Werner Doralt, der Doyen des osterreichischen Steuerrechts, ist aufgebracht. Einer seiner ehemaligen Studenten hatte sich um eine Stelle in einem OVP-gefuhrten Ministerium beworben. Er berichtete Doralt, man habe ihm nahegelegt, der OVP beizutreten oder, wenn schon nicht dieser, dann doch zumindest dem konservativen Osterreichischen Cartellverband (OCV). Doralt, der selbst als OVP-nah gilt, schrieb an den damaligen Bundesparteiobmann und fragte nach der OVP-Position zum Thema Parteibuchwirtschaft. Michael Spindelegger (Norica) ließ schließlich mitteilen, man lehne Parteibuchwirtschaft rundum ab.

Kurze Zeit spater wurde der Linzer Jus-Professor und Steuerrechtler Markus Achatz, Mitglied der CV-Verbindung Carolina, vom Nationalrat als Verfassungsrichter vorgeschlagen. Achatz, ein enger Berater der damaligen Finanzministerin Maria Fekter (OVP), sei als freiberuflicher Steuerberater besonders fur die Stelle qualifiziert, hieß es aus dem OVP-Klub. Diesem stand nach großkoalitionarem Proporz das Vorschlagsrecht zu. Ein auf Steuerrecht spezialisierter Richter des Verwaltungsgerichtshofs mit 20 Jahren hochstrichterlicher Berufserfahrung hatte hingegen das Nachsehen. Ungerechtfertigt, so Doralt. In einem Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse" im Dezember 2012 beschuldigt er die OVP der Parteibuchwirtschaft und den CV der Heuchelei. Achatz sei nur Richter am Verfassungsgerichtshof geworden, weil er uber entsprechende Kontakte zum Cartellverband verfugt habe: "Ware er nicht beim CV, dann ware er heute ganz sicher nicht beim VfGH."

Die Dominanz des Cartellverbands

Die Beziehungen zwischen Volkspartei und Cartellverband sind traditionell eng, bis auf Wolfgang Schussel waren alle OVP-Bundeskanzler seit 1945 auch in CV-Verbindungen aktiv. Cartellverband und Volkspartei erscheinen bisweilen wie zwei Seiten einer Medaille. Der CV versorgt die Partei mit Nachwuchs, der dort angekommen die gemeinsamen Werte hochhalt. Lukas Mandl, Mitglied der Verbindung Rhaeto-Danubia, ist in der OVP fur Personalentwicklung zustandig. Er sieht zwischen den beiden Bewegungen vor allem ideologische Schnittstellen: "Die OVP ist nach ihrem Programm die Christ-demokratische Partei, und naturlich hat der christliche Glaube im Cartellverband eine ganz starke Bedeutung." Von der Grundhaltung im CV passe sicher einiges mit dem Programm der OVP zusammen, so Mandl.

"Der OCV dient der OVP seit jeher als ein Personalreservoir", sagt Bernhard Weidinger, Politikwissenschafter mit Schwerpunkt Studentenverbindungen.
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CVer und Nicht-CVer.

Volkspartei und Cartellverband verbinden aber nicht nur inhaltliche Positionen. In der Partei und in deren Umfeld ergaben sich fur die gut vernetzten CV-Mitglieder lange Zeit die besten Karrierechancen. Nur unter den Nicht-CVern Josef Riegler, Erhard Busek und Wolfgang Schussel durchlief die Lebensfreundschaft zwischen OVP und Cartellverband ein kurzzeitiges Tief. Schussel, wie sein Vorganger Busek in der Katholischen Hochschuljugend sozialisiert, ließ die Verbindungsbruder bei seinen Personalentscheidungen regelmaßig außen vor. Die Obmannschaft Michael Spindeleggers bereitete der Vernachlassigung 2011 ein jahes Ende. Unter Schussel gehorte mit Andreas Khol (Raeto-Bavaria) nur ein CVer zu den Entscheidungstragern in der OVP. Zu Spindeleggers Amtszeit kehrte sich das Verhaltnis beinahe um: Mit Sebastian Kurz und Andra Rupprechter waren zwischendurch nur noch zwei der mannlichen OVP-Regierungsmitglieder nicht in einer OCV-Verbindung. Selbst Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die als Frau vom Cartellverband ausgeschlossen ist, gehort der katholischen Damenverbindung Babenberg-Klosterneuburg an.

