Edward Rydz, wie er eigentlich hieß (
?migły
, fur
der Flinke
, war ein
Pseudonym
, das er in verschiedenen konspirativen Vereinen der Zeit vor 1914 benutzte und spater seinem Familiennamen beifugte), war Sohn des osterreichisch-ungarischen Berufsunteroffiziers Tomasz Rydz († 1888) und dessen Gemahlin Maria Babiak (†?1896 im Alter von 29 Jahren). Damit stellte er eine Seltenheit im
Offizierskorps
der
Zweiten Polnischen Republik
dar, in dem die meisten Offiziere
adliger
oder großburgerlicher Herkunft waren. Fruh verwaist, wurde Edward von den mutterlichen Großeltern erzogen, nach deren Ableben kam er zur Familie des Stadtarztes in Brze?any, Edmund Uranowicz.
[1]
Er besuchte das Gymnasium in seinem Geburtsort und legte 1905 das
Matura
-Examen mit Auszeichnung ab.
Eigentlich wollte Rydz
Kunstmaler
werden und studierte zuerst Malerei bei
Leon Wyczołkowski
und
Teodor Axentowicz
an der
Krakauer Akademie der Schonen Kunste
, dann
Philosophie
und
Kunstgeschichte
an der
Jagiellonen-Universitat
. 1907 studierte er Malerei in
Munchen
,
Nurnberg
und
Wien
. Zwischen 1910 und 1911 erhielt er jedoch auch eine Offiziersausbildung als
Einjahrig-Freiwilliger
im beruhmten
Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4
und beendete sie mit Auszeichnung als
Fahnrich
. Man schlug ihm vor, als Berufsoffizier in der
Armee
zu bleiben, er lehnte dies allerdings ab.
1907 und 1908 war Rydz in verschiedenen konspirativen
sozialistischen
und
nationalen
Vereinen tatig. Nach der Grundung des von k.u.k. Behorden zugelassenen
Schutzenverbandes ?Strzelec“
wurde Rydz nach der Beendigung der Ausbildung als Offizier der
Schutzen
zum Kommandanten zweier Ausbildungsjahrgange (1912 und 1913), zuletzt war er Chef des Bundbezirks
Lemberg
. Gleichzeitig nahm er 1912 das Studium an der Krakauer Akademie der Schonen Kunste unter der Leitung des Professors
Jozef Pankiewicz
wieder auf und beendete es noch vor dem Ausbruch des
Ersten Weltkrieges
. Man lobte seine Begabung in der Landschafts- und Portratmalerei und sagte ihm eine große Zukunft als Maler voraus.
Im Juli 1914 trat Rydz als
Leutnant
in die
osterreichisch-ungarische Armee
ein, einen Monat spater wurde er zu den
Polnischen Legionen
unter
Jozef Piłsudski
versetzt, wo er in der beruhmten, von Piłsudski selbst befehligten Ersten?Brigade diente, in der er nach und nach Bataillonskommandant, Kommandant des 1. Regiments und Stellvertreter des Brigadechefs wurde. Als Kommandant des 3. Bataillons nahm er mit Auszeichnung an vielen schweren Kampfen an der
Ostfront
gegen die
russische Armee
teil. Der Militarhistoriker
Juliusz Kaden-Bandrowski
schrieb uber ihn: ?Das Dritte Bataillon ist gleichsam die
Garde
der Ersten Brigade. Wo ?migły angreift, muss es immer ein positives Ergebnis geben. Wo er wirtschaftet, gibt es Ordnung.“ Schon 1914 wurde Rydz zum
Major
, 1915 zum
Oberstleutnant
und 1916 zum
Oberst
befordert.
Im Juli 1917 verweigerten die Legionare den Eid auf die zwei Kaiser der
Mittelmachte
als Verbundete des von Deutschland und Osterreich-Ungarn neugeschaffenen
Regentschaftskonigreiches Polen
, was zur sogenannten
Eidkrise
fuhrte.
