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Umstrittene Ehrung: Preis fur Putin irritiert Politiker und Menschenrechtler - DER SPIEGEL

Umstrittene Ehrung Preis fur Putin irritiert Politiker und Menschenrechtler

Wladimir Putin wird gefeiert: Russlands Ministerprasidenten soll in Berlin mit dem renommierten Quadriga-Preis ausgezeichnet werden. Politiker in Deutschland und Menschenrechtler sind uber diese Plane entsetzt.
Russlands Ministerpräsident Putin: "Stehvermögen, Verlässlichkeit"

Russlands Ministerprasident Putin: "Stehvermogen, Verlasslichkeit"

Foto: Alina Novopashina/ dpa

Hamburg - Es soll eine große Feierstunde am 3. Oktober im Konzerthaus am Berliner Gendarmenmarkt werden: Die "Werkstatt Deutschland" verleiht die Quadriga, einen Preis, der dem Verein zufolge "Vorbilder fur Deutschland und Vorbilder aus Deutschland" ehrt. Vorbilder, "die Aufklarung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet" seien.

Seit 2003 wird die Auszeichnung vergeben, unter den Geehrten sind unter anderem Michail Gorbatschow, Vaclav Havel, Wiktor Juschtschschenko und Helmut Kohl. Nicht immer war das Kuratorium einig bei der Wahl der Preistrager. So gab es etwa 2004 Vorbehalte gegen die Auszeichnung des turkischen Ministerprasidenten Recep Tayyip Erdogan. Aber noch nie zuvor haben die Preisverleiher im Vorfeld eine solche Kontroverse ausgelost wie in diesem Jahr: Wladimir Putin soll am Tag der Deutschen Einheit in Berlin geehrt werden - die Entscheidung sorgt inzwischen nicht nur in Deutschland fur Stirnrunzeln und Kritik.

"Fur viele Menschen auf der ganzen Welt, die mutig fur die Menschenrechte und Menschenwurde eintreten, muss diese Preisverleihung ein bitterer Affront sein", sagte Grunen-Fraktionschefin Renate Kunast SPIEGEL ONLINE. "Nach allem, was weltweit uber die Situation der Menschenrechte in Russland bekannt ist, uberzeugt mich die Auswahl ganz und gar nicht."

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Loning (FDP), emport sich: "Wladimir Putin durch die Verleihung des Quadriga-Preises in eine Reihe mit Michail Gorbatschow und Vaclav Havel zu stellen, ist geradezu zynisch", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Das entwertet einen Preis, dessen Name fur Freiheit und demokratischen Aufbruch steht."

Zuvor hatte die "Suddeutsche Zeitung" uber die Wahl Putins fur den Quadriga-Preis berichtet - und auch daruber, dass Grunen-Chef Cem Ozdemir als Mitglied in dem Kuratorium sich "strikt gegen Putin ausgesprochen" hatte.

"Politischer Missgriff erster Gute"

In der Begrundung fur die Entscheidung heißt es uber Russlands Ministerprasidenten: "Berechenbarkeit gepaart mit Stehvermogen, Verlasslichkeit gepaart mit Kommunikationsfahigkeit machen Charakter und Person von Wladimir Putin aus. Im Inneren schaffte und schafft er Stabilitat durch das Zusammenspiel von Wohlstand, Wirtschaft und Identitat."

Auch der CDU-Politiker Ruprecht Polenz signalisierte Unverstandnis fur die Entscheidung des Vereins "Werkstatt Deutschland", der sich selbst als Zusammenschluss von "prominenten Vertretern aus allen Parteien, Chefredakteuren und Intendanten sowie namhaften Reprasentanten der Wirtschaft" beschreibt: "Ich halte das nicht fur eine gute Idee", sagte der Vorsitzende des Auswartigen Ausschusses im Bundestag der "Neuen Osnabrucker Zeitung".

Der grune Europaabgeordnete Werner Schulz forderte den Verein jetzt sogar auf, "sofort von der geplanten Preisverleihung abzurucken". Die geplante Ehrung Putins sei "ein Hohn und ein politischer Missgriff erster Gute". Das Europaische Parlament habe Russland erst vergangenen Donnerstag in einer Resolution erneut wegen der Behinderung freier und fairer Wahlen kritisiert.