Auch wenn die beiden Neuen im OVP-Regierungsteam, Finanzminister Hans Jorg Schelling und Staatssekretar Harald Mahrer, keine Verbandsmitglieder sind, durfte sich das grundlegende Verhaltnis zwischen OVP und CV unter dem neuen Parteiobmann und CVer Reinhold Mitterlehner (Austro-Danubia) kaum andern. Immer noch sind zwei Minister, sechs Nationalratsabgeordnete und vier Mitglieder des Bundesrats CV-Mitglieder.

Dass sich die Stellung des CV innerhalb der Osterreichischen Volkspartei wieder gefestigt hat, findet auch Hans Magenschab, Mitglied der Bajuvaria, ehemaliger Chefredakteur der "Wochenpresse" und spater auch Pressesprecher von Bundesprasident Thomas Klestil, ebenfalls ein Bajuvare. Unter Schussel hatten sich einige in der Volkspartei "gegen den CV auf die Reise gemacht", sagt Magenschab. Diese Gruppe sei es auch gewesen, die ? gegen den Willen der fuhrenden CVer in der Partei ? die Koalition mit der FPO durchgesetzt habe. Nach den negativen Erfahrungen mit Schwarz-Blau hatten nun wieder CV-nahe Kreise das Ruder ubernommen: "In der OVP hat sicherlich der CV derzeit das Sagen."

"Man lernt das politische Geschaft im CV sehr gut. Man lernt auch das Intrigieren", sagt Hans Magenschab.
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Dieter-Anton Binder vom Institut fur Geschichte der Universitat Graz beschaftigt sich mit studentischen Verbindungen. Er halt den Cartellverband fur keine besonders wirksame Lobby: "Der CV ist als Verband nicht einflussreich. Was funktioniert, sind personliche Naheverhaltnisse." Magenschab halt Seilschaften innerhalb der OVP jedoch nicht fur institutionell: "Ich wurde sagen, es passiert, dass man sich kennt. Es gibt Jahrgange, wo sehr viele zum CV gegangen sind. Eine Systematik kann man hier nicht erkennen."

"Es passiert, dass man sich kennt"

Im politischen Spiel sei es schließlich unvermeidlich, jemanden auszusuchen, den man schon irgendwie kenne: "Das gilt genauso fur die Sozialistische Jugend. Sehen Sie sich die Karriere des derzeitigen Bundesprasidenten an. Der war ein junges Mitglied, ist dann in den Verband Sozialistischer Studenten ubernommen worden, hat dort Pittermann und Kreisky kennengelernt. Die haben seine Talente erkannt und genutzt, und er ist Stufe fur Stufe aufgestiegen. Was hatte anders laufen sollen, oder wie hatte es besser laufen sollen?"

Die Angst einiger Cartellbruder: aus Furcht vor dem Vorwurf der Freunderlwirtschaft bei Besetzungen nicht zum Zug zu kommen. Werner Doralt findet solche Aussagen "eigentlich fur sich schon schamlos". Es sei fur ihn schwer vorstellbar, dass jemand durch die CV-Mitgliedschaft einen beruflichen Nachteil haben konnte. Das habe auch der Bestellvorgang am Verfassungsgerichtshof gezeigt.