Hans von Beseler
, Generalgouverneur im
Generalgouvernement Warschau
, ließ die Legionen auflosen und ihre Soldaten internieren. Nach kurzer Haft wurde Rydz von Piłsudski, der in
Magdeburg
in
Festungshaft
war, Anfang 1918 zum Oberkommandierenden der geheimen
Polnischen Militarischen Organisation
(POW) ernannt. Als solcher fuhr er im September 1918 nach
Kiew
, wo er uber die Anwerbung der Polen in der
Ukraine
fur die POW verhandelte, und wo er seine kunftige Frau, Marta Zaleska, die Kurierin der POW war, kennenlernte. Im Oktober 1918 fuhr er nach
Lublin
zu einer Geheimkonferenz der
Polnischen Bauernpartei
(PSL) und der
Polnischen Sozialistischen Partei
(PPS), der er das Projekt der Errichtung eines unabhangigen republikanisch-demokratischen polnischen Staates mit provisorischem Sitz in Lublin vorlegte. Am 6. und 7. November desselben Jahres wurde Rydz vom Sozialistenfuhrer
Ignacy Daszy?ski
als Kriegsminister im Rang eines
Generalmajors
in dessen so genannte Erste Lubliner Regierung berufen (die zweite war die kommunistische unter
Bolesław Bierut
im Jahr 1944), die am 11. November 1918 die Macht an Piłsudski ubergab. Als Minister begann er den Doppelnamen Rydz-?migły zu gebrauchen.
Krieg gegen die Bolschewiki (1919?1921)
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Wahrend des
Polnisch-Sowjetischen Krieges
1919 bis 1921 war Rydz-?migły Kommandant der Militarbezirke Warschau und Lublin. Wahrend des polnischen Angriffs auf
Wilna
(1919) war er Befehlshaber der 1. Infanteriedivision der Legionen und vernichtete die Truppen der
Roten Armee
im Umland von Wilna. Am 8. August 1919 eroberte er
Minsk
, einen Monat spater stieß er bis zur
Duna
vor und besetzte einen Vorort von
Dunaburg
. Am 30. Dezember 1919 wurde er Kommandant einer Operationsgruppe, die aus zwei polnischen und zwei
lettischen
Regimentern bestand und eroberte am 3. Januar 1920 Dunaburg. Zum Oberbefehlshaber der
lettischen Streitkrafte
ernannt, eroberte er bis Februar 1920 das sudliche
Polnisch-Livland
. Er erhielt dafur die Ritterwurde des Orden
Virtuti Militari
und die hochste lettische Militarauszeichnung, den
L??pl?sis-Orden
. Kurz danach wurde Rydz-?migły zum
Divisionsgeneral
(Zwei-Sterne-General) befordert.
Wahrend des Feldzuges auf Kiew befehligte er eine Angriffsgruppe, die aus der 1. und 7. Infanteriedivision und der 1. Kavallerie-Brigade bestand. Rydz-?migły brachte der roten 12. Armee eine totale Niederlage bei und besetzte am 7. Mai 1920 Kiew, musste es jedoch auf Piłsudskis Befehl bald raumen, da sich die Hauptmasse der
polnischen Armee
auf dem Ruckzug in Richtung Heimat befand.
In der letzten Phase des Krieges, die mit einer Niederlage der
Bolschewisten
endete, war Rydz-?migły Kommandeur der sudostlichen und der mittleren Front, die den rechten Angriffsflugel der polnischen Armee in der
Schlacht bei Warschau
ausmachten, spater befehligte er die 2. Front, die den Ruckzug der Roten Armee unter
Michail Tuchatschewski
abschnitt. Die Bolschewisten mussten sich nach
Ostpreußen
zuruckziehen, wo sie interniert wurden.
Der zweite, kleinere Marschallstab des Rydz-Smigły
Nach dem siegreichen Krieg beschaftigte sich Rydz-?migły von 1922 bis 1926 mit der Organisation und der Schulung des
Heeres
, u. a. reiste er 1925 nach
Frankreich
, um die Organisation der
franzosischen Armee
? die seinerzeit von vielen Fachleuten fur die starkste Armee Europas gehalten wurde ? naher kennenzulernen.
Wahrend des
Maiputsches
1926 gehorte er zu den Anhangern Piłsudskis und entsandte einen Teil der Wilnaer
Garnison
, um die Putschisten in Warschau zu unterstutzen. Rydz-?migły bekleidete zu dieser Zeit hohe militarische Amter als
Generalinspekteur
des Wilnaer und spater des Warschauer Militarbezirks und wurde 1929 zum Stellvertreter des Marschalls fur alle Belange des Ostens nominiert. Einen Tag nach dem Tod Piłsudskis wurde er am 13. Mai 1935 gemaß dem letzten Willen des Verstorbenen zum
Generalleutnant
und Generalinspekteur der
Streitkrafte
ernannt, und am 13. Juli dieses Jahres erklarte ihn die Regierung zur ?zweiten Person im Staate nach dem Staatsprasidenten“. Am 10. November 1936 wurde er zum
Marschall von Polen
befordert. Als Marschall begann er den Namen
?migły-Rydz
zu verwenden.
