한국   대만   중국   일본 
페이지를 파싱하기 어렵습니다. Mitarbeiter/innen

Verfasser: Stud.jur. Schwarz


 

I. Amnestie - was ist das ?

1. Begriff und Abgrenzung

Das Wort „Amnestie" ist ein Lehnwort aus dem Griechischen und bedeutet „das Vergessen" oder „Vergebung" . Im deutschen Sprachraum wird Amnestie gleichgesetzt mit Straffreiheit, obwohl dies den Kern der Bedeutung nicht genau trifft, denn Straffreiheit erlangt der Verurteilte auch durch eine Begnadigung. So stellt Straffreiheit den Oberbegriff dar, unter dem sowohl die Begnadigung als auch die Amnestie eigene Bereiche abdecken, die im folgenden genauer abzugrenzen sind.
 

a) Amnestie

Unter Amnestie im Strafrecht versteht man einen allgemeinen, f?r eine nicht bestimmte Anzahl von F?llen geltenden und auf bestimmte Vergehen oder Verbrechen bezogenen Gesetzesbeschlu?, der den Betroffenen Straffreiheit oder die Straferm??igung zukommen l??t . Mit anderen Worten „verzichtet die Rechtsgemeinschaft, ihren Strafanspruch durch Anklage, Urteil oder Vollstreckung durchzusetzen oder ?berhaupt darauf, Rechtsnachteile an fr?heres Verhalten zu kn?pfen" .
Dieser Eingriff in den regul?ren Ablauf der Rechtspflege kann in verschiedenen zeitlichen Stadien vorkommen. So kann schon (als fr?hestm?glicher Zeitpunkt einer Amnestie) von der Verfolgung einer Straftat abgesehen werden. Oder es kann sp?ter ganz oder teilweise auf die Vollstreckung verh?ngter Strafen verzichtet werden. Diese beiden M?glichkeiten w?rde ich als „echte" Amnestien bezeichnen.
 

b) Abolition

Zeitlich dazwischen liegt die Niederschlagung bereits anh?ngiger, aber noch nicht abgeschlossener Verfahren. Diesen Verzicht auf weitere Ermittlung oder Bearbeitung eines anh?ngigen Strafverfahrens nennt man spezielle Abolition oder Einzelabolition . Bei einer Vielzahl von F?llen ist deshalb Generalabolition ein besserer Ausdruck . In Straffreiheitsgesetzen ist h?ufig mit der Amnestie bez?glich der gleichen Straftatbest?nde auch die Abolition verbunden.
 

c) Begnadigung

Auch die Begnadigung f?hrt im Ergebnis zu Straffreiheit oder Straferm??igung. Sie ist jedoch h?chstpers?nlich, d.h. auf einen individuellen Einzelfall beschr?nkt , w?hrend die Amnestie eine unbekannte Anzahl betrifft. Als Abgrenzungskriterium zur Amnestie dient hier die „unbe-stimmte Vielzahl von F?llen". Dar?ber hinaus setzt die Begnadigung voraus, da? der Straft?ter rechtskr?ftig verurteilt wurde .
Dies ist bei der Amnestie nicht zwingend und bei der Abolition ?berhaupt nicht notwendig.
Ein anschauliches Beispiel f?r eine Begnadigung ist bei Wesel  zu finden, der die Abmilderung der Todesstrafe auf „nur" Brandmarkung f?r den bekannten K?nstler Veit Sto? anno 1503 in N?rnberg wiedergibt. Veit Sto? hatte eine Urkundenf?lschung begangen.
 

2. Arten von Amnestien

Die Einordnung bzw. Klassifizierung von Amnestien wird besonders am Beispiel deutlich. Dabei ist es m?glich, da? die eine oder andere Amnestie in mehrere „Schubladen" eingeordnet werden kann.
 

a) Rechtskonstituierende und rechtsperpetuierende Amnestien

Losgel?st von einer strafrechtlichen Dimension kann eine rechtskonstituierende Amnestie einen in Tr?mmern liegenden Staat aus der Anarchie in einen „Normalzustand, in dem die Geltung des Rechts gesichert ist"  f?hren helfen. Als Beispiel aus der Geschichte kann der Westf?lische Frieden von 1648 dienen, der den 30-j?hrigen Krieg beendete und durch ein gegenseitiges Vergessen und Vergeben wechselseitig begangener Greueltaten die Basis f?r einen Neuanfang schuf. Marxen f?hrt aus, da? die Eind?mmung von Revanchegel?sten der unterlegenen Partei erst die Entstehung des staatlichen Gewaltmonopols erkl?rbar macht .
Die Mehrzahl der Amnestien in Europa sind jedoch von rechtsperpetuierender Natur, d.h. sie sind bestrebt eine herrschende Ordnung grunds?tzlich bestehen zu lassen und nur in Teilbereichen Korrekturen anzubringen. Eine reformbed?rftige Ausnahmesituation, die die politische F?hrung ver?ndern will, liegt auch hier vor, jedoch ist diese nicht von grunds?tzlicher staatstragender Bedeutung.
 

b) Jubelamnestie

Zu Zeiten der Monarchien war es ?blich, da? der Herrscher bei sogenannten „fr?hlichen oder freudigen Ereignissen"(occasio publicae laetitiae) eine Amnestie ausrief um dem Volk seinen Gro?mut  zu zeigen und damit der Steigerung der Popularit?t des Herrscherhauses dienen . Bei den Jubelamnestien zeigt sich noch ein gewisses irrationales Element der (g?ttlichen) Gnade, welches im Selbstverst?ndnis der Monarchie (Gottesgnadentum) verwurzelt ist.
Von 1871 bis 1914 erlie? der K?nig von Preu?en drei Jubelamnestien (1888: Regierungsantritt Kaiser Friedrich III.; 1896: 25. Jahrestag der Reichsgr?ndung; 1906: Geburt des K?nigsenkels).
Die Strafgrenze lag bei Freiheitsstrafen bis 6 Wochen relativ niedrig.
H?here Freiheitsstrafen wurden nur erlassen bei Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verletzung der ?ffentlichen Ordnung, Beleidigung einschlie?lich der Majest?tsbeleidigung .
Auch heutzutage sind in Frankreich „Jubelamnestien" anl??lich eines Regierungswechsels (sog. Septenatsamnestien) und in ?sterreich bei Gedenktagen oder Staatsjubil?en ?blich. In Deutschland gilt der Jubel allein weder rechtlich noch politisch als Grund f?r eine Amnestie, wie sich bei der Wiedervereinigung im Jahr1990 zeigte (vgl. dazu III 2 d).
In der Bundesrepublik hat „die Bundesregierung der Versuchung widerstehen k?nnen, sich durch den h?ufigen Erla? von Amnestien eine mehr als zweifelhafte Beliebtheit zu erkaufen" .
 

