Der
Guardian
wurde im Umfeld des Little Circle, einer Gruppe als nonkonformistisch geltender Unternehmer und Sozialreformer, gegrundet.
[8]
Politisch vertritt der
Guardian
traditionell eine
linksliberale
Position, im Gegensatz zu den meisten anderen britischen Tageszeitungen, die eher
konservativ
ausgerichtet sind. Die Zielgruppe der Zeitung sind insbesondere die ?linksliberalen,
progressiven
, intellektuellen Großstadter […]
Akademiker
,
Kulturschaffenden
und
Studenten
“.
[9]
Im englischsprachigen Raum ist fur Angehorige dieser Bevolkerungsschicht, einer neuen Mittelklasse, auch der (eher abwertend verwendete) Begriff
Guardianistas
verbreitet.
Im Mai 2019 wurde ein geanderter
House Style Guide
veroffentlicht, der neue verscharfte Sprachregelungen fur die umweltbezogene Berichterstattung vorsieht. Statt
Climate Change
(
Klimawandel
) sollen beispielsweise
Climate emergency, crisis or breakdown
(Klima-Notfall, -krise oder -zusammenbruch) verwendet werden. Laut Chefredakteurin Katharine Viner soll dieser Schreibstil sicherstellen, dass die Umweltbelange wissenschaftlich prazise kommuniziert werden. Mit der Verscharfung folge man den
Klimawissenschaftlern
und verschiedenen UN-Organisationen, die ihre Ausdrucksweise ebenfalls verscharft hatten. Dabei wird auch auf kurz zuvor getatigte Aussagen von
Greta Thunberg
Bezug genommen.
[10]
Bei den
British Press Awards
wurde der
Guardian
1999, 2006, 2011 und 2014 zur ?Zeitung des Jahres“ (engl.:
National Newspaper of the Year
) gewahlt.
[11]
[12]
Im Jahr 2021 wurde der
Guardian
als
News Provider of the Year
ausgezeichnet.
[6]
Die verkaufte Auflage sank von 360.000 Exemplaren im ersten Halbjahr 2003 auf 158.000 im zweiten Halbjahr 2016, ein Minus von 56,1 Prozent.
[13]
Im April 2019 betrug sie 134.570 Exemplare, womit der
Guardian
hinter den beiden anderen uberregionalen Tageszeitungen
The Daily Telegraph
(335.740 Exemplare) und
The Times
(406.280 Exemplare) lag.
[14]
Fur das Geschaftsberichtsjahr vom April 2018 bis April 2019 hatte die Guardian News & Media (GNM), zu der der
Guardian
und der
Observer
gehoren, trotz branchenunublichem Verzicht auf eine
Paywall
ein Resultat von 800.000 Pfund im Plus vermeldet. Das war ein Umschwung nach Jahren mit roten Zahlen.
[15]
Im gleichen Zeitraum hatte die GNM Gesamteinnahmen in Hohe von 223 Millionen Pfund erwirtschaftet. Dabei hatte Printwerbung lediglich acht Prozent der Erlose beigetragen, 55 Prozent der Einnahmen kamen aus dem Digitalen.
[16]
Die Leserzufriedenheit ist hoch, das zeigt eine große, weiter wachsende Zahl an freiwilligen Spenden sowie ein hoher Anstieg bei Digitalabonnements. In den zwolf Monaten von April 2019 bis April 2020 stiegen die Spenderzahlen um 23 Prozent von 655.000 auf 821.000 Leser. Die Digi-Abos von zwei exklusiven Smartphone- und Tablet-Apps zogen zugleich um 39 Prozent von 191.000 auf 265.000 Nutzer an. In einer Umfrage zur besten Berichterstattung in der Corona-Krise in Großbritannien gaben die britischen Leser
The Guardian
(25 Prozent) mit Abstand vor
The Times
(12?%) und dem
Daily Telegraph
(9?%) den Vorzug.
