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Genetik ? Wikipedia

Die Genetik (moderne Wortschopfung zu altgriechisch γενε? genea ?Abstammung“ und γ?νεσι? genesis , deutsch ?Ursprung‘ ) [1] [2] oder Vererbungslehre (fruher auch Erblehre und Erbbiologie ) ist die Wissenschaft von der Vererbung und ein Teilgebiet der Biologie . Sie bzw. der Genetiker befasst sich mit den Gesetzmaßigkeiten und materiellen Grundlagen der Ausbildung von erblichen Merkmalen und der Weitergabe von Erbanlagen ( Genen ) an die nachste Generation .

Die Rekombination der elterlichen Gene fuhrt zu unterschiedlichen Phanotypen innerhalb eines Wurfes .

Das Wissen, dass individuelle Merkmale uber mehrere Generationen hinweg weitergegeben werden, ist relativ jung; Vorstellungen von solchen naturlichen Vererbungsprozessen pragten sich erst im 18. und fruhen 19. Jahrhundert aus. Als Begrunder der Genetik in diesem Sinn gilt der Augustinermonch Gregor Mendel , der in den Jahren 1856 bis 1865 im Garten seines Klosters systematisch Kreuzungsexperimente mit Erbsen durchfuhrte und diese statistisch auswertete. So entdeckte er die spater nach ihm benannten Mendelschen Regeln , die in der Wissenschaft allerdings erst im Jahr 1900 rezipiert und bestatigt wurden. Der heute weitaus bedeutendste Teilbereich der Genetik ist die Molekulargenetik , die sich mit den molekularen Grundlagen der Vererbung befasst. Aus ihr ging die Gentechnik hervor, in der die Erkenntnisse der Molekulargenetik praktisch angewendet werden.

Etymologie

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Das Adjektiv ?genetisch“ wurde schon um 1800 von Johann Wolfgang von Goethe in dessen Arbeiten zur Morphologie der Pflanzen und in der Folgezeit haufig in der romantischen Naturphilosophie sowie in der deskriptiven Embryologie verwendet. [3] Man meinte damit eine Methode (?genetische Methode“) der Untersuchung und Beschreibung der Individualentwicklung ( Ontogenese ) von Organismen. Mit dem Adjektiv charakterisierte Carl Nageli 1865 ihre stammesgeschichtliche Entwicklung. [4] Das Substantiv ?Genetik“ gebrauchte erstmals William Bateson 1905 zur Bezeichnung der neuen Forschungsdisziplin.

In Deutschland wurde bis in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts der Ausdruck ?Erbbiologie“ bedeutungsgleich gebraucht, zumeist zur Unterscheidung der ?Erbbiologie des Menschen“ ( Humangenetik ) von der allgemeinen Genetik. Die Bezeichnung ?Humangenetik“ war dabei in Deutschland bereits um 1940 etabliert. Damit wurde ein Ruckzug auf wissenschaftlich gebotene Grundlagenforschung angezeigt, wahrend ? Rassenhygiene “ angewandte Wissenschaft darstellte. [5] Nach 1945 verschwanden die Bezeichnungen ?Erbbiologie“ sowie ?Rassenhygiene“, ebenso wie ?Erbarzt“ und ?Erbmedizin“ allmahlich aus dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch.

Teilbereiche

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Weitergabe phanotypischer Merkmale: Vater und Sohn mit Haarwirbel und Otapostasis