10. November 1936, Ehrenhof des Warschauer Konigsschlosses: Rydz erhalt den Marschallstab von Prasident Mo?cicki
Als Marschall schuf er mit der Unterstutzung des
Offizierskorps
ein zweites Machtzentrum im seit 1926 großtenteils autoritar regierten Polen: von nun an teilten sich die Kreise der Regierenden in die ?Leute des Prasidenten“
Ignacy Mo?cicki
oder die ?Gruppe Schloss“ (so genannt nach der Residenz des Prasidenten, dem
Konigsschloss in Warschau
) und die ?Leute des Marschalls“, die sich im Generalinspektoriat der Streitkrafte trafen. Ein Unabhangiger und Vermittler zwischen den beiden Gruppen war der Außenminister Oberst
Jozef Beck
. Das Merkwurdige war, dass beide Gruppen sich in ihrem Machtkampf auf die vermeintliche intime Kenntnis der ?Absichten des Kommandanten (Piłsudski)“ beriefen, der kein politisches Testament hinterlassen hatte. Anfangs versuchte Rydz-?migły, die Bauernpartei auf seine Seite zu ziehen; als dies misslang, wandte er sich der nationalistischen Jugend zu. Er schuf die Organisation ?Bund des jungen Polens“ (
Zwi?zek Młodej Polski
) mit dem Fuhrer der ultranationalistischen und antisemitischen
Falanga
, Jerzy Rutkowski, an ihrer Spitze. Es gab Geruchte, dass er einen
Staatsstreich
plane, um die ganze Macht mit der Unterstutzung der Ultrarechten an sich zu reißen. Dies verursachte großes Missbehagen in den Kreisen der alten Piłsudski-Gefahrten, worauf Rydz-?migły seine Taktik anderte: Er wandte sich von der nationalistischen Jugend ab und versuchte, seinen Einfluss in den Kreisen der alten Kampfer zuruckzuerlangen. In den letzten Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg versohnte er sich mit Mo?cicki; es entstanden geradezu freundliche Beziehungen zwischen den beiden Staatsmannern.
1936 schuf Rydz-?migły in Zusammenarbeit mit dem
Generalstab
einen sechsjahrigen Plan der Modernisierung der Streitkrafte. Man beschloss, die Entwicklung der
Panzerabwehr
, der
Luftverteidigung
und der schweren Artillerie zu fordern. 1937 traf er anlasslich einer Jagd mit
Hermann Goring
zusammen, dem gegenuber er die Bereitschaft der polnischen Regierung betonte, Piłsudskis Politik der Versohnung mit dem
Deutschen Reich
fortzusetzen. Er wich jedoch Gorings Frage aus, ob Polen bereit ware, dem
Antikominternpakt
beizutreten.
Ab Marz 1939 sah Rydz-?migły die Bedrohung durch Deutschland viel klarer als die anderen Mitglieder der polnischen Regierung, befahl eine
Teilmobilisation
und eine Umarbeitung des Operationsplanes ?Westen“, da Polen nach der
deutschen Besetzung der Rest-Tschechoslowakei
und der Grundung der deutschfreundlichen
Slowakei
von allen Seiten umklammert war. Die Zeit reichte indessen nicht aus, um neue Operationsplane auszuarbeiten. Wahrend der Moskauer Verhandlungen im August 1939 erklarte er den Westmachten mit Entschiedenheit, dass Polen einen Durchmarsch der
Roten Armee
nach Westen nicht gestatten werde, da dieser ?die aktive Beteiligung der
Sowjetunion
am eventuellen Krieg nicht garantiere, und dass sowjetische Truppen, einmal in Polen, es niemals verlassen werden“.
