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Hochgeschwindigkeitszuge: TGV - alter und trotzdem sicherer | STERN.de
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Hochgeschwindigkeitszuge TGV - alter und trotzdem sicherer

Das ICE-Ungluck von Eschede hatte weniger katastrophal ausgehen konnen, wenn sich die Konstrukteure des deutschen Hochgeschwindigkeitszuges mehr am franzosischen TGV orientiert hatten. Das sagt ein Experte der Technischen Hochschule Aachen.

Als der erste ICE 1991 zur Jungfernfahrt startete, war sein Bruderzug TGV schon zehn Jahre durch Frankreich gerast. Trotzdem hatte der 'train a grande vitesse' bei der Sicherheit die Nase noch weit vorn. Hatten die Konstrukteure der Deutschen Bahn ihren Kollegen westlich des Rheins besser in die Karten geschaut, sagt ein Torsten Dellmann, Leiter des Instituts fur Schienenfahrzeuge und Fordertechnik der Technischen Hochschule Aachen, hatte es vor zehn Jahren nicht zur Katastrophe von Eschede kommen mussen.

Der ICE 884 entgleiste nach dem Bruch eines gummigefederten Radreifens. Das Rad brach sechs Kilometer vor dem Unfall. Doch der Lokfuhrer erhielt keine Warnung, um den ins Verhangnis rasenden Zug zu bremsen. Im TGV ist schon seit der ersten Generation ein sogenannter Vibrationsdetektor installiert, wie ein Sprecher des Zugbauers Alstom erklart. Bei auffalligem Rumpeln oder Rattern wie nach dem Radbruch vor Eschede sende der Detektor automatisch ein Signal ins Cockpit. War der ICE "Wilhelm Conrad Rontgen" mit einem funktionsfahigen Sicherungssystem ausgerustet? "Wenn es so gewesen ware, hatte das System anschlagen mussen, und der Unfall ware verhindert worden", sagt Dellmann. "Das Fahrgestell vibrierte nach dem Radbruch wie der Teufel." Das Thema sei nie offentlich diskutiert worden. Die Bahn lehnt eine offizielle Stellungnahme dazu ab. Der Fall sei juristisch abgeschlossen, heißt es zur Begrundung.

Heute, so viel ist sicher, hat jeder ICE ein Warnsystem, das auf einem Monitor im Cockpit den Zugfuhrer bei jedem verdachtigen Rumpeln alarmiert und anweist, was er zu tun hat.

Verhangnisvolles Vorbild

Dass die ICEs bis zur Tragodie am 3. Juni 1998 uberhaupt mit den anfalligen Radreifen durch Deutschland rollten, war laut Dellmann dem hohen Zeitdruck geschuldet, unter dem die deutschen Konstrukteure gestanden hatten. Im TGV waren von Beginn an Vollrader aus Metall im Einsatz. Die sollten auch im deutschen Schnellzug eingebaut werden. Das Problem: Bei der hohen Geschwindigkeit bilden sich schnell Wellen auf der Oberflache, ein lautes Brummen ist die Folge. "Bei der Bahn suchten sie damals nach einer schnellen Losung", erinnert sich der Fachmann. "Man schaute sich die Gummirader bei Straßenbahnen ab." Nach Eschede ersetzte die Bahn die leisen, aber bruchanfalligen Radreifen durch Vollrader wie beim TGV.

Gegen das Brummen hilft nur haufiges Glattschleifen der Laufflachen. "Die Franzosen wussten das schon damals, haben das Problem und die Losung aber nicht verraten", sagt Dellmann. "Wir sind damals auf Schweigen gestoßen", bestatigt ein Insider aus der Bahn nahe stehenden Kreisen.

Einen weiteren mutmaßlichen Sicherheitsvorsprung des TGVs kann die Bahn nicht wettmachen: Die Waggons der ICEs haben jeweils zwei Drehgestelle und sind durch eine Kupplung verbunden. Der Zug gleitet wie eine bewegliche Kette uber die Schienen, deren Glieder beim Entgleisen - wie in Eschede - umherschleudern konnen.

Beim TGV sitzen zwei Waggons jeweils auf einem Drehgestell auf, es gibt keinen Zwischenraum. Dank der so genannten Jakobsdrehgestelle ist der TGV wie eine Schlange ohne einzelne Glieder, die sich selbststandig machen konnten. Die steifere Konstruktion erschwert ein Umkippen, die Waggons stabilisieren sich gegenseitig.

"Die Passagiere hatten großere Chance gehabt"

In einem Fall wie Eschede, als der hintere Zugteil bei Tempo 200 vor einer Brucke aus den Gleisen sprang, ware es auch im TGV zu Opfern gekommen, sagt Experte Dellmann. "Aber durch die stabileren Waggon-Verbindungen waren die Wagen nicht parallel zu den Gleisen geschleudert worden." Die Wucht des Aufpralls ware besser abgefangen worden, "die Passagiere hatten eine großere Chance gehabt".

Seit der Einweihung der ersten TGV-Strecke von Paris nach Lyon vor 27 Jahren ist es zu keinem tempobedingten Unfall mit Todesfolge gekommen. Als 1993 bei Amiens ein Bunker einsturzte und Steine auf den Gleisen lagen, entgleiste ein TGV mit 294 Stundenkilometern. Nur ein Mensch wurde verletzt. Ein Jahr zuvor war ein Schnellzug im Loire-Tal wegen eines Elektronikfehlers aus den Gleisen gesprungen. Trotz einer Geschwindigkeit von 270 Stundenkilometern erlitten 27 Passagiere nur leichte Blessuren. Mit dem Jakobsdrehgestell haben die Franzosen einen Sonderweg eingeschlagen, auf dem ihnen bis heute kein auslandischer Konstrukteur von High-Speed-Zugen gefolgt ist. Dabei steht außer Frage, dass die Technik eine stabile und sichere Fahrweise bei hohem Tempo und auch auf mittelmaßigen Gleisen ermoglicht.

Franzosischer Sonderweg

Die neueste Generation der ICE-Zuge, der ICE 3, ist wieder nach einem anderen Prinzip konstruiert: Hier sind die Antriebsmotoren uber den ganzen Zug verteilt. Aus all dem nun aber zu schließen, dass alle anderen Konstruktionen weniger sicher seien, halt die Bahn fur unzulassig. Die Frage, ob der ICE 1 und sein Nachfolger ICE 2 im Vergleich zum ICE 3 oder zum TGV besondere Entgleisungsrisiken birgt, beantwortet sie mit einem klaren: "Nein. Der ICE 1 und 2 sind praktisch 'Lok bespannte Zuge', genauso wie der TGV", erklart der Generalbevollmachtigte Systemverbund Bahn, Lutz Bucken. "Die Antriebstechnik ist konventionell. Die Drehgestelle aller ICE-Zuge und ihre Anordnung im Zugverband sind keine Sonderlosungen, das ist konventionell im Hochgeschwindigkeitsverkehr, auch in Japan." Bei den Jakobsdrehgestellen der TGV seien die Wagenkasten uber Gelenke miteinander verbunden, die den Zugverband gewahrleisteten, erganzt er. "Auch diese Gelenke vertragen nicht unendliche Krafte." Die ICE-Bauer haben der Platz-Frage Prioritat eingeraumt. Die klassischen Gestelle und Kupplungen beanspruchen weit weniger Raum als die Gestelle im franzosischen Bruderzug. So gibt es mehr Sitzplatze, und im Katastrophenfall mehr Opfer.

Tobias Schmidt/AP AP

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