c) Zweckamnestie

Mit dem Ende des Absolutismus in Europa hat sich die Legitimation der Macht und die Staatsgewalt auf das Volk verlagert. Damit einher ging ein mehr rationaler Umgang mit den Amnestien. Der Zweckgedanke schob sich in den Vordergrund und „der Verzicht auf Bestrafung im Wege der Amnestie ist zu einem gezielt eingesetzten, zweckgerichteten Instrument strafrechtlicher Gesetzgebungspolitik geworden" .
So wurden zum Beispiel w?hrend des 1. Weltkrieges zur Mobilisierung m?glichst aller Kr?fte eine Reihe von Amnestien  erlassen.
Weitere Beispiele f?r Zweckamnestien, die an konkrete staatspolitische Ziele ankn?pfen :
Absicherung des Staatsgebietes (Saarlandamnestie vom 28.2.1935; Rheinlandamnestie vom 23.4.1936; Gro?deutschlandamnestie vom 30.4.1938; Sudetenamnestie vom 7.6.1939)
Vermehrung der Staatsfinanzen (Steueramnestie von 1913 durch ? 68 des Wehrbeitragsgesetzes vom 3.7.1913, Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1.6.1933 oder Art. 17 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988)
Amnestierung politischer Gesinnungsgenossen (H?ufig zur Zeit der Weimarer Republik)
Entlastung des Strafvollzugs (Nebenziel auch zur Verbesserung der Staatsfinanzen)

Unterst?tzung strafrechtlicher Reformen (Straffreiheitsgesetze in Zusammenhang mit Strafrechtsreformen)
Reintegration gesellschaftlicher Gruppen (Straffreiheitsgesetz 1970 - Jugend- und Studentenprotest)
Aufbau des staatlichen Gewalt- und Strafmonopols nach allgemeiner Notsituation (Nachkriegsamnestien von 1949 und 1954)
Erleichterung der Mobilmachung
F?rderung freundschaftlicher Beziehungen auf v?lkerrechtlicher Ebene (Friedensvertr?ge von 1918 mit der Ukraine, Ru?land und Finnland)

Die Kategorie „Zweckamnestie" macht deutlich, da? die Gr?nde f?r eine Amnestie so vielgestaltig sind, wie es die politische oder gesellschaftliche Notwendigkeit oder eben die Staatsr?son zul??t.
 

d) Annexamnestie

Eine Annexamnestie folgt einem Straffreiheitsgesetz in Zusammenhang mit gro?angelegten Reformenprojekten oder ist sogar in dieses Gesetzeswerk integriert. Ziel ist die Verst?rkung der Wirksamkeit der Reform.
 

e) Appellamnestie

Eine Appellamnestie verspricht Straffreiheit f?r den Fall, da? der T?ter sich nach der Tat selbst den Beh?rden stellt und/oder bisher unbekannte Angaben macht.
Ein historisches Beispiel hierf?r ist die Verordnung des „F?hrers" zum Schutz der R?stungswirtschaft vom 21.3.1942.
Nach Art. 1 droht Zuchthaus oder sogar die Todesstrafe f?r denjenigen, der vors?tzlich falsche Angaben ?ber den Bedarf oder Bestand von Arbeitskr?ften sowie ?ber den Bedarf oder die Vorr?te an f?r die R?stungswirtschaft wichtigen Rohstoffen und G?tern macht.
Art. 2 verspricht dann gleich Straffreiheit, wenn die falschen Angaben innerhalb von drei Monaten berichtigt werden .
Auch ? 10 des Straffreiheitsgesetzes von 1949 und ? 7 des Straffreiheitsgesetzes von 1954 hatten Appellcharakter . Es ging jeweils um die Berichtigung falscher Angaben des Personenstandes.
Inhaltlich ist auch ? 371 Abgabenordnung (AO 1977) mit einer Appellamnestie vergleichbar. Hier geht ebenfalls straffrei aus, wer seine Steuerhinterziehung/-verk?rzung selbst zur Anzeige bringt. Die Person ist zwar individuell, der Kreis der Betroffenen jedoch nicht bekannt und auch nicht ohne weiteres bestimmbar, so da? der Begriff Appellamnestie gerechtfertigt ist.
 

f) Schlu?strichamnestie

Eine Schlu?strichamnestie „will die Strafrechtspflege einer ver?nderten Wirklichkeit anpassen, wenn au?ergew?hnliche Lebensverh?ltnisse das ganze Volk oder gro?e Teile betroffen und das Verhalten der Menschen so beeinflu?t haben, da? sie Straftaten begingen, die sie sonst nicht begangen h?tten" . Als Beispiele sind die Straffreiheitsgesetze von 1949 und 1954 zu nennen, die Delikte amnestierten, wenn diese aus pers?nlicher Not und ohne verwerfliche Gesinnung begangen wurden. Als Begr?ndung mag hier das Motto „Not kennt kein Gebot" ausreichen.
 

g) Befriedungsamnestie

Eine Befriedungsamnestie „will den inneren Frieden erhalten oder wiederherstellen, der durch politische Gegens?tze und die Form ihrer Austragung gest?rt ist" .
 

h) Rechtskorrekturamnestie

Eine Rechtskorrekturamnestie „will eine Milderung des materiellen Strafrechts flankieren, indem sie deren Wirkungskreis ausdehnt" . Diese ist inhaltlich mit der Annexamnestie oder der rechtsperpetuierenden Amnestie vergleichbar, stellt aber die Rechtsanpassung nach einer Rechts?nderung in den Mittelpunkt .
 

i) Bundes-/Landesamnestie

Nach der bundesstaatlichen Gewaltenteilung zwischen dem Bund und den L?ndern sind sowohl Bundes-, als auch Landesamnestien denkbar .
Die Amnestie wegen der Saarfrage im Saarland (1957) kann als Beispiel f?r eine Landesamnestie dienen .
 

j) Spezial-/Generalamnestie

Wird nur ein bestimmter Tat- oder T?terkomplex amnestiert, spricht man von einer Spezialamnestie (z.B. Milit?ramnestien). Diesem Begriff steht die Generalamnestie gegen?ber, wenn alle Straftaten (meist bis zu einer gewissen Schwere) einbezogen werden .
 

k) Voll-/Teilamnestie

Voll- oder Teilamnestien beschreiben den Umfang des Gnadenerweises. Eine Vollamnestie betrifft „alle Delikte ohne R?cksicht auf Art und H?he der Strafe", w?hrend sich die Teilamnestie „auf den Straferla? beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, bis zu einer bestimmten Strafh?he oder nur bei bestimmten Delikten" bezieht .
 

l) Politische Amnestie

In der unruhigen Endphase der Weimarer Republik und besonders im Dritten Reich hat sich die politische Amnestie als weitere Art der Amnestie etabliert. Mit ihr wurden Parteig?nger, die wegen politisch motivierten Straftaten verurteilt waren, wieder auf freien Fu? gesetzt. Heute unvorstellbar ist, da? selbst M?rder Straffreiheit erlangen konnten .
 