Edward Rydz-?migły und
Wacław Stachiewicz
, Chef des Generalstabs
Am 1. September 1939 wurde Polen von Deutschland angegriffen (siehe
Uberfall auf Polen
). Rydz-?migły war bestrebt, die polnische Verteidigung bis zur Offensive der polnischen Alliierten (die niemals stattfand ? siehe
Britisch-franzosische Garantieerklarung
) zu stabilisieren. Am 9. September verlegte er das
Hauptquartier
aus dem bedrohten Warschau nach
Brest
und spater nach
Wladimir
in
Wolhynien
. Er zeigte große Beherrschung und Ruhe in den schwierigsten Situationen, befasste sich jedoch allzu sehr mit Einzelheiten und hatte keinen der
strategischen
Leitgedanken der damaligen Zeit (
Blitzkrieg
-Theorie, koordinierter Kampf von
Heer
und
Luftstreitkraften
etc.) richtig erfasst. Was Piłsudski 1922 (in einer Charakteristik der polnischen
Generalitat
) beschrieb, bewahrheitete sich: ?in der Operationsarbeit zeigt er eine gesunde und ruhige Logik und beharrliche Energie. Ich empfehle ihn als Armeekommandeur, bin jedoch nicht sicher, ob er ausreichende Fahigkeiten besitzt, als Oberbefehlshaber in einer Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten zu funktionieren“.
Ab 17. September 1939 erfolgte die
Besetzung Ostpolens
durch 446.000 Soldaten der Roten Armee und des
NKWD
. Am gleichen Tag begab sich die polnische Regierung uber den letzten noch offenen Grenzubergang am Fluss
Tscheremosch
nach
Rumanien
, wo sie
Asyl
erbat und erhielt. Am 20. September 1939 erließ Rydz-?migły seinen letzten Befehl an die Armee, am 26. September ließ er in seiner letzten Anweisung den Kommandanten der
Verteidigung Warschaus
, General
Juliusz Rommel
, wissen, dass die Hauptstadt sich verteidigen solle, bis die Vorrate an Munition und Lebensmitteln ausgingen; spater solle ein im Untergrund wirkender Widerstand organisiert werden. Am nachsten Tage trat er mittels eines Briefes an den neuen Prasidenten
Władysław Raczkiewicz
vom Posten des Oberbefehlshabers zuruck.
[2]
Fur seinen Ubergang nach Rumanien wurde er wahrend des Krieges und danach kritisiert; er sah indessen die bevorstehende unausweichliche Niederlage und wollte niemanden hinterlassen, der eine Kapitulationsurkunde der Republik Polen unterzeichnen konnte.
Aus diesem Grunde ernannte er auch keinen Nachfolger als Oberbefehlshaber, was ebenfalls kritisiert wurde.
Rydz-?migły hatte ein Versprechen des rumanischen Konigs
Carol II.
erhalten, freies Geleit nach
Frankreich
zu bekommen, wurde aber nach dem Ubergang in
Czernowitz
und spater in
Siebenburgen
interniert. Die franzosische Regierung weigerte sich auf Betreiben seines alten Intimfeindes und nunmehrigen Exil-Premierministers, General
Władysław Sikorski
, ihn aufzunehmen. Zwei Jahre des Exils in Rumanien und
Ungarn
(am 10. Dezember 1940 floh er in Verkleidung aus Rumanien nach Ungarn) sollten folgen. Die Flucht Rydz-?migłys nach Ungarn und Geruchte uber dessen Plane, nach Polen zuruckzukehren, riefen großte Unruhe bei Sikorski hervor, der in einem Telegramm an den Fuhrer des Widerstandes in Warschau, General
Stefan Rowecki
, schrieb: ?Die polnische Regierung wurde den Aufenthalt des Marschalls in Polen als Sabotage der Arbeit im Lande betrachten. Der Marschall soll sich schleunigst nach einem Lande des
Britischen Empire
begeben.“ Im rumanischen und ungarischen Exil schuf Rydz-?migły die Plane zur Errichtung einer militarischen Widerstandsorganisation gegen die
deutsche Besetzung Polens
, die auf Piłsudski-gesinnten Offizieren basieren sollte; diese wurde jedoch erst 1942 gegrundet, nach seinem Tod.
Das Grab des Marschalls Rydz-Smigły in Warschau
Im Oktober 1941 ging Rydz-?migły aus Ungarn in Verkleidung nach Warschau zuruck und meldete sich als einfacher Soldat unter dem Decknamen
Adam Zawisza
bei der Widerstandsbewegung. Indem er sich selbst degradierte, wollte er solchermaßen wahrscheinlich die Schande der Flucht des 17. Septembers 1939 bußen. Er nahm Kontakt mit Rowecki auf, starb jedoch nach nur funf Wochen in Warschau unerwartet an Herzversagen und wurde zunachst unter dem Namen
Adam Zawisza
auf dem Friedhof
Pow?zki-Friedhof
in Warschau bestattet.