Geschichte

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Zeittafel

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Vorgeschichte

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Schon in der Antike versuchten Menschen die Gesetzmaßigkeiten der Zeugung und die Ahnlichkeiten zwischen Verwandten zu erklaren, und einige der im antiken Griechenland entwickelten Konzepte blieben bis in die Neuzeit gultig oder wurden in der Neuzeit wieder aufgegriffen. [6] [7] So lehrte der griechische Philosoph Alkmaion um 500?v.?Chr., dass die Zeugung der Nachkommen durch die Zusammenwirkung des mannlichen und des weiblichen ? Samens “ geschehe. Sein Postulat eines weiblichen Samens fand in der damaligen Naturphilosophie und spater auch in der hippokratischen Medizin allgemeine Anerkennung. Davon abweichend behaupteten Hippon und Anaxagoras , dass nur der Mann zeugungsfahigen Samen bilde und dass der weibliche Organismus den Keim nur ernahre. Die Bildung des Samens erfolgte laut Alkmaion im Gehirn, von wo aus er durch die Adern in den Hoden gelange. Demgegenuber erklarten Anaxagoras und Demokrit , dass der gesamte Organismus zur Bildung des Samens beitrage ? eine Ansicht, die als Pangenesistheorie uber 2000 Jahre spater von Charles Darwin erneut vertreten wurde. Auch die Uberlegungen des Anaxagoras, wonach alle Korperteile des Kindes bereits im Samen (Sperma) vorgebildet seien, traten als Praformationslehre in der Neuzeit wieder auf. In der Antike wurden diese fruhen Lehren weitgehend abgelost durch die Ansichten des Aristoteles ( De generatione animalium ), wonach das Sperma aus dem Blut entsteht und bei der Zeugung nur immateriell wirkt, indem es Form und Bewegung auf die durch den weiblichen Organismus bereitgestellte flussige Materie ubertragt. [8] Die Entwicklung des Keims beschrieb Aristoteles als Epigenese , wonach im Gegensatz zur Praformation die verschiedenen Organe nacheinander durch die Einwirkung des vaterlichen Formprinzips ausgebildet werden. Neben der geschlechtlichen Zeugung kannte Aristoteles auch die Parthenogenese (Jungfernzeugung) sowie die (vermeintliche) Urzeugung von Insekten aus faulenden Stoffen.

Der Aristoteles-Schuler Theophrastus postulierte eine transmutatio frumentorum und nahm an, dass sich Getreidearten zu ihrer Wildform zuruckverwandeln konnen. Zudem unterschied er mannliche und weibliche Pflanzen bei der Dattelpalme. [9]

Vererbung war bis in das 18. Jahrhundert ein juristischer Begriff und fand fur naturliche Vorgange keine Anwendung. Denn Ahnlichkeiten zwischen Verwandten wurden ausreichend uber jeweils spezifische lokale Faktoren und die Lebensweise des Individuums erklart: uber das Klima, die Ernahrung, die Art der Betatigungen usw. Wie gewisse Merkmale unter Nachkommen blieben auch diese Faktoren fur die Nachkommen in der Regel konstant. Irregulare Merkmale konnten dann entsprechend auf irregulare Einflusse bei der Zeugung oder der Entwicklung des Individuums zuruckgefuhrt werden. Erst mit dem zunehmenden internationalen Verkehr und zum Beispiel der Anlage von exotischen Garten wurde ein Wahrnehmungsraum dafur geschaffen, dass es vom Individuum und seinem jeweiligen Ort ablosbare, naturliche Gesetze geben musse, die sowohl die Weitergabe von regularen als auch zuweilen eine Weitergabe von neu erworbenen Eigenschaften regeln. [10]

 
Praformistische Darstellung des Spermiums von Nicolas Hartsoeker , 1695

Der Begriff der Fortpflanzung oder Reproduktion , in dessen Kontext von Vererbung im biologischen Sinn gesprochen werden kann, kam erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. [11] In fruheren Jahrhunderten galt die ?Zeugung“ eines Lebewesens als ein Schopfungsakt , der grundsatzlich eines gottlichen Eingriffs bedurfte und im Rahmen des Praformismus vielfach als Teilaspekt der Erschaffung der Welt betrachtet wurde. Dabei unterschied man die Zeugung durch den Samen (Sperma) im Mutterleib von der Urzeugung , durch welche niedere Tiere (etwa Wurmer, Insekten, Schlangen und Mause) aus toter Materie hervorzugehen schienen. [12] Die ?Samenzeugung“ betrachtete man als Eigenheit des Menschen und der hoheren Tiere, welche zu ihrer Ausbildung eines Mutterleibs bedurfen. Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts setzte sich, vor allem aufgrund der Experimente Francesco Redis , die Einsicht durch, dass Wurmer, Insekten und andere niedere Tiere nicht aus toter Materie entstehen, sondern von gleichartigen Tieren gezeugt werden. Nun betrachtete man die Zeugung nicht mehr als Schopfungsakt, sondern verlegte diesen in die Zeit der Erschaffung der Welt, bei der, wie man annahm, alle zukunftigen Generationen von Lebewesen zugleich ineinandergeschachtelt erschaffen wurden. Die Zeugung war somit nur noch eine Aktivierung des langst vorhandenen Keims, der sich dann zu einem voll ausgebildeten Organismus entfaltete. Strittig war dabei, ob die Keime durch das weibliche oder durch das mannliche Geschlecht weitergegeben werden, ob sie also im Ei oder im ?Samentierchen“ eingeschachtelt sind. Beide Ansichten hatten ihre Anhanger (Ovisten und Animalkulisten), bis die Entdeckung der Jungfernzeugung bei der Blattlaus durch Charles Bonnet 1740 den Streit zugunsten der Ovisten entschied. [13]