Dagegen außerte sich SPD-Fraktionsvize Gernot Erler positiv uber die geplante Ehrung des russischen Ministerprasidenten: Putin wisse genau, welche Anstrengungen noch gemacht werden mussten, um Russland fur die Zukunft fit zu machen. "Zweifellos gehort die wirtschaftliche Modernisierung genauso dazu wie die Starkung demokratischer Rechte und die Schaffung einer unabhangigen Justiz. Insofern kann dieser Preis auch als eine in die Zukunft gerichtete Erwartung an Putin gesehen werden, sich fur ein wirtschaftlich und politisch stabiles und demokratisches Russland zu engagieren", sagte Erler SPIEGEL ONLINE.

Die geplante Ehrung Putins entwickelt sich fur den Verein "Werkstatt Deutschland" auch deshalb zunehmend zu einer Peinlichkeit, weil Menschenrechtler in Russland Bedenken anmeldeten. "Was macht Putin in einer Reihe mit Michail Gorbatschow und Vaclav Havel? Er ist doch ziemlich das Gegenteil dieser beiden Preistrager", sagte der Historiker Boris Belenkin von der Menschenrechtsorganisation Memorial.

"Man muss das alles im Gesamtpaket sehen"

Russland steckt derzeit im Wahlkampf, 2012 steht die Wahl des Prasidenten an - und noch ist vollig ungeklart, ob der derzeitige Kremlchef Dmitrij Medwedew erneut antritt oder aber dem machtigen Premier Putin den Vortritt lasst. Die "Werkstatt Deutschland" muss sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, mit der geplanten Auszeichnung Putins auch ein Zeichen fur die Wahl in Russland zu setzen: "Das einzige Ziel der Verleihung scheint die Unterstutzung Putins vor den Wahlen in Russland", sagte der Historiker Belenkin. Ahnlich urteilte die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta": "Auf diese Weise hat ein Teil der deutschen Elite ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Putin mit Wohlwollen aufnimmt".

Putins Politik gilt als autoritar. In seiner Amtszeit hatte er unter anderem die Befugnisse des Geheimdienstes FSB gestarkt, die Gewaltenteilung eingeschrankt, ebenso die Medien. Die Verhaftung des Ol-Magnaten Michail Chodorkowski werteten Beobachter als politisch motiviert.

Wegen der wachsenden Kritik an der geplanten Preisverleihung beraumte "Werkstatt Deutschland" am Montag eine Sondersitzung des Quadriga-Kuratoriums an. Unklarheit herrscht inzwischen sogar daruber, wer in dem Kuratorium fur Putin stimmte. "Werkstatt Deutschland" zufolge gehoren dem Gremium unter anderem Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und der Wolf-Ruthart Born, ehemaliger Staatssekretar im Auswartigen Amt, an. Dem Verkehrsministerium zufolge hat Ramsauer nicht an der Kuratoriumssitzung teilgenommen, in der Putin nominiert wurde. Auch ein Sprecher des Auswartigen Amtes erklarte, Born sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen.

Der Verein will jetzt fur Klarheit sorgen. Man erwage zudem, nun samtliche Preistrager dieses Jahres bekannt zu geben, sagte Marie-Luise Weinberger, Sprecherin von "Werkstatt Deutschland" - alljahrlich werden vier Ehrungen vorgenommen, bislang ist lediglich Putin als Preistrager bekannt. "Man muss das alles im Gesamtpaket sehen", betonte Weinberger. Putin solle fur die Partnerschaft mit Deutschland ausgezeichnet werden. So heißt es auch in der Begrundung: "Fur Wladimir Putin steht die politische und wirtschaftliche Vertiefung der deutschrussischen Beziehungen seit Anbeginn seiner Regierungsverantwortung an oberster Stelle der Agenda. Fundament dieser Partnerschaft ist einen eigenen Standpunkt zuzulassen und immer wieder zu einer Form zu finden in der sich Widerspruche bewegen lassen."

Gesamtpaket? Grunen-Chef Ozdemir wird sich von dieser Sichtweise wohl nicht uberzeugen lassen: Die Co-Vorsitzende Claudia Roth deutete am Montag einen moglichen Ruckzug Ozdemirs aus dem Gremium an.

Mit Material von dpa