m) Offene und verdeckte Amnestie

Dieses Begriffspaar stellt auf dem Umstand ab, da? auch durch stetiges Nichtverfolgen einer Straftat und die anschlie?ende Verj?hrung oder durch Beschlu? bzw. Urteil der Gerichte ebenfalls die Wirkungen einer Amnestie auftreten k?nnen. Dies wird dann als verdeckte oder auch „kalte" Amnestie bezeichnet .
Die Gr?nde oder Ursachen dieser Verschiebung der Rechtsetzung durch die Richter sind vielgestaltig. Sie reichen von Arbeits?berlastung der Ermittlungsbeh?rden ?ber Verhandlungsunf?higkeit der Angeklagten  bis hin zur Nichtwahrnahme der politischen Verantwortung f?r eine offene, sprich eine gesetzliche Amnestie .
Die Tatsache, da? f?nf Richter des Bundesverfassungsgericht eine „de facto-Amnestie" beschlie?en k?nnen (vgl. „Spionageentscheidung" ), sollte den politisch Verantwortlichen zu denken geben. Schlie?lich kann die strafrechtliche Aufarbeitung der Vergangenheit nicht allein der Justiz ?berlassen bleiben. Die Verweigerung der Vorgaben klarer politischer Richtungen durch ein Amnestiegesetz f?hrt nur zu einer „mi?lungenen Amnestie"  mittels der Setzung von Richterrecht, das eigentlich auf kleinere Randgebiete beschr?nkt sein sollte.
Eine verdeckte Amnestie ist deswegen nicht nur wegen des erheblichen Eingriffs in das Prinzip der Gewaltenteilung abzulehnen.
 

n) „Weihnachtsamnestie"

Die „Weihnachtsamnestie", die dem H?ftling eine fr?hzeitige Entlassung vor den Weihnachtsfeiertagen beschert , ist von der Bedeutung her eine Begnadigung, da sie auf Einzelf?lle bezogen ist. Wegen der gro?en Anzahl hat sich jedoch der Begriff „Weihnachtsamnestie" eingeb?rgert.
 

II. Grenzen

1. Formale Grenzen

a) Funktionierendes Staatssystem

Die Grundvoraussetzung, um ?berhaupt den Erla? einer Amnestie rechtfertigen zu k?nnen, mu? das Vorhandensein eines funktionierenden Staatssystems sein. Denn solange eine Gesellschaft die Anarchie nicht ?berwunden und keine Staatsgewalt eine Gerichtshoheit gebildet hat, ist an eine Regulierung des davorliegenden, gesetzlosen Zustandes nicht zu denken.
Dies wird insbesondere bei einem bewaffneten B?rgerkrieg vom Sieg einer der beteiligten Parteien abh?ngig gemacht .
Erst, wenn sich der Staat konsolidiert  hat, k?nnen Gedanken der Vers?hnung und des Vergebens Raum greifen.
 

b) Gewaltenteilung

Eng mit a) verbunden ist die Notwendigkeit einer funktionierenden Gewaltenteilung. Abzulehnen ist jedenfalls eine Amnestierung, wenn keine Trennung der Legislativen von der Exekutiven vorliegt.
So konnte zum Beispiel durch Notverordnungen nach Artikel 48 Absatz 2 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ein Gesetzesbeschlu?, also auch ein solcher f?r ein Straffreiheitsgesetz, umgangen werden.
Die Notverordnung vom 21.3.1933 gew?hrte z.B.„eine Amnestie f?r Straftaten, die im Zusammenhang mit der sog. nationalen Erhebung begangen wurden" . Dadurch erfa?t wurden auch Kapitalverbrechen, wie die meisten Fememorde.
Deshalb sollte sich aus der Gewaltenteilung eine weitere formale Grenze ergeben, die eine Amnestie f?r die Gesellschaft transparent und nachvollziehbar macht.
 
 

c) Gesetzesform

Rechtsprechung  und der ?berwiegende Teil der Literatur sind sich einig, da? eine Amnestie im Strafrecht nur in Gesetzesform den formalen Grenzen gerecht wird.
Eine Mindermeinung  widersetzt sich diesen „Verrechtlichungs-bem?hungen" mit dem Argument, da? eine Amnestie zur ?berwindung einer „Krisen- und Ausnahmelage" nicht der gerichtlichen Kontrolle ausgesetzt werden solle, wenn ihre „politischen Signale" den vorgenannten Konfliktlagen gerecht werden will.
Diese Mindermeinung ist abzulehnen, da nicht deutlich wird, wie denn sonst eine Ausnahmesituation ?berwunden werden soll. Der Weg ?ber die Begnadigung - und dies gibt Breitbach selbst zu - f?hrt zu einem Ausschlu? der ?ffentlichkeit von der Willensbildung und kann „bestenfalls kollektive Amnesie" bewirken. Ein Vergessen mu? aber an ein Vergeben gekoppelt sein, um eine wirksame Aufarbeitung des Konfliktstoffes zu erm?glichen. Dies sollte durch ein ?ffentliches Gesetzgebungsverfahren erfolgen, welches durch eine ?ffentliche Diskussion begleitet wird.
 

d) Gesetzgebungskompetenz

Hat man sich auf die Notwendigkeit eines Gesetzes geeinigt (siehe oben), so stellt sich als n?chstes die Frage, wer dieses Gesetz denn erlassen darf.
Das Grundgesetz schweigt sich ?ber die Zust?ndigkeit des Bundes „in auffallendem Gegensatz zu der Weimarer Verfassung v?llig aus" .
Es ist jedoch mittlerweile anerkannt , da? sich ein Amnestiegesetz in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gem?? Artikel 74 Absatz 1 Nr. 1 GG i.V.m. Artikel 72 Absatz 2 GG einordnen l??t. So braucht die Frage, ob ein Amnestiegesetz nun unter „Strafrecht" , oder unter „Strafvollzug" bzw. „gerichtliche Verfahren"  zu subsumieren ist, nicht weiter er?rtert werden.
Gegen eine Landeskompetenz spricht insbesondere der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Absatz 1 GG) und der Grundsatz der Bundestreue . Das Strafgesetzbuch und auch die Abgabenordnung f?r Steuerstraftaten sind Gesetze mit bundeseinheitlichem Geltungs- und Anwendungsbereich, so da? den L?ndern in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz zusteht.
 

2. Inhaltliche Grenzen

 

a) Vorauswirkungsverbot

Nulla poena sine lege. Aus diesem Grundsatz (auch R?ckwirkungsverbot genannt) erfolgt keine Bestrafung, wenn zum Zeitpunkt der Tat ein Gesetz diese Handlung nicht verbot.
Daraus wird f?r das „negative Strafgesetz" , die Amnestie, spiegelbildlich ein Vorauswirkungsverbot abgeleitet .
Ferner w?rden auch nach dem Gesetzesbeschlu? begangene Straftaten unges?hnt bleiben, was geradezu einen Anreiz schafft, straff?llig zu
werden.
Dar?ber hinaus w?rde eine vorauswirkende Amnestie in die richterliche Unabh?ngigkeit (Artikel 97 GG) eingreifen, denn der Richter kann nicht mehr „unabh?ngig und nur dem Gesetze unterworfen" sein, wenn das Strafgesetz mit dem Straffreiheitsgesetz kontrastiert.
Ein Amnestiegesetz kann also nur Straftaten eines vergangenen, abgeschlossenen Zeitraumes betreffen und sollte zur besseren Handhabung einen Stichtag nennen .

