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Ergenekon-Prozess: "Das Militar wurde uberrumpelt" - DER SPIEGEL

Ergenekon-Prozess "Das Militar wurde uberrumpelt"

Das hat es in der Turkei noch nie gegeben: Vor einem Gericht mussen sich ehemalige Offiziere verantworten - ihnen wird ein Putschversuch vorgeworfen. Im SPIEGEL-ONLINE-Interview spricht Brigadegeneral a.D. Haldun Solmazturk uber Premier Erdogan, den Machtverlust der Armee und den Verschworer-Prozess.

SPIEGEL ONLINE: Herr General, erstmals stehen in Ihrem Land ehemalige Offiziere vor Gericht. Sie sollen Mitglieder des Geheimbundes Ergenekon sein, der die Regierung sturzen wollte. Verliert die Armee, die lange die eigentliche Macht im Lande war, ihre Autoritat?

Solmazturk: Ich denke eher, dass bestimmte Politiker und Medien seit geraumer Zeit einen psychologischen Krieg gegen die Armee fuhren. Und der ist sehr asymmetrisch: Die Armee reagiert nur, sie agiert nicht. In der Bevolkerung wird das Militar nach wie vor respektiert und verehrt.

SPIEGEL ONLINE: Die Armee argert sich daruber, dass kunftig auch aktive Militars vor Zivilgerichte gestellt werden konnen - aber ist das nicht normal in einer Demokratie?

Solmazturk: Das Militar wurde nicht informiert, es wurde regelrecht uberrumpelt. Der Sinn ist klar: Der Generalstab sollte offentlich blamiert werden.

SPIEGEL ONLINE: Straubt sich die Armee gegen die Demokratisierung der Turkei?

Solmazturk: Welche Demokratisierung? Unter Premier Erdogan ist die Turkei immer autoritarer geworden. Wir steuern auf ein Ein-Parteien-Regime zu. Der Ergenekon-Prozess ist nur ein Beispiel dafur, wie die Regierung gegen Oppositionelle vorgeht. Leute werden abgehort und verhaftet, ohne zu wissen warum.

SPIEGEL ONLINE: Sie glauben nicht an die Existenz von Ergenekon?

Solmazturk: Doch, naturlich gibt es diese Gruppe. Aber ich bin irritiert, wer alles Mitglied sein soll: ein Universitatsrektor und ein internationaler Experte fur Herztransplantationen? Der Prozess wird missbraucht, um die sakulare Opposition auszuschalten.

SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle kann die Armee kunftig noch spielen?

Solmazturk: Sie wird nicht mehr direkt intervenieren, die Putsch-Zeiten sind vorbei. Aber sie muss ihre Stimme erheben, sie muss sich besser mit der Offentlichkeit und dem Volk verstandigen.

Das Interview fuhrte Daniel Steinvorth