Neben der sehr popularen Praformationslehre, die 1625 durch Giuseppe degli Aromatari (1587?1660) ins Spiel gebracht worden war, gab es im 17. Jahrhundert auch renommierte Anhanger der an Aristoteles anknupfenden Epigenesislehre, namentlich William Harvey und Rene Descartes . Deren Ansichten galten jedoch als antiquiert und wurden als unwissenschaftlich verworfen, da sie immaterielle Wirkprinzipien voraussetzten, wahrend der Praformismus rein mechanistisch gedacht werden konnte und zudem durch die Einfuhrung des Mikroskops einen starken Auftrieb erfuhr. [14]

Die Vorstellung der Praformation herrschte bis in das 19. Jahrhundert hinein vor, obwohl es durchaus Forschungsergebnisse gab, die nicht mit ihr in Einklang gebracht werden konnten. Großes Erstaunen riefen die Versuche zur Regeneration bei Salamandern , Sußwasserpolypen und anderen Tieren hervor. Polypen kann man fein zerhacken, und jedes Teilstuck entwickelt sich, wie Abraham Trembley 1744 beschrieb, innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einem kompletten Tier. In den Jahren 1744 bis 1754 veroffentlichte Pierre-Louis Moreau de Maupertuis mehrere Schriften, in denen er aufgrund von Beobachtungen bei Tieren und Menschen, wonach beide Eltern Merkmale an ihre Nachkommen weitergeben konnen, die Praformationslehre kritisierte und ablehnte. Entsprechende Beobachtungen publizierte auch Joseph Gottlieb Kolreuter (1761), der als Erster Kreuzungen verschiedener Pflanzenarten studierte. Und Caspar Friedrich Wolff beschrieb 1759 minutios die Entwicklung des Embryos im Huhnerei aus vollig undifferenzierter Materie. Trotz der Probleme, die derartige Forschungen aufwarfen, geriet die Praformationslehre jedoch erst im fruhen 19. Jahrhundert durch die embryologischen Untersuchungen von Christian Heinrich Pander (1817) und Karl Ernst von Baer (1828) ins Wanken, bei denen diese die Bedeutung der Keimblatter aufklarten und allgemein gultige Gesetzmaßigkeiten der Embryogenese der Tiere aufzeigten. [15]

Mit der Etablierung der von Matthias Jacob Schleiden (1838), Theodor Schwann (1839) und Rudolf Virchow (1858) entwickelten Allgemeinen Zelltheorie wurde deutlich, dass die Grunde fur die Ahnlichkeit von Eltern und Nachkommen in der Zelle lokalisiert sein mussen. Alle Organismen bestehen aus Zellen, Wachstum beruht auf der Vermehrung der Zellen durch Teilung , und bei der geschlechtlichen Fortpflanzung , die bei Vielzellern der Normalfall ist, vereinigen sich je eine Keimzelle beiderlei Geschlechts zu einer Zygote , aus welcher durch fortwahrende Teilung und Differenzierung der neue Organismus hervorgeht. [16]

Klassische Genetik

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Die Gesetzmaßigkeiten der Vererbung blieben lange im Unklaren. Schon in den Jahren 1799 bis 1823 fuhrte Thomas Andrew Knight ? wie einige Jahrzehnte spater Gregor Mendel ? Kreuzungsexperimente mit Erbsen durch, bei denen er bereits die Erscheinungen der Dominanz und der Aufspaltung von Merkmalen beobachtete. [17] 1863 publizierte Charles Victor Naudin (1815?1899) die Ergebnisse seiner Kreuzungsexperimente mit zahlreichen Pflanzengattungen, wobei er das sehr gleichartige Aussehen aller Pflanzen der ersten Tochtergeneration und die ?extreme Verschiedenartigkeit der Formen“ in den folgenden Generationen konstatierte und damit weitere bedeutende Aspekte der fast zeitgleichen Erkenntnisse Mendels vorwegnahm, aber im Unterschied zu Mendel keine statistische Auswertung durchfuhrte. [18]

