte erlernen, beherrschen (
Lernen zweiter Ordnung
) und konnen auch kontextuell lernen. Daneben sind sie in der Lage, Symbole zu ordnen und nach ihnen kategorisch zu handeln. Letztlich haben sie ein ?quasi-episodisches Gedachtnis“, das ihnen ?Was-wann-wo-Entscheidungen“ ermoglicht.
[14]
Kraken verfugen uber außerordentliche Denkfahigkeiten.
[15]
Wesentliche Gehirnteile sind konvergent zum Gehirn der Wirbeltiere entstanden, zeigen aber vergleichbare Eigenschaften, die fur das Lernen unabdingbar sind.
[16]
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