"Fur mich war das vollkommen klar: Ohne Mitgliedschaft zum CV ware dieser Kollege niemals Verfassungsrichter geworden", sagt Werner Doralt.
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OVP-Personalentwickler Mandl sieht die starke politische Aktivitat von Verbindungsmitgliedern vor allem in den Erfahrungen begrundet, die man im Verband macht. Samtliche Funktionen im Cartellverband wurden in kurzen Abstanden gewahlt, und auch uber Entscheidungen werde demokratisch abgestimmt. Die Verbindung habe ihm außerdem durch rhetorische Schulungen geholfen und durch die "Art und Weise, wie man miteinander in einer Gemeinschaft Entscheidungen trifft". An den karrierefordernden Charakter des Cartellverbands glaubt Mandl hingegen nicht: "Wenn sich ein Politiker nicht nur im stillen Kammerlein aufhalt, sondern auch auf Verbindungen begibt oder zu anderen Vereinen geht, dann fuhrt er dort Gesprache. Aber ganz ehrlich: Ich konnte nicht sagen, ob ich mehr oder weniger Gesprache mit Politikern fuhre, weil ich bei einer Verbindung bin." Er selbst wurde niemanden rekrutieren, bloß weil er ihn aus Verbindungen kennt: "Es muss in der Berufswelt uberall um Qualifikation gehen."

"Wer nur Karriere machen will, passt sicher nicht in eine Verbindung." Lukas Mandl, OVP-Landtagsabgeordneter

Die massive Prasenz von Verbindungsmitgliedern in der OVP und den von ihr kontrollierten Bereichen der Verwaltung lasst daran zweifeln, dass Qualifikation wirklich immer das wichtigste Kriterium bei der Postenbesetzung ist.

Karrierechancen

In den Kabinetten der OVP-gefuhrten Ressorts herrscht jedenfalls kein Mangel an gut vernetzten Cartellbrudern. Im Justiz- sowie im Familienministerium sind die Kabinettschefs, Alexander Pirker (Traungau) und Johannes Peterlik (Bajuvaria), im CV korporiert. Ein CV-Mitglied findet sich im Ministerburo fur Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Im Innenressort und im Finanzministerium sind je zwei Kabinettsmitarbeiter dabei. Im Wirtschafts- und Wissenschaftsressort sind ebenfalls zwei Manner aus dem Ministerburo beim CV, einer davon, Markus Preiner, in der Austro-Danubia und somit in derselben Verbindung wie sein Ressortchef Mitterlehner.

Die Praxis der letzten Jahre, immer mehr ehemalige Kabinettsmitarbeiter in Sektionsleiterposten zu hieven, tragt nicht nur zur politischen Ein- und Umfarbung der Ministerien bei, sondern wirkt sich offenbar auch auf die Quote an CV-Mitarbeitern aus. Besonders der Wirtschaftsteil des Ministeriums von OVP-Chef Mitterlehner fallt mit einem uberdurchschnittlichen Anteil an CVern auf. Die Verbindungen zur Volkspartei sind dabei oft ebenso offensichtlich. So war Sektionschef Matthias Tschirf (Sangerschaft Waltharia) fruher OVP-Klubobmann im Wiener Landtag. Von 72 leitenden Beamten unterhalb der Sektionsleiterebene sind elf Mitglieder von CV-Verbindungen, alle anderen Ministerien gemeinsam kommen im selben Beamtensegment auf insgesamt 16 korporierte CVer. Auffallig sind auch die Karrieren einzelner Staatsdiener im Wirtschaftsministerium. Florian Haas, der in der Verbindung Aargau ist, wurde von Reinhold Mitterlehner mit nur 34 Jahren zum Abteilungsleiter gemacht. Sein Kollege Alexander Mickel von der Rugia sitzt auch im Vorstand des OAAB Wien, einer seiner Leibfuchse arbeitet ebenfalls im Wirtschaftsressort. Mickel ist außerdem Ehrenphilister bei der Verbindung Carolina, der auch einer seiner Abteilungsmitarbeiter angehort.

