Anna war die Tochter des Konigs
Vladislav II. von Bohmen und Ungarn
und dessen dritter Frau
Anna von Foix-Candale
. Schon seit ihrer Kindheit wurde um die kunftige Ehe von Anna gestritten und verhandelt. Der romisch-deutsche Konig
Maximilian I.
bemuhte sich, eine Erweiterung des habsburgischen Einflusses im Osten durch die Abmachung einer Doppelhochzeit zweier seiner Enkel mit Anna und deren Bruder
Ludwig
zu erreichen. Obwohl der ungarische Reichstag 1505 beschloss, keine Mitglieder der
Habsburger
als eventuelle kunftige Konige von Ungarn zu akzeptieren, konnte sich Maximilian I. 1506 die Vormundschaft uber Anna sichern. Ein Jahr spater fuhrte er mit Vladislav II. erste Gesprache uber Annas Eheschließung mit einer seiner Enkel. Es folgten langwierige weitere Verhandlungen, die fur Maximilian I. durch dessen Kanzler
Matthaus Lang
und den Diplomaten
Johannes Cuspinian
gefuhrt wurden. In dieser Zeit soll auch Vladislavs Rivale
Johann Zapolya
, allerdings vergeblich, um Annas Hand angehalten haben.
Ohne die Einwilligung der ungarischen Stande kamen schließlich Vladislav II. und der mittlerweile zum Kaiser avancierte Maximilian I. 1515 uberein, die Verheiratung von Anna und deren Bruder Ludwig mit den Enkeln Maximilians I. zu finalisieren (
Wiener Doppelhochzeit
). Die jugendliche Anna reiste in einer vergoldeten Kutsche nach
Wien
, wo der Kaiser sie als Stellvertreter fur einen seiner Enkel am 22. Juli 1515 im
Stephansdom
ehelichte. Sie blieb danach in Wien. 1516 verlautbarte der in Spanien weilende Erzherzog
Ferdinand
, Anna an Stelle seines kaiserlichen Großvaters heiraten zu wollen und schickte eine Vollmacht nach Wien, dass die
Ferntrauung
mit ihm abgehalten werden konne. Daraufhin verzichtete Maximilian I. offiziell auf die Braut, und Annas Heirat per procurationem fand im Juli 1516 in der
Burg zu Wien
statt. Danach musste die junge Konigstochter aber funf Jahre in
Innsbruck
auf die Trauung mit ihrem Brautigam in persona warten. Erst nachdem
Karl V.
nach seiner Wahl zum romisch-deutschen Konig im
Wormser Vertrag
vom 28. April 1521 seinem Bruder Ferdinand das
Herzogtum Osterreich
und
Innerosterreich
abgetreten hatte, wurde am 26. Mai 1521 die von Kardinal Matthaus Lang zelebrierte personliche Hochzeit von Anna und Ferdinand in
Linz
abgehalten.
Obwohl Annas Ehe aus rein politischen Grunden arrangiert worden war, verlief sie offenbar sehr glucklich. Der Gesandte
Venedigs
hob die große gegenseitige Zuneigung des Ehepaars als einzigartig hervor. Anna begleitete ihren Gemahl auf vielen seiner Reisen. Dem daruber verwunderten Gefolge gegenuber erklarte Ferdinand, es sei besser, Unkosten fur die Reisen seiner Gattin aufzuwenden als fur diverse Geliebte. Das Wesen Annas wird als gesellig beschrieben; auch gab sie sich sehr gern dem Tanzen hin. In Briefen an den Bischof von Trient,
Bernhard von Cles
, druckte sie ihre Sorge um das Leben ihres Gemahls aus, wenn er sich auf Kriegszugen befand.
Bald nach der Eheschließung ernannte Ferdinand seine Gattin zu seiner Statthalterin fur die Zeit seines Aufenthalts in
Brussel
. Danach vertraute er ihr die Vorsitzfuhrung bei Landtagen an. Nach dem Tod ihres Bruders Ludwig II. 1526 in der
Schlacht bei Mohacs
wurde Ferdinand aus ihrem Recht Konig von Ungarn und Bohmen. Die ungarischen Barone, die nie einen Fremdherrscher akzeptieren wollten, wahlten Johann Zapolya zum Gegenkonig. Damit Anna bei Kriegsgefahr in großerer Sicherheit war, fand ein Ausbau der Linzer Burg statt.
Anna war beruhmt durch ihre Religiositat, Mildtatigkeit und Klugheit; sie sprach lateinisch, tschechisch, ungarisch und deutsch. Sie wird fur die Autorin der Schrift
Clypeus pietatis
gehalten. Fur ihre 15 Kinder ließ sie 1533 gemeinsam mit ihrem Gemahl ein eigenes Erziehungsprogramm erstellen, demzufolge auch ihre Tochter eine hohe Bildung erlangen sollten. Anna verstarb am 27. Januar 1547 im Alter von 43 Jahren in Prag nach der Geburt ihrer Tochter
Johanna
im
Kindbett
. Sie wurde im Prager
Veitsdom
beigesetzt.
Das von Ferdinand errichtete
Konigliche Lustschloss
in Prag wurde in spaterer Zeit nach Konigin Anna benannt.
Aus der Verbindung zwischen Anna und Ferdinand gingen insgesamt funfzehn Kinder hervor.
- ?
Philippine Welser
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Anna Caterina Gonzaga
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Francesco III. Gonzaga
- ?
Sigismund II. August
, Konig von Polen
Fur damalige Zeit ungewohnlich, kummerten sich die Eltern personlich um ihre Kinder, die einfach und bescheiden aufwuchsen. Sie wurden nicht von Privatlehrern unterrichtet, sondern besuchten gemeinsam mit anderen Kindern eine offentliche Schule in Innsbruck. Besonderes Augenmerk wurde auf die Erlernung von Sprachen gelegt.
- Constantin von Wurzbach
:
Habsburg, Anna (Konigin von Ungarn und Bohmen)
.
In:
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
.
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Digitalisat
).
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In:
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Digitalisat
).
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:
Er schuf das Reich: Ferdinand von Habsburg
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- Anna, Konigin von Bohmen und Ungarn
, in:
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Die Habsburger
, 1988, S. 53 f.