[17]
[18]
Im Geschaftsjahr 2021/22 gab es uber eine Million regelmaßig zahlenden digitaler Unterstutzer (
recurring digital supporters
).
[19]
C. P. Scott
machte den
Guardian
uberregional bekannt. Von 1872 an war er 57 Jahre lang Herausgeber, 1907 wurde er zum Eigentumer der Zeitung. Unter seiner Leitung unterstutzte der
Guardian
William Ewart Gladstone
, als sich die
Liberalen
1886 aufspalteten, und wandte sich gegen die Volksmeinung, die den
Zweiten Burenkrieg
befurwortete. Scott unterstutzte die Bewegung fur das
Frauenwahlrecht
, lehnte aber militante Aktionen der
Suffragetten
ab. ?Die wirklich groteske Situation ist, dass Herr Lloyd George dafur kampft, dass sieben Millionen Frauen befreit werden, und gleichzeitig die Militanten verzweifelt versuchen, ihn davon abzuhalten, indem sie die Fenster von unbeteiligten Leuten einwerfen und die Treffen von wohlwollenden Vereinigungen abbrechen.“ Scott glaubte, dass ?der Mut und die Hingabe“ der Stimmrechtlerinnen ?einen besseren Anlass und eine vernunftigere Fuhrung verdient“ hatten.
Scotts Freundschaft
[20]
mit dem damals in Manchester tatigen Chemiker und
zionistischen
Aktivisten
Chaim Weizmann
ab dem Herbst 1914
[21]
(sie waren einander bei einer Wohltatigkeitsveranstaltung
[21]
vorgestellt worden) spielte eine Rolle in der
Balfour-Deklaration
von 1917. Scott ermoglichte Weizmanns Begegnung mit
David Lloyd George
am 3. Dezember 1914 in London.
[21]
1948 unterstutzte der
Guardian
den Staat Israel, nahm spater aber eine israelkritische Position im
Israelisch-palastinensischen Konflikt
ein. Daphna Baram erzahlt in ihrem Buch
Disenchantment: The Guardian and Israel
[22]
(2004) die Geschichte des
Guardian
und seiner Beziehung zum
Zionismus
.
Im Juni 1936 wechselten die Besitzverhaltnisse zum Scott Trust (benannt nach dem letzten Eigner,
John Russell Scott
, der der erste Vorsitzende des Trust wurde). Dieser Wechsel sicherte der Zeitung ihre Unabhangigkeit.
Bis 1959 hieß die Zeitung
The Manchester Guardian
; noch heute wird sie speziell in
Nordamerika
mit diesem Namen verbunden. 1964 zog die Zeitung nach London um. 1992 ubernahm der
Guardian
die Anteilsmehrheit an der
sudafrikanischen
Wochenzeitung
Weekly Mail
,
die fortan als
Weekly Mail & Guardian
und seit 1995 als
Mail & Guardian
erscheint.
[23]
Am 13. September 2005 wechselte der
Guardian
vom
Broadsheet-
zum
Berliner Format
. Im Juni 2006 wagte die Redaktion unter Chefredakteur
Alan Rusbridger
den journalistisch ebenso bedeutsamen wie riskanten Schritt, Artikel zuerst im Internet und erst danach in der
Printausgabe
erscheinen zu lassen. 2009 war die Internetseite des
Guardian
die sechstgroßte Website aller Tageszeitungen in der Welt und zahlte 26 Millionen Nutzer im Monat.
Seit 2009 besteht eine Kooperation mit der deutschsprachigen Wochenzeitung
der Freitag
.
[24]
Seit 2011 versucht sich
The Guardian
an der Form des kollaborativen Journalismus. Durch die Veroffentlichung der Themenliste in einem eigenen Blog erhalten die Leser die Moglichkeit, sich bei den Autoren zu melden, konnen Informationen abgeben und bei der Recherche mithelfen.