 
Gregor Mendel

Der entscheidende Durchbruch gelang dann Mendel mit seinen 1856 begonnenen Kreuzungsversuchen, bei denen er sich auf einzelne Merkmale konzentrierte und die erhaltenen Daten statistisch auswertete . So konnte er die grundlegenden Gesetzmaßigkeiten bei der Verteilung von Erbanlagen auf die Nachkommen ermitteln, die heute als Mendelsche Regeln bezeichnet werden. Diese Entdeckungen, die er 1866 publizierte, blieben jedoch zunachst in der Fachwelt fast unbeachtet und wurden erst im Jahr 1900 von Hugo de Vries , Carl Correns und Erich Tschermak wiederentdeckt und aufgrund eigener Versuche bestatigt.

Einen radikalen Umbruch der Vorstellungen von der Vererbung brachte die Keimbahn- oder Keimplasmatheorie mit sich, die August Weismann in den 1880er Jahren entwickelte. [19] Schon seit dem Altertum galt es als selbstverstandlich, dass Merkmale, welche die Eltern wahrend ihres Lebens erworben haben, auf die Nachkommen ubertragen werden konnen. Nach Jean-Baptiste de Lamarck , in dessen Evolutionstheorie sie eine bedeutende Rolle spielte, wird diese Ansicht heute als Lamarckismus bezeichnet. Doch auch Charles Darwin postulierte in seiner Pangenesistheorie , dass der ganze elterliche Organismus auf die Keimzellen einwirke ? unter anderem sogar indirekt durch Telegonie . Weismann unterschied nun zwischen der Keimbahn , auf der die Keimzellen eines Organismus sich von der Zygote herleiten, und dem Soma als der Gesamtheit aller ubrigen Zellen, aus denen keine Keimzellen hervorgehen konnen und von denen auch keine Einwirkungen auf die Keimbahn ausgehen. Diese Theorie war allerdings anfangs sehr umstritten. [20]

 
Hugo de Vries

Mit seinem zweibandigen Werk Die Mutationstheorie (1901/03) fuhrte de Vries den bis dahin in der Palaontologie gebrauchlichen Begriff ? Mutation “ in die Vererbungslehre ein. Nach seiner Auffassung handelte es sich bei Mutationen um umfassende, sprunghafte Veranderungen, durch welche eine neue Art entstehe. Dabei stutzte er sich auf seine Studien an Nachtkerzen , bei denen eine ?in allen ihren Organen“ stark veranderte Pflanze aufgetreten war, deren Merkmale sich als erbkonstant erwiesen und die er daher als neue Art ( Oenothera gigas ) beschrieb. (Spater stellte sich heraus, dass Oe. gigas im Unterschied zu den diploiden Ausgangspflanzen tetraploid war und somit ? aus heutiger Sicht ? der Sonderfall einer Genommutation (Autopolyploidie) vorlag.) Dieser Befund stand im Widerspruch zu der an Charles Darwin anschließenden Evolutionstheorie , die das Auftreten geringfugiger Veranderungen voraussetzte, und das war einer der Grunde, warum der ? Mendelismus “ sich zeitweilig im Widerstreit mit dem damals noch nicht allgemein akzeptierten Darwinismus befand.

