Die Bezeichnung dient als ?theologische Klammer“ in den Gesprachen zwischen den Religionsgemeinschaften. Sie will die gemeinsame Herkunft und die Zusammengehorigkeit von Juden, Christen und Muslimen ausdrucken. Abraham ist fur die drei großen
Weltreligionen
eine Vaterfigur und ein bedeutsamer Ausgangspunkt, wenn auch je auf eigene Weise:
[1]
- Das
Judentum
: Alle Juden sind ?Kinder Abrahams“, also eine Abstammungseinheit.
- Das
Christentum
: Fur das
Neue Testament
hat
Jesus Christus
an denen, die an ihn glauben, Verheißungen Abrahams erfullt und sie in die
Gotteskindschaft
einbezogen, so dass sie Anteil an den Verheißungen fur das Volk Israel erhalten. Abrahams Glaube und Gehorsam sind ein großes Vorbild.
- Der
Islam
:
Ibrahim
gilt als Stammvater der
Ismaeliten
, die noch
vor
dem Erben
Isaak
in der Bibel die Zusage Gottes auf Nachkommenschaft und Segen erhalten. Er gilt als bedeutender Prophet, der allen Menschen den einzigen wahren Gott verkundete und zugleich Vorbild fur Glaubenstreue und Gerechtigkeit ist.
Der Begriff tauchte um 1950 in islamwissenschaftlichen Studien auf. In den 1960er Jahren wurde er in religionsvergleichenden Studien christlicher Islamwissenschaftler gebrauchlich. Er breitete sich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts weiter aus und wurde auch in offentlichen Diskursen gangig. Er wird von verschiedenen Seiten, vor allem auch christlich-konservativen Kreisen, als Konstrukt, als Tauschung oder als eine Form von
Synkretismus
kritisiert.
[2]
Abrahamitische Religionen sind monotheistisch, erkennen nur einen einzigen
Gott
an.
Es ist ein personhafter Gott, der als
jenseits
der Welt gedacht wird; vgl. auch
Transzendenz
.
Er hat den
Kosmos
erschaffen und kann in das Weltgeschehen eingreifen.
Er wird als
allwissend
,
allmachtig
und
allgegenwartig
angesehen.
Er hat Eigenschaften, die in der menschlichen
Gesellschaft
gemeinhin als positiv erachtet werden, jedoch in absoluter Form:
unfehlbare
Gerechtigkeit
, allumfassende
Liebe
und
Gute
.
Er wird traditionell mit Anreden fur das mannliche Geschlecht adressiert, wie zum Beispiel mit
Herr
.
Abbildungen Gottes sind meistens verboten (
Bilderverbot
), weil die Gefahr besteht, dass der Mensch Dinge anbetet, die er selbst geschaffen hat (
Gotzendienst
). Daraus folgt, dass er seine Eigenschaften oder auch nur einige davon in das
Gottesbild
projiziert und sich anschließend diesem
Gotzen
unterwerfen muss, um seine projizierten Eigenschaften zuruckzuerlangen. Er wird also in seiner
Freiheit
eingeschrankt und kann nicht mehr ohne den Gotzen leben. Der Monotheismus zeichnet sich laut
Erich Fromm
dadurch aus, dass der Mensch nicht sein eigenes Werk anbetet, sondern einen unsichtbaren Gott.
[3]
Die Menschen konnen im
Gebet
mit Gott in Verbindung treten.
In den abrahamitischen Religionen besteht der Mensch aus einem physischen Korper (dem
Leib
) und einer geistigen
Seele
(dem
Geist
). Im Christentum wird teilweise noch einmal unterschieden zwischen Seele und Geist. Die Seele umfasst den Willen, den Verstand und die Gefuhle.
Die Vorstellung einer unsterblichen
Seele
des Menschen entstammt dem griechischen Weltbild und ist pragend erst im
Hochmittelalter
in die judische und die christliche Religion eingedrungen. Die Frage, wie der eine, gute Gott in seiner Schopfung
das Bose
, die
Sunde
und die
Holle
zulassen konnte, wird mehrheitlich mit der menschlichen
Willensfreiheit
beantwortet.
Das Individuum hat nur ein einziges Leben, das einen Anfang und ein Ende hat und nicht
reinkarniert
. Dem entspricht eine lineare Zeitvorstellung. Dieses
teleologische
Geschichtsverstandnis unterscheidet sich von dem anderer Religionen mit
zyklischen oder statischen Vorstellungen
.
[4]
In der klassischen Vorstellung wurde die Welt durch den einen und einzigen Gott erschaffen (vgl.
creatio ex nihilo
und
Naturliche Theologie
); sie endet mit dem Tag des
Jungsten Gerichts
.
Gott hat sich durch meist mannliche
Propheten
offenbart. Daher gibt es
Heilige Schriften
, die
Wort Gottes
sind (oder zumindest enthalten) und deshalb einen großen Stellenwert einnehmen.
- Im Judentum ist der
Tanach
die wesentliche Heilige Schrift.
- Das Christentum erkennt den Tanach an, der traditionellerweise
Altes Testament
genannt wird, und hat daneben das
Neue Testament
. Altes und Neues Testament bilden zusammen den
Kanon
der
Bibel
.
- Im Islam ist es der
Koran
, in dem die Lehre Gottes endgultig und unverfalscht dargelegt sei. Die heiligen Schriften von Juden und Christen werden als ursprunglich von Gott geoffenbart anerkannt. Sie sollen jedoch von ihnen im Laufe der Zeit verfalscht worden sein (vgl.
Suren 2
:75+79,
4
:46,
5
:23).