Haufig finden sich unter den Korporierten bemerkenswerte Karrieren in noch jungen Jahren. Johannes Peterlik (Bajuvaria) war bereits Pressesprecher von Benita Ferrero-Waldner, wurde mit 37 Jahren Osterreichs jungster Botschafter und ist nun Kabinettschef von Familienministerin Sophie Karmasin. Oft ist die CV-Mitgliedschaft auch nur ein Bestandteil in einem ganzen Potpourri aus karrierefordernden Faktoren. So gehort Michael Linhart, der unter Spindelegger Generalsekretar im Außenministerium wurde, ebenso wie sein jungerer Bruder Markus, der Burgermeister von Bregenz, der Verbindung Babenberg an. Zudem waren, wie so oft bei Beamten im Außenministerium, die Vater von Linhart und Peterlik bereits Diplomaten.

In den Landern

In den Bundeslandern zeichnet sich ein differenziertes Bild des CV-Einflusses, in dem Niederosterreich, Oberosterreich und Salzburg als Hochburgen der Verbindungswelt auffallen. Von den osterreichweit 35 Mitgliedern von Landesregierungen, die der OVP angehoren, sind zehn gleichzeitig auch CVer. An der Spitze stehen die Landeshauptmanner Josef Puhringer (Ehrenmitglied Severina und andere), Wilfried Haslauer (Rheno-Juvavia und andere) und Erwin Proll (Ehrenmitglied Rhaeto-Danubia und andere).

Auch in den Landtagsklubs sind die CVer vertreten: Vier von 30 OVP-Mandataren in Niederosterreich sind im CV korporiert. In Oberosterreich, Wien und Tirol sind es je zwei, in Salzburg und Vorarlberg einer. Im Burgenland, der Steiermark und Karnten sitzt kein CVer im Landtag.

Bemerkenswert ist, dass der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schutzenhofer Ehrenmitglied der Carolina ist. Die steirische OVP, deren Fuhrungsriege lange Zeit die Katholische Hochschuljugend dominierte, bildete fruher eine bundesweite Ausnahme, was ihr Verhaltnis zum Cartellverband betraf. Josef Krainer sen. und jun. hielten die OVP absichtlich frei von CVern, weil sie glaubten, die Partei dadurch gegenuber rechts und kulturell-links offener zu halten. Wer in Graz etwas werden wollte, sollte lieber nicht Mitglied einer Verbindung sein. Wie Vergleiche in Verwaltung und Politik zeigen, wirkt diese Einstellung immer noch nach. Mit ihrem CV-kritischen Kurs steht die als rebellisch bekannte Landespartei osterreichweit jedoch allein da.

Regionales Gefalle.

Dass die Verflechtung zwischen CV und OVP auf Landerebene durchaus unterschiedlich stark ausgepragt ist, zeigt sich auch bei den Landesparteivorstanden, unter denen Oberosterreich deutlich hervorsticht. In der Fuhrungsebene der Landespartei von Josef Puhringer sind zehn von 23 Mitgliedern, also knapp 44 Prozent, CVer; unter den Mannern im Gremium ergibt sich sogar eine Quote von knapp 63 Prozent. In Tirol liegt der CV-Anteil bei 24 Prozent, im Salzburger Parteivorstand bei knapp 20 Prozent. Die niedrigsten Anteile an CVern im Landesparteivorstand haben Karnten (7 Prozent), Vorarlberg und die Steiermark (je 10 Prozent).

Jenseits der Standardabweichung

Wenig uberraschend fuhren die OVP-regierten Bundeslander auch bei der CV-Dichte unter den Landesbediensteten die Statistik an. Von den korporierten Abteilungsleitern in Niederosterreich war einer Leibfuchs von Michael Spindelegger, ein weiterer Leibfuchs des OVP-Landtagsabgeordneten Martin Michalitsch. Alle vier gehoren der Verbindung Norica an.