b) Verbot der Individualamnestie

Eine Individualamnestie w?rde als Ma?nahmegesetz einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte Personengruppe straffrei stellen.
Welche Gr?nde k?nnten dagegen sprechen, wenn der politische Wille und die entsprechenden Mehrheiten im Bundestag vorhanden sind ?
Artikel 19 Absatz 1 GG verbietet Einzelfallregelungen bei gesetzlichen Eingriffen in Grundrechte des B?rgers.
Nur wird durch eine Amnestie der betroffene nicht negativ belastet, so da? dieser Einwand nicht greift .
Selbst eine Argumentation mit dem in Artikel 3 Absatz 1 GG verankerten allgemeinen Willk?rverbot f?hrt hier nicht weiter, da sich - der politische Wille und Formulierungsgeschick vorausgesetzt - immer Gr?nde f?r eine Sonderbehandlung einzelner F?lle finden lassen .
Einzig und allein „das besondere Verh?ltnis des Strafrechts zur rechtsprechenden Gewalt", die Absicherung des Zust?ndigkeitsbereiches der Richter (Artikel 92 GG, Artikel 97 Absatz 1 GG, Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG) und die damit einhergehende „prozessuale Durchsetzung des materiellen Strafrechts im einzelnen Fall" vermag das Verbot der Individualamnestie begr?nden.
Wie weit der gesetzgeberische Spielraum auch bei sogenannten „getarnten Individualamnestien" geht, zeigt der Fall Platow .
 

c) Verbot der Selbstbeg?nstigung

Marxen  leitet dieses Verbot aus dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip ab, nach dem ein Gesetz f?rmlich, allgemein und vern?nftig sein soll. Letzteres ist die Basis, die dieses Verbot tr?gt und die Abgeordneten davon abhalten soll, eigene oder gemeinsame Sonderinteressen in Gesetze einflie?en zu lassen.Auch die Indemnit?t und Immunit?t (Artikel 46 Abs?tze 1 und 2 GG) der Abgeordneten kann zur Begr?ndung herangezogen werden. Die Straffreiheit ist auf die parlamentarische T?tigkeit beschr?nkt  und im ?brigen restriktiv auszulegen . Weitergehende Rechte sind vom Verfassungsgeber offensichtlich nicht gewollt.
Ferner erkl?rt sich diese Grenze eines Amnestiegesetzes auch aus der darin liegenden Vermengung von legislativer und judikativer Gewalt.
Der Gesetzgeber darf nicht Richter in eigener Sache sein , und sollte noch einen Rest Altruismus  an den Tag legen.
 

d) Grenzen aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes (Artikel 3 Absatz 1 GG)

Die wohl schw?chste Grenze l??t sich mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 GG entwickelten Willk?rverbot ziehen. Denn nach dem Bundesverfassungsgericht handelt der Gesetzgeber erst dann willk?rlich, wenn er sich bei seinen ?berlegungen offensichtlich nicht am Gerechtigkeitsgedanken orientiert und sich keine vern?nftigen Erw?gungen finden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonstwie einleuchtend sind .
Es ist evident, da? eine Amnestie eine Gruppe beg?nstigt, w?hrend sie Vergleichsgruppen zwangsl?ufig benachteiligen mu? . Ohne diese Pr?misse h?tte eine Amnestie keinen Sinn, will man eine Z?sur machen. Allein die Begr?ndung der faktischen Ungleichbehandlung bedarf der genauesten Formulierung, denn ?ber die Notwendigkeit und Zweckm??igkeit befindet der Gesetzgeber allein . Dieser ist also aufgefordert sich einige M?he mit der Begr?ndung zu machen und darf auch das Unrechtsgef?hl der B?rger nicht au?er acht lassen, wenn seine Gesetzesinitiativen den politischen Zeitgeist treffen und keinen Schiffbruch erleiden sollen (vgl. dazu sp?ter III. 2).
 

e) Grenzen aufgrund staatlicher Strafpflichten

Ausgenommen von Artikel 26 Absatz 1 GG (St?rung des friedlichen
Zusammenlebens der V?lkergemeinschaft, Vorbereitung eines Angriffskrieges) besteht im Regelfall kein verfassungsrechtliches P?nalisierungsgebot .
Der Staat soll erg?nzend „Rechtsg?terverletzungen und Zuwiderhandlungen gegen Wohlfahrtszwecke" nur dort unter Strafe stellen, „wo es f?r ein geordnetes Zusammenleben unumg?nglich ist" . Dies setzt voraus, da? es wichtige Rechtsg?ter gibt, und solche, die auch kleinere ?bertretungen „aushalten" m?ssen. Daraus kann auch auf eine Strafpflicht f?r besonders hochrangige Rechtsg?ter (wie zum Beispiel das Leben) geschlossen werden. Insbesondere, da? der Staat auch seiner Pflicht nachkommt , wie auch das Bundesverfassungsgericht eine Strafpflicht zum Schutz des ungeborenen Lebens angenommen hat .
Darunter wird aber nicht die „Pflicht des Staates verstanden, bestimmte Handlungen mit allen Mitteln, also mit den Mitteln der Strafgesetzgebung, der Strafverfolgung, der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs, wirklich einer Bestrafung zuzuf?hren" . Sondern es verbleiben Gestaltungsm?glichkeiten, die sowohl das Strafgesetz als auch ein Straffreiheitsgesetz betreffen. Gleichzeitig bedeutet dies, da? f?r bestimmte Straftaten oder Straft?ter eine Amnestie von vornherein ausscheiden kann.

Welche Straftaten sind also nicht amnestief?hig ?
Als Kriterium daf?r kann zum Beispiel die vom Gesetzgeber vorgegebene Unverj?hrbarkeit dienen. Dies w?rde dann f?r V?lkermord (? 220 a StGB), f?r lebenslange Freiheitsstrafen und und f?r die Sicherheitsverwahrung gelten (? 79 Absatz 2 und Absatz 4 Satz 1 StGB).
Die Unverj?hrbarkeitsvorschriften k?nnen aber nicht alleine und absolut als Argument dienen, da diese - sofern politisch gewollt - einem gesetzgeberischen Wandel unterliegen. Hinzutreten mu? eine Beurteilung der jeweiligen „Besonderheit der Handlungssituation", in der sich der T?ter bei Begehung der Tat befunden hat .
Ferner sind aufgrund v?lkerrechtlicher Verpflichtungen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht amnestief?hig. Dies auch, oder gerade weil die Opfer des dritten Reiches nicht nur Deutsche, sondern in der ?berzahl Nichtdeutsche waren und daher die internationale Staatengemeinschaft ein Mitspracherecht beansprucht .

Gibt es amnestieunw?rdige Staft?ter?
Eine Amnestie deckt wegen des allgemeinen Charakters eine nicht ?berschaubare Gruppe von Straft?tern ab, so da? grunds?tzlich eine Pr?fung individueller Merkmale oder Qualifikationen ausscheiden w?rde .
Aber wenn man amnestieunw?rdige Straftaten anerkennt, mu? auch bez?glich der Amnestiew?rdigkeit bestimmter Straft?ter eine Differenzierung - zumindest nach der Gef?hrlichkeit der T?tergruppen oder f?r R?ckfallt?ter - m?glich sein .
So enthielt z.B. ? 9 Straffreiheitsgesetz 1954 einen umfangreichen Ausnahmekatalog von Straftaten und (Gesinnungs-)Merkmalen, die eine Amnestierung ausschlossen .
Bei der Septenatsamnestie 1988 in Frankreich wurden ebenfalls bestimmte Straftaten ausgenommen (siehe IV. 1).
 