In den Jahren um die Jahrhundertwende untersuchten etliche Forscher die unterschiedlichen Formen der Chromosomen und deren Verhalten bei Zellteilungen . Aufgrund der Beobachtung, dass gleich aussehende Chromosomen paarweise auftreten, außerte Walter Sutton 1902 als erster die Vermutung, dass dies etwas mit den ebenfalls gepaarten Merkmalen und deren ?Spaltung“ in den Untersuchungen von Mendel und seinen Wiederentdeckern zu tun haben konne. [21] Im Anschluss daran formulierte Theodor Boveri 1904 die Chromosomentheorie der Vererbung , wonach die Erbanlagen an die Chromosomen gebunden sind und deren Verhalten bei der Meiose und Befruchtung den Mendelschen Regeln entspricht. [22]

 
Vererbung der Augenfarbe bei Drosophila . Abbildung aus The Physical Basis of Heredity (1919)

Eine sehr folgenreiche Entscheidung war die Wahl von Taufliegen als Versuchsobjekt durch die Arbeitsgruppe um Thomas Hunt Morgan im Jahre 1907, vor allem weil diese in großer Zahl auf kleinem Raum gehalten werden konnen und sich sehr viel schneller vermehren als die bis dahin verwendeten Pflanzen. So stellte sich bald heraus, dass es auch geringfugige Mutationen gibt, auf deren Grundlage allmahliche Veranderungen innerhalb von Populationen moglich sind (Morgan: For Darwin , 1909). Eine weitere wichtige Entdeckung machte Morgans Team etwa 1911, als man die schon 1900 von Correns publizierte Beobachtung, dass manche Merkmale meist zusammen vererbt werden ( Genkopplung ), mit Untersuchungen der Chromosomen verband und so zu dem Schluss kam, dass es sich bei den Koppelungsgruppen um Gruppen von Genen handelt, welche auf demselben Chromosom liegen. Wie sich weiter herausstellte, kann es zu einem Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen kommen ( Crossing-over ), und aufgrund der relativen Haufigkeiten dieser intrachromosomalen Rekombinationen konnte man eine lineare Anordnung der Gene auf einem Chromosom ableiten ( Genkarte ). Diese Erkenntnisse fasste Morgan 1921 in The Physical Basis of Heredity und 1926 programmatisch in The Theory of the Gene zusammen, worin er die Chromosomentheorie zur Gentheorie weiterentwickelte.

Diese Theorie war schon wahrend ihrer allmahlichen Herausbildung sehr umstritten. Ein zentraler Streitpunkt war die Frage, ob die Erbanlagen sich ausschließlich im Zellkern oder auch im Zytoplasma befinden. Vertreter der letzteren Ansicht waren u.?a. Boveri, Correns, Hans Driesch , Jacques Loeb und Richard Goldschmidt . Sie postulierten, dass im Kern nur relativ geringfugige Erbfaktoren bis hin zu Artmerkmalen lokalisiert seien, wahrend Merkmale hoherer systematischer Kategorien ( Gattung , Familie usw.) durch das Plasma vererbt wurden. Der entschiedenste Vertreter der Gegenseite war Morgans ehemaliger Mitarbeiter Hermann Joseph Muller , der in The Gene as the Basis of Life (1929) die im Kern lokalisierten Gene als die Grundlage des Lebens uberhaupt bezeichnete und die Bedeutung des Plasmas als sekundar einstufte.

Muller war es auch, der 1927 erstmals von der Erzeugung von Mutationen durch Rontgenstrahlung berichtete, wodurch die genetische Forschung nicht mehr darauf angewiesen war, auf spontan auftretende Mutationen zu warten. Der von de Vries, Morgan, Muller und Anderen vertretenen Ansicht der Zufalligkeit der Mutationen stand das u.?a. von Paul Kammerer und Trofim Denissowitsch Lyssenko verfochtene Postulat gegenuber, dass Mutationen ?gerichtet“ und qualitativ durch Umwelteinflusse bestimmt seien.

Zur Forderung der ?menschlichen Erblehre“ trugen im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts auch Erwin Baur , Eugen Fischer und Fritz Lenz bei, ebenso mit Arbeiten zur Zwillingsforschung Wilhelm Weitz , Hermann Werner Siemens und Otmar Freiherr von Verschuer . [23]

Populationsgenetik

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Nach dem allgemeinen Bekanntwerden von Mendels mathematisch exakter Beschreibung des dominant-rezessiven Erbgangs im Jahr 1900 wurde die Frage diskutiert, ob rezessive Merkmale in naturlichen Populationen allmahlich verschwinden oder auf Dauer erhalten bleiben. [24] Hierzu fanden der deutsche Arzt Wilhelm Weinberg und der britische Mathematiker Godfrey Harold Hardy 1908 fast gleichzeitig eine Formel, die das Gleichgewicht dominanter und rezessiver Merkmale in Populationen beschreibt. Diese Entdeckung wurde jedoch unter Genetikern zunachst kaum beachtet. Erst 1917 fuhrte Reginald Punnett das von ihm so genannte ?Hardy-Gesetz“ in die Populationsforschung ein, was ein wichtiger Beitrag zur Begrundung der Populationsgenetik als eigenstandigem Forschungszweig in den 1920er Jahren war. Weinbergs Beitrag wurde sogar erst 1943 von Curt Stern wiederentdeckt, der die Formel daraufhin in ? Hardy-Weinberg-Gesetz “ umbenannte.