Auch anderswo scheinen personliche Beziehungen und berufliche Karrieren eng verflochten zu sein: In Tirol arbeitet der Leibfuchs von Landesveterinardirektor Josef Kossler aus der Rugia, Paul Ortner, als dessen Stellvertreter in der Veterinardirektion.

Auch Oberosterreich (drei von 39), Tirol (sechs von 85) und Salzburg (sieben von 88) zeigen signifikante Anteile an CV-Mitgliedern auf Fuhrungsposten in den Amtern der Landesregierungen. Dagegen sind in der Steiermark sowie in Karnten, Wien und dem Burgenland keine fuhrenden Beamten Mitglieder einer CV-Verbindung. Niederosterreich aber sticht noch unter einem weiteren Gesichtspunkt aus der Gruppe der Bundeslander hervor: Alle sechs CVer unter den osterreichweit 80 Bezirkshauptleuten sind dort tatig. Das ergibt eine CV-Quote von 35 Prozent unter den niederosterreichischen Bezirkshauptmannern.

Eine einfache Rechnung belegt, wie weit entfernt von bloßen Zufallen diese Zahlen sind. Laut der Volkszahlung 2011 hatten 436.633 Manner im Erwerbsalter einen tertiaren Bildungsabschluss. In der Datenbank des CV finden sich fur das Jahr 2014 12.250 Personen aller Altersgruppen. Dementsprechend betragt der Anteil von CV-Mitgliedern unter allen mannlichen Akademikern in Osterreich hochstens 2,8 Prozent. Die zum Teil um das Zehnfache hoher liegenden Zahlen an CVern in der offentlichen Verwaltung deutet auf politische Einflussnahmen hin.

Der Jurist Werner Doralt verurteilt solche Formen der Protektion scharf: "Die Alteren wissen genau, was sie dem CV schuldig sind. Sie sind diesem insbesondere schuldig, dass sie die jungeren Leute beruflich fordern, und damit sind wir in der Protektionswirtschaft. Und durch die enge Verbindung des CV zur OVP immer auch mitten in der Parteibuchwirtschaft."

Die pinke Konkurrenz

Das Verhaltnis zwischen OVP und CV war lange exklusiv, Konkurrenz nicht willkommen. Seit dem Erfolg der Neos bei der Nationalratswahl artikuliert und verteidigt man diese konservative Intimbeziehung zwischen Volkspartei und Cartellverband auch vermehrt nach außen. So kam es zu einer zunachst CV-internen Diskussion uber ein Verbot der Doppelmitgliedschaft bei den Neos, die schließlich auch medial ausgetragen wurde. Ein solches Verbot wurde bereits 1994 fur das Liberale Forum beschlossen, das sich fur das Recht auf Abtreibung eingesetzt hatte. Der Beschluss gelte nach der Fusion von LIF und Neos weiterhin, argumentierten VP-nahe Kreise im Cartellverband. "Damit werden wir uns wohl bald von Cartellbrudern, die bei den Neos sind, verabschieden", zitierte "Die Presse" Cartellbruder Gerhard Loub (Rhaeto-Danubia), Mitarbeiter der Bundes-OVP. Nur wenige CVer in der OVP geben sich den neuen Liberalen gegenuber so aufgeschlossen wie Lukas Mandl: "Ich finde es gut, wenn Mitglieder von Verbindungen in verschiedenen Parteien aktiv sind. Das zeigt die vielen verschiedenen Zugange, die man haben kann." Tatsachlich wurde bei der 58. Cartellvollversammlung im Fruhsommer 2014 ein Antrag mit dem Titel "Der mundige CVer" angenommen, der auf ein Abrucken von der bisherigen Einheitsfront mit der OVP hindeuten konnte. Darin heißt es, der Cartellverband verstehe sich "nicht als politische Vorfeldorganisation". Eine "eigenverantwortliche Entscheidungsfindung aus den Prinzipien heraus" sei außerdem "weitaus geeigneter, die Bindung an unsere gemeinsame Weltanschauung zu starken, als Entscheidungen, die lediglich auf Grund von Vorgaben von Organen" erfolgten.