f) Grenzen aufgrund des Rechtsstaatsgebots

Im Gegensatz zu den Grenzen a) bis e), die im wesentlichen auf Gedanken vom Klaus Marxen zur?ckgehen, will der Verfasser hier offengebliebene Teilaspekte einer Amnestie zu einer weiteren Grenze zusammenfassen.
Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wird aus Artikel 20 GG hergeleitet, es ist darin nicht ausdr?cklich aufgenommen. Trotzdem geh?rt es zu den „elementaren Verfassungsgrunds?tzen und den Grundentscheidungen des Grundgesetzes" . Die Rechtsstaatlichkeit sollte auch die die Kontinuit?t der Rechtsordnung widerspiegeln. Eine Amnestie unterbricht diese Kontinuit?t, h?ufige Amnestien untergraben das Vertrauen der B?rger in die Rechtsstaatlichkeit und letztendlich auch in den Staat. Aus diesem Grund ist die inflation?re Anwendung der Amnestie als politisches Gestaltungsmittel abzulehnen.
Gerade generalpr?ventive Gr?nde, wie sie der Satz „Recht mu? Recht bleiben" (Psalm 94, 15) verdeutlicht, spielen dabei eine Rolle.
„Wenn ein Einbruchsdiebstahl oder ein Sparkassenraub von der Rechtsgemeinschaft einmal mit Stillschweigen ?bergangen w?rde, k?nnte jeder k?nftige Einbrecher oder R?uber zu seinen Gunsten geltend machen, da? auch er mindestens eine Tat dieser Art umsonst haben m?sse; damit w?re die Rechtsordnung weithin au?er Kraft gesetzt" . Auf h?ufige oder regelm??ige Amnestien ?bertragen w?rde dies bedeuten, da? ein Straft?ter eine m?gliche Amnestie bei Planung und Durchf?hrung seiner Straftat mit in sein Kalk?l einbeziehen kann . Die Weimarer Republik wurde durch 18 Amnestien in zw?lf Jahren  als Staat nicht gerade stabilisiert, der gewaltsame und blutige Kampf um die Macht geradezu gef?rdert.
Aber auch die vorhersehbare Amnestie birgt die gleichen Gefahren f?r den Rechtsstaat.
Das Gesetzgebungsverfahren l?uft weitgehend ?ffentlich  ab und wird von der Presse als vierter Gewalt kritisch begleitet. Dauert die Diskussion und das Gesetzgebungsverfahren aber zu lange, kann diese Interimszeit dazu verf?hren noch schnell straff?llig zu werden und sodann auf die Straffreiheit zu warten.

g) Kriminalpolitische Grenzen

Die kriminalpolitische Grenze einer Amnestie wird durch eine nicht unerhebliche R?ckfallquote vieler Strafentlassener manifest . Diese lag zum Beispiel bei der Amnestie zum 38. Jahrestag der Gr?ndung der DDR vom 17.7.1987 „mit ca. 30 % erfreulicherweise unter den Erwartungen aufgrund der fr?heren Amnestien" . Hinzukommt, da? in dieser Quote nur die erneut festgestellte Straff?lligkeit enthalten ist.
Als Gr?nde daf?r k?nnen die ungen?gende Resozialisierung oder der Zeitpunkt der Amnestie genannt werden. Letzteres mag bei einer Amnestie im Winter („Weihnachtsamnestie"), wenn Amnestierte ohne Familie in „schlecht m?blierte, ungem?tliche Zimmer entlassen"  werden (h?ufig Obdachlosenunterk?nfte in sozialen Brennpunkten), eine besondere Rolle spielen.
 

III. Amnestien in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik

1. Straffreiheitsgesetze und ?hnliche Vorschriften mit Gesetzesrang

a) In der Bundesrepublik erlie? der Bundesgesetzgeber bisher

vier Straffreiheitsgesetze (StFG)
Straffreiheitsgesetz vom 31.12.1949 (BGBl. 1950, S. 37)
Straffreiheitsgesetz vom 17.7.1954 (BGBl. I, S. 203)
Straffreiheitsgesetz vom 9.7.1968 (BGBl. I, S. 773)
Straffreiheitsgesetz vom 20.5.1970 (BGBl. I, S. 509),
vier Amnestievorschriften im Rahmen von Strafrechtsreformen (Annex- bzw. Rechtsbereinigungs- oder Rechtskorrekturamnestien)
Art. 97 des 1. Straffrechtsreformgesetzes vom 25.6.1969 (BGBl. I, S. 645, 679)
Art. 7 und 8 des 4. Straffrechtsreformgesetzes vom 23.11.1973 (BGBl. I, S. 1725, 1733)
Art. 313 des EGStGB vom 2.3.1974 (BGBl. I, S. 469)
Art. 9 und 10 des 5. Straffrechtsreformgesetzes vom 18.6.1974 (BGBl. I, S. 1297, 1299) i.V.m. Art. 4 des 15. Straffrechts?nderungsgesetzes vom 18.5.1976 (BGBl. I, S. 1213)
und eine Amnestie f?r Steuerstraftaten
Art. 17 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 (BGBl. I, S. 1093, 1128).

aa) Das Straffreiheitsgesetz (StFG) 1949 erging zur Bereinigung der au?ergew?hnlichen Verh?ltnisse nach dem Krieg und w?hrend der nachfolgenden Notzeit .
Sie zog strafrechtlich einen Schlu?strich  unter die vor dem 15. September 1949 begangenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.
Amnestiert wurden zum Beispiel ?ble Nachrede und falsche Anschuldigung (? 8), die w?hrend des Zusammenbruchs begangen wurden, Verschleierung des Personenstandes (? 10) und „Handlungen auf politischer Grundlage, die nach dem 8. Mai 1945 begangen und auf die besonderen politischen Verh?ltnisse der letzten Jahre zur?ckzuf?hren sind" (? 9). Mit der letzten Vorschrift, die selbst f?r Totschlag Anwendung fand, stellte man „Taten politisch Verfolgter gegen ihre Nazi-Peiniger"  straffrei. Ausgenommen waren aber gemeingef?hrliche Straftaten, oder solche, die aus Grausamkeit, ehrloser Gesinnung oder aus Gewinnsucht begangen wurden.
? 10 StFG 1949 war eine Appellamnestie, da z.B. das Untertauchen unter falschem Namen aus politischen Gr?nden nur dann nicht geahndet wurde, wenn der Betroffene innerhalb drei Monaten die Angaben berichtigte .
Wie wenig dieser Appell fruchtete zeigt ein Blick auf die Statistik: Bis zum Stichtag 31.M?rz 1950 machten lediglich 241 Illegale von der angebotenen M?glichkeit Gebrauch. Die ?brigen (nach Sch?tzungen des Bundesjustizministeriums ca. 80 000) und darunter sicherlich auch etliche Nazi-Verbrecher zogen die Beibehaltung der „falschen Identit?t einer Internierung und Entnazifizierung"  vor. So wurde z.B. erst 1995 der ehemalige Aachener Hochschulrektor Hans Schwerte alias Schneider als SS-Funktion?r enttarnt .

bb)  Das StFG 1954 kn?pft an das zuvor beschriebene StFG 1949 an und f?hrt die „Bereinigung der durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse geschaffenen au?ergew?hnlichen Verh?ltnisse" (? 1) fort. Dieses weitere StFG war notwendig geworden, weil noch vielen Menschen die feste Lebensgrundlage fehlte, die wirtschaftliche Not fortdauerte und auch besatzungsrechtliche Schranken erst 1949 weggefallen waren . Stichtag war der 1.12.1953.
Es beinhaltet in ? 8 auch den strittigen Platow-Komplex, der Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde wurde (BVerfGE 10, 234).