Die Grundlagen der Populationsgenetik wurden parallel von Sewall Wright , Ronald A. Fisher und J. B. S. Haldane entwickelt. [25] Sie erkannten, dass Vererbungsvorgange in der Natur sinnvollerweise auf der Ebene von Populationen zu betrachten sind, und formulierten dafur die theoretischen Grundlagen (Haldane: A Mathematical Theory of Natural and Artificial Selection. 1924?1932; Fisher: The Genetical Theory of Natural Selection. 1930; Wright: Evolution in Mendelian Populations. 1931).

Molekulargenetik

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Seit 1889 ( Richard Altmann ) war bekannt, dass Chromosomen aus ? Nucleinsaure “ und basischem Protein bestehen. Uber deren Aufbau und Funktion konnte jedoch lange Zeit nur spekuliert werden. 1902 postulierten Emil Fischer und Franz Hofmeister , dass Proteine Polypeptide seien, also lange Ketten von Aminosauren . Das war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch sehr spekulativ. Als 1905 die ersten Analysen der Aminosauren-Zusammensetzung von Proteinen publiziert wurden, erfassten diese lediglich ein Funftel des untersuchten Proteins, und die Identifikation aller 20 proteinogenen Aminosauren zog sich bis 1935 hin. Dagegen war bei der Nukleinsaure schon 1903 klar ( Albrecht Kossel ), dass sie neben Zucker und Phosphat lediglich funf verschiedene Nukleinbasen enthalt. Erste Analysen der Basenzusammensetzung durch Hermann Steudel ergaben 1906, dass die vier hauptsachlich vorhandenen Basen zu annahernd gleichen Anteilen enthalten sind. Daraus schloss Steudel (1907), dass die Nukleinsaure ?ein relativ einfach gebauter Korper sei“, [26] dem man keine anspruchsvollen Funktionen beimessen konne. Dies etablierte sich als Lehrmeinung, die bis in die 1940er Jahre gultig blieb, und auf dieser Grundlage betrachtete man nicht die Nukleinsaure(n), sondern die Proteine als ?Erbsubstanz“.

Zu der Einsicht, dass es sich gerade umgekehrt verhalt und die Nukleinsaure DNA als Erbsubstanz angesehen werden muss, fuhrten die Experimente der Arbeitsgruppe von Oswald Avery zur Transformation von Pneumokokken (1944) [27] und das Hershey-Chase-Experiment von 1952 mit Bakteriophagen . Außerdem zeigte Erwin Chargaff 1950, dass die vier Nukleotide , aus denen die DNA besteht, nicht zu gleichen, sondern zu paarweise gleichen Anteilen enthalten sind. Zusammen mit Rontgenstrukturanalyse -Daten von Rosalind Franklin war das die Grundlage fur die Entwicklung des Doppelhelix -Strukturmodells der DNA durch James Watson und Francis Crick 1953.

Ab 1985 fand die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), mit deren Hilfe eine bestimmten DNA-Sequenz millionenfach vervielfaltigt werden kann, breite Anwendung und ermoglichte die genauere Untersuchung der DNA, zum Beispiel mit Agarose-Gelelektrophorese . [28] 1995 wurde mit Haemophilus influenzae das erste vollstandige Genom sequenziert. 1996 wurde mit der Backhefe das erste Genom eines Eukaryonten veroffentlicht . 2001 wurde das menschliche Genom im Humangenomprojekt sequenziert. [29] Im Folgenden konnte die molekulare DNA-Struktur eines Gens mit der RNA und dem zugehorigen Protein und der Funktion dieses Proteins im Korper verknupft werden [30] und das Gebiet der Genomik, das sich mit der Erforschung des Aufbaus von Genomen und der Wechselwirkungen zwischen Genen befasst, entwickelte sich. [31] Dazu wurden Datenbanken wie NCBI und Ensembl aufgebaut. [32]