"Es gibt auch bei den Neos auf allen Ebenen CVer." Josef Lentsch, Leiter des Neos-Lab

Auch die Neos haben sich sichtlich bemuht, die Wogen im Verhaltnis zum CV zu glatten. So verkundete Parteichef Matthias Strolz ausgerechnet bei einem Gesprach mit CV-Mitgliedern die Ablose des besonders bei strammen Katholiken in die Kritik geratenen Religionssprechers Niko Alm. Es gehe darum, das Interesse liberaler und burgerlicher Kreise an den Neos zu wahren, meint Josef Lentsch, Direktor des Neos-Lab und Mitglied der Austro-Peisonia: "Naturlich wissen wir, dass liberale Burgerliche sehr wohl ein Interesse an den Neos haben. Hier gibt es eine Schnittmenge mit anderen Parteien. Uns ist wichtig klarzustellen, worum es uns geht, und sicherzustellen, dass das nicht von anderen missinterpretiert wird."

"Die Mitglieder, die hier agitiert haben, haben sich zuruckgezogen. Das ist gut so, ich glaube, dass war unangemessen. Ich glaube, dass war unangemessen, ich glaube, dass Verbandsinteressen vorgeschoben worden sind und in Wirklichkeit waren da Parteieninteressen dahinter. Das ist schade, das ist auch nicht im Sinne der amicitia des CV. Ich glaube, dass haben die Mitglieder zumindest so akzeptiert und ich hoffe, dass es einfach auch damit erledigt ist." - Chef des Neos-Lab, Josef Lentsch.
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Von einer weitreichenden Offnung des CV gegenuber anderen Parteien kann trotzdem nicht die Rede sein. Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind praktisch nur OVP-Politiker Mitglieder in CV-Verbindungen.

Fur dumm verkauft

Das bringt uns wieder zuruck zum Anfang: Michael Spindelegger war erst auf Nachfrage bereit, gegenuber Werner Doralt die offizielle Position der OVP zur Parteibuchwirtschaft zu prazisieren. Diese wurde fur Parteimitglieder Konsequenzen "bis zum Parteiausschluss" nach sich ziehen, erklarte der damalige OVP-Obmann. Doralt halt das fur eine wenig glaubwurdige Aussage. Sein Buro, das sich im selben Haus wie mehrere CV-Verbindungen befindet, wurde nach seiner Kritik an der OVP zum Ziel eines Buttersaureangriffs. Er meint: "In Anbetracht dessen, was wir ja laufend erleben, verkauft er die Leute eigentlich fur dumm. Und ich glaube, das Dummste, was ein Politiker machen kann, ist, die anderen Leute fur dumm zu verkaufen." Das durfte auch fur den neuen Parteichef gelten.

Inzwischen hat wieder einmal ein CVer den anderen an der Spitze der Volkspartei abgelost. Reinhold Mitterlehners erstes "ZiB 2"-Interview als OVP-Chef deutete bereits darauf hin, dass sich an der Verbundenheit der Partei mit dem Cartellverband nichts andern wird. Auf seine CV-Mitgliedschaft und seinen Vulgo "Django" angesprochen, meinte er: "Das finde ich eine ganz, ganz positive Ausrichtung, was den Cartellverband anbelangt. Und ich glaube, dass dort wirklich auch viel an Qualitat da ist. Und dass man aber das naturlich in der Praxis im jeweiligen Beruf oder auch politisch beweisen muss."

Was den OCV von Burschenschaften unterscheidet, warum Engelbert Dollfuß noch immer in einigen Verbindungen Ehrenmitglied ist und was den Cartellverband am Sudsudan interessiert, lesen Sie im nachsten Teil der Serie .