cc)  Im Zuge der Staatsschutz-Strafrecht-Novelle (Achtes Strafrechts?nderungsgesetz vom 14.6.1968, BGBl. I, S. 633) erging mit dem StFG 1968 eine Rechtskorrekturamnestie. Diese war notwendig geworden, nachdem verschiedene Bestimmungen aufgehoben oder ersetzt wurden .

dd) Auch das StFG 1970 war eine Rechtskorrekturamnestie, in Verbindung mit dem Dritten Strafrechtsreformgesetz (BGBl. I, S. 505) f?r die darin ge?nderten Vorschriften (z.B. Aufforderung zum Ungehorsam, Beamtenn?tigung, Aufruhr, Auflauf, Landfriedensbruch und Straftatbest?nde des Versammlungsrechts ). Gleichzeitig war es eine Befriedungsamnestie, da es Straftaten in Zusammenhang mit den Studenten- und Jugendprotesten amnestierte. Die Bewertung der Zielsetzung reicht von der Integration der „neuen Linken aus der Studentenrevolte"  in die Gesellschaft bis zur S?uberung des F?hrungszeugnisses der Jungakademiker . Ob die Befriedung gelungen ist, oder ob durch die Liberalisierung der Terrorismus der Roten Armee Fraktion erm?glicht bzw. gesteigert wurde, mu? an dieser Stelle uner?rtert bleiben. Auch wenn man annimmt, da? „im Gegensatz zu der klassischen Amnestie dieser Amnestie kein innerer oder ?u?erer Notstand vorausging" , war sie doch zur Wiederherstellung eines gesellschaftlichen Konsenses notwendig. Es war wegen der Diskrepanz zwischen den hohen Mindeststrafenregeln und dem meist geringen kriminellen Unrechtsgehalt zu einer Unsicherheit der Rechtsanwendung gekommen, die ausger?umt werden mu?te .

ee) Amnestievorschriften der Strafrechtsreformen
Diese Annex- bzw. Rechtsbereinigungs- oder Rechtskorrekturamnestien f?hren den Grundgedanken des ? 2 Absatz 3 StGB, wonach das mildeste Gesetz anzuwenden ist, nochmals deutlicher in das Bewu?tsein .

ff) Amnestie f?r Steuerstraftaten 1988
Mit dieser heftig umstrittenen  Annexamnestie wurde es denjenigen Steuerschuldnern, die bisher Kapitalverm?gen und/oder -zinsen nicht oder nicht vollst?ndig versteuert hatten, erm?glicht, in die Steuerehrlichkeit zur?ckzukehren . Der Wunsch nach Erschlie?ung unbekannter Steuerquellen zur k?nftigen Mehrung der Staatsfinanzen ging jedoch nicht in Erf?llung, da nur eine kleine Anzahl strafbefreiender Nacherkl?rungen bei den Finanzbeh?rden eingingen .

b) In der Deutschen Demokratischen Republik ?bte zuletzt der Staatsrat das Amnestie und Begnadigungsrecht aus (Artikel 74 Absatz 2 der Verfassung). Die Amnestie wurde dementsprechend - wie auch das Strafrecht - gezielt als politisches Instrument des Klassenkampfes eingesetzt . Dies wird besonders durch die H?ufigkeit und die Anl?sse („Jubelamnestien") deutlich. H?ufige Amnestien werden auch als Indiz f?r tiefgreifende Steuerungsprobleme angesehen .
Die wesentlichsten Amnestien und Gnadenerlasse sind :
Gesetz ?ber die Gew?hrung von Straffreiheit vom 11.11.1949 (GBl. I, S. 60)
Beschlu? des Staatsrates ?ber die „Gew?hrung von Straffreiheit" vom 1.10.1960 (GBl. I, S. 533)
„Amnestieerla?" des Staatsrates vom 3.10.1964 (GBl. I, S. 135) - 15. Jahrestag der Gr?ndung der DDR -
Amnestie aus Anla? des 23. Jahrestages der Gr?ndung der Deutschen Demokratischen Republik (Beschlu? des Staatsrates vom 6.10.1972, nicht im Gesetzblatt verk?ndet, sondern in der Zeitung Neues Deutschland am 7.10.1972 bekanntgemacht)
Amnestieerla? des Staatsrates vom 24.9.1979 (GBl. I, S. 281) - 30. Jahrestag der DDR
Amnestien f?r DDR-Fl?chtlinge  - Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsb?rgerschaft vom 16.10.1972 (GBl. I, S. 265) und Verordnung zu Fragen der Staatsb?rgerschaft der DDR vom 21.6.1982 (GBl. I, S. 418)
Amnestiebeschlu? des Staatsrates vom 17.7.1987 (GBl. I, S. 191) - 38. Jahrestag der DDR
„Krenz-Amnestie" vom 27.10.1989 (GBl. I, S. 237)
„Gerlach-Amnestie" vom 6.12.1989 (GBl. I, S. 266)

Die Weiterwirkung der in der DDR erlassenen Amnestien f?r die Zeit nach 1990, sorgte bei den sog. Mauersch?tzenprozessen teilweise f?r Rechtsunsicherheit. Der BGH stellte schlie?lich fest, da? die Verfolgung einer Tat nicht durch die in der DDR erlassenen Amnestien ausgeschlossen ist . Der Amnestiebeschlu? vom 6.12.1989 soll jedoch im Beitrittsgebiet als Landesrecht weitergelten .
 
 

2. Wichtige geplante oder verworfene Amnestien

 

a) Hausbesetzeramnestie (1981)

Ausgehend von Berlin wurde 1981 die Amnestierung der im Umfeld von Hausbesetzungen begangenen Straftaten (Hausfriedensbruch,, Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, K?rperverletzung, Sachbesch?digung,...) angedacht. Von einem Gesetzentwurf auf Bundesebene kam es aber nicht, da f?r die Delikte „im unteren Strafbarkeitsbereich ... die M?glichkeiten der Verfahrenseinstellung nach der StPO ausreichten"  . Zudem war die Wohnungsnot nicht von einem Tag auf den anderen und schon gar nicht per Gesetzesbeschlu? zu beheben, was einer Befriedung der Situation entgegenstand.
 

b) Parteispendenamnestie (1981/1984)

Kein Amnestiewunsch wurde in der ?ffentlichkeit und der Presse  so lange und kontrovers diskutiert, wie derjenige f?r die im Zuge von Parteispenden begangenen (Steuer-)straftaten.
Ausgangspunkt waren die durch Spenden an „Staatsb?rgerliche Vereinigungen", die „in Wirklichkeit Spendensammelstellen f?r bestimmte Parteien waren" , umgangenen Regelungen des K?rperschafts-, Einkommen- und Schenkungssteuerrechts, nach denen direkte Spenden an Parteien nur bis zu einer bestimmten H?he abzugsf?hig sind.
Der Entw?rfe sahen z.B. vor, da? „durch Selbstanzeige Straffreiheit selbst dann erlangt werden konnte, wenn die Steuerhinterziehung den Beh?rden bereits bekannt war" . Dies hatte seinen Hintergrund in der teilweise langj?hrigen Kenntnis und Duldung seitens der Finanzbeh?rden und der damit verbundenen Mitverantwortung des Staates an der Situation .
Diese wurde durch die Neuordnung der Parteienfinanzierung Ende 1983 zumindest teilweise bereinigt. Der gew?nschte Schlu?strich konnte aber nicht gezogen werden, weil „die bereinigte Lage nicht weniger verworren und b?rgerfern als die bisherige ist und die Draufgabe der Amnestie ihrerseits nichts mehr rettet, sondern mit der Reform f?llt" .
 