[25]
2005 bis 2012 versuchte der
Guardian,
auf juristischem Weg Einblick in Briefe von
Prinz Charles
an Ministerien zu bekommen. Kritiker warfen Prinz Charles vor, seine Machtbefugnisse zu uberschreiten und mit personlichen Interventionen seine Ansichten uber Okologie, alternative Medizin und moderne Architektur durchsetzen zu wollen. Im September 2012 gab eine Kammer des britischen Gerichtshofs fur Informationsfreiheit diesem Verlangen statt.
[26]
Ab Mai 2013 veroffentlichte
Glenn Greenwald
Informationen zu Kommunikations-Uberwachungsprogrammen der USA (
PRISM
) und Großbritanniens (
Tempora
) und brachte so die
Uberwachungs- und Spionageaffare 2013
an die Offentlichkeit. Im Juni gab sich
Edward Snowden
als Informant (?
Whistleblower
“) zu erkennen. Am 28.?Juni 2013 wurde bekannt, dass die
US Army
bestimmte Teile der Seite des
Guardian
in ihren internen Netzen sperrte.
[27]
Bereits im Dezember 2010 hatte die
US Air Force
fur ihre Mitarbeiter den Zugriff auf die Seite des
Guardian
sowie die Nachrichtenportale
New York Times
,
Le Monde
und
Spiegel Online
blockiert. Die Soldaten hatten dort Zugang zu den US-Diplomatendepeschen gehabt, die
WikiLeaks
veroffentlichte. Die Maßnahme wurde in Medien heftig kritisiert.
[27]
[28]
Der Chefredakteur
Alan Rusbridger
schrieb am 19. August 2013 in der Zeitung, die britische Regierung habe sein Blatt wegen der Veroffentlichung der Enthullungen Snowdens stark unter Druck gesetzt. Die Regierung soll mit Klage gegen das Blatt gedroht haben, falls Festplatten mit den Informationen nicht herausgegeben oder vernichtet wurden. Schließlich habe man, um einen Rechtsstreit zu vermeiden, der die weitere Berichterstattung uber die Affare moglicherweise auf Monate hinaus verhindert hatte, unter Aufsicht von Agenten des
Government Communications Headquarters
zwei Festplatten vernichtet.
[29]
[30]
Zudem war der Ehemann von Glenn Greenwald, David Miranda, auf dem
Flughafen London Heathrow
fast neun Stunden festgehalten worden. Er hatte fur seinen Partner in
Berlin
recherchiert und war auf dem Weg zu diesem nach
Rio de Janeiro
; der
Guardian
hatte den Flug bezahlt. Miranda musste seinen Laptop sowie sein Smartphone den Sicherheitsbehorden ubergeben und seine Passworter preisgeben.
[31]
The Guardian
und Glenn Greenwald erhielten fur ihre Recherchen zu den Kommunikations-Uberwachungsprogrammen der USA den
Preis fur die Freiheit und Zukunft der Medien
2013 der
Medienstiftung der Sparkasse Leipzig
.
[32]
Im April 2014 wurde der
Guardian
bzw. die US-Webseite der Zeitung zusammen mit der
Washington Post
fur die Berichterstattung mit dem
Pulitzer-Preis
in der Kategorie
Dienst an der Offentlichkeit
ausgezeichnet.
[33]
Finanzielle Konsolidierung des Kernbetriebs
Bearbeiten
Als Nebenprodukt betrieb die Guardian Media Group verschiedene Regional- und Fachzeitungen. Aus einer Autozeitschrift entstand Großbritanniens großtes Online-Portal fur den Handel mit gebrauchten Autos; es war zusammen mit anderen Onlineanzeigenportalen in der
Trader Media Group
gebundelt. Als der
Guardian
2007 einen Anteil von 49,99?% an der Trader Media Group verkaufte, beruhte der Kaufpreis auf einer Bewertung von 1,35 Mrd. £. Der
Guardian
trennte sich 2010 von seinen Regionalblattern und verkaufte 2014 die zweite Halfte der Trader Media Group.