Siehe auch

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Wiktionary: Genetik ?? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. genetikos. In: Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek-English Lexicon. ( perseus.tufts.edu ).
  2. genesis. In: Henry George Liddell, Robert Scott: A Greek-English Lexicon. ( perseus.tufts.edu ).
  3. Ilse Jahn , Rolf Lother, Konrad Senglaub (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 2. Auflage. Gustav Fischer Verlag, Jena 1985, S. 284 und 413.
  4. Carl Nageli: Entstehung und Begriff der Naturhistorischen Art. Rede in der offentlichen Sitzung der k. Akademie der Wissenschaft am 28. Marz 1865 zur Feier ihres einhundert und sechsten Stiftungstages. Verlag der koniglichen Akademie, Munchen 1865. Digitalisat. → Seite 9: ?Diess Alles wird uns nur begreiflich, wenn der Zusammenhang zwischen den niedern und hohern Organismen ein genetischer ist, wenn die hohern sich aus den niedern entwickelt haben.“
  5. Peter Weingart, Jurgen Kroll, Kurt Bayertz: Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland . Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, S. 557?f.
  6. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 56?59.
  7. Erna Lesky : Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken. (= Akademie der Wissenschaften und der Literatur [zu Mainz]: Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse. [1950]. 19). Wiesbaden 1951, DNB 453020739 .
  8. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 68?71.
  9. Hans-Peter Kroner: Genetik. 2005, S. 468.
  10. Hans-Jorg Rheinberger , Staffan Muller-Wille : Vererbung. Geschichte und Kultur eines biologischen Konzepts. Frankfurt am Main 2009.
  11. Francois Jacob : Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. Frankfurt am Main 1972, S. 27?f.
  12. F. Jacob: Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. 1972, S. 32?f.
  13. F. Jacob: Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. 1972, S. 72.
  14. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 218?220 und 231.
  15. F. Jacob: Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. 1972, S. 74?79; I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 232?249.
  16. F. Jacob: Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. 1972, S. 123?139.
  17. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 417 und 691.
  18. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 418?f.
  19. F. Jacob: Die Logik des Lebenden ? Von der Urzeugung zum genetischen Code. 1972, S. 232?235.
  20. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 410?412.
  21. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 463.
  22. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 463?f.
  23. Paul Diepgen , Heinz Goerke : Aschoff /Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 63.
  24. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 468?f.
  25. I. Jahn u. a. (Hrsg.): Geschichte der Biologie. 1985, S. 482?484.
  26. H. Steudel: Hoppe-Seyler's Z. Physiol. Chem. 53, 1907, S. 18, zitiert nach Peter Karlson : 100 Jahre Biochemie im Spiegel von Hoppe-Seyler’s Zeitschrift fur Physiologische Chemie. dito Band 358, 1977, S. 717?752, Zitat S. 747.
  27. Oswald T. Avery u. a.: Studies on the chemical nature of the substance inducing transformation of pneumococcal types. Inductions of transformation by a desoxyribonucleic acid fraction isolated from pneumococcus type III. In: J Exp Med. Band 79, Nr. 2, 1944, S. 137?158.
  28. The Invention of PCR. In: Bitesize Bio. 24.?Oktober 2007, abgerufen am 7.?Oktober 2019 (englisch).
  29. Timeline: Organisms that have had their genomes sequenced. In: yourgenome. Abgerufen am 7.?Oktober 2019 (englisch).
  30. What is genomics? In: EMBL-EBI Train online. 9.?September 2011, abgerufen am 7.?Oktober 2019 (englisch).
  31. National Human Genome Research Institute: FAQ About Genetic and Genomic Science . Abgerufen am 9. Dezember 2013.
  32. What is bioinformatics? A proposed definition and overview of the field. In: Methods of Information in Medicine . 40. Jahrgang, Nr.  2 , 2001, ISSN  0026-1270 , doi : 10.1055/s-008-38405 (englisch).
  33. Louisa A. Stark, Kevin Pompei: Making Genetics Easy to Understand. In: Science . Band 327, Nr. 5965, S. 538?539, doi:10.1126/science.1183029 .