Jungere und kleinere Religionen, die sich auf Abraham beziehen
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Als jungste eigenstandige Religion, die sich auf den Bund Abrahams bezieht, wird in den vergleichenden Religionswissenschaften das
Bahaitum
genannt, das aber bisher nur vereinzelt als abrahamitische Religion aufgefuhrt wird. Nach
Hutter
greift
Bah??ull?h
in seinen Schriften die biblische Tradition des Bundes Gottes mit Abraham als Stammvater und Offenbarer Gottes auf, um zu betonen, dass sich dieser Bund kontinuierlich uber Judentum und Christentum zum Islam und Bahaitum fortsetzt.
[5]
Hutter weist aber auch darauf hin, dass das Konzept der fortschreitenden Offenbarung, wonach Bah??ull?h der ?aktuellste“ Gottesgesandte ist, aus der Perspektive muslimischer Theologen am schwierigsten zu akzeptieren ist. Dies wurde auch im Vorfeld der 2006 erfolgten Aufnahme des Bahaitums als vierte abrahamitische Religion in das Abrahamische Forum in Deutschland
[6]
deutlich, die erst nach intensiven theologischen Debatten gelang.
[7]
Außerdem verstehen sich der
Samaritanismus
, der eine genuin israelitische Religion ist,
[8]
und der
Zoroastrismus
als abrahamitische Religionen.
[9]
Auch die
Drusen
, die
Mandaer
und die
Rastafari
beziehen sich auf die abrahamitische Uberlieferung.
Der franzosische Philosoph
Remi Brague
bezeichnete 2006 Bezeichnungen wie ?Monotheismus“, ?
Buchreligionen
“ oder ?abrahamitische Religionen“ als ?irrefuhrend und gefahrlich“ (≪?
trompeuses et dangereuses
?≫). Sie wurden an die historischen Religionen von außen herangetragen:
[10]
?Falsch sind die Bezeichnungen, sofern sie der eigentlichen Natur der drei Religionen nicht gerecht werden, wenn man ohne weiteres davon ausgeht, sie alle auf einen Nenner bringen zu konnen. Brisant sind diese Begriffe, da sie eine intellektuelle Bequemlichkeit fordern, die sich nicht unbedingt um eine Auseinandersetzung mit der Realitat bemuht.“
[11]
Die
Judaistin
Edna Brocke
lehnt den von Christen gebildeten Begriff als Konstrukt ab, weil er eine Gemeinsamkeit mit dem Judentum vortausche, die man zumindest in Bezug auf das Christentum nicht behaupten konne.
[12]
Fur den Theologen Rene Buchholz, Bonn, ist die Theoriebildung zum Begriff der ?abrahamitischen“ Religionen grundsatzlich problematisch: ?Eine Theologie der ?abrahamitischen‘ Religionen stellt nur ein weiteres problematisches Modell einer ubergreifenden Theologie der Religionen dar […] mit Abraham als konstruierter Identifikationsfigur.“
[13]
Damit stimmt er der Kritik des
Harvardprofessors
Jon Douglas Levenson am Begriff bzw. der Konstruktion eines Abrahams hinter den biblischen Texten zu.
Der Theologe
Wolf Krotke
, Berlin, weist darauf hin, dass die Berufung auf Abraham im Neuen Testament kritisiert wird, am scharfsten im
Johannesevangelium
: ?Als ?Kinder Abrahams‘ werden nur die anerkannt, die sich zu Christus bekennen (
Joh
8,37?45?
EU
)“ und in Johannes 8,58
EU
werde Christus dem Abraham vorgeordnet.
[14]
Nicht zuletzt aufgrund der Kritik forderte
Henning Wrogemann
2015 im Rahmen einer
Theologie Interreligioser Beziehungen
einen anderen Ansatz, der gegenuber theoretischen Konsensfiktionen die Bedeutung des Leiblich-Konkreten hervorhebt.
[15]
- Ulrike Bechmann
:
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- Karl-Josef Kuschel
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Streit um Abraham. Was Juden, Christen und Muslime trennt ? und was sie eint.
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- Karl-Josef Kuschel,
Jurgen Micksch
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Abrahamische Okumene. Dialog und Kooperation.
Frankfurt am Main 2011,
ISBN 978-3874766326
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Abraham ? Jesus ? Mohammed. Interreligioser Dialog aus judischer Perspektive
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Gutersloher Taschenbucher.
Band?735). Gutersloher Verlags-Haus, Gutersloh 2000,
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- Jurgen Micksch
:
Abrahamische und Interreligiose Teams
(=
Interkulturelle Beitrage.
Band?21). Otto Lembeck, Frankfurt 2003,
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- Reinhard Moller, Hans Christoph Goßmann (Hrsg.):
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(=
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Band?2). Lit, Berlin [u.?a.] 2006,
ISBN 3-8258-8418-X
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Abrahams umkampftes Erbe. Eine kontextuelle Studie zum modernen Konflikt von Juden, Christen und Muslimen um Israel/Palastina
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Stuttgarter biblische Beitrage.
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- Martin Stohr
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wolf-kroetke.de
[2. Januar 2014, abgerufen am 22. April 2015]).
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Henning Wrogemann
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- ↑
Von 2001 bis 2013 ein Projekt der Groeben-Stiftung als Gesprachskreis beim Interkulturellen Rat.
Abrahamisches Forum in Deutschland.
Interkultureller Rat in Deutschland e.?V.
, archiviert vom
Original
am
7.?Mai 2016
;
abgerufen am 24.?Februar 2014
(
PDF; 59?kB
(
Memento
vom 3. Marz 2019 im
Internet Archive
); Flyer, Februar 2009).