Mit den Verkaufen aller Nebenprodukte und Konzentration auf den Zeitungskern schuf die Stiftung einen Kapitalstock von 838,3 Millionen £ im Juli 2014. Dieser sollte die Unabhangigkeit des
Guardian
dauerhaft sichern. Die Einnahmen entwickelten sich im ersten Jahr nicht wie erhofft, so dass die Verlagsleitung im Januar 2015 bekanntgab, dass Redaktion und Verwaltung uber die nachsten drei Jahre um 20?% abgebaut wurden, um zukunftige Verluste zu vermeiden.
[34]
Der Umsatz im
Finanzjahr
2015 betrug 209,5?Mio.?£ (248 Mio. €
?
1
). Der Verlust war somit von 14,7?Mio.?? (17 Mio. €
?
1
) im Vorjahr auf 68,7?Mio.?? (81 Mio. €
?
1
) gestiegen. Die Chefredakteurin Katherine Viner und Guardian-Media-Group-Vorstandsvorsitz David Pemsel stellten ein Programm vor, das uber einen Zeitraum von drei Jahren die Ausgaben um 20?% senken sollte und zudem neue Einnahmen durch Mitgliedschaften und die
Guardian Labs
generieren sollte.
[35]
Im September 2016 wurde bekanntgegeben, dass die Anzahl der Stellen in den USA um ein Drittel von 140 auf knapp 100 reduziert werden sollte.
[36]
2015 fuhrte der
Guardian
aufgrund der Verluste durch geringere Werbeeinnahmen ein Mitgliedsschaftssystem ein. Unterstutzer zahlen 5 £ im Monat, Partner 15 £ im Monat und Patrons 60 £ im Monat und profitieren durch Vorteile wie Vorrang bei Buchungen und Rabatte bei Veranstaltungen. Anfang 2017 gab es 200.000 Unterstutzer, Mitte 2018 waren es 570.000 und erstmals in der Geschichte des
Guardian
uberstiegen die Einnahmen des digitalen Sektors diejenigen der Druckerzeugnisse. Die Auflage der Printausgabe war Mitte 2018 auf 138.000 Exemplare gesunken. Der
Guardian
strebte bis zum Jahr 2019 ein Ende des Defizits sowie einen Anstieg der Gonner auf eine Million an. Dadurch sollte eine
Paywall
vermieden werden.
[37]
[38]
Im November 2021 wurde die Marke von einer Million nach eigenen Angaben erreicht.
[39]
Aus Spargrunden wurde die gedruckte Ausgabe im Januar 2018 auf das
Tabloid
-Format umgestellt und die Herstellung außer Haus an die Druckereien des
Daily Mirror
abgegeben. Damit sollten mehrere Millionen Pfund eingespart werden. 300 Arbeitsplatze wurden in Redaktion und Verlag abgebaut.
[40]
Das
Steuerjahr
2018, das vom 6. April 2018 bis zum 5. April 2019 ging, schloss der Guardian mit einem Gewinn in Hohe von 800.000 Pfund ab und schrieb damit zum ersten Mal nach uber zwei Jahrzehnten schwarze Zahlen.
[41]
Infolge der
COVID-19-Pandemie
wurde im Juli 2020 der Abbau von 180 Arbeitsplatzen, davon 70 in der Redaktion, bekanntgegeben.
[42]
Fur das Geschaftsjahr 2021/22 berichtete die
Guardian Media Group
von Einnahmen von 255,8 Millionen Pfund (darunter 76 Millionen
digital readers revenues
) und einem Gewinn aus Geschaftstatigkeit von 11,7 Millionen Pfund.
[19]
Im Februar 2021 entließ der
Guardian
den Kolumnisten
Nathan J. Robinson
, nachdem er sich auf
Twitter
ironisch uber die US-amerikanische Militarhilfe fur
Israel
geaußert hatte.
[43]