laut.de-Kritik
So bastelt man einen Star.
Review von
Sven Kabelitz
James Arthur gewann in Großbritannien die neunte Staffel "The X Factor". In Deutschland kommt der Stempel "
Castingshowgewinner
, der ihm folglich anhaftet, einem musikalischen Todesurteil gleich. Wartet hierzulande oftmals schon ein fertig produziertes Album nur noch auf die Vocals und Promobildchen von
Ms. X
oder
Mr. Y
, durfte sich Arthur langfristig mit den Aufnahmen seines zwischen
Soul
,
R'n'B
,
Pop
und
Hip Hop
-Elementen wechselnden Debuts beschaftigen.
Wer die ersten Takte mit dem lassigen Groove von
Albert Kings
"I Love Lucy" beginnen lasst, hat bereits die halbe Miete sicher. Mit dem Charme und der Macht eines Marktschreiers mit heißer Kartoffel im Mund schmettert sich James Arthur in "
You're Nobody 'Til Somebody Loves You
" die Seele aus dem Leib. Der Track strotzt mit mitreißendem Refrain, markigen Blasern und knochigen Drumloops vor Energie. Das folgende "
Get Down
" schmiegt sich zwischen uberschwanglichen Geigern und urbanen Beats in die gleiche
Massive Attack
-Kuscheldecke, in der sich bereits
Emeli Sandes
"
Heaven
" so wohl gefuhlt hat.
"
Recovery
", das uns in seinen ersten Sekunden als Kopie seiner Hit-Single "
Impossible
" an der Nase herumfuhrt, entwickelt sich schnell zur eigentlichen Glanznummer der Platte. Voller Intensitat und Dramatik trotzt Arthur seiner Vergangenheit, widersetzt sich seine Stimme jedem tief sitzenden Nadelstich, bis die von Ina Wroldsen gesungene Hook im Refrain den Song in den Orbit schießt.
Der feine Unterschied zum zeitgleich hoch gehandelten
John Newman
stellt Arthurs Fahigkeit dar, mehr als nur eine Facette seiner Fahigkeiten zu zeigen. Er kann nicht nur schreien und laut sein. Er bedient locker verschiedene Gemutslagen und Atmospharen und uberzeugt in seinen ruhigen Momenten noch mehr als in seinen beißenden. "
Smoke Clouds
", den einzigen von ihm allein geschriebenen Track, tragen nur eine Gitarre, ein Wurlitzer und leichte Percussions. Im Stile des Souls von
Bill Withers
bekommt Arthurs Stimme genugend Raum zugesprochen, um darin zwischen verbitterndem Wehklagen und dem Sprechgesang eines
Everlast
zu pendeln.
Leider findet sich auf "James Arthur" schnell eine einheitliche Formel, die ein Drittel der Lieder durchzieht. Kleinigkeiten entscheiden, ob ein Track nun aufbluht oder, wie "
Roses
", im Klischee verwelkt. Zwar harmoniert Emeli Sandes honigsuße Stimme herrlich mit dem raudigen Straßenkoter Arthur, doch ein uberambitioniertes Orchester kleistert jede Emotion schneller zu, als sie aufkommen mag. "
Supposed
" hat nichts Neues mehr mitzuteilen und fahrt einfach noch ein weiteres Mal mit aufrohrendem Motor an den bereits bekannten Schauplatzen vorbei.
Doch anstatt mit dem gerade einmal 1:20 Minuten langen "
Flyin'
" seinem Erstling eine leise ausklingende Reprise zu schenken, ruttelt Arthur auf der Zielgraden noch einmal machtig auf. Mit felsigen Beats und Plastik-Saxofon stellt er alles davor Gehorte auf den Kopf. Ein kurzer
Rap
, aus den Resten von
Plan Bs
"
The Defamation Of Strickland Banks
" gestanzt, in dem Soul und Hip Hop aneinandergeraten. "
I've been focused on the ground / So long I lost it with the sky yeah / And the sky's where I'm destined for / They used to tell me that I couldn't soar / But for all my flaws / Looks to me like I'm flying high.
"
Trotz aller Produktionswucht gehen James Arthur auf seinem ersten Album niemals Charakter und Authentizitat verloren. Lieber
Dieter Bohlen
, liebe
Sarah Connor
, liebe
Nena
, wagt einen kurzen Blick nach England. So bastelt man aus einem eigenstandigen und talentierten Sanger und Songwriter einen Star, der das Zeug hat, langer als zwei Wochen zu uberdauern.