c) Sitzblockadenamnestie (1988)

Bei Demonstrationen gegen Atomwaffen oder Giftgaslager wurden milit?rische Anlage und Einrichtungen durch „Sit-ins" blockiert. Diese Behinderung erf?llte nach st?ndiger Rechtsprechung des BGH den Tatbestand der N?tigung (? 240 StGB) und f?hrte zur Verurteilung der Sitzstreikenden. Die angemeldeten verfassungsm??igen Bedenken (Versto? gegen das Bestimmtheitsgebot gem?? Art. 103 Abs. 2 GG) waren berechtigt (BVerfG JZ 1995, S. 778). Die Schaffung eines „besseren N?tigungsparagraphen"  und eine Bereinigung der verschwommenen Situation war angezeigt . Die verschiedenen Entw?rfe (BT-Drs. 11/1472 und BR-Drs. 181/88) wurden jedoch nicht weiter verfolgt  und gelten mittlerweile als zeitlich ?berholt , wenngleich eine klare Differenzierung des Gewaltbegriffs angezeigt w?re.
 

d) Wiedervereinigungsamnestie (1990)

Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten h?tte als Ausdruck der allgemeinen Freude den Anla? f?r eine „Jubelamnestie" geboten.
Dar?ber hinaus stellten sich vereinigungsbedingte und strafrechtliche Probleme die mit einer Amnestie schon im Zuge des Einigungsvertrages h?tten bereinigt werden k?nnen .
Es wurde zun?chst aber nur eine Amnestie f?r Ost-Spione angedacht .
Dieser Amnestie stand jedoch die Befindlichkeiten der ostdeutschen Bev?lkerung bez?glich der jahrzehntelangen Bespitzelung durch den Staatssicherheitsdienst (Stasi) im Wege. Ein Vergessen und Vergeben war noch nicht m?glich, da die Stasi-Archive erst kurze Zeit offenstanden .
Ferner bereitete der politische Umgang mit der SED-Regierungskriminalit?t einige Schwierigkeiten.
Die nachtr?gliche Verfolgung systemkonformer Straftaten, auch wenn es sich um einen Unrechtsstaat handelte , verst??t gegen das rechtsstaatliche R?ckwirkungsverbot und mu? sich damit von der unterlegenen Partei als „Siegerjustiz" bezeichnen lassen . Eine isolierte Betrachtung der Tat ohne den entsprechenden Hintergrund des jeweiligen Rechtssystems kann zu keinem legitimen Urteil f?hren . Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die T?ter weder einer General- noch einer Spezialpr?vention zug?nglich sind .
Auch f?nf Jahre nach der Wiedervereinigung war der politische Weg f?r eine Amnestie trotz erheblicher ?ffentlicher Diskussion noch nicht geebnet . Eine Teilamnestie oder ein begrenztes Straffreiheitsgesetz w?ren dabei gangbare Mittelwege gewesen , um eine verdeckte Amnestie auszuschlie?en.

e) Amnestie f?r die Rote Armee Fraktion (RAF)

Neuerdings wurde im Zuge der bekanntgegebenen Aufl?sung der Roten Armee Fraktion (RAF) eine Amnestie f?r die verurteilten und einsitzenden Terroristen gefordert . Das zugegebene Scheitern der Ziele und die weitgehende Lossagung der Verurteilten von der RAF lassen grunds?tzlich eine Amnestie f?r m?glich erscheinen, wenn man eine „L?uterung" bzw. ein echtes Bed?rfnis der Wiedereingliederung in die Gesellschaft annimmt.
Dagegen spricht jedoch eine fehlende staats- und gesellschaftspolitische zwingende Notwendigkeit, denn Straftaten bleiben Straftaten, auch wenn sich der T?ter reuig davon distanziert.
Ferner sind die Angeh?rigen der Opfer sicherlich noch nicht zu einer Vergebung und Vers?hnung bereit, die die Grundlage f?r eine funktionierende Amnestie bilden mu?.
Dar?ber hinaus sind noch l?ngst nicht alle Straftaten aufgekl?rt, so da? eine Amnestie nur in Zusammenhang mit einer Abolition erfolgen k?nnte. Ein derartig weitreichendes Straffreiheitsgesetz k?nnte jedoch f?r k?nftige Staatsfeinde (auch vom rechten politischen Spektrum) falsche Signale setzen und zur nicht w?nschenswerten Nachahmung anregen.
Eine Amnestie ist mithin kein gangbarer Weg.
 
 

V. Amnestiepraxis in anderen Staaten

 

1. Frankreich

Nachdem die Girondisten 1789 f?r kurze Zeit das Recht auf Gnade abschafften, weil es den streng rationalen Grunds?tzen der Revolution widersprach, ist es seit 1802 in den (monarchischen und republikanischen) Verfassungen verankert .
Der Gesetzgeber in Frankreich erl??t durchschnittlich alle zwei Jahre eine Amnestie , wobei sowohl Schlu?strich- , Befriedungs- , Rechtskorrektur-, als auch „Jubelamnestien" an der Tagesordnung sind . Letztere in Form der sog. Septenatsamnestien werden zu Beginn der Amtszeit des Pr?sidenten der Republik vom Parlament gew?hrt. Sie sollen der Befriedung des politischen Lebens nach dem Wahlkampf dienen und betreffen insbesondere den unteren Strafma?bereich . Als durchaus erw?nschten Nebeneffekt tritt dabei die Linderung der „?berbelegungsmisere in den franz?sischen Strafanstalten"  ein.
Der Ausnahmekatalog der Septenantsamnestie im Jahre 1988 (Art. 29)  umfa?te Rassendiskriminierung, Grabsch?ndung, terroristische Straftaten, Verkehrsdelikte unter Alkoholeinflu?, Verherrlichung von Gewalt und Krieg in der Presse, Zoll- und Steuervergehen und die Verschmutzung von Luft und Wasser. Dabei wird deutlich, da? der Gesetzgeber sehr wohl auf staatliche Strafinteressen und das Rechtsempfinden seiner B?rger eingeht, wenn man z.B. an die erheblich Umweltzerst?rung durch das Tankerungl?ck der Amoco Cadiz vor der bretonischen K?ste bedenkt.
Aber auch die negativen Auswirkungen dieser h?ufigen Amnestien seien aufgezeigt:
In Erwartung einer Amnestie war eine „Verwilderung der Sitten im Stra?enverkehr" und eine „Flut von schamlosen Falschparkern und r?cksichtslosen Rasern" zu beobachten, die schon Monate vor den Wahlen einsetzte.
Dar?ber hinaus wurde die Staatskasse durch den Erla? der polizeilichen Geldbu?en in einer gesch?tzten Gr??enordnung von rund 2,3 Mrd. FF belastet .
 

2. ?sterreich

In ?sterreich k?nnen gem?? Art. 93 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) Amnestien durch einfaches Bundesgesetz verf?gt werden . Die Gr?nde f?r einen generellen Gnadenerweis liegen in allgemeinen Anl?ssen, meist in Jubil?en des Staates oder in wirtschaftlich bedeutungsvollen Umst?nden . Die sich dabei einstellende Regelm??igkeit (Zehnjahresrhythmus nach 1945 wegen Erlangung der Unabh?ngigkeit und weitere Gedenktage) veranla?t Quaritsch zu der Aussage, da? „in diesem Lande besonders erfindungsreich amnestiert wird" . Die Nachteile der vorhersehbaren Amnestien versucht man dadurch abzumildern, da? eine Abolition ausgeschlossen wird, d.h. Straffreiheit tritt nicht f?r die F?lle ein, „in denen bei Inkrafttreten noch kein Urteil ergangen ist" .
Ferner werden die h?ufigen Amnestien auf Bagatelldelikte und geringe Strafh?hen beschr?nkt .
 

3. Schweiz

Delikte nach eidgen?ssischem Recht werden gem?? Art. 85 Ziffer 7 Bundesverfassung (BV) von den eidgen?ssischen R?ten amnestiert . Dabei ist zu beachten, da? die Amnestiebefugnis in der Schweiz auch nach Inkrafttreten des Strafgesetzbuches von 1942 an die Gesetzgebungshoheit gekoppelt ist, d.h. die Bundesversammlung wird t?tig bei Straftatbest?nden des Bundesrechts und die kantonalen Beh?rden, wenn kantonales Strafrecht betroffen ist .
Die Schweiz amnestiert ?u?erst zur?ckhaltend, was nicht zuletzt darauf zur?ckzuf?hren ist, da? bei einer bundesweiten Amnestie die zus?tzliche H?rde der Volksabstimmung zu nehmen ist, was nicht immer gelingt .
Diese Zur?ckhaltung wird wegen der politischen Gr?nde, die hinter einer Amnestie stehen, in der Literatur durchweg positiv kommentiert .
Steueramnestien erfolgten 1945 und 1968 . 1964 wurde eine solche abgelehnt .

4. Italien

Italien ist das europ?ische Land mit den wohl h?ufigsten Amnestien (rund drei Dutzend seit 1944). Beachtlich ist, da? auch Strafen mit langer Haftdauer einbezogen werden. Die H?ufigkeit und Ausdehnung der gew?hrten Straffreiheit „mindert das Risiko des Verbrechens und nimmt den Strafgesetzen die abschreckende Wirkung".  Diese Amnestiepraxis ist deshalb insgesamt negativ zu bewerten, hat ihre Gr?nde aber im veralteten materiellen Strafrecht und dem desolaten Zustand der Strafrechtspflege .
 

5. Gro?britannien

Gro?britannien kennt zwar das Recht der Gnade (mercy) und der Begnadigung (pardon) als Vorrecht der Krone, jedoch nicht den generellen Straferla? (amnesty) .
Der Grund daf?r, da? man ohne Amnestie auskommt , liegt wohl darin, da? es kein „Strafgesetzbuch kontinentaleurop?ischer Pr?gung"  mit abstrakten Straftatbest?nden gibt. Die unterschiedlichen Rechtstradition des case law (Richterrecht) als eine F?lle von auf Pr?zedenzf?llen aufbauenden Einzelfallentscheidungen, verbietet es in genereller Art und Weise in die Handlungen der Richter einzugreifen. Wenn das Strafurteil jeweils auf einer Entscheidung im Einzelfall beruht, kann es ebenfalls nur als Einzelfall aufgehoben werden. Dann mu? dies aber begriffsnotwendigerweise durch eine Begnadigung erfolgen.
Zur Zeit wird im Zuge der Friedensverhandlungen in Nordirland kontrovers eine weitgehende Begnadigung der verurteilten IRA-K?mpfer diskutiert. Es scheint so, wie wenn ein Vergessen und Vergeben noch nicht m?glich w?re. Einer Befriedung der Situation und damit einer Amnestie steht dies aber im Wege.

V. Zusammenfassung und Stellungnahme

In der vorliegenden Arbeit wurde bisher nur indirekt auf die M?glichkeiten einer Amnestie eingegangen. Dies h?ngt mit der recht engen Verkn?pfung mit den Grenzen einer Amnestie zusammen. Das Wechselspiel zwischen den grunds?tzlich starren Strafgesetzen und den gesellschaftlichen Ver?nderungen macht es manchmal notwendig, da? der Gesetzgeber in die Befugnisse der Strafrechtspflege eingreift.
Daraus ergibt sich, da? die M?glichkeiten einer Amnestie prinzipiell grenzenlos und - meiner Einsch?tzung nach - nur von einer entsprechenden politischen Mehrheit der Parlamente abh?ngig sind.
Vorausgesetzt der Wille und die Mehrheit in den Parlamenten ist vorhanden, kann alles und jeder amnestiert werden.
Die Gefahren, die damit verbunden sind (Ansehensverlust der Politiker, fehlende Bereitschaft zur Vers?hnung, mangelnde Stabilit?t des Staates, Gew?hnungseffekte), bedingen dann zum Teil die Grenzen.
Weitere Grenzen ergeben sich aus verfassungsrechtlichen Schranken (Gesetzesform, Gesetzgebungskompetenz, Willk?rverbot, Rechtsstaatsgebot), pragmatischen ?berlegungen (Amnestiew?rdigkeit, tabula rasa) oder schlicht der Vernunft (Vorauswirkungsverbot, Verbot der Selbstbeg?nstigung und Individualamnestie).

Eine Amnestie kann zur Befriedung einer gesellschaftlichen Ver?nderung geboten sein. Eine inflation?re Verwendung der Amnestie als politisches Gestaltungsmittel ist dagegen abzulehnen.
Auch wenn andere Staaten (Frankreich, ?sterreich, Italien) h?ufig von Amnestien Gebrauch machen, wird man sie trotzdem nicht als instabil bezeichnen, oder ihnen gar den rechtsstaatlichen Charakter absprechen wollen. In der Bundesrepublik hat man wahrscheinlich wegen den Erfahrungen aus der Zeit der Weimarer Republik und des III. Reiches eine generelle Scheu entwickelt, gro?z?gig oder h?ufig zu amnestieren. Diese Scheu ist sicherlich auch gerechtfertigt, wenngleich eine unnachgiebige Verfolgung der Straft?ter bis hin zur vollst?ndigen Verb??ung der Strafe kritisch zu hinterfragen ist. Schlie?lich ist h?ufig eine Verfolgung oder Aufkl?rung der Straftat nicht m?glich, so da? sich hier „Systemungerechtigkeiten" bilden k?nnen.
Eine Amnestie sollte jedenfalls nicht dazu mi?braucht werden, um Strafverfolgungs- oder -vollzugsdefizite zu kaschieren.

Ein abschlie?ender Gedanke gilt der verdeckten oder „kalten" Amnestie. Ich halte es f?r unklug, wenn sich die Politik - aus welchen Gr?nden auch immer - ihrer Verantwortung zur Gestaltung entzieht und dies der Rechtsprechung ?berl??t. Dies ist nicht nur aus Gr?nden der Gewaltenteilung bedenklich. Politische Leitungsakte sollten meiner Meinung nach die Richtung vorgeben. Dabei schadet vielleicht eine nicht ganz gelungene Amnestie weniger